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PRESSEKONFERENZ/1838: Regierungspressekonferenz vom 25. März 2019 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Im Wortlaut
Mitschrift der Pressekonferenz - Montag, 25. März 2019
Regierungspressekonferenz vom 25. März 2019


Themen: mögliche Einführung einer Impfpflicht gegen Masern, Verkehrssicherheitsaktion von BMVI und Deutschem Verkehrssicherheitsrat "Looks like shit. But saves my life.", 20. Jahrestag des Beginns der Operation Allied Force, Interviewäußerungen des BAMF-Präsidenten, Speicherung von Bodycam-Daten deutscher Polizisten auf Amazon-Servern in den USA, Bericht des US-Sonderermittlers Robert Mueller, EU-Urheberrechtsreform, Genehmigung der Beschäftigung von Leiharbeitern als Kabinenpersonal von Ryanair, geplante steuerliche Forschungs- und Entwicklungsförderung, von der rumänischen Ministerpräsidentin angekündigte Verlegung der rumänischen Botschaft in Israel nach Jerusalem, Reise von Sigmar Gabriel nach Nordkorea, Abschluss eines Memorandum of Understanding zwischen Italien und China über eine Zusammenarbeit im Rahmen der Initiative "One Belt, One Road", Gefährderzahlen, Pläne zu mehr europäischer Kooperation beim Rüstungsexport, völkerrechtlicher Status der Golanhöhen, Interviewaussagen des Bundesaußenministers zur Lage in Venezuela

Sprecher: StS Seibert, Gülde (BMG), Friedrich (BMVI), Audretsch (BMFSFJ), Breul (AA), Petermann (BMI), Jäger (BMAS), Wogatzki (BMF), Marx (BMBF), Dr. Krüger (BMJV)

Vorsitzende Buschow eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt StS Seibert sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

Frage: Ich wüsste gern, wie das Gesundheitsministerium die aktuelle Debatte um die Impfpflicht gegen Masern sieht und ob es konkrete Vorhaben gibt, etwas in dieser Hinsicht zu tun.

Gülde: Vielen Dank für die Frage. Die steigende Zahl an Maserninfektionen in Deutschland macht uns tatsächlich große Sorgen. Eine Maserninfektion wird zu häufig auf die leichte Schulter genommen, obwohl sie böse verlaufen kann. Von daher begrüßen wir die Debatte über mögliche Maßnahmen.

Aktuell kann ich Ihnen aber, da es sich um laufende Gespräche handelt, noch nichts zu tatsächlichen Regelungsinhalten beziehungsweise Verfahrensdetails mitteilen.

Zusatzfrage: Herr Spahn hat sich schon früher für die Impfpflicht ausgesprochen. Ist davon auszugehen, dass der Gesundheitsminister das weiterhin so halten wird?

Gülde: Wie Sie wissen, haben wir in der vergangenen Legislaturperiode die Regelungen zum Infektionsschutz noch einmal deutlich nachgeschärft. Dabei ging es unter anderem um das Präventionsgesetz. Wir haben eine verpflichtende Impfberatung für den Kitaeintritt eingeführt. Jetzt geht es darum, zu schauen, wie weit diese Maßnahmen tatsächlich greifen. Das beobachten wir sehr aufmerksam.

Es handelt sich, wie gesagt, um laufende Gespräche. Ich kann jetzt noch nichts zu konkreten Details oder Regelungsinhalten sagen.

Frage: Eine Frage an das Verkehrsministerium zur neuen Kampagne zum Thema Helm für Radfahrer und Radfahrerinnen "Looks like shit. But saves my life.": Ihrem Haus wurde wegen der Abbildung leicht bekleideter weiblicher und männlicher Models Sexismus vorgeworfen. Warum haben Sie diese Darstellungs- und Kampagnenform gewählt?

Zum selben Thema an das Familienministerium: Frau Giffey hat im Netz ein Foto von sich auf dem Rad veröffentlicht und gepostet: "Lieber Andreas Scheuer: MIT HELM GEHT AUCH ANGEZOGEN!" Wird das Familienministerium dem Verkehrsministerium empfehlen, diese Kampagne zu stoppen, um solche Vorwürfe aus dem Weg zu räumen?

Friedrich: Zunächst generell zur Kampagne: Mit dieser Aktion - es ist eine gemeinsame Aktion von BMVI und dem Deutschen Verkehrssicherheitsrat, dem DVR im Rahmen der Kampagne "Runter vom Gas" - soll insbesondere eine schwer erreichbare Zielgruppe angesprochen werden. Das ist die Zielgruppe der 17-bis 30-Jährigen, vor allem junge Frauen und Männer. In dieser Zielgruppe ist es besonders schwer, die Menschen dazu zu bewegen, Helme zu tragen. Die Quote der Helmtragenden beträgt in dieser Altersgruppe aktuell 8 Prozent. Umfragen zeigen, dass vor allem diese Zielgruppe zum Beispiel um ihr Aussehen, die Frisur oder Ähnliches fürchtet.

Wir sind davon überzeugt, dass wir mit dieser Kampagne vor allem die junge Zielgruppe erreichen, also vor allem auch die jungen Frauen ansprechen, dass wir sensibilisieren und zu einer besseren Akzeptanz des Fahrradhelms beitragen. Grundsätzlich wollen wir generell mit Verkehrssicherheitskampagnen aufrütteln, polarisieren und Aufmerksamkeit für die Aktion schaffen, aber auch dafür, dass Menschenleben gerettet werden können, wenn man auf Sicherheit achtet. Es geht uns auch darum, neue Wege zu gehen und Aufmerksamkeit zu erzeugen, sodass die Botschaft bei der Zielgruppe ankommt, es zu Handlungen kommt und Handlungsempfehlungen übernommen werden.

Sie haben auch nach der Kritik gefragt. Wir können die Kritik von verschiedenen Seiten absolut nachvollziehen. Aber wir stehen nach wie vor hinter den Motiven. Wir stehen zu den Motiven, wie wir sie für die Kampagne "Runter vom Gas" gewählt haben. Sie erzeugen Aufmerksamkeit, und es können Leben gerettet werden - und das ist für uns der wichtigste Punkt.

Sie hatten auch erwähnt, dass es Kritik unter anderem auch von anderen Ministerien gab. Uns ist bekannt, dass es ein Foto von Frau Giffey auf einem Fahrrad mit einem Fahrradhelm gibt. Wir freuen uns natürlich, dass auch die Bundesministerin an dieser Diskussion teilnimmt und einen Beitrag dazu liefert. Jeder Beitrag, der in dieser Diskussion eingebracht wird, sorgt für weitere Aufmerksamkeit, bringt die Kampagne weiter voran und trägt dazu bei, die Zielgruppe zu erreichen. Das ist unser hauptsächliches Ziel.

Audretsch: Ich möchte vorab einmal bekräftigen, dass wir es grundsätzlich sehr gut finden, dass es eine Kampagne gibt, die für das Tragen von Helmen wirbt und dieses sehr wichtige Thema in den Mittelpunkt stellt. Es geht nicht um die Kampagne, sondern um die Art der Kampagne. Die Ministerin hat sich am Freitag in einem öffentlich bei Facebook einsehbaren Post dazu positioniert. Sie hat dort ein Bild gepostet, auf dem sie mit einem Fahrradhelm und einem Fahrrad vor dem Familienministerium zu sehen ist, und dazugeschrieben: "Lieber Andreas Scheuer: MIT HELM GEHT AUCH ANGEZOGEN!". Die Ministerin hat mit dieser Äußerung zum Ausdruck gebracht, dass sie die Kampagne des Bundesverkehrsministeriums kritisch sieht.

Zusatzfrage: Frau Friedrich, können Sie zum einen etwas zu den Kosten dieser Kampagne sagen und zum anderen, ab wann diese Plakate zu sehen sein werden?

Friedrich: Die Kosten für die Verkehrssicherheitsaktion betragen insgesamt rund 400 000 Euro. Das haben wir als Information auch auf unsere Webseite gestellt. Damit gehen wir absolut transparent um.

Die Kampagne umfasst in erster Linie Plakatmotive. Sie werden bundesweit ab morgen sowohl im öffentlichen Straßenraum als auch in den sozialen Medien zu sehen sein.

Grundsätzlich kann ich noch anfügen, dass wir sehr verantwortungsvoll mit den Kosten umgehen. Vergleichbare Kampagnen haben in der Vergangenheit vergleichbare Kosten bei weit weniger Reichweite erzeugt.

Frage : Wer im Haus hat das abgesegnet? War das der Minister selbst, oder hätte er das vielleicht verhindern können?

Herr Seibert, wie bewerten Sie als Sprecher der Bundesregierung solch eine sexistische Provokation? Ist das ein geeignetes Mittel für Werbung, für PR der Bundesregierung?

Friedrich: Sowohl die Kampagne als auch die Motive sind eine Idee, die aus vielen gemeinsamen Gesprächen zwischen dem Bundesministerium und der Agentur Scholz & Friends entstanden ist. Es ist eine Kampagne des Bundesverkehrsministeriums gemeinsam mit dem Deutschen Verkehrssicherheitsrat. Ich kann es nur noch einmal wiederholen: Wir stehen zu den Motiven. Die Motive erreichen genau das Ziel. Sie sorgen für Aufmerksamkeit, sie führen zu einer Diskussion, und sie sorgen dafür, dass Handlungsempfehlungen weitergetragen werden, und zwar zu genau der Zielgruppe, die wir auch erreichen wollen.

StS Seibert: Sicherheit im Verkehr - das haben Sie, denke ich, gerade deutlich von beiden Kollegen gehört - ist der ganzen Bundesregierung ein wichtiges Anliegen. Das heißt auch ganz konkret Sicherheit von Fahrradfahrern; denn diese sind oft ein, sicherheitstechnisch gesehen, schwaches Glied im Verkehr. Die Zahl, die die Kollegin genannt hat, dass nur 8 Prozent der 17- bis 30-Jährigen beim Fahrradfahren einen Helm tragen, muss einen schon nachdenklich machen, vielleicht auch besorgt. Also müssen wir alle immer wieder dazu beitragen, dass das Bewusstsein dafür zunimmt, wie wir Unfälle am besten ganz vermeiden oder wenigstens, indem Helme getragen werden, die Folgen von Unfällen lindern können.

Die Frage, wie dieses wichtige Sicherheitsanliegen dann in einer Kampagne umgesetzt wird, ist geradezu klassisch eine Ressortaufgabe.

Zusatzfrage : Wollen Sie als Sprecher der Bundesregierung, als Sprecher der Kanzlerin, die ja eine Frau ist, darauf jetzt nicht reagieren? Denn es geht ja um die sexistische Darstellung gerade von Frauen.

Herr Audretsch, gibt es für Ihr Ministerium ein Thema, bei dem man halbnackte Frauen in einer Kampagne einsetzen darf?

StS Seibert: Ich sehe in der Umsetzung solcher Kampagnen eine Ressortaufgabe. Deswegen habe ich das gesagt, was ich zu sagen hatte.

Audretsch: Vielleicht beginne ich an der Stelle mit einem Auszug aus dem Koalitionsvertrag als Grundlage. Darin ist auf Seite 25 zu lesen:

"Sexismus begegnet uns täglich und überall - in Medien und Kultur, in der Werbung, am Arbeitsplatz und in der Politik. Sexismus würdigt Menschen aufgrund ihres Geschlechts herab. In einer offenen, modernen und gleichberechtigten Gesellschaft hat Sexismus keinen Platz. Wir wollen Sexismus bekämpfen, Maßnahmen dagegen entwickeln und erfolgreiche Projekte fortführen."

Zu Ihrer konkreten Frage möchte ich auf die Definition von Sexismus, mit der wir arbeiten, verweisen. Sie lautet, wie folgt: Sexistisch sind Werbemotive, die die Darstellung stark sexualisierter Frauen als reinen Blickfang ohne Produktbezug benutzen. - Ich würde das jetzt nicht auf einzelne Produkte herunterbrechen und nicht in einzelnen Beispielen ausdefinieren wollen. Aber das sind die Grundlagen, auf denen wir arbeiten.

Frage: Fast nackte Frauen wurden in der Vergangenheit eigentlich immer in Werbekampagnen eingesetzt, bei denen es um Männer als Zielgruppe ging. Ich wundere mich jetzt ein bisschen. Diese Kampagnen sind in der Vergangenheit extrem in die Kritik geraten, nicht nur durch #MeToo oder #aufschrei. Sie sagten, Ihre Zielgruppe seien junge Frauen. Müssten Sie dann nicht konsequenterweise halbnackte junge Männer abbilden?

Friedrich: Konsequenterweise umfasst diese Kampagne auch Männer als Motive, nicht nur Frauen, sondern auch Männer. Das kann man auf unserer Webseite und auch bei uns auf Twitter sehen. Sie sind Teil der Kampagne. Auch wenn es in erster Linie um junge Frauen geht, wollen wir auch junge Männer erreichen.

Frage: Bei Betrachtung der Motive könnte man auch auf den Gedanken kommen, es handele sich um eine Kampagne für die Helmpflicht im Bett. Denn die leicht bekleideten Menschen tragen die Helme zum Teil im Bett. Worauf zielt das ab?

Sie haben gesagt, es solle provozieren und Aufmerksamkeit erregen. Das tun diese Motive sicherlich. Was passiert, wenn Verkehrsteilnehmer, Autofahrer, durch solche Motive abgelenkt, dann einen Radfahrer übermangeln? Sind das Kollateralschäden, die Sie billigend in Kauf nehmen? Das kann man bei solchen Motiven ja nicht ausschließen. Denn sie lenken eben auch ab.

Wenn Sie sagen, es diene besonders zum Schutz von Radfahrern, wäre es dann nicht geboten, sich für den verpflichtenden Abbiegeassistenten einzusetzen? Denn die meisten Radfahrunfälle, ob mit oder ohne Helm, werden nun einmal durch Lkw verursacht.

Friedrich: Grundsätzlich einmal zu den Motiven der Kampagne: Es werden unterschiedliche Situationen abgebildet, nicht nur eine einzige.

Was die Aufmerksamkeit im Straßenverkehr angeht, so ist natürlich jeder Verkehrsteilnehmer aufgerufen, vorausschauend und aufmerksam zu fahren. Auch jede andere Sache kann einen Verkehrsteilnehmer ablenken. Diese Motive sollen in erster Linie Aufmerksamkeit erzeugen. Wir können jetzt nicht vorwegnehmen, in welcher Form jeder einzelne Verkehrsteilnehmer reagieren wird. Wir gehen natürlich davon aus, dass jeder vorausschauend und natürlich auch verantwortungsvoll am Steuer des Autos sitzt. Das gilt natürlich auch für jeden anderen Verkehrsteilnehmer.

Was den Abbiegeassistenten angeht, setzt sich das BMVI sehr dafür ein, dass der Abbiegeassistent verpflichtend eingeführt wird. Wir sind hierfür allerdings auf europäische Entscheidungen - - - Es hängt davon ab, dass das verpflichtend eingeführt wird. Nichtsdestoweniger haben wir bereits eine freiwillige Aktion durchgeführt, nämlich die Aktion Abbiegeassistent. Wir haben auch ein Förderprogramm, um zu befördern, dass Abbiegeassistenzsysteme in Lkw eingebaut werden. Wir setzen uns sehr dafür ein. Erst letzte Woche wurde die erste Allgemeine Betriebserlaubnis übergeben, sodass auch die technischen Voraussetzungen gegeben sind. Auf deutscher Seite wird also sehr viel getan, um den europäischen Entscheidungen vorzuarbeiten, sodass man hier schon die Möglichkeit eröffnet, die Verkehrssicherheit auch über Abbiegeassistenzsysteme zu gewährleisten.

Darüber hinaus setzen wir uns auf europäischer Ebene natürlich dafür ein, dass bei diesem Thema sehr viel vorangebracht wird. Nichtsdestoweniger geht es auf europäischer Ebene nicht so schnell, wie wir es uns wünschen würden. Deshalb setzen wir im Moment auch auf eigene Maßnahmen.

Zusatzfrage: Sie stecken mit der Kampagne aber doch im Zielkonflikt. Zum einen sagen Sie, Sie gingen davon aus, dass sich jeder Verkehrsteilnehmer, weil er auch die Pflicht dazu hat, auf den Verkehr konzentrieren und vorausschauend fahren müsse. Zum anderen setzen Sie aber Motive in sein Blickfeld - das tun Sie mit dieser Kampagne -, die darauf abzielen, die Aufmerksamkeit von der Verkehrssituation abzulenken. Das ist die objektive Funktion, die Sie vorher beschrieben haben. Wie gehen Sie mit diesem Zielkonflikt um?

Friedrich: Es ist Ihre Position, dass es dadurch auf jeden Fall eine Ablenkung geben werde. Ich sehe hier keinen allgemeinen Zielkonflikt.

Frage: Gibt es auch Kampagnen für ältere Menschen, was die Helmpflicht betrifft? Denn Sie zielen mit der Kampagne ja gerade auf jüngere Menschen ab.

Friedrich: Das Ziel der Kampagne ist natürlich in erster Linie, jüngere Menschen anzusprechen. Nichtsdestoweniger haben wir aber auch schon zahlreiche Reaktionen älterer Menschen auf dieses Thema bekommen, gerade auch bei Twitter und gerade im Umfeld von Mitarbeitern des BMVI. Der eine oder andere entscheidet sich gerade aufgrund der jungen Zielgruppe dafür, einen Helm zu tragen, gerade weil er sich über Töchter, Söhne, Enkel oder Verwandte angesprochen fühlt.

Diese Kampagne hat bereits am Wochenende zu einer sehr regen Diskussion in den sozialen Medien geführt. Es gab sehr viel an Berichterstattung dazu. Das heißt, es ist ein Thema, das nicht nur die jüngere Zielgruppe betrifft und zu Diskussionen anregt, sondern auch die ältere Zielgruppe bringt sich hierbei entscheidend mit ein.

Frage: Gestern jährte sich zum 20. Mal der Nato-Angriffskrieg gegen Jugoslawien. Bundesaußenminister Heiko Maas nannte die deutsche Beteiligung daran Ausfluss verantwortungsbewussten Handelns. Dieser Angriffskrieg erfolgte ohne UN-Mandat, ergo völkerrechtswidrig. Die dafür vorgelegten Begründungen - exemplarisch sei auf den Hufeisenplan von Scharping verwiesen - haben sich im Nachhinein als falsch oder als reine Propagandalüge erwiesen.

Auf welche konkreten Fakten stützt sich der Minister in seiner Aussage zum verantwortungsbewussten Handeln Deutschlands?

Breul: Ich kann dazu gern etwas sagen. Dass Sie das Wort "Propagandalüge" in den Mund nehmen, finde ich fast schon ein bisschen witzig.

Zu unserer Rechtsposition: 20 Jahre nach den Vorfällen im damaligen Jugoslawien hat sich nichts geändert. Die von Ihnen hier vorgebrachte Position teile ich ausdrücklich nicht. Ansonsten verweise ich auf das Zitat des Ministers vom Wochenende.

Zusatzfrage: Der Minister hat den eher unüblichen Ausdruck "Ausfluss" genutzt, der im Deutschen ja auch eher negative Assoziationen hervorruft. Ist das in irgendeiner Form als subtile Kritik an seinem Amtsvorgänger Joschka Fischer zu verstehen?

Breul: Ihre Interpretation teile ich nicht.

Frage : Herr Seibert, es ist ja wirklich ein bedeutendes Datum. Der damalige Kanzler Schröder hat im Nachhinein gesagt, dass es tatsächlich ein völkerrechtswidriger Angriff gewesen sei. Wie bewerten die Kanzlerin und die Bundesregierung heute den Nato-Angriff? War es ein Fehler?

StS Seibert: Ich sehe keinen Grund, in der Bundespressekonferenz zeitgeschichtliche Seminare zu halten. Der Bundesaußenminister hat sich geäußert, natürlich für die Bundesregierung. Sein Sprecher hat das gerade noch einmal bekräftigt. Das ist es, was ich dazu sagen kann.

Frage: Aber es ist ja verständlich, dass es Fragen aufwirft, wenn der Außenminister im Kontext eines völkerrechtswidrigen Krieges durch Selbstmandatierung der Nato von verantwortungsbewusstem Handeln spricht. Sie sollten es den Journalisten auch einräumen, kritisch nachzufragen.

Des Weiteren haben Sie jetzt negiert, dass es Propagandalügen gab. Den von Scharping angeführten Hufeisenplan gab es in dieser Form nachweislich nicht. Auch der Internationale Strafgerichtshof hat ihn als nicht beweisfest abgewiesen. Wie verhält sich die Bundesregierung denn beispielsweise zum Hufeisenplan?

Breul: Es ist nett, dass Sie es noch einmal versuchen. Wir haben uns zu all diesen Fragen schon umfänglich geäußert. Herr Seibert hat es gerade noch einmal betont: Wir sind nicht hier, um zeitgeschichtliche Analysen zu betreiben.

Im Übrigen möchte ich all die Wertungen, die Sie in Ihre Frage eingemengt haben - - - Und wie man die nennt - - - Sie nennen das Propagandalügen. Ich möchte Ihre Aussagen nicht bewerten. Jedenfalls machen wir sie uns ausdrücklich nicht zu eigen.

Frage: Ich darf eine persönliche Vorbemerkung machen. Ich war einer von ungefähr fünf Journalisten, die auf der Hardthöhe dabei waren, als Minister Scharping die deutsche Einsatzteilnahme verkündet und begründet hat. Das war schon eine sehr angespannte Situation.

"Having said that", wie ist die Situation, da ja nachträglich sowohl vom Außenminister als auch vom Kanzler gesagt wurde, es habe kein Mandat der Vereinten Nationen gegeben? Welche Lehren, wenn man so sagen will, hat die Bundesregierung gezogen, um eine solche Situation, dass man sich an Angriffen beteiligt, die völkerrechtlich nicht legitimiert sind, möglichst zu vermeiden? Also nicht Geschichtsbetrachtung rückwärts, sondern: Was folgt daraus für politische Entscheidungen der Gegenwart? Können Sie dazu etwas sagen?

Breul: Ich möchte noch einmal betonen, weil sich das hier wieder in jede Frage hineinschleicht: Wir sind der Meinung, dass der Einsatz der Bundeswehr in Übereinstimmung mit verfassungs- und völkerrechtlichen Vorgaben für die Einsätze der Bundeswehr erfolgte. Das ist unsere Rechtsauffassung. Daran ändern auch Zeitungsinterviews von Leuten, die nicht mehr für die Bundesregierung sprechen, nichts.

Zu Ihrer Frage: Natürlich ist Gewalt für uns selbstverständlich immer Ultima Ratio. Das erkennen Sie doch in allen Politikfeldern der Bundesregierung! Für uns stehen Krisenprävention und die Suche nach politischen Lösungen im Vordergrund. Sie wissen: Diese Entscheidung ist damals nicht leichtfertig gefällt worden, sondern eine schwierige Entscheidung gewesen. Die Rechtsdiskussion über humanitäre Interventionen müssen wir hier auch nicht wieder aufmachen, denke ich. Aber Sie haben insofern recht, als wir als Bundesregierung natürlich alles versuchen, um den Einsatz von Gewalt zu verhindern.

Frage: Ich habe eine Frage an das BMI. BAMF-Chef Sommer hat gesagt, wer vor Abschiebungen warne, sollte strafrechtlich verfolgt werden. Flüchtlingshelfer protestieren dagegen und fühlen sich kriminalisiert. Was sagt Herr Seehofer zu dieser Kritik?

Petermann: Das Interview wurde ja mit Präsident Sommer geführt, und dessen Aussagen möchten wir an dieser Stelle weder im Besonderen noch im Allgemeinen irgendwie bewerten.

Zusatzfrage: Es gehört ja in seine Ressortzuständigkeit. Deshalb stelle ich einfach die Frage: Wie bewertet er diese Kritik?

Petermann: Wie bewerten wir konkret was?

Zusatz: Die Kritik an Herrn Sommer, dass Flüchtlingshilfe dadurch kriminalisiert werde.

Petermann: Das Geordnete-Rückkehr-Gesetz sieht ja vor, dass unter bestimmten Voraussetzungen die Verkündung von Abschiebeterminen unter Strafe gestellt werden soll. Dieser Gesetzentwurf, der sich derzeit in der Ressortabstimmung befindet, ist Ausdruck des Willens des Bundesinnenministers.

Frage: Ich habe auch eine Frage an das BMI. Der Bundesdatenschutzbeauftragte hält es ja für nicht zulässig, dass die Bodycam-Daten von Polizisten auf Amazon-Servern in den USA gespeichert werden, und sagt, das müsse in Deutschland passieren. Wäre das denn Ihrer Auffassung nach möglich? Falls nicht, dürfen die Bodycams dann überhaupt so weiterverwendet werden?

Petermann: Die Bodycams beziehungsweise deren Speicherung entsprechen deutschen Datenschutzstandards, die eingehalten werden. Außerdem wird auf deutschen Servern in Deutschland nach deutschem Recht und mit deutschem Gerichtsstand gespeichert, sodass wir diese Rechtswidrigkeit nicht erkennen können. Außerdem ist die Speicherung in dieser Cloud vom BSI zertifiziert.

Derzeit - das ist eine Übergangsregelung; das haben wir immer gesagt - wird geprüft, ob es noch andere Möglichkeiten der Speicherung gibt, zum Beispiel in der Bundescloud, nur sind wir noch nicht so weit. Bei Einsatz von Technik der Firma Motorola, die auch mit den Funkgeräten kombiniert ist, die die Bundespolizei benutzt, ist das im Augenblick nur in dieser Amazon-Cloud speicherbar, und die Architektur ist nur in dieser Amazon-Cloud nutzbar.

Frage : Frau Petermann, wie geht das Haus denn mit der Forderung Ihres Bundesdatenschutzbeauftragten um? Der sagt ja: "Sofort aufhören damit beziehungsweise einen anderen Anbieter finden!"

Petermann: Nun, es wurde bewertet, und wir sind zu dieser Lösung gekommen.

Zusatzfrage : Heißt das, Sie widersprechen Ihrem Datenschutzbeauftragten in diesem Punkt, oder suchen Sie jetzt gemeinsam eine Lösung?

Petermann: Die Entscheidung ist ja schon getroffen worden.

Zusatzfrage : Herr Seibert, Herr Breul, gibt es eine Reaktion von Regierungsseite auf die Ergebnisse des Reports von Robert Mueller, der gestern in den USA erschienen ist?

StS Seibert: Nein. Das ist eine Sache der amerikanischen Innenpolitik, wird dort ausgiebig diskutiert und bedarf jetzt keines Kommentars der deutschen Bundesregierung.

Zusatz : Das war ja nicht nur Innenpolitik! Es ging ja quasi um potenzielle russische Einflussnahme auf den amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf. Das hat ja also auch etwas mit Außenpolitik zu tun und war drei Jahre lang ein großes Thema in der Weltpolitik.

StS Seibert: Es bleibt bei meiner Aussage.

Zusatzfrage : Herr Breul?

Breul: Dazu stehe ich auch.

Zusatzfrage : Herr Seibert, Frau Krüger, es gab am Wochenende gegen die Urheberrechtsreform der EU deutschlandweit große Demonstrationen. Mehr als 100 000 Menschen haben demonstriert. Wie bewertet die Bundesregierung die Demonstrationen?

StS Seibert: Ganz grundsätzlich haben diese Menschen ihr Recht auf Demonstrationsfreiheit und auf freie Meinungsäußerung genutzt. Das ist ein demokratischer Vorgang.

Insgesamt möchten wir, dass eine sachdienliche und sachorientierte Debatte über dieses wichtige Thema geführt wird. Es hat ja leider auch Drohungen gegen Protagonisten der Debatte gegeben. Das möchte ich im Namen der Bundesregierung ausdrücklich verurteilen. Eine sachliche Auseinandersetzung über dieses wichtige politische Thema ist ein demokratischer Vorgang.

Wir haben uns als Bundesregierung gemeinsam im Rahmen eines europäischen Kompromisses eingebracht. Jetzt steht noch die Entscheidung des Europäischen Parlaments aus. Die Erwartung der Bundesregierung ist, dass auch das Europäische Parlament diesem Kompromiss zustimmen wird.

Krüger: Ich habe dem nichts hinzuzufügen.

Zusatzfrage : Es gab am Wochenende von konservativer Seite auch Meldungen und Tweets. Das waren Verschwörungstheorien darüber, dass die Demonstranten von amerikanischen Konzernen gekauft seien. Hat die Bundesregierung darüber Erkenntnisse, Herr Seibert?

StS Seibert: Ich habe meine Einschätzung der Demonstration ja gerade für die Bundesregierung abgegeben.

Frage: Herr Seibert, die Justizministerin hat am Wochenende gesagt, dass sie sich wünsche, dass die Richtlinie in der vorliegenden Fassung in Straßburg keine Mehrheit bekomme. Das ist ja der Text, dem die Justizministerin für die gesamte Bundesregierung zugestimmt hat. Wie bewerten Sie das?

StS Seibert: Es ist so, wie ich es gesagt habe: Die Bundesregierung als Ganzes hat der Urheberrechtsrichtlinie im Rat am 20. Februar im Rahmen eines europäischen Kompromisses geschlossen zugestimmt. Auf Betreiben der Bundesregierung hin sind viele Verbesserungen in diesen Kompromiss eingeflossen: die Künstlerverträge, das Leistungsschutzrecht, Text- und Data-Mining, die Beschwerdearchitektur, die da eingeführt wird und die es so vorher nicht gab, sowie ein paar andere Beispiele. Das Justizministerium hat den Kompromiss federführend ausgehandelt beziehungsweise mit ausgehandelt und ihm am Ende zugestimmt.

Zusatz: Aber trotzdem hat die Justizministerin ja am Wochenende genau über diesen Text gesagt, er sollte in Straßburg besser nicht eine Mehrheit erhalten.

StS Seibert: Gut; ich habe vorhin die Erwartung der Bundesregierung an das Europäische Parlament ausgedrückt. Wir werden nun sehen, wie die Abstimmung dort ausgehen wird. Insgesamt ist es gut, dass jetzt eben auch zunehmend über die Umsetzung des Kompromisses, wenn er denn vom EP beschlossen werden wird, nachgedacht wird und dass darüber nachgedacht wird, wie die Befürchtungen und Sorgen, wie sie die Demonstranten zum Beispiel am Wochenende auch gezeigt haben, im Rahmen dieser Umsetzung aufgenommen werden können. Dazu gibt es ja auch schon Vorschläge.

Frage: Der Billigflieger Ryanair hat sowohl in Italien als auch in Deutschland illegal Kabinenpersonal beschäftigt. In Italien gab es dafür jetzt eine Millionenstrafe. In Deutschland haben deutsche Behörden dabei geholfen, dieses Modell zu legalisieren - ohne weitere rechtliche Konsequenzen für Ryanair. Was war die Motivation des Arbeitsministeriums dafür, diese Praxis ohne jegliche rechtliche Konsequenz für den Anbieter zu legalisieren.

Jäger: Ich widerspreche der Aussage, dass wir einfach ein illegales System damit legalisiert hätten. Was richtig ist, ist, dass die Regionaldirektion Düsseldorf der Bundesagentur für Arbeit die Entscheidung getroffen hat, Ryanair ein Leiharbeitsverhältnis auf Basis deutschen Rechts zuzugestehen, und zwar für die Dauer von einem Jahr. Diese Entscheidung wurde für die Zukunft getroffen. Sollte sich Ryanair innerhalb dieser Zeit nicht an die deutschen Regelungen halten, wird es entsprechend auch möglich sein, dass dieser Vertrag unsererseits gekündigt wird, also dass das Recht entzogen wird. Insofern sehen wir uns da nicht in irgendeiner Weise dabei, ein illegales System zu unterstützen.

Zusatzfrage: Bundesarbeitsminister Hubertus Heil hat im Oktober noch verlauten lassen: "Wer Globalisierung zur Ausbeutung missbraucht, wie das bei Ryanair der Fall ist, muss unseren entschiedenen Widerstand erfahren." Können Sie noch einmal darlegen, wo in dieser Regelung der entschiedene Widerstand des Arbeitsministeriums gegenüber der illegalen Praxis von Ryanair liegt?

Jäger: Unter anderem darin, dass jetzt dafür gesorgt wird, dass nach deutschem Recht Leiharbeiter hier arbeiten werden, also indem man dafür sorgt, dass das nach deutschem Recht funktioniert.

Zusatzfrage: Wieso hat sich die Bundesregierung beziehungsweise das Arbeitsministerium gegen den italienischen Weg entschieden und keine Vertragsstrafen gegenüber Ryanair erhoben?

Jäger: Jedes Land hat andere Gesetze, und bei uns war nicht vorgesehen, dass jetzt aufgrund des Verhaltens in dem Moment eine Vertragsstrafe verhängt wird.

Frage: Ich habe eine Frage zur geplanten steuerlichen Forschungsförderung. Dazu gibt es einen Vorschlag von Bundesfinanzminister Scholz: 5 Milliarden Euro für die kommenden vier Jahre. Ich wollte fragen: Gibt es dazu mittlerweile auch einen gemeinsamen Standpunkt des Wirtschaftsministeriums und des Finanzministeriums? Es gab ja auch das Ziel, das nicht nur auf vier Jahre zu begrenzen.

Außerdem habe ich die Frage: Ist das nun nur für Kleinere Unternehmen gedacht, oder soll das für alle offen sein? Dazu hätte ich gerne einmal den aktuellen Stand vom Finanz- und vom Wirtschaftsministerium gehört.

Wogatzki: Ich würde für das Finanzministerium anfangen und auf den Eckwertebeschluss von vergangener Woche sowie auf die umfangreiche Pressekonferenz verweisen, die Finanzminister Scholz hier bestritten hat. Darin wurde gesagt, was dazu zu sagen ist. Ansonsten hat vielleicht das Forschungsressort eine eigene Einschätzung dazu.

Marx: Ich kann dem zum jetzigen Zeitpunkt nichts hinzufügen, also auch nur auf die Eckwerte verweisen.

Zusatzfrage: Könnten Sie vielleicht noch einmal kurz erläutern, wie es damit aussieht, ob das länger geplant ist und ob das für Kleinere beziehungsweise größere Unternehmen gedacht ist?

Wogatzki: Ich weiß jetzt nicht genau, worauf Sie sich beziehen. Das sind vielleicht unterschiedliche Ansätze, die Sie meinen. Die Eckwerte und die Finanzplanungen umfassen ja immer nur einen gewissen Zeitraum, also den bis 2023. Vielleicht nehmen Sie auch Bezug auf die Initiative, die im Koalitionsvertrag hinterlegt ist, nämlich die steuerliche Forschungsentwicklungsförderung. Das ist noch einmal ein anderer Ansatz. Sicherlich fließen da auch Mittel für die KI hinein. Wie genau das erfolgt, wird aber derzeit noch geprüft.

Zusatz: Es geht um diese Anregung der EFI, dass diese steuerliche Forschungsförderung nur für Kleine Unternehmen mit bis zu 250 Mitarbeitern stattfinden soll. Herr Altmaier sprach dann von bis zu 3000 Mitarbeitern, und bei Herrn Scholz hieß es, dass das unbegrenzt sein solle.

Wogatzki: Tatsächlich beziehen Sie sich auf das Gesetzesvorhaben zur steuerlichen Forschungs- und Entwicklungsförderung. Dazu kann ich Ihnen sagen: Wir arbeiten derzeit mit Hochdruck an einem Gesetzentwurf. Dazu, wie der genau aussehen wird, und zu den Details kann ich Ihnen derzeit noch nichts sagen.

Zusatzfrage: Laufen da noch Abstimmungen, sozusagen auch zwischen den anderen Ressorts und dem Finanzminister?

Wogatzki: Da laufen Abstimmungen. Wie der Zeitplan aussieht, kann ich Ihnen nicht sagen.

Frage : Die rumänische Ministerpräsidentin hat am Wochenende angekündigt, dass die rumänische Botschaft nach Jerusalem verlegt werden würde. Damit wäre es das erste EU-Land, das das täte. Wie bewerten Sie die Ankündigung?

Breul: Es hat sich ja nicht nur die rumänische Ministerpräsidentin geäußert, sondern auch der rumänische Präsident, der eine etwas andere Auffassung hat. Daher möchte ich mich zu dieser innerrumänischen Debatte zu diesem Zeitpunkt nicht äußern.

Unsere Position zum Status von Jerusalem haben wir ja wiederholt vorgetragen, und das ist auch eine gemeinsame EU-Position. Die steht für uns fest.

Frage: An das AA: Der Bundestagsabgeordnete Sigmar Gabriel wird ja in dieser Woche für mehrere Tage nach Nordkorea fahren. Hat er die Reise vorher mit Ihnen abgesprochen? Halten Sie solche Reisen einzelner Bundestagsabgeordneter mit Blick auf die Beziehungen zu Nordkorea für hilfreich?

Breul: In der Tat wird Herr Gabriel nach Nordkorea reisen, allerdings nicht im Auftrag der Bundesregierung. Das Büro von MdB Gabriel hat uns mitgeteilt, dass es sich um eine Privatreise handelt. Privatreisen von Abgeordneten werden generell nicht von der Botschaft vor Ort organisiert. Auch vor Ort anfallende Kosten wie für den Transport werden bei Privatreisen nicht von der Botschaft übernommen.

Wir haben keine Angaben über das konkrete Programm von Herrn Gabriel. Wir haben jedoch dem Büro von Herrn Gabriel die Reise- und Sicherheitshinweise für Nordkorea übermittelt.

Zusatzfrage: Bewerten Sie diese Reise in irgendeiner Weise? Ist das hilfreich oder wenig hilfreich für die diplomatischen Beziehungen?

Breul: Na ja, ich habe ja gerade schon gesagt, dass es sich um eine Privatreise handelt, also keine Reise, mit der wir politische Botschaften überbringen wollen oder politische Erwartungen wecken wollen oder sie auch haben. Daher möchte ich das gar nicht bewerten.

Frage: Ich habe eine Frage an das Außenministerium und an den Regierungssprecher zu der Absichtserklärung von Italien gegenüber China hinsichtlich der Teilnahme an der "Neuen Seidenstraße". Dazu hatte sich der Außenminister ja schon gestern, glaube ich, per Twitter geäußert. Könnten Sie vielleicht noch einmal elaborieren, wie die Haltung der Regierung dazu ist?

Breul: Ja, das kann ich gerne tun: China ist für uns ein wichtiger Handelspartner. Wir wollen gute Beziehungen zu China haben. Das ist, denke ich, auch beim Europäischen Rat Ende letzter Woche deutlich geworden. Für uns ist es wichtig, dass die EU geschlossen agiert. Gerade dann, wenn die EU mit einer Stimme spricht, wird es möglich sein, unsere Interessen und Werte gegenüber China auch effektiv zu vertreten. Die Belt and Road Initiative gehört zu den wichtigsten außenwirtschaftlichen Projekten der politischen Führung. Sie greift den weltweit bestehenden Infrastrukturbedarf auf, im Übrigen ähnlich wie die Konnektivitätsstrategie der EU. Da gibt es durchaus Überschneidungen.

Unsere Haltung zu dem Projekt ist unverändert. Sorge besteht hinsichtlich möglicher wirtschaftlicher und politischer Abhängigkeiten, hinsichtlich des Abweichens von international anerkannten Regeln und Standards und hinsichtlich eines Mangels an Nachhaltigkeit.

StS Seibert: Ich kann eigentlich auch nur hinzufügen, dass diese Seitenstraßeninitiative oder "One Belt, One Road", wie die Chinesen es nennen, natürlich ein großes strategisches Vorhaben Chinas ist. Die Bundeskanzlerin hat am Freitag in Brüssel in ihrer Pressekonferenz auch darüber gesprochen, dass der italienische Ministerpräsident seinen Kollegen Informationen über das MoU, das Italien mit China abschließt, dargelegt hat. Sie hat schon gesagt: "Soweit er das dargestellt hat, habe ich daran jetzt auch erst einmal nichts zu kritisieren. Aber wir haben natürlich schon darüber gesprochen, dass es noch besser ist, wenn man sozusagen einheitlich agiert."

Wir haben zu einigen Aspekten sowie zu einigen Merkmalen dieser Initiative auch kritische Anmerkungen gemacht. Das ist auch den Chinesen bekannt. Aber da, wo unseren Anmerkungen Rechnung getragen wird, sind wir in einzelnen Projekten auch zur Teilnahme bereit. Auch wir haben also mit der Seitenstraßeninitiative zu tun, selbst dann, wenn wir ein solches Memorandum nicht unterzeichnet haben. Der Bundeswirtschaftsminister wird im April am nächsten Belt-and-Road-Gipfel in China teilnehmen, und auch die anderen EU-Mitgliedstaaten werden dort vertreten sein.

Frage: Herr Maas hat ja relativ explizit die italienische Seite kritisiert und vor cleveren Geschäften mit den Chinesen gewarnt. Jetzt ist die chinesische Delegation unter Xi in Frankreich. Es gibt bilaterale Verträge über Luftfahrt, Raumfahrt, den Nuklearbereich und auch die Planung eines französisch-chinesischen Satellitenprogramms. Wird Herr Maas ebenfalls die französische Seite vor cleveren Geschäften mit China warnen?

Breul: Wie immer bei Ihren Fragen möchte ich voranstellen, dass ich mir die Wertung, die der Frage zugrunde liegt, nicht zu eigen mache. Die Worte von Herrn Maas stehen für sich; ich habe diese Position gerade eben auch noch einmal in anderen Worten unterstrichen. Wir sind der Auffassung, dass wir als Europäer unsere Interessen dann durchsetzen können, wenn wir dies gemeinsam tun. Damit bewerte ich nicht einzelne Projekte, einzelne Maßnahmen, sondern unterstreiche das, was uns unter dem Strich wichtig ist, nämlich dass wir als Europäer geschlossen auftreten und dann auch entsprechend effektiv sind.

Zusatzfrage: In meiner Frage lag keinerlei Wertung; ich habe den Herrn Außenminister mit seiner Warnung vor cleveren Geschäften zitiert und gefragt, ob er dieselbe Warnung gegenüber den französischen Partnern wiederholt. Darauf können Sie mir ja eine Antwort geben - ja oder nein?

Breul: Ich will mich auf dieses Spiel mit Ihnen, ehrlich gesagt, gar nicht einlassen. Sie haben dem Außenminister Worte oder eine Wertung in den Mund gelegt, die er so nicht vorgenommen hat. Er hat in allgemeiner Form davor gewarnt zu meinen, dass wir als Einzelstaaten gegen China genauso effektiv sind, wie wir gemeinsam sind, und das ist unsere Position.

Frage : Frau Petermann, ich hatte Sie vorletzten Freitag schon gebeten, uns die aktuellen Gefährderzahlen zu nennen - Islamisten, Rechtsextremisten, Linksextremisten. Die wollten Sie uns nachreichen, wir haben sie nach jetzt neun Tagen aber immer noch nicht bekommen.

Petermann: Ich habe sie nicht dabei - ich bitte um Nachsicht, aber das ist untergangen. Ich werde sie nachliefern, wenn ich es kann.

Frage: Noch eine Verständnisfrage an Herrn Seibert: Der Terminus Staatsfunk wird ja in Deutschland meist als Kampfbegriff in diffamierender, polemischer Weise gegen ARD und auch Ihren ehemaligen Arbeitgeber verwandt. Wie bewertet denn die Bundesregierung die Begrifflichkeit des Staatsfunks?

StS Seibert: Auf das öffentlich-rechtliche Rundfunksystem in Deutschland trifft er jedenfalls mit Sicherheit nicht zu.

Zusatzfrage: Aber ich habe ja nach einer Bewertung gefragt. Wie bewerten Sie denn den Begriff Staatsfunk?

StS Seibert: Ich würde diesen Begriff im Zusammenhang mit dem öffentlich-rechtlichen System der Bundesrepublik Deutschland nicht benutzen.

Zusatzfrage: (ohne Mikrofon, akustisch unverständlich)

StS Seibert: Ich denke, dass es überhaupt gar keinen Sinn hat, jetzt den kurzen Austausch vom Freitag oder vom Mittwoch - ich weiß es gar nicht mehr - hier fortzusetzen. Ich glaube auch nicht, dass das mit der Politik der Bundesregierung, die ja hier im Mittelpunkt steht, zu tun hat.

Frage: Herr Seibert, die Bundeskanzlerin hat sich ja in letzter Zeit mehrfach zum Thema europäische Lösungen für den Rüstungsexport geäußert. Haben Sie Verständnis dafür, dass die europäischen Partner angesichts der verschiedenen Signale aus den Koalitionsfraktionen, also aus der Bundesregierung, die es in den vergangenen Tagen gab, verwirrt sind? Wann können die europäischen Partner mit einer klaren Position der Bundesregierung in dieser Frage rechnen?

StS Seibert: Da greife ich auf das zurück, was ich in der vergangenen Woche auf ähnliche Fragen gesagt habe. Wir haben uns hier mehrfach über den beabsichtigten Zeitplan geäußert, und es bleibt dabei: Die Bundesregierung ist in intensiven Gesprächen darüber und will bis Ende dieses Monats zu Entscheidungen kommen.

Frage : Herr Seibert, welche Rolle spielt die Aufklärung im Fall Khashoggi bei dieser Frage?

StS Seibert: Ich werde Sie jetzt nicht in diese intensiven Gespräche hineinnehmen, die gerade geführt werden. Wir haben uns hier ja wochenlang ausführlich zum Fall Khashoggi ausgetauscht. Deswegen ist da jetzt, glaube ich, nichts Neues zu sagen.

Zusatzfrage : Ich habe Sie immer so verstanden: Solange der Fall Khashoggi nicht transparent aufgeklärt wird, wird es keine Waffenlieferungen nach Saudi-Arabien in jeglicher Form geben. Gilt das weiterhin?

StS Seibert: Wir sind in intensiven Gesprächen, und dabei wird natürlich eine Gesamtbetrachtung angestellt. Mehr kann ich Ihnen dazu jetzt nicht sagen. Eine Entscheidung wird Ihnen, wenn sie gefallen ist, dann sicherlich auch bekanntgegeben.

Frage: Ich hätte eine Frage zum Thema Golanhöhen. US-Präsident Donald Trump hat ja getweetet, es sei Zeit, die israelische Souveränität über die syrischen Golanhöhen anzuerkennen. Das Auswärtige Amt hat dazu Stellung genommen und hat gemeint, dass die deutsche Position und die EU-Position zu den Golanhöhen unverändert sei. Meine Frage dazu ist: Sollte es tatsächlich zu dieser Anerkennung durch die USA kommen, würde die deutsche Regierung dann zusammen mit der EU entsprechende Sanktionen gegen die USA in Betracht ziehen?

Breul: Diese Frage ist erst einmal sehr hypothetisch. Ich glaube, wir haben hier am Freitag sehr eindeutig Position bezogen, und zu dem, was ich hier am Freitag gesagt habe und was vor allem auch Frau Demmer hier am Freitag gesagt hat, habe ich heute keinen aktuellen Stand.

Frage: Herr Maas war am Wochenende ja recht interviewfreudig: In der "WELT" erschien am Wochenende ein Interview, in dem auch zum Themenkomplex Venezuela gefragt wurde. Dort hat er gesagt - ich zitiere -:

"Maduro verweigert in einer dramatischen Notlage dem venezolanischen Volk jegliche Hilfe von außen. Das finde ich infam."

Jetzt ist die Faktenlage ja so, dass sowohl die UN-Hilfslieferungen als auch die vom Roten Kreuz als auch die von Kuba, China, Russland und auch der Panamerikanischen Gesundheitsorganisation problemlos ins Land kommen. Wie kommt der Außenminister zu dieser Aussage, dass die Regierung unter Maduro jegliche Hilfe von außen verweigere?

Breul: Die Worte des Außenministers stehen für sich, und ich sehe, Sie haben sie gelesen.

Zusatzfrage: Ist das ernsthaft Ihre Antwort auf eine journalistische Frage?

Breul: Nein, das war keine journalistische Frage.

Zusatzfrage: (ohne Mikrofon, akustisch unverständlich)

Breul: Sie haben Ihre Position und Ihre Lesart der Dinge vorgetragen, die ich hier nicht teile, und auf Ihre Frage habe ich geantwortet.

Zusatzfrage: (ohne Mikrofon, akustisch unverständlich)

Vorsitzende Buschow: Wir machen keine Diskussionsveranstaltung, tut mir leid. Wenn niemand anders zu dem Thema fragt, würde ich - - Ein Kollege hat dazu eine Frage.

Frage : Herr Breul, das müssen Sie jetzt schon beantworten: Sind der Bundesregierung keine Hilfslieferungen anderer Staaten nach Venezuela, in Venezuela bekannt?

Breul: Fakt ist - und dazu haben wir wiederholt Stellung genommen -: Das Regime Maduro verhindert Hilfslieferungen. Sie haben alle live mitverfolgen können, wie sich das Militär an der Brücke in Cúcuta den Lieferungen in den Weg gestellt hat, und auch in anderer Form verhindert das Regime, dass den Menschen in der Not geholfen wird, und spielt mit dem Schicksal der Menschen. Darauf hat der Außenminister hingewiesen, und das hat er vollkommen zu Recht getan. Es ist an dem Regime Maduro, daran etwas zu ändern, und wir können bisher nicht erkennen, dass es dazu bereit ist.

Zusatz : Aber er suggeriert ja, dass es gar keine Hilfslieferungen nach Venezuela schaffen.

Breul: Ich habe dazu gesagt, was ich dazu zu sagen habe.

Frage: Darf man das dann insofern verstehen, dass die Bundesregierung diese Hilfslieferung, die der Kollege angesprochen hat, nicht als Hilfslieferung definiert, dass das also irgendetwas anderes sein sollte?

Breul: Ich habe dazu nichts hinzuzufügen.

Montag, 25. März 2019

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Quelle:
Regierungspressekonferenz vom 25. März 2019
https://www.bundesregierung.de/breg-de/aktuelles/regierungspressekonferenz-vom-25-maerz-2019-1593934
Presse- und Informationsamt der Bundesregierung
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veröffentlicht im Schattenblick zum 27. März 2019

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