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PRESSEKONFERENZ/1816: Regierungspressekonferenz vom 4. Februar 2019 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Im Wortlaut
Mitschrift Pressekonferenz - Montag, 4. Februar 2019
Regierungspressekonferenz vom 4. Februar 2019

Themen: aktuelle Lage in Venezuela, Zeitungsbericht über eine mögliche Haushaltslücke, Vorschlag hinsichtlich einer Grundrente, Zweckgesellschaft INSTEX

Sprecher: SRS'in Fietz, Breul (AA), Schwamberger (BMF), Haas (BMAS)


Vorsitzende Maier eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt SRS'in Fietz sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

SRS'in Fietz: Guten Tag! Die Bundesregierung hat am 26. Januar ihre Bereitschaft erklärt, Juan Guaidó als Interimspräsidenten Venezuelas anzuerkennen, wenn nicht binnen acht Tagen Wahlen angekündigt werden. Die Hohe Vertreterin hat sich am gleichen Tag im Namen aller 28 EU-Mitgliedstaaten auf entsprechender Linie geäußert und die umgehende Ankündigung von freien, transparenten und glaubwürdigen Präsidentschaftswahlen gefordert. Nicolás Maduro ist dieser Aufforderung nicht nachgekommen und verweigert dem Volk von Venezuela diese Präsidentschaftswahlen. Daher hat es vor wenigen Minuten eine Erklärung gegeben, die die Position der Bundesregierung verdeutlicht.

Wir erkennen Juan Guaidó als Interimspräsidenten Venezuelas an, der die Aufgabe hat, den politischen Übergang einzuleiten und das Land zu freien, transparenten und glaubwürdigen Präsidentschaftswahlen zu führen. - Vielen Dank.

Breul: Ich kann dazu ergänzen. Ich bitte um Entschuldigung; es ist keine böse Absicht in der Regie, dass wir die schriftliche Erklärung in dem Moment verteilen, in dem die RegPK beginnt. Das hat einfach den Grund, dass wir uns möglichst zum gleichen Zeitpunkt mit vielen EU-Mitgliedsstaaten äußern wollen. Wenn Bedarf besteht, kann ich die nationale Erklärung, die Frau Fietz gerade angekündigt hat verlesen. Sie ist auch nicht besonders lang, keine Sorge.

"Wir bedauern, dass der venezolanische Präsident Nicolás Maduro der Aufforderung der EU, freie und faire Präsidentschaftswahlen einzuleiten, nicht nachgekommen ist. Dies hatte die EU in ihrer Stellungnahme vom 26. Januar nochmals ausdrücklich und einstimmig gefordert.

Für Deutschland ist der Präsident der Nationalversammlung Juan Guaidó im Einklang mit der venezolanischen Verfassung der legitime Übergangspräsident, damit er freie, faire und demokratische Präsidentschaftswahlen abhalten kann.

Unsere Sorge gilt weiterhin den Menschen in Venezuela, die unter der dramatischen Versorgungslage, auch im Bereich der Gesundheitsversorgung, leiden. Wir haben daher, wie auch die EU, wiederholt den ungehinderten Zugang für internationale humanitäre Hilfe gefordert, bisher ohne Erfolg. Deutschland hat Mittel in Höhe von fünf Millionen Euro für humanitäre Hilfe für Venezuela eingestellt, die zur Verfügung gestellt werden können, sobald die politischen Rahmenbedingungen in Venezuela dies zulassen.

Außerdem hat die EU die Einrichtung einer internationalen Kontaktgruppe beschlossen, die helfen soll, die Grundlagen für einen friedlichen und demokratischen Prozess zu legen, der möglichst rasch zu Neuwahlen führt. Wir werden uns in diese Aufgabe aktiv einbringen."

SRS'in Fietz: Ich sollte vielleicht noch ergänzen, dass sich die EU sowie andere europäische Staaten in diesen Minuten ähnlich äußern und ähnliche Erklärungen abgeben beziehungsweise dies zum Teil schon getan haben.

Frage: Können Sie vielleicht kurz sagen, was das konkret bedeutet? Er ist jetzt anerkannt. Wie geht es jetzt weiter?

Breul: Ich habe die Kontaktgruppe bereits erwähnt, deren Gründung die Hohe Vertreterin am Donnerstag in Bukarest verkündet hat. Die Gruppe wird sich am Donnerstag in Montevideo treffen. Dort werden wir gemeinsam mit unseren und mit lateinamerikanischen Partnern beraten, wie wir den Prozess in Venezuela stützen können, und zwar mit dem Ziel - das habe ich in der Erklärung gerade deutlich hervorgehoben -, möglichst umgehend Neuwahlen zu organisieren. Das ist das Ziel.

Der zweite Strang - auch den fanden Sie in der Erklärung wieder - ist der der humanitären Hilfe. Übergangspräsident Guaidó hat deutlich gemacht, dass er dafür Bedarf sieht und sich internationale Unterstützung erhofft. Wir werden jetzt gemeinsam mit unseren europäischen und internationalen Partnern genau prüfen, wie wir diese humanitäre Hilfe in Gang bringen können.

Frage: Herr Breul, der Außenminister hat getweetet, dass sich die Entscheidung, Herrn Guaidó als Interimspräsidenten anzuerkennen, auf 233 der venezolanischen Verfassung beruft. Können Sie den Passus innerhalb dieses Paragrafen wiedergeben, in dem das geregelt ist?

Breul: Ich denke, den Passus muss ich nicht wiedergeben. Das können Sie selbst im Zweifel mit einer bekannten Suchmaschine herausfinden.

Der Punkt ist der: Unserer Auffassung nach hat der Staat Venezuela keinen legitimierten Präsidenten. In der Verfassung ist festgelegt, dass es in solch einer Situation, wenn es keinen Präsidenten gibt, der in der Lage ist, seine Amtsgeschäfte auszuführen, einen Übergangspräsidenten gibt mit dem Mandat - auch das haben wir in der Erklärung gerade sehr deutlich gemacht -, so schnell wie möglich Wahlen zu organisieren.

Zusatzfrage: Ich habe mir den Paragrafen durchgelesen. Deswegen möchte ich wissen, wo genau das steht. Denn Herr Maduro nimmt sein Amt ja sehr wohl wahr.

Breul: Ich habe unsere Position gerade vorgestellt. Unserer Auffassung nach gibt es keinen demokratisch legitimierten Präsidenten in Venezuela. Herr Maduro hatte in den letzten acht Tagen die Chance, dem Abhilfe zu schaffen, indem er Präsidentschaftswahlen zumindest ankündigt und mit den Planungen dafür beginnt. Diese Möglichkeit hat er ausgeschlagen, sodass wir jetzt die Konsequenz daraus gezogen haben und Herrn Guaidó dabei unterstützen, möglichst rasch die Wahlen zu organisieren.

Frage: Herr Breul und Frau Fietz, Herr Guaidó hatte, meine ich, vergangene Woche in der "Bild"-Zeitung gefordert, dass auch Deutschland und die EU Sanktionen gegen das Maduro-Regime verhängen könnten, ähnlich wie es die USA getan haben. Ist das eine Idee, der Sie nachgehen? Sehen Sie eine Möglichkeit dafür?

Zur Androhung des US-Präsidenten, der ja mit einer Militärintervention gedroht hat: Wäre das ein Schritt, den Deutschland unterstützt?

SRS'in Fietz: Die Gespräche werden jetzt so weitergeführt, wie Herr Breul es eben skizziert hat. Dort wird auch über alle weiteren Maßnahmen entschieden. Weiteres können wir im Moment gar nicht sagen, weil wir diesen Gesprächen sonst vorgreifen würden.

Zusatzfrage: Aber mit welcher Position geht Deutschland denn in diese Gespräche? Als Sie die Fristsetzung vorgenommen hatten, war das ja auch eine deutsche Position, die in diese Gespräche hineingetragen wurde. Mit welcher Position geht Deutschland in diese nächsten Gespräche?

SRS'in Fietz: Die Position Deutschlands ist die, dass das venezolanische Volk das Recht bekommen soll, frei wählen zu können, wer sein Präsident sein soll. Jetzt geht es darum, die nötige Hilfe zu leisten und die nötige Unterstützung zu bieten, damit das in Gang kommen kann, damit Herr Guaidó in die Lage versetzt wird, diese Wahlen zu organisieren und auszurufen. Gleichzeitig geht es darum, akute Not im Land durch humanitäre Hilfe zu mildern.

Frage: Herr Breul, in der venezolanischen Verfassung steht gleich im ersten Artikel etwas über die Souveränität und die nationale Selbstbestimmung. Ist es für die Regierung ein wahrnehmbares Spannungsfeld, dass man einerseits natürlich irgendwie für demokratische Verhältnisse sorgen will, dass andererseits aber das dem auch entgegensteht?

Breul: Nein, wir haben uns zu den Präsidentschaftswahlen in Venezuela bereits im Mai sehr deutlich geäußert. Seitdem hat sich an unserer Position dazu nichts geändert. Wir ziehen jetzt die Konsequenzen daraus, dass Präsident Maduro nicht bereit und nicht willens war, Neuwahlen einzuleiten.

Frage: Frau Fietz, ich habe die Antwort auf die Frage des Kollegen Delfs noch nicht ganz verstanden. US-Präsident Trump hat gesagt, die Option eines militärischen Eingreifens sei sicherlich auf dem Tisch. Was hält die Bundesregierung davon?

SRS'in Fietz: Ich kann Sie dazu vielleicht auf eine Äußerung der Bundeskanzlerin von vergangenem Freitag verweisen. Die Kanzlerin hat gesagt, dass wir einen Beitrag dazu leisten wollen, dass es zu keiner Eskalation kommt, aber auch dazu, dass das venezolanische Volk seine Interessen durchsetzen kann. Das ist die Position der Bundesregierung.

Die Position der Vereinigten Staaten möchte ich an dieser Stelle nicht kommentieren.

Frage: Ich habe eine Frage an das Bundesfinanzministerium. Die "Bild"-Zeitung hat gestern vorab berichtet, dass Herr Scholz von einer Haushaltslücke von 25 Milliarden Euro bis 2023 ausgehe und dies auch den Ressorts mitgeteilt habe. Können Sie uns das bestätigen?

Schwamberger: Mit Blick auf die Haushaltsplanung kann ich Ihnen nur bestätigen, dass das Verfahren zur Aufstellung des Bundeshaushalts gerade begonnen hat. Ende März wird die Bundesregierung ihre Eckwerte präsentieren. Klar ist, dass in diese Eckwerte natürlich die Erkenntnisse im Rahmen des aktuellen Jahreswirtschaftsberichts einfließen werden, der Ende Januar vorgestellt wurde, und auch die Ergebnisse der letzten Steuerschätzung.

Klar ist - das sagt auch der Jahreswirtschaftsbericht -, dass sich das Wachstum in Deutschland fortsetzt. Die Wirtschaft ist weiterhin auf Wachstumskurs. Aber der Aufschwung verlangsamt sich. Das hat natürlich auch Auswirkungen auf die Steuereinnahmen. Bundesfinanzminister Olaf Scholz hat schon mehrfach deutlich gemacht, dass die Zeiten, in denen man am Ende eines Jahres immer höhere Steuereinnahmen, die über dem liegen, was eigentlich erwartet wurde, verzeichnen konnte, vorbei sind. Auf diese Situation ist der Bundeshaushalt dank einer vorsorgenden Finanzpolitik gut vorbereitet. Man hat auch schon in den vergangenen Haushaltsjahren mit Blick auf mehr Investitionen oder Entlastung für Familien klare Prioritäten gesetzt.

Mit Blick auf die kommende Haushalts- und Finanzplanung wird es weiterhin wichtig bleiben, dass man die richtigen Prioritäten setzt. Denn ein ausgeglichener Haushalt bleibt die klare Maßgabe bei der Haushaltsplanung des Bundes.

Zusatzfrage: Stimmt die Zahl denn nicht, die die "Bild"-Zeitung berichtet?

Schwamberger: Ich kann Ihnen das sagen, was ich gesagt habe, dass nämlich das Haushaltsaufstellungsverfahren, dass die Planungen erst begonnen haben. Das heißt, dass man jetzt schaut, wie die Einnahmesituation ist, und gemeinsam mit den Ressorts im Rahmen der Eckwerteaufstellung sozusagen die andere Seite plant. Das ist der Stand, von dem ich Ihnen heute hier berichten kann.

Frage: Wir könnten jetzt alle Ressorts durchgehen. Hat der Finanzminister Ihre jeweiligen Ressortchefs darüber informiert, dass die Lage schlechter wird und weniger Geld zu verteilen ist? Frau Fietz, vielleicht können Sie stellvertretend für alle anderen Kollegen etwas dazu sagen. Sonst müssen wir das von A bis Z durchexerzieren.

SRS'in Fietz: Ich kann Ihnen dazu nicht mehr sagen als das, was die Kollegin aus dem Finanzministerium gerade gesagt hat.

Schwamberger: Die Gespräche mit Blick auf die Aufstellung des neuen Haushalts und der neuen Finanzplanung haben begonnen. Diese Gespräche werden im Ressortkreis geführt. Diese Gespräche führen wir nie sozusagen vorweg in der Bundespressekonferenz.

Die Eckwerte werden Ende März vorgestellt.

Frage: Frau Schwamberger, ich würde es gern verstehen. Hat es Warnungen aus dem Finanzministerium an alle anderen Ressorts gegeben, dass man keine Mehrausgaben planen solle?

Betreffen diese Warnungen womöglich auch die Grundrente, oder hat Ihr Minister mit Herrn Heil über die möglichen Mehrkosten in einstelliger Milliardenhöhe gesprochen?

Schwamberger: Noch einmal, um Ihnen zu verdeutlichen, auf welchem Stand sich das Aufstellungsverfahren für den Haushalt 2020 gerade befindet: Am Anfang wird im Rahmen des Eckwerteprozesses auf die Eckpfeiler geschaut, innerhalb derer sich die neue Finanz- und Haushaltsplanung bewegen muss. Das geschieht auch auf Staatssekretärsebene. Da, sozusagen auch erst einmal im Ressortkreis, werden die Eckdaten und die Rahmendaten vorgestellt, und dann wird gemeinsam - diese Planung beginnt jetzt - ein Haushalt aufgestellt, der den Vorgaben des Koalitionsvertrags entsprechen soll. Wie Sie alle wissen, ist ein ausgeglichener Haushalt ohne neue Schulden und mit den klaren Prioritäten, die sich diese Bundesregierung gemeinsam gesetzt hat, geplant.

Zusatzfrage: Wenn Sie einfach mit Ja oder Nein antworten könnten: Hat es Warnungen vor Mehrausgaben gegeben?

Schwamberger: Die gemeinsamen Eckwerte der Bundesregierung werden immer im Rahmen von Gesprächen aufgestellt, und man einigt sich gemeinsam darauf. Es gibt viele Gespräche, und es werden noch viele Gespräche geführt werden, bis diese Eckwerte Ende März veröffentlicht werden werden.

Frage: Gehen Sie denn davon aus, dass die Grundrente in der Finanzplanung ohne neue Schulden umgesetzt werden kann?

Schwamberger: Da sind wir jetzt, glaube ich, dabei, den fünften Schritt vor dem ersten zu machen. Zum Thema der Grundrente kann, denke ich, die Kollegin vom BMAS bestimmt mehr als ich sagen. Ich werde hier jetzt auch nicht die Finanzierung einzelner Überlegungen kommentieren, sondern Ihre Frage bezog sich ja erst einmal auf die Aufstellung der Haushaltseckwerte. Ich weiß nicht, ob das BMAS - - -

Haas: Ich kann Ihnen zur Finanzierung im Moment auch noch nicht viel sagen. Sie haben es gestern der Presse entnommen: Minister Heil hat sein Modell der Grundrente erst einmal vorgestellt. Im Koalitionsvertrag ist festgelegt, dass es eine Grundrente geben soll, die die Anerkennung der Lebensleistung abbildet. Was das angeht, haben wir jetzt in den vergangenen Monaten im Haus viel gearbeitet. Es gab natürlich im Vorfeld Gespräche, auch mit dem Finanzminister, der das Modell erst einmal begrüßt hat. Über eine Finanzierung wird man aber sicherlich, wie die Kollegin auch gerade sagte, dann sprechen, wenn es ein zwischen den Koalitionsparteien abgestimmtes Modell gibt; denn das ist das, was, glaube ich, auch Kollegin Schwamberger mit dem fünften Schritt, den man vor dem ersten macht, meinte. Wir warten jetzt erst einmal ab, auf was wir uns alle gemeinsam einigen können, und werden dann die Finanzierung angehen.

Der Minister wies aber auch darauf hin, dass das natürlich ein Kraftakt werden würde, dass es uns das allerdings als Gesellschaft auch wert sein sollte.

SRS'in Fietz: Ich darf vielleicht noch einmal kurz ergänzen, dass sich die Koalitionspartner darüber einig sind und dies ja auch im Koalitionsvertrag aufgeschrieben haben, dass die Leistung von Menschen honoriert werden soll, die jahrzehntelang gearbeitet haben, Kinder erzogen haben und ihre Angehörigen gepflegt haben. Ihnen soll ein regelmäßiges Alterseinkommen oberhalb des Grundsicherungsbedarfs zukommen. Die Grundrente sollen also diejenigen erhalten, die Anspruch auf Grundsicherung haben und 35 Jahre in die Rentenversicherung eingezahlt haben. Sie soll 10 Prozent über der Grundsicherung legen. Also noch einmal: Die Lebensleistung vieler Männer und Frauen mit niedriger Rente wird anerkannt.

Im Koalitionsvertrag steht dann, dass Voraussetzung für den Bezug der Grundrente eine Bedürftigkeitsprüfung ist. Das ist die gemeinsame Arbeitsgrundlage der Koalition.

Im Übrigen möchte ich auch noch einmal auf das hinweisen, was ja eben auch schon anklang, nämlich dass der Bundesfinanzminister nachdrücklich gemahnt hat, die jahrelang hohen Steuereinnahmen seien nicht als selbstverständlich anzusehen. Vor diesem Hintergrund kann ich Ihnen sagen: Die Bundeskanzlerin legt Wert darauf, dass die Positionen des Arbeitsministers und des Bundesfinanzministers zusammengeführt werden.

Haas: Frau Fietz, wenn ich das hier nur einmal ergänzen darf: Wir haben gestern natürlich erst einmal das Modell ohne die Bedürftigkeitsprüfung vorgestellt. Insofern wird es da sicherlich noch Gesprächsbedarf geben. Das ist nur vielleicht der Punkt, der noch nicht ganz abgestimmt ist.

SRS'in Fietz: Im Koalitionsvertrag steht die Bedürftigkeitsprüfung drin; darauf wollte ich nur noch einmal verweisen.

Außerdem möchte ich noch darauf hinweisen, dass die Bundesregierung eine Rentenkommission eingesetzt hat. Die Kommission hat die Aufgabe, Konzepte für eine nachhaltige und sichere Rentenversorgung ab dem Jahr 2025 zu entwickeln und so die Grundlage für einen verlässlichen Generationenvertrag zu schaffen.

Schwamberger: Jetzt ist der Name des Bundesfinanzministers mehrfach gefallen. Insofern gilt - Frau Fietz hat es völlig zu Recht klargemacht - mit Blick auf die Überlegungen der beiden Häuser: Anerkennung und Respekt vor der Lebensleistung von Menschen ist ein wichtiges Ziel und ist auch wichtig für den Zusammenhalt unseres Landes und der Gesellschaft. Das hat Bundesfinanzminister Olaf Scholz als persönliche Überzeugung schon mehrfach deutlich zum Ausdruck gebracht. Wer viele Jahrzehnte lang in die Rentenkasse eingezahlt hat, der sollte auch im Alter eine Rente haben, die auskömmlich ist. Deshalb ist es gut und richtig, dass die Bundesregierung eine Grundrente einführen möchte. Arbeitsminister Hubertus Heil hat am Wochenende seine Überlegungen hierzu vorgestellt. Es ist ganz klar, dass auch der Bundesfinanzminister hinter dem Ziel dieser Überlegungen steht.

Frage: Frau Schwamberger, habe ich es aber richtig verstanden, dass es keine Finanzierungszusage des Finanzministers gibt? Ist dieses Konzept, das Herr Heil vorgestellt hat und das eben keine Bedürftigkeitsprüfung vorsieht, denn in irgendeiner Form mit dem Kanzleramt abgesprochen worden?

Noch einmal zu der Frage eines Haushaltsdefizits: Wenn schon in diesem Jahr eines drohen würde, könnte man ja eine Haushaltssperre machen. Sehe ich es richtig, dass die deswegen nicht droht, weil man ja die Flüchtlingsrücklage hat, die man, wenn sie leer ist, erst einmal anzapfen kann?

Schwamberger: Da waren jetzt sozusagen ganz viele Dinge auf einmal drin. Ungelegte Eier, sozusagen auch mit Blick auf die Haushaltsplanung - das ist ein bisschen sehr in die Zukunft hinein gedacht und sehr hypothetisch. Die Haushaltsplanung befindet sich sozusagen erst am Anfang und nicht am Ende. Ob und welches Ergebnis diese haben wird, werden wir dann - sozusagen mit Blick auf die Eckwerte - Ende März sehen. Inwieweit jetzt das Kanzleramt in dieser Überlegung eingebunden war - - - Oder meinten Sie das Vizekanzleramt?

Zusatz: Das Kanzleramt.

Schwamberger: Ach so. Das kann ich Ihnen nicht beantworten. Es gab hier auch keine Aussage mit Blick auf Finanzierungszusagen, sondern auch hier gilt wieder: Das ist weit im Prozess gedacht. Da stehen wir sozusagen noch nicht, sondern es geht jetzt darum, dass dieses Konzept - die Kollegin vom BMAS hat das ja auch deutlich gemacht - jetzt weiter ausgearbeitet und innerhalb der Regierung diskutiert wird. Auch die Frage der finanziellen Umsetzung ist eine, die sich dann mit Blick darauf stellen wird, was auch innerhalb der Koalition vereinbart wurde. Jetzt geht es also erst einmal darum, dass man inhaltlich weiterarbeitet und dieses Ziel konkret umsetzt.

SRS'in Fietz: Ich kann vielleicht noch ergänzen oder noch einmal wiederholen, was dazu im Koalitionsvertrag steht, nämlich "Grundrente nach einer Bedürftigkeitsprüfung". Der Vorschlag des Bundesarbeitsministers wird jetzt zusammen mit anderen Überlegungen innerhalb der Bundesregierung diskutiert. Eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe hat sich auch mit dem Thema beschäftigt, und bis zur Sommerpause soll ein Gesetzentwurf in das Kabinett eingebracht werden.

Haas: Ich müsste wahrscheinlich die Frage beantworten, ob das mit dem Kanzleramt abgestimmt war: Dieses direkte Modell war es nicht. Aber wir haben sowohl aus der Union als auch aus dem Kanzleramt den Wunsch wahrgenommen, zeitnah ein Modell vorzulegen. Es gab ja auch Äußerungen von verschiedenen Mitgliedern darüber, dass das im Koalitionsvertrag verankerte Modell eventuell eben nicht das abbildet, was das Ziel sein soll, nämlich die Anerkennung von Lebensleistung. So ist das Modell als solches jetzt zustande gekommen.

Frage: Der Arbeitsminister hat ja eine ganz klare Position vorgelegt, und Frau Fietz hat jetzt auch klar die Position der Kanzlerin benannt. Eine Unschärfe gibt es, finde ich, noch hinsichtlich des Finanzministers. Frau Schwamberger, in Bezug auf das Ziel, die Lebensleistung anzuerkennen, haben Sie sich geäußert. Aber wie ist es mit der Bedürftigkeitsprüfung? Entspricht das Konzept von Herrn Heil ohne eine Bedürftigkeitsprüfung der Position von Herrn Scholz? Das wird ja wahrscheinlich weitere Milliarden kosten. Ist also auch der Finanzminister der Meinung, dass die Grundrente ohne eine Bedürftigkeitsprüfung gezahlt werden sollte?

Schwamberger: Grundsätzlich ist es die Meinung des Bundesfinanzministers oder er teilt die Einsicht auch des Arbeitsministers, dass die Grundrente nur dann wirksam ist, wenn sie auch real etwas verändert. Insofern ist das ganze Konzept sozusagen auch aus diesem Blickwinkel zu bewerten. Das ist, wie gesagt, eine Sache, die dem Bundesfinanzminister auch in Abstimmung mit dem Bundesfinanzministeriumskonzept bekannt war, und nun gilt es, dieses Konzept innerhalb der Bundesregierung weiter abzustimmen und zu diskutieren. Natürlich wird das jetzt hier nicht vorweggenommen, auch nicht in diesem Kreise, sondern ist innerhalb der Bundesregierung abzustimmen.

Zusatzfrage: Es gibt ja schon die Rentenrücklage, die vom Finanzminister eingeplant wurde. Ist die für die Grundrente vorgesehen?

Schwamberger: Dafür gilt auch wieder das, was ich hier jetzt schon mehrfach gesagt habe: Wir stehen sozusagen am Beginn des Aufstellungsverfahrens für den Haushalt und für die kommende Finanzplanung.

Frage: Frau Haas, Herr Rehberg von der CDU-Fraktion spricht heute von jährlichen Kosten für diese Grundrente in Höhe von 4 Milliarden bis 6 Milliarden Euro aus Steuermitteln. Ist das die richtige Größenordnung?

Zur zweiten Frage, Frau Schwamberger: Ich habe die Reihenfolge nicht ganz verstanden. Sie haben gesagt, zuerst einige man sich auf ein Konzept, und dann schaue man eventuell, ob es finanzierbar ist. Ist das die richtige Reihenfolge für einen Finanzminister?

Haas: Dann würde ich einmal anfangen. Wir haben ja gerade noch einmal dargelegt, dass dieses Modell zunächst zu diskutieren ist. Insofern ist es etwas schwer, etwas zu etwas zu sagen, was am Ende die Finanzierung angeht. Der Minister selbst hat ja von einem mittleren einstelligen Milliardenbetrag gesprochen, sodass die Ableitung von Herrn Rehberg jetzt nicht ganz überraschend ist.

Aber ich würde mich jetzt im Moment auf gar keinen Fall auf feste Zahlen einlassen wollen; denn wie, glaube ich, gerade auch zu erkennen ist, gibt es noch ein bisschen Abstimmungsbedarf zwischen den Koalitionsparteien.

Schwamberger: Ich glaube, die wechselseitige Einflussnahme dieser Fragen hat sich jetzt auch deutlich in der Stellungnahme des BMAS gezeigt.

Zusatzfrage: Nee! Ich würde grundsätzlich fragen. Sie haben gesagt, zuerst soll sich über das Konzept geeinigt werden, und dann würden Sie nach einer Finanzierungszusage schauen. Ist es nicht das Erste, zu schauen, wie viel Geld da ist, um dann zu schauen, wie man es verteilt?

Schwamberger: Ich habe gesagt, dass man den fünften Schritt nicht vor dem ersten gehen kann, und dann ist die Frage natürlich, welches Konzept - und zwar eines, auf das man sich gemeinsam verständigen kann - die Zielsetzung der Bundesregierung am besten widerspiegelt. Das ist schon ein erster Schritt. Das ist das, woran man jetzt arbeitet. Darin fließen natürlich Überlegungen finanzieller Art mit ein, aber sie sind sozusagen Teil der gesamten, innerhalb der Bundesregierung laufenden Überlegungen.

SRS'in Fietz: Ich glaube, Sie können davon ausgehen, dass, wenn das Projekt der Grundrente jetzt diskutiert wird, dann geschaut wird, was am wirksamsten ist, um lebenslanges Arbeiten und Lebensleistungen tatsächlich anzuerkennen. Gleichzeitig wird man natürlich prüfen, wie sich das Konzept oder die verschiedenen Konzepte finanzieren lassen. Ich glaube, das ist ein paralleler Vorgang, den man hier jetzt nicht irgendwie künstlich auseinanderdividieren muss. Ich habe Frau Schwamberger auch nicht so verstanden, dass das jetzt auseinandergezogen werden würde, sondern das ist ein Prozess. In dem prüft man, was das Beste ist, und gleichzeitig prüft man, wie man es finanzieren kann.

Frage: Frau Haas, ich habe zwei Fragen. Bisher bin ich immer davon ausgegangen, dass der Bundesarbeitsminister den Koalitionsvertrag aus dem Effeff kennt. Ich glaube, er hat ihn sogar mit ausverhandelt. Warum lässt er dann jetzt einen so wichtigen Knackpunkt wie die Bedürftigkeitsprüfung in seinem Vorschlag außen vor?

Zweite Frage, da bei Ihnen im Haus ja bestimmt gut gerechnet wird und immer Überschlagswerte in die Diskussion aufgenommen werden: Mit welcher Summe ist er denn zum Bundesfinanzminister gegangen, was die Kosten für diese Grundrente betrifft?

Haas: Bezüglich des Koalitionsvertrags habe ich vorhin auch schon einmal gesagt, dass das Hauptziel des Koalitionsvertrags die Anerkennung der Lebensleistung ist. Das ist auch die Überschrift. Dass man darunter verschiedene Modelle subsumieren kann, steht, denke ich, außer Frage. Für uns ist aber der wesentliche Aspekt, dass die Lebensleistung eines jeden Einzelnen anerkannt wird.

Nach einem Leben voller Arbeit von jemandem zu erwarten, dass er sich am Ende vor dem Sozialamt komplett erklärt, was seine Vermögensverhältnisse angeht, steht für uns eben nicht im Einklang mit der Anerkennung der Lebensleistung. So viel zum Koalitionsvertrag.

Wie war die zweite Frage in Bezug auf die Rechenbeispiele genau?

Zusatz: Mit welchen Zahlenvorstellungen Sie zum Bundesfinanzminister gegangen sind.

Haas: Frau Schwamberger hat es ja auch schon erklärt: Es ging uns in erster Linie darum, dass wir uns mit dem Bundesfinanzminister auf ein Modell einigen, in dem wir den Koalitionsvertrag umgesetzt sehen. Dass man, wenn man sich darauf geeinigt hat, dann mit dem Koalitionspartner spricht und danach die Finanzierungsableitung zieht, ist irgendwie auch klar. Der Minister hat gestern im Interview auch gesagt, dass es wünschenswert wäre, das aus Steuermitteln zu stemmen.

Frage: War dieses Konzept in irgendeiner Form mit dem Koalitionspartner durchgesprochen oder ist da gar nichts passiert?

Haas: Wir haben die Aufforderung des Koalitionspartners wahrgenommen, genau den Koalitionsvertrag mit seiner Überschrift, also der Anerkennung der Lebensleistung, umzusetzen und haben uns dann an ein erstes Modell gemacht.

Frage: Frau Schwamberger, noch einmal an Sie: Es gibt in der Koalition hohe Ausgabenwünsche von verschiedensten Ressorts. Ich nenne den Kohlekompromiss, die Grundrente oder Forderungen von Herrn Spahn nach mehr Geld; auch sollen eventuell die doppelten Beiträge bei den Betriebsrenten entlastet werden, die Bundeswehr soll mehr Gelder bekommen. Wird dem Bundesfinanzminister nicht schwummerig, ob er die schwarze Null halten kann oder müssen wir uns überlegen zu sparen?

Schwamberger: Im Grunde haben Sie eigentlich sehr schön beschrieben, wie solche Überlegungen mit Blick auf nahe Haushaltsaufstellungen ablaufen. Man betrachtet ganz genau, wie eigentlich die Einnahmesituation aussieht und dann, welche verschiedenen Ausgabenwünsche und -anmeldungen es seitens der Ressorts gibt. Das ist das normale Geschäft bei der Aufstellung eines Haushalts. Dann legt man gemeinsam die Prioritäten und Schwerpunkte im Ausgabenbereich fest.

Klar ist: Es ist so, dass die Steuereinnahmen durchaus ein gewisses Niveau haben und auch im gewissen Maß ein wenig anwachsen, aber nicht in der Dynamik wie noch in den letzten Jahren. Insofern ist vieles zu finanzieren - die wichtigen und richtigen Dinge -, aber vielleicht nicht mehr alles. Genau um diese Prioritätensetzung geht es im Rahmen dieses Eckwerteverfahrens, wo man gemeinsam die Entscheidung trifft, in welchen Bereichen man weitere Ausgabensteigerungen vornehmen wird und in welchen Bereichen das nicht passiert. Das ist das ganz normale Geschäft. Diese Frage wird dann beantwortet, wenn der Prozess dieser Gespräche und Planungen beendet ist.

Frage: Eine ganz Kleine Infofrage an Frau Haas: Richtet sich Ihr Konzept nur an künftige Rentner, an Versicherte, oder auch an Bestandsrentner?

Das sind ja nicht einmal im Jahr vier, fünf oder sechs Milliarden Euro, sondern das sind jedes Jahr Beträge. Rechnen Sie damit, dass die aufwachsen? Haben Sie schon einmal geschaut, ab welchem Zeitraum möglicherweise besonders viele Menschen mit 35 und mehr Jahren Arbeitsleistung unterhalb dieser 0,8 Punkte bleiben?

Haas: Zur ersten Frage, weil ein Nicken ja nicht für das Protokoll taugt: Es richtet sich auch an Bestandsrentner.

Zur zweiten Frage: Ganz im Gegenteil. Wir gehen davon aus, dass das Ganze nicht aufwachsen wird und von unserem derzeitigen Modell vor allen Dingen 75 Prozent Frauen profitieren würden, die in den vergangenen Jahren oft in einkommensschwachen Berufen tätig waren, sodass sie im Moment am meisten profitieren würden. Das hat sich aber Gott sei Dank im Laufe der letzten Jahre drastisch verändert, sodass wir eher davon ausgehen, dass die Zuschüsse sinken würden.

Um das noch einmal abzuschließen: Auch dabei wird eine genaue Berechnung erst dann möglich sein, wenn wir uns auf ein Modell geeinigt haben.

SRS'in Fietz: Ich möchte gerne noch etwas zum Thema Venezuela dazwischenrufen. Die Bundeskanzlerin hat sich in der Zeit, während wir hier sitzen, in Japan geäußert. Sie hat gesagt:

"Bis gestern ist keine Wahl für eine Präsidentschaft ausgerufen worden, deshalb ist Juan Guaidó jetzt die Person, mit der wir darüber reden und von der wir erwarten, dass sie einen Wahlprozess möglichst schnell initiiert. Für diese Aufgabe ist er aus deutscher Sicht und aus der Sicht vieler europäischer Partner der legitime Interimspräsident. Wir hoffen, dass sich dieser Prozess möglichst kurz und natürlich friedlich gestaltet."

Das war es. - Danke.

Frage: Ich habe eine Frage zur Zweckgesellschaft INSTEX gegen die US-Sanktionen. Wie sind die Reaktionen aus den anderen EU-Ländern? Wie geht es auf der EU-Ebene diesbezüglich weiter? Wie sind die Reaktionen aus den USA?

Breul: Ich würde Ihre Frage dahingehend etwas einordnen wollen, dass die Maßnahme sich nicht gegen die USA richtet, sondern die Maßnahme ist so einzuordnen, dass wir wollen, dass der legitime Handel mit dem Iran ermöglicht wird, und zwar so, wie wir es mit unseren europäischen Sanktionen vorgesehen haben. Insofern möchte ich diesen Eindruck korrigieren, als wäre das eine Maßnahme, die sich auf die USA richtet. Nein, das ist eine Maßnahme, die sich auf den Iran richtet. Wir hatten dazu ja letzte Woche umfangreich vorgetragen und hatten gesagt, dass diese Details des Instruments jetzt weiter ausbuchstabiert werden müssen. Das "Special Purpose Vehicle" ist registriert. Jetzt geht es darum, es möglichst schnell handlungsfähig zu machen. Ich kann Ihnen über keine Reaktion aus den USA dazu berichten.

Frage: Ich wollte einmal Frau Fietz fragen, ob es jetzt generell die Haltung Deutschlands ist, bei unliebsamen Regimen den Regimechange quasi proaktiv mit anzustreben?

SRS'in Fietz: Es geht uns bei Venezuela darum, dass zu demokratischen Prozessen zurückgefunden wird und es demokratische Wahlen für das venezolanische Volk gibt. Das ist die Position zu Venezuela. Daraus lassen sich in keiner Weise Handlungsstränge für zukünftige Fälle ableiten.

Montag, 4. Februar 2019

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Quelle:
Regierungspressekonferenz vom 4. Februar 2019
https://www.bundesregierung.de/breg-de/suche/regierungspressekonferenz-vom-4-februar-2019-1576858
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veröffentlicht im Schattenblick zum 7. Februar 2019

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