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PRESSEKONFERENZ/1791: Regierungspressekonferenz vom 28. November 2018 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Im Wortlaut
Mitschrift der Pressekonferenz - Mittwoch, 28. November 2018
Regierungspressekonferenz vom 28. November 2018

Themen: Kabinettsitzung (Rentenversicherungsbericht 2018, 3. Bericht zur Anhebung der Regelaltersgrenze auf 67 Jahre, Rahmenprogramm Gesundheitsforschung), Konferenz zur Annahme des UN-Migrationspakts in Marrakesch, Zwischenfall in der Straße von Kertsch, G20-Gipfel in Buenos Aires, Rückführungsabkommen mit Italien, angebliche extremistische Netzwerke innerhalb der Bundeswehr, EU-Beitrittsprozess der Westbalkanstaaten, Bericht des GKV-Spitzenverbands zu Fehlverhalten im Gesundheitswesen/Schutz für Whistleblower, Rolle Saudi-Arabiens in der Region des Persischen Golfs, zukünftige Finanzierung der syrischen Weißhelme, Diskussion um die Einführung einer CO2-Steuer, mögliche Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes in Bezug auf die Jagd und Tötung von Wölfen, Unterstützung israelischer Nichtregierungsorganisationen durch die Bundesregierung, Liste der unmittelbar am Krieg im Jemen Beteiligten

Sprecher: StS Seibert, Schneider (BMAS), Breul (AA), Fähnrich (BMVg), Petermann (BMI), Gülde (BMG), Krüger (BMJV), Haufe (BMU), Eichler (BMWi)


Vors. Szent-Iványi eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt StS Seibert sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

StS Seibert: Schönen guten Tag! Das Kabinett hat sich zunächst einmal unter zwei verschiedenen Aspekten mit dem Thema der Rente befasst. Das eine ist der Rentenversicherungsbericht 2018. - Sie wissen, den legen wir regelmäßig vor. Er kommt zu dem Schluss, dass die gesetzliche Rentenversicherung derzeit finanziell gut aufgestellt ist. Dieser Versicherungsbericht gibt Auskunft darüber, wie sich die Rentenfinanzen in den nächsten 15 Jahren voraussichtlich entwickeln werden. Man kann die klare Aussage treffen: Wir haben eine erfreuliche und weiterhin gute Lage am Arbeitsmarkt; davon profitiert natürlich die gesetzliche Alterssicherung. Die Beitragseinnahmen sind noch einmal erheblich gestiegen. Das führt dazu, dass die Nachhaltigkeitsrücklage der Deutschen Rentenversicherung bis Ende des Jahres 2018 voraussichtlich bei 38 Milliarden Euro liegen wird. Wegen der guten Lohnentwicklung ist auch für 2019 eine deutliche Erhöhung der Renten zu erwarten.

Diese Finanzentwicklung der gesetzlichen Rentenversicherung ist natürlich für die kommenden Jahre erheblich vom kürzlich beschlossenen Rentenpaket geprägt. Wir sehen darin, wie Sie wissen, bis 2025 ein konstantes Sicherungsniveau von 48 Prozent vor, das heißt - das muss man immer wieder sagen - Standardrente gemessen am Durchschnittsentgelt. Derzeit sind es 48,1 Prozent. Auch der Beitragssatz zur gesetzlichen Rentenversicherung soll unverändert bleiben - nach den aktuellen Berechnungen bis einschließlich 2023 bei 18,6 Prozent. Mit dem Rentenpaket wird der Beitragssatz bis 2025 die Marke von 20 Prozent nicht überschreiten. Die Fortentwicklung der gesetzlichen Rentenversicherung nach 2025 ist das große Thema, mit dem sich die Kommission "Verlässlicher Generationenvertrag" derzeit befasst und zu dem sie im März 2020 geeignete Maßnahmen vorschlagen wird.

Zu diesem Oberthema Rente gehört noch das zweite Thema: Das Kabinett hat auch den 3. Bericht zur Anhebung der Regelaltersgrenze auf 67 Jahre beschlossen. Sie wissen, diese Regelaltersgrenze ist im Jahre 2007 eingeführt worden. Sie ist auch weiterhin notwendig. Sie wird über einen langfristigen Zeitraum stufenweise eingeführt - bis zum Jahre 2031. Das schafft Planungssicherheit; das überfordert weder Beschäftigte noch Unternehmen. Das erfreuliche Ergebnis ist, dass die Erwerbsbeteiligung älterer Menschen kontinuierlich ansteigt. Sie liegt derzeit in der Altersgruppe der 60- bis 64-Jährigen bei 58 Prozent, das heißt, insgesamt 2,1 Millionen Menschen in dieser Altersgruppe sind sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Das ist nicht nur prozentual mehr als doppelt so viel wie 2007. Wenn man es sozusagen in Köpfen zählt, stellt man fest: Heute haben wir 2,1 Millionen sozialversicherungspflichtig Beschäftigte zwischen 60 und 64 Jahren; im Jahre 2000 hatten wir 1,5 Millionen weniger, also damals nur 600 000. Das zeigt das kontinuierliche Anwachsen der Erwerbsbeteiligung älterer Menschen.

Des Weiteren hat die Bundesforschungsministerin dem Kabinett das Rahmenprogramm Gesundheitsforschung vorgelegt. In diesem Rahmen wird die Bundesregierung Gesundheitsforschung fördern - an Hochschulen, an Universitätskliniken, an außeruniversitären Forschungseinrichtungen und natürlich auch in der Wirtschaft. Das Programm hat eine Laufzeit von zehn Jahren. Das Bildungsministerium stellt jährlich rund 2 Milliarden Euro für die Förderung von Gesundheitsforschung zur Verfügung; dazu kommen noch weitere 500 Millionen Euro von anderen Ressorts für Projektförderung, Ressortforschung in diesem Bereich, institutionelle Förderung. Das Programm tritt am 1. Januar 2019 in Kraft und läuft, wie gesagt, für zehn Jahre. Der übergeordnete Leitgedanke ist, dass der Mensch noch stärker in den Mittelpunkt der Forschung gestellt werden soll. Es geht im Wesentlichen um zwei Punkte: erstens die Überführung wissenschaftlicher Ergebnisse der medizinischen Forschung in die Praxis - das wollen wir intensivieren, das soll schneller den Patienten zur Verfügung gestellt werden beziehungsweise ihnen zugutekommen. Das zweite große Thema ist, dass der digitale Wandel auch im Gesundheitssystem noch stärker in den Mittelpunkt gerückt werden soll. Folgende drei Handlungsfelder beschreiben die Schwerpunkte der künftigen Gesundheitsforschungspolitik der Bundesregierung: Krankheiten vorbeugen und heilen, den medizinischen Fortschritt vorantreiben und den Forschungsstandort stärken.

Frage: Herr Seibert, Sie haben von dem Anstieg von 0,6 auf 2,1 Millionen sozialversicherungspflichtige Arbeitsstellen berichtet. Haben Sie auch einen Überblick über die Bandbreite oder einen Mittelwert der Einkommen, die in diesen Arbeitsstellen erreicht werden? Das ist ja nicht ganz unwichtig.

StS Seibert: Das sind Zahlen, die mir nicht vorliegen.

Zusatzfrage: Hat das Arbeitsministerium Zahlen dazu? Denn sie sind ja für die Relevanz der Beitragszahlungen nicht ganz ohne Bedeutung.

Schneider: Ich habe den Bericht in Gänze jetzt nicht hier liegen; aber es gibt Tabellen im Bericht, die auch zum Einkommen Auskunft geben. Insofern kann ich Sie nur darauf verweisen. Die Berichte stehen online, da können Sie jegliche Daten abrufen, die auch das Einkommen betreffen.

StS Seibert: Zu finden ist das unter dem offiziellen Namen: 3. Bericht zur Anhebung der Regelaltersgrenze auf 67 Jahre.

Frage: Frau Schneider, die Rentenkommission legt ja noch in dieser Legislaturperiode Vorschläge vor. Sollen die denn auch noch in dieser Legislaturperiode in Gesetzentwürfe fließen? Oder wie sieht Ihr Ministerium das?

Schneider: Der Minister hat sich dazu ja schon mehrmals geäußert und darauf hingewiesen, dass es genau deshalb so gedacht ist, dass die Rentenkommission zu einem Zeitpunkt ihre Vorschläge machen soll, damit gegebenenfalls eben auch noch Umsetzungsmöglichkeiten bestehen. Da muss man aber - das muss man fairerweise einfach sagen - den Bericht und die Vorschläge abwarten. Dem kann man natürlich nicht vorgreifen.

Frage: Eine Frage an Herrn Seibert zum Thema UN-Migrationsgipfel: Da wurde ja heute eine Mitteilung von Ihnen rausgeschickt, in der es hieß, dass die Kanzlerin möglicherweise zum Gipfel fliegen würde. Ich hatte es immer so verstanden, dass sie auf jeden Fall dorthin fliegt. Meine Frage ist: Heißt das, dass möglicherweise auch hinter der deutschen Unterstützung des Migrationspaktes noch ein Fragezeichen steht?

StS Seibert: Über dieser Mitteilung steht in großen Buchstaben: nicht zur redaktionellen Verwendung. Deswegen würde ich über diese Mitteilung jetzt nicht sehr viel weiter reden wollen. Sie dient ja eigentlich nur der möglichen Planung von Journalisten.

Sie wissen - wir haben es hier mehrfach, glaube ich, sehr deutlich gemacht - , dass die Bundesregierung sowohl hinter dem Flüchtlingspakt als auch hinter dem Migrationspakt der Vereinten Nationen steht und diese Haltung sicherlich auch auf der Konferenz in Marrakesch deutlich machen wird. Reiseplanungen der Bundeskanzlerin zum entsprechenden Zeitpunkt.

Zusatzfrage: Falls die Kanzlerin nicht hinfahren würde, würde dann ein Vertreter fahren? Kann man schon sagen, wer das wäre - also nur für den Fall, dass es so kommt?

StS Seibert: Genau; hypothetische Fragen beantworten wir heute nicht.

Frage: Zum Kabinett: Können Sie uns die Themen nennen, die Sie uns jetzt nicht vorgetragen haben, die ohne Aussprache beschlossen wurden?

StS Seibert: Wenn Sie mich nach einem konkreten Thema fragen, könnte ich darauf eingehen. Ich werde Ihnen auch heute nicht die gesamte Liste der ohne Aussprache beschlossenen Themen vortragen, weil das definitiv die Mittwochs-Regierungspressekonferenz sprengt und die Bundesregierung sich erst noch darüber klar werden muss, wie sie mit solch einer Anfrage, die es in - ich weiß es nicht - 30 Jahren nicht gegeben hat, umgehen will.

Zusatz: Veränderungen sind immer etwas Neues.

StS Seibert: Diese Veränderung wäre aber keine zum Wohle der Bundespressekonferenz.

Zusatz: Seit drei oder vier Wochen bitten wir darum, sich darüber Gedanken zu machen. Sie können uns das ja im Vorhinein schicken, damit wir dazu fragen können. Darüber wollten Sie sich Gedanken machen.

StS Seibert: Genau.

Zusatz: Haben Sie noch nicht.

StS Seibert: Noch nicht abschließend.

Frage: Herr Seibert, ich würde, nachdem vonseiten Moskaus das Angebot von Gesprächen in internationalen Formaten über eine Entschärfung der Situation im Asowschen Meer zurückgewiesen wurde, ganz gerne wissen: Was tut die Bundesregierung, um die Kriegsgefahr dort zu verringern?

StS Seibert: Ich will das zum Anlass nehmen, um noch einmal die Haltung der Bundesregierung zu diesem Zwischenfall in der Straße von Kertsch, den wir mit großer Sorge sehen, darzulegen.

Das Gebot der Stunde ist Zurückhaltung und Dialog. Ganz klar ist: Wir erwarten von Russland, dass die festgenommenen Seeleute freigelassen werden. Wir erwarten auch, dass die aufgebrachten Schiffe von Russland zurückgegeben werden. Ich kritisiere auch im Namen der Bundesregierung die Vorführung ukrainischer Gefangener im russischen Fernsehen. Sie wissen auch, weil wir darüber informiert haben, dass die Bundeskanzlerin am 26. November sowohl mit dem ukrainischen als auch mit dem russischen Präsidenten telefoniert hat und genau das, was ich gerade als das Gebot der Stunde bezeichnet habe, nämlich Zurückhaltung und Dialog, angemahnt hat. Aus unserer Sicht ist keine Rechtfertigung für den Einsatz militärischer Mittel durch Russland zu erkennen. Ich wiederhole, dass wir die territoriale Integrität der Ukraine unterstützen und ihre volle Souveränität ebenso. Dazu gehören natürlich auch die Schifffahrtsrechte in der Meerenge von Kertsch und im Asowschen Meer. Es ist völlig klar: Es darf keinerlei Beschränkungen der internationalen Seeschifffahrt im Asowschen Meer geben, vor allem auch nicht zulasten der Ukraine und ihrer dortigen Häfen.

Im Übrigen appellieren wir an beide Seiten, nun rasch den Dialog aufzunehmen und diesen Vorfall gründlich aufzuarbeiten.

Breul: Ich kann vielleicht noch einen aktuellen Punkt ergänzen: Die Bundeskanzlerin hatte mit Präsident Putin ja vereinbart, dass die Außenminister auch in der Folge im Gespräch bleiben. Gestern hat es bereits ein erstes Telefonat von Außenminister Maas mit seinem russischen Amtskollegen gegeben. Dabei hat der Außenminister noch einmal - die Linie hat auch Herr Seibert gerade vorgetragen - zur Deeskalation aufgerufen. Die beiden Außenminister haben konkret über Möglichkeiten gesprochen, den Vorfall jetzt unter Beteiligung russischer und ukrainischer Grenzschutzexperten zu analysieren. Ich glaube, das war auch das, worauf der russische Außenminister gestern in seiner Pressekonferenz abhob: dass es wichtig ist, dass die Experten vor Ort untereinander ins Gespräch kommen. Das ist genau unsere Meinung. Das Wichtigste ist jetzt, die Fakten auszutauschen. Es gab ja durchaus unterschiedliche Darstellungen. Da hilft es natürlich auch, wenn die beiden Seiten gemeinsam eine Analyse vornehmen und dann womöglich Schlussfolgerungen daraus ziehen. Von daher begrüßen wir das. Ich sehe da keinen Widerspruch. Wir nutzen alle Formate, die wir haben, die sich anbieten, um unsere Botschaft zu überbringen.

Zusatzfrage: Herr Seibert, der ukrainische Botschafter hat heute Morgen in deutlichen Worten mehr Unterstützung, stärkere Unterstützung Deutschlands für sein Land gefordert. Aus dem In- und Ausland wird gefordert, zum Beispiel ein Projekt wie Nord Stream 2 während dieser Krise wenigstens auf Eis zu legen. Wird darüber nachgedacht?

StS Seibert: Die Bundesregierung hat die Kritik natürlich zur Kenntnis genommen. Nord Stream 2 ist in erster Linie ein Projekt der Wirtschaft; das haben wir hier immer gesagt, darauf haben wir wiederholt hingewiesen. Es hat aber auch eine politische Dimension, und das ist die Frage, wie es mit der ukrainischen Transitrolle für russisches Gas nach 2019 weitergeht. Wir haben immer betont: Darüber braucht man Klarheit. Das gilt nach wie vor. Deswegen beobachten wir natürlich die Spannungen nun auch sehr genau. Es ist gut, dass Gespräche zwischen der EU, der Ukraine und Russland über die Fortsetzung des Gastransits nach 2019 angelaufen sind; sie laufen seit dem Sommer. Wir unterstützen den Vizepräsidenten der Europäischen Kommission Sefcovic, bei diesen Gesprächen mit Russland und der Ukraine eine Lösung zu finden. Es ist im deutschen Interesse, es ist im europäischen Interesse, dass die Ukraine auch weiterhin eine Rolle als Transitland für russisches Gas spielt, und so haben wir es auf allen Ebenen - auch die Bundeskanzlerin der russischen Seite - klar mitgeteilt. Wir stehen dazu, wie gesagt, in engem Austausch.

Zusatzfrage: Sind die Rahmenbedingungen für dieses Projekt seit der Eskalation am Wochenende schwieriger geworden?

StS Seibert: Ich habe die Kritik zur Kenntnis genommen. Sie ändert aber nichts an dem grundsätzlichen Blick auf dieses Projekt der Wirtschaft, das Nord Stream 2 ist. Es gibt auch andere Projekte, mit denen russisches Gas nach Europa gelangen wird. TurkStream ist im Entstehen. Die Bundeskanzlerin hat auch auf diesen südlichen Korridor hingewiesen. Dennoch ist für uns klar: Die Ukraine muss ein Transitland bleiben. Deswegen werden wir tun, was wir tun können - flankierend -, um diese Gespräche auch zu unterstützen.

Frage: Herr Seibert, ist jetzt überhaupt ein Vieraugengespräch zwischen der Bundeskanzlerin und Wladimir Putin in Buenos Aires geplant?

StS Seibert: Das ist nun wieder ein ganz anderes Thema. Wir kommen jetzt zum G20-Gipfel und möglichen bilateralen Begegnungen. Sie wissen, dass ich die in der Regel nicht vorher ankündige. Natürlich gibt es Pläne für eine Reihe von bilateralen Begegnungen, und wir berichten darüber, wenn es so weit ist. Wir haben ja morgen auch noch ein Briefing zum Thema G20, dem würde ich hier auch nicht vorgreifen wollen. Aber mit Sicherheit: Die Bundeskanzlerin hat nach dem Zwischenfall in der Straße von Kertsch bereits mit Präsident Putin telefoniert, und natürlich werden wir diesen intensiven hochrangigen Kontakt mit Russland auch fortsetzen.

Frage: Herr Seibert, grundsätzlich noch einmal die Frage: Ist denn aus Sicht der Bundesregierung eigentlich schon die Schuldfrage bei diesem Vorfall geklärt? Oder ist für die Bundesregierung nach wie vor offen, wer hauptsächlich dafür schuldig zu machen wäre? Ich habe nur gehört: Gestern hat die Bundeskanzlerin ja im Grunde genommen auch noch einmal gesagt, es gebe sehr verschiedene Darstellungen, und sie wolle sich jetzt erst einmal die Funkprotokolle anhören, um sich dann ein abschließendes Bild zu machen. Wird sie das erst machen und dann zu einer eindeutigen Einschätzung kommen, oder ist das jetzt schon klar?

StS Seibert: Also, was die notwendige Freiheit des Seeverkehrs durch die Straße von Kertsch ins Asowsche Meer betrifft, haben wir ja eine ganz klare Haltung und die ganz klare Erwartung, dass das nicht beschränkt werden darf, vor allem auch nicht zulasten der Ukraine und ihrer Häfen. Zweitens habe ich ganz klar gesagt: Wir sehen keine Rechtfertigung für ein militärisches Vorgehen. Wie das aussah, das Rammen dieses ukrainischen Bootes, konnte jeder ja auch auf Video betrachten. Drittens: Ebenso klar ist die Erwartung, dass die ukrainischen Seeleute freigelassen werden und die Schiffe zurückgegeben werden. Zu dem anderen möchte der Kollege vom Auswärtigen Amt möglicherweise etwas sagen.

Breul: Dazu kann ich vielleicht etwas ergänzen. In der Tat - ich hatte es in meinem ersten Statement schon angedeutet - liegen unterschiedliche Versionen der Geschehnisse vor. Wir haben da letztlich nicht alle Informationen, die man benötigen würde, um eine präzise rechtliche Einordnung vorzunehmen. Daher würde ich gerne nur grundsätzlich ausführen.

Herr Seibert hat es gerade schon gesagt: Wir sehen auf Basis der bislang bekannt gewordenen Fakten keine Rechtfertigung für den Einsatz militärischer Gewalt. Wir gehen völkerrechtlich davon aus, dass es sich beim Asowschen Meer und der Meerenge von Kertsch um innere Gewässer handelt - das heißt Staatsgebiet -, die von Ukraine und Russland gemeinschaftlich verwaltet und genutzt werden. Die Nutzung ist in einem Abkommen zwischen beiden Anrainerstaaten geregelt, dem russisch-ukrainischen Kooperationsvertrag vom 24. Dezember 2003. Artikel 2 Abs. 1 des Vertrags sieht das freie Durchfahrtrecht von Schiffen beider Vertragsparteien durch die Meerenge vor. Das gilt ausdrücklich auch für militärische Fahrzeuge der Vertragsparteien in beiden Gewässern - ohne Einschränkung oder Zustimmung des jeweils anderen Staates.

Lassen Sie mich noch eine Sache hinzufügen, weil das, glaube ich, auch wichtig ist: Unsere Rechtsposition ist eindeutig: Die Annexion der Krim war und ist völkerrechtswidrig. Zweitens ist auch der Bau der Kertsch-Brücke völkerrechtswidrig, weil die Ukraine daran nicht beteiligt wurde. Viele mögliche andere Argumentationsketten, die teilweise auch im Internet zu sehen waren, gehen aus unserer Sicht von falschen völkerrechtlichen Annahmen aus.

StS Seibert: Ich will kurz noch etwas zur Frage des konkreten Vorfalls hinzufügen. Die Bundeskanzlerin hat auch darüber mit dem russischen Präsidenten Putin gesprochen. Sie hat es natürlich mit beiden besprochen. Da unsere Haltung ist, dass es sinnvoll wäre, das, was dort geschehen ist, im Dialog zwischen Russland und der Ukraine konkret aufzuarbeiten, ist im Gespräch mit Präsident Putin auch die Option erörtert worden, den Vorfall unter Beteiligung russischer und ukrainischer Grenzschutzexperten zu erörtern und aufzuklären.

Zusatzfrage: Soll das für morgen geplante Treffen der Kanzlerin mit dem ukrainischen Premierminister im Rahmen des Deutsch-Ukrainischen Wirtschaftsforums nach wie vor stattfinden?

StS Seibert: Ja, das findet statt.

Frage: Meine Frage bezieht sich auf mögliche zusätzliche Sanktionen, die die Ukraine fordert. Nach Informationen der Zeitung "DIE WELT" hat sich Deutschland gestern in Brüssel dagegen ausgesprochen. Wie ist Ihre Position?

StS Seibert: Unsere Position ist, dass über eine mögliche Erweiterung bestehender Sanktionen mit den europäischen Partnern zu diskutieren sein wird. Solch einer Diskussion möchte ich hier nicht vorgreifen. Sie wissen, dass die sogenannten Stufe-3-Sanktionen, also die Wirtschaftssanktionen, gegen Russland zuletzt am 5. Juli dieses Jahres um sechs weitere Monate bis Ende Januar 2019 verlängert wurden. Das war wie immer eine einstimmige Entscheidung, der also alle EU-Mitgliedsstaaten zugestimmt haben. Das heißt, die Frage der Verlängerung dieser Sanktionen stellt sich ohnehin erst in ein paar Wochen.

Zusatzfrage: Polen und Estland haben sich bereits festgelegt. Sie würden zusätzliche Sanktionen unterstützen. Verstehe ich es richtig, dass sich Berlin noch nicht festgelegt hat?

StS Seibert: Es ist, wie ich es gesagt habe. Das ist im Kreise der europäischen Partner zu diskutieren.

Zusatzfrage: Noch eine Frage zum möglichen Dialog zwischen ukrainischen und russischen Grenzschutzexperten: Ist zu erwarten, dass das möglicherweise im Normandie-Format stattfinden wird?

Der russische Außenminister Lawrow hat bereits gesagt, dass Russland auch direkt mit der Ukraine darüber sprechen könnte und dass das Normandie-Format dazu nicht notwendig wäre. Wie kann man in diesem Fall reden und deeskalieren?

StS Seibert: Da gerade erst am Montag die Runde der politischen Direktoren im Normandie-Format hier im Auswärtigen Amt stattgefunden hat, antwortet am besten der Kollege.

Breul: Ich hatte in meiner ersten Antwort schon versucht darzulegen, dass ich darin nicht notwendigerweise einen Widerspruch sehe. Aus unserer Sicht geht es darum, dass die Parteien jetzt in den Dialog kommen, sei es durch einen Austausch von Grenzschutzexperten, sei es bei Formaten, die bestehen, wie dem Normandie-Format. Der Zweck des Normandie-Formats ist es nicht, jede Streitigkeit auf dieser Ebene zu regeln. Aber wenn beide Parteien Sinn darin sehen, dieses Format dafür zu nutzen, weil es hilft, dann sind wir - das hat der Außenminister zum Ausdruck gebracht - dazu bereit. Aber es ist nicht so, dass wir meinen, diese Frage gehöre in dieses Gremium, und versuchen, es gegen den Widerstand der Parteien dorthin zu holen, sondern wir wollen nützlich sein. Wenn ein bestehendes Format dazu beitragen kann, sind wir dazu bereit.

Frage: Herr Seibert, können Sie uns eine generelle Reaktion Herrn Putins auf die von der Bundeskanzlerin vorgeschlagene Linie von Zurückhaltung und Dialog nennen? Sie haben ja angeführt, dass die Expertengespräche unter Einbeziehung der russischen und der ukrainischen Experten wohl mit diesen Gesprächen im Zusammenhang stehen. Gab es aber eine generelle Reaktion Putins darauf?

Der ukrainische Botschafter in Deutschland hat die Bitte geäußert, dass zur Unterstützung der Ukraine, und sei sie auch nur symbolisch, deutsche Kriegsschiffe in die Region entsandt werden. Wird ein solcher Vorschlag seitens der Bundesregierung in Erwägung gezogen?

StS Seibert: Zu Ihrer ersten Frage: Der Sprecher des russischen Präsidenten ist Herr Peskow. Ich müsste Sie bitten, sich für Fragen nach russischen Haltungen an ihn zu wenden. Ich habe Ihnen hier die Haltung der Bundesregierung zu erklären versucht.

Da unsere Haltung, wie ich es zu sagen versucht habe, auf Deeskalation, Dialog und Zurückhaltung beider Seiten zielt, kann ich Ihnen auch sagen, dass ein Einsatz der deutschen Marine vor der Küste der Krim derzeit nicht geplant ist.

Zusatzfrage: Die Frage nach der Reaktion seitens Herrn Putins kann ich natürlich auch so stellen: Hat die Bundeskanzlerin den Eindruck gehabt, dass ihre Anregung bei Herrn Putin auf offene Ohren gestoßen ist? Das kann ich ja schlecht Herrn Peskow fragen.

StS Seibert: Das stimmt; dann würde er wiederum auf mich verweisen, und so ginge es dann immer hin und her. - Ich bleibe bei dem, was wir zu dem natürlich vertraulichen Gespräch der Bundeskanzlerin mit Präsident Putin an die Presse gegeben haben. Wir haben an die Presse gegeben, dass diese Option, also eine Aufklärung des konkreten Vorfalls unter Hinzuziehung von Grenzschutzexperten beider Seiten, erörtert wurde und dass man vereinbart hat, hierzu in engem Kontakt zu bleiben.

Frage: Herr Seibert, ich komme noch einmal auf das Thema neuer Sanktionen zurück. Verstehe ich es richtig, dass die Bundesregierung noch keine Position zu diesem Thema hat?

StS Seibert: Wir haben Sanktionen. Sie sind bis zum 31. Januar verlängert worden. Über mögliche weitergehende Sanktionen müsste man in Europa das Gespräch unter allen führen. Denn Sanktionen müssen in Europa einstimmig beschlossen werden. Deswegen muss man dazu ein Gespräch mit allen Partnern führen. Dem werde ich jetzt nicht vorgreifen.

Breul: Wenn ich vielleicht noch kurz ergänzen darf: Diese Debatte scheint mir auch in der Hinsicht etwas voreilig, weil Sanktionen kein Wasserhahn sind, den man auf- und zumacht, wenn man gerade Wasser braucht, sondern das ist ein rechtliches Instrument, das für diejenigen, die von Sanktionen betroffen sind, Folgen hat. Das heißt, dass man das sorgfältig wägen und diskutieren muss. Wir reden von Vorfällen vom Wochenende. Dazu hat es erste Sitzungen gegeben, dazu hat es Stimmen gegeben. Diese Debatte werden wir jetzt weiter führen.

Wir haben gleichzeitig klargemacht, welches unsere Erwartungen an Russland sind. Russland hat Möglichkeiten, darauf zu reagieren. Das würde die Debatte über Sanktionen natürlich beeinflussen. Darum bitte ich um Ihr Verständnis, dass man diese Frage jetzt nicht hoppla hopp und am Freitag schon wieder anders beantworten kann.

StS Seibert: Ja, ich will das ausdrücklich unterstützen. Für uns steht jetzt die Entspannung der aktuellen Situation in der Straße von Kertsch im Vordergrund sowie die akute Hilfe für diejenigen, die jetzt in Gefangenschaft sind, weil sie zum Beispiel Seeleute auf den festgesetzten ukrainischen Schiffen sind.

Frage: Frau von der Leyen hat gestern gesagt, dass die Ukraine Fakten darlegen müsse, damit man sich ein Bild vom Geschehen machen könne. Welche Fakten fehlen der Ministerin? Was fehlt, um klar zu entscheiden, was passiert ist?

Fähnrich: Die Ministerin hat sich bei der Berliner Sicherheitskonferenz in dem großen Kontext geäußert. Die Linie, um welche Fakten es geht und welche Aufklärung jetzt betrieben werden muss, haben Herr Seibert und Herr Breul hier ausführlich beschrieben.

Frage: Hat die Bundesregierung Kenntnis über Truppenkonzentrationen auf der russischen Seite der russisch-ukrainischen Grenze, von denen Herr Poroschenko berichtet?

Fähnrich: Dem Verteidigungsministerium liegen diese Informationen zumindest nach meiner Kenntnis nicht vor.

Zusatzfrage: An anderer Stelle?

Breul: Nein. Wir haben die Äußerung des Präsidenten zur Kenntnis genommen und beobachten die Entwicklung natürlich sehr genau. Eigene Erkenntnisse haben wir nicht.

Ich kann es nur noch einmal wiederholen: Wir haben beide Seiten aufgefordert, zur Deeskalation beizutragen. Schritte, die zu einer weiteren Militarisierung der Region führen, wären ohne Zweifel nicht hilfreich.

Zusatzfrage: Würden relevante Truppenkonzentrationen so oder so zur Kenntnis der Bundesregierung gelangen, oder ist man blind oder taub, weil man keine eigenen Dienste hat?

Breul: Ich glaube, die Bundesregierung ist weder blind noch taub.

StS Seibert: Richtig.

Frage: Ich möchte zum Stand der Verhandlungen zum Rückführungsabkommen mit Italien fragen. Der letzte Stand ist meiner Kenntnis nach, dass das zur Chefsache erklärt wurde. Können Sie dazu etwas sagen?

Petermann: Das Thema hatten wir in letzter Zeit schon des Öfteren, aber es ist kurz, deswegen wiederhole ich es gern: Es gibt keinen neuen aktuellen Stand. Das Rückführungsabkommen ist ausgehandelt. Es fehlt die politische Zusage, die Unterschrift, aus Italien.

Zusatzfrage : Rechnen Sie damit, dass das noch kommt?

Petermann: Dazu kann ich nichts sagen.

Frage: Herr Seibert, war diese Woche oder in den letzten Wochen das Thema rechtsextremer Netzwerke in der Bundeswehr Thema im Kabinett? Wenn ja, was wurde dort berichtet?

StS Seibert: Ich trage Ihnen ja die Beschlüsse des Kabinetts hier vor. Darüber hinaus habe ich dazu nichts zu sagen.

Zusatz: Sie wollen uns also nicht verraten, welche Themen im Kabinett Thema waren, und wenn ich nach einem konkreten Thema frage, wollen Sie auch nicht sagen, ob es Thema war.

StS Seibert: Ich informiere Sie hier immer darüber, welche Beschlüsse das Kabinett fällt, verlässlich jeden Mittwoch. Das Kabinett ist, wie Sie sicherlich wissen, nicht das zentrale Diskussionsforum der Bundesregierung. Dafür gibt es viele andere Möglichkeiten. Das heißt, wenn ich Ihnen sage, dass das kein Kabinettsthema im Sinne eines Beschlussthemas gewesen sei, dann heißt das nicht, dass sich die Bundesregierung nicht vielleicht auch mit diesem Thema intensiv befasst.

Zusatzfrage: Herr Fähnrich, hat die Ministerin das Thema rechtsextremer Netzwerke, dieses Neonazinetzwerks, das in den letzten Wochen enthüllt wurde, von sich aus im Kabinett oder anderweitig mit Regierungsmitgliedern thematisiert?

Herr Seibert, war es für die Kanzlerin ein Thema in den letzten Wochen, abseits des Kabinetts?

Fähnrich: Dazu haben wir, wie in den Protokollen nachzulesen ist, auch schon in den letzten Wochen, am 9. und auch am 12. November, Stellung genommen. Zudem hat auch der Chef des MAD am 16. November eine öffentliche Diskussion im Bundestag dazu gehalten. Er hat eine klare Antwort gegeben und die entsprechenden Handlungsstränge aufgezeigt. Dem habe ich hier von meiner Stelle aus nichts hinzuzufügen.

Zusatz: Das habe ich nicht gefragt.

Fähnrich: Aber das ist die Antwort, die ich Ihnen gebe.

StS Seibert: Das Bundesverteidigungsministerium hat über dieses Thema berichtet, weil es sich mit diesem Thema befasst, und damit ist die Bundesregierung mit diesem Thema befasst.

Frage: An Herrn Seibert und möglicherweise auch an Herrn Breul zu einem ganz anderen Konflikt, der ein bisschen aus dem Blickfeld geraten ist: Man hört, dass die Spannungen zwischen Kosovo und Serbien in letzter Zeit wieder gewachsen sind. Unter anderem hat Kosovo gerade den Einfuhrzoll auf serbische Waren auf 100 Prozent erhöht. Meine Frage wäre: Wie beeinflusst das nach Meinung der Bundesregierung die Aussicht der beiden Staaten auf einen EU-Beitritt?

StS Seibert: Tatsächlich sehen wir mit Bedauern, dass sich in letzter Zeit das Verhältnis zwischen Serbien und Kosovo wieder verschlechtert hat - wenn man einmal die Ereignisse der letzten Woche nimmt. Man muss sich erst einmal daran erinnern: Die umfassende Normalisierung der Beziehungen zwischen Serbien und Kosovo ist ein zentraler Teil der Beitrittsverhandlungen zwischen der EU und Serbien. Wir hätten uns schon gewünscht, dass Serbien im Geiste der Normalisierung seiner Beziehungen zu Kosovo beispielsweise Kosovo den Beitritt zu Interpol ermöglicht hätte. Das andere, was letzte Woche passiert ist und wofür wir gar kein Verständnis haben, ist eben - Sie haben es angesprochen -, dass Kosovo auf serbische Importe einen 100-Prozent-Zoll verhängt hat. Damit lässt es die Prinzipien der Freihandelsorganisation CEFTA, der es zurzeit selber vorsteht, außer Acht.

Nun hoffen wir, dass beide Seiten rasch zum Dialog zurückfinden, um erstens die offenen Handelsfragen zu erörtern und überhaupt die Gespräche darüber fortzusetzen, wie sie zu einer umfassenden Normalisierung der Beziehungen unter Ägide der EU kommen können. Wir appellieren an alle Seiten, eine Eskalation zu vermeiden.

Zusatzfrage: Aus Serbien hört man so ein bisschen, dass der Kanzlerin eine Mitschuld an dieser Eskalation gegeben wird. Und zwar hatte man vor ein paar Monaten über einen Landtausch zwischen den beiden Ländern gesprochen. Diesen Vorschlag hatte die Bundesregierung damals ja explizit abgelehnt. Meine Frage ist: Würden Sie jetzt vielleicht doch noch einmal überlegen, ob über diesen Landtausch eine Befriedung dieser Situation zwischen Serbien und Kosovo herbeigeführt werden kann?

StS Seibert: Ich kenne solche serbischen Thesen, die Sie gerade angesprochen haben, nicht; sie würden mir auch abwegig erscheinen. Wir haben immer gesagt: Die Normalisierung der Beziehungen muss so geschehen, dass es für beide Seiten akzeptabel, tragfähig und dauerhaft ist. Wir unterstützen sehr nachdrücklich die Bemühungen der EU, solch eine Normalisierung der Beziehungen zu fördern. Die Kanzlerin hat sich mehrfach persönlich zu dem Thema der Grenzen geäußert und sie hat persönlich ihre Überzeugung klar ausgedrückt, dass die territoriale Integrität der Westbalkanstaaten - nicht nur Serbiens und Kosovos, sondern der Westbalkanstaaten insgesamt - aus Sicht der Bundesregierung enorm wichtig ist und dass das festgelegt wurde und aus ihrer Sicht auch nicht angetastet werden sollte.

Breul: Wenn ich darf, würde ich dazu noch kurz ergänzen. Nicht, dass da ein falscher Eindruck aufkommt: Es war ja nicht so, dass es einen konkreten Vorschlag gab, der von Serbien und Kosovo unterstützt wurde und der dann aufgrund von Bedenken der Bundesregierung wieder zurückgezogen worden wäre. Es gab vielmehr Ideen, und es gab auch Stimmen, die von vornherein diese Ideen abgelehnt haben. Herr Seibert hat es gerade noch einmal gesagt: Wir haben unsere Position und unsere große Skepsis gegenüber diesem Vorschlag auch deutlich gemacht. Es war aber mitnichten so, dass da konkrete Ideen sozusagen abgelehnt wurden.

Vielleicht noch ergänzend zu Ihrer Frage von vorhin: Selbstverständlich ist es so, dass es für den Beitrittsprozess der Staaten des westlichen Balkans in die Europäische Union ein sehr wichtiges Element ist, dass diese Staaten normale Beziehungen zu ihren Nachbarn haben. Das wissen auch alle Staaten im westlichen Balkan.

Frage: Der GKV-Spitzenverband hat jetzt seinen Bericht zum Thema Fehlverhalten im Gesundheitswesen fertiggestellt. Darin steht, dass sowohl die Zahl der Hinweise oder Verdachtsmeldungen auf Fehlverhalten im Gesundheitswesen in den Jahren 2016 und 2017 als auch die Zahl der Gelder, die man sich zurückgeholt hat, deutlich gestiegen ist. Vor allen Dingen der Pflegebereich wird da immer noch als großer Problembereich skizziert. Wie bewertet das Gesundheitsministerium diesen Befund?

An das Justizministerium: Es gibt eine Forderung, die in die Richtung geht, man bräuchte einen besseren gesetzlichen Schutz für Whistleblower. Frau Barley hat sich gestern ja dazu geäußert. Was ist da der aktuelle Stand? Ist da vonseiten der Bundesregierung noch etwas geplant?

Gülde: Die Bewertung des Berichts müsste ich nachreichen.

Krüger: Zum Whistleblower-Schutz kann ich Ihnen mitteilen, dass das Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen, das im Sommer dem Kabinett vorgelegt wurde, durch das Kabinett beschlossen wurde und jetzt im parlamentarischen Verfahren ist, schon einen Aspekt zum Whistleblower-Schutz vorsieht. Ministerin Barley hat schon gesagt, dass das ein wichtiger Schritt ist, allerdings auch erst ein erster. Die EU hat im April auch den Entwurf einer Richtlinie zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden, vorgelegt, der jetzt abgestimmt wird, und dabei bringen wir uns konstruktiv ein. Das ist eben ein horizontaler Ansatz, der nicht nur spezielle Aspekte vorsieht, sondern auch auf Verstöße gegen EU-Recht in spezifischen Bereichen angelegt ist. Dazu gehören zum Beispiel der Verbraucherschutz, öffentliche Aufträge, Steuern und Verkehrssicherheit. Da ist man aber noch in den Verhandlungen.

Frage: Herr Breul, Ihr Abteilungsleiter für den Mittleren Osten war gestern bei einer Konferenz der Körber-Stiftung zum Thema Naher Osten. Da ging es speziell um die Rolle Irans und Saudi-Arabiens in der Region des Persischen Golfs. Er hat sich da festgelegt, dass Iran aus Ihrer Sicht eine destabilisierende Rolle spielt; beim Thema Saudi-Arabien wollte er sich aber nicht festlegen. Können Sie uns sagen, was für eine Rolle Saudi-Arabien in der Region spielt? Ich frage natürlich auch vor dem Hintergrund der Rolle Saudi-Arabiens beim militärischen Konflikt im Jemen, bei der anhaltenden Blockade von Katar und auch beim Kidnapping des libanesischen Premierministers Saad Hariri.

Breul: Ehrlich gesagt fällt es mir schwer, dazu Stellung zu nehmen, weil ich die Äußerung unseres Abteilungsleiters in dieser Diskussion nicht kenne; von daher kann ich sie auch nicht bewerten. Ich glaube, zur regionale Rolle Saudi-Arabiens und auch zu unseren Erwartungen an Saudi-Arabien mit Blick auf den Jemen-Konflikt haben wir uns hier schon öfter unterhalten. An dieser Haltung hat sich auch nichts geändert.

Zusatzfrage: Saudi-Arabien weigert sich ja weiterhin, die Blockade Katars aufzuheben. Können Sie dazu noch einmal die Haltung der Bundesregierung nennen?

Breul: Wie gesagt, es gibt da keine Änderungen in der Haltung der Bundesregierung.

Frage: Herr Seibert, auch zum Thema Saudi-Arabien. Ich weiß, dass morgen das G20-Briefing ist, aber davon losgelöst: Gibt es eigentlich eine Anfrage des saudischen Kronprinzen für ein Treffen mit der Kanzlerin in Buenos Aires?

StS Seibert: Davon habe ich keine Kenntnis.

Frage: Herr Seibert, wie darf man sich das beim G20-Gipfel vorstellen? Wird Frau Merkel versuchen, Herrn Salman aus dem Weg zu gehen, oder wird man versuchen, sich irgendwie Hallo zu sagen? Wie kann man sich das da vorstellen?

StS Seibert: Ich weiß nicht, wie Sie sich G20-Gipfel vorstellen. Der Gipfel liegt noch vor uns, deswegen werde ich jetzt sicherlich nicht die gesamte Choreographie erzählen können. Ein G20-Gipfel hat mehrere Arbeitssitzungen, bei denen die Delegationschefs zusammenkommen. Ein G20-Gipfel hat immer ein Familienfoto. Ein G20-Gipfel bietet die Möglichkeit, und das ist auch ein wertvoller Aspekt solcher Gipfel, zu bilateralen Begegnungen am Rande zusammenzukommen.

Hinsichtlich alledem muss ich Sie jetzt erst noch einmal um Geduld bitten. Wir werden morgen ein Briefing dazu machen. Ansonsten wird der Gipfel geschehen, und dann werden wir sehen und natürlich auch darüber informieren, was da passiert sein wird.

Frage: Herr Breul, die Niederlande haben ihre Finanzierung des syrischen Zivilschutzes, Weißhelme genannt, vor Kurzem eingestellt. Dazu wäre die Frage: Plant die Regierung eine Fortführung der Finanzierung und, wenn ja, in welcher Höhe?

Breul: Ehrlich gesagt kann ich diese Meldung aus den Niederlanden nicht bestätigen. Darüber habe ich keine Informationen.

Es ist ja bekannt, dass Russland und Syrien in der Vergangenheit immer wieder Anschuldigungen gegen die Weißhelme erhoben haben, unter anderem, dass diese den Einsatz von Chemiewaffen vorbereiteten. Die Bundesregierung hält diese Anschuldigungen nach wie vor nicht nur für unzutreffend, sondern für einen Teil eines Versuchs, die syrischen Weißhelme zu diskreditieren. Die Weißhelme werden immer wieder Ziel russischer Propaganda, die ihnen Terrorismus und auch inszenierte Giftgasangriffe unterstellt.

Diese Desinformationskampagne vollzieht sich vor dem Hintergrund, dass die Organisation bei ihrem Einsatz Zeuge von systematischen Verstößen gegen humanitäres Völkerrecht wird, die insbesondere durch das syrische Regime und seine Verbündeten verübt werden. Diese Menschenrechtsverletzungen werden von der Organisation dokumentiert, und für eine zukünftige Aufarbeitung des Konflikts wird der internationale Gemeinschaft darüber berichtet. Insofern sehen wir eine weiterhin sehr sinnvolle Aufgabe für die Weißhelme. Sie wissen selbst, dass die Organisation durch das Regime in den Teilen, die das Regime zurückerobert hat, massiv unter Druck gesetzt wurde, verfolgt wurde und Einzelpersonen in Haft genommen wurden.

Ich kann Ihnen also keine Prognose darüber abgeben, wie handlungsfähig die Weißhelme noch sind oder in Zukunft sein werden und inwieweit sie noch in der Lage sind, möglicherweise Projekte durchzuführen, die von uns unterstützt werden könnten.

Zusatzfrage: Die Haltung der Regierung ist ja durchaus klar geworden, aber es ging jetzt um die Frage: Plant sie eine Fortführung der Finanzierung?

Breul: Das habe ich doch gerade gesagt.

Zusatzfrage: Also Ja?

Breul: Es keine institutionelle Förderung der Weißhelme durch die Bundesregierung. Die Weißhelme haben im Rahmen einzelner Projekte der humanitären Hilfe auch Unterstützung der internationalen Gemeinschaft erhalten. Ich habe gerade schon gesagt: Ich habe keine Information darüber, ob es in Zukunft auch möglich sein wird, solche Projekte weiter fortzuführen.

Frage: Ich habe eine Frage an das Wirtschaftsministerium: Gibt es in Ihrem Haus Überlegungen für die Einführung einer CO2-Abgabe?

Eichler: Diese Frage haben wir, glaube ich, auch hier schon einmal diskutiert, und es gibt dazu derzeit keine konkreten Überlegungen innerhalb der Bundesregierung.

Zusatzfrage: Innerhalb der gesamten Bundesregierung? Das kann ja nicht sein. Dann würde ich das Umweltministerium einmal fragen: Haben Sie Ihre dahingehenden Überlegungen aufgegeben?

Haufe: Die Bundesumweltministerin hat sich ja zu einer möglichen CO2-Bepreisung vor einigen Wochen geäußert. Sie hat dazu einen Diskussionsprozess begonnen, und den führt sie weiter fort.

Frage: Auch an das BMU: Die Landwirtschaftsminister der Bundesländer wollen das Naturschutzgesetz ändern, damit Wölfe wieder gejagt und getötet werden können. Stößt das bei Ihnen auf offene Ohren?

Haufe: Zum Thema Wolf gibt es ja einen aktuellen Beschluss der Umweltministerkonferenz, dem das Bundesumweltministerium auch angehört. Die Umweltminister, die für das Bundesnaturschutzrecht und das Landesnaturschutzrecht zuständig sind, haben sich darauf geeinigt, dass sie gemeinsam regeln und erarbeiten werden, in welcher Art und Weise und in welchen Situationen ein Wolf erlegt werden kann.

Es ist auch heute schon möglich, dass ein Wolf erlegt werden kann; das geht manchmal in der Diskussion unter. Dafür gibt es spezielle Situationen, die beschrieben sind. Es sind ja auch schon Wölfe erlegt worden.

Der aktuelle Stand ist eben, dass ein zwischen Bund und Ländern abgestimmtes Verfahren dafür festgelegt wird, wann so eine Wolfsentnahme, wie es jetzt etwas technisch-bürokratisch heißt, vorgenommen wird, also wann die Situation eintritt, dass ein Wolf erlegt werden muss.

Zusatzfrage: Aber wie ist denn die Position des Umweltministeriums beziehungsweise der Umweltministerin? Hierbei geht es ja um ein Tier, das unter strengem Naturschutz steht. Soll das also weniger streng sein? Ziel der Landwirtschaftsminister, die ja in den Bundesländern meistens auch Umweltminister sind, ist nämlich, dass leichter abgeknallt werden kann.

Haufe: Die Bundesumweltministerin verweist stets darauf, dass der Wolf eben unter sehr strengem Schutz steht. Das steht auch nicht in Abrede. Gleichwohl erkennen wir an, dass es in bestimmten Regionen Deutschlands Situationen gibt, in denen sich Wölfe vielleicht etwas abartig verhalten oder auch einmal eine besondere Bedrohung darstellen können. Solche Situationen hat es ja gegeben. Dann kann es in bestimmten Fällen auch möglich sein, einen Wolf zu erlegen. Das ist auch heute schon in Spezialsituationen möglich.

Zusatz: Ich verstehe trotzdem nicht die Position der Ministerin.

Haufe: Ich habe Ihnen ja gerade gesagt, dass der Wolf eine sehr schützenswerte Art ist und wir dafür sorgen werden, dass - - -

Zuruf: Dass er weniger geschützt ist!

Haufe: - - - das auch so bleibt. Trotzdem kann es auch eine Sondersituation geben, in der ein Wolf eben erlegt werden darf. Das sind sehr streng definierte Situationen beziehungsweise Vorfälle.

Zusatz: Die Definition wollen Sie jetzt ändern.

Vors. Szent-Iványi: Pardon, keine Dialoge!

Haufe: Ich kann nur noch einmal wiederholen, dass sich die Landesumweltminister und der Bund darauf geeinigt haben, über diese Regel noch einmal zu sprechen und sie noch einmal in einer Art von gemeinsamem Übereinkommen beziehungsweise gemeinsamer Festlegung zu spezifizieren. Das wird im nächsten Jahr der Fall sein.

Frage: Ich habe eine Frage an das Auswärtige Amt. Wir hatten am vergangenen Freitag gefragt, ob im nächsten Jahr die israelischen Veteranenorganisationen wie zum Beispiel "Breaking the Silence" gefördert werden sollen, wie es in vergangenen Jahren schon einmal der Fall war. Das konnte am Freitag nicht beantwortet werden, weil der Haushalt so frisch war. Können Sie uns das jetzt nachliefern? Besteht die Absicht?

Breul: Nein, das kann ich leider noch nicht tun. Wenn man sozusagen die zwölf Monate, in denen ein Haushalt gilt und umgesetzt wird, zum Maßstab nimmt, dann ist er ja immer noch sehr frisch. Wir wissen jetzt, welche Mittel dem Auswärtigen Amt vom Bundestag zur Verfügung gestellt werden. Jetzt geht es daran, zu planen, Projekte in Augenschein zu nehmen und darüber zu entscheiden. Da sind wir heute leider nicht so weit, dass ich Ihnen Auskunft geben könnte.

Zusatzfrage: Wie sieht der Zeitrahmen aus, innerhalb dessen Sie uns dann darüber berichten können? Es würde sich ja sozusagen um die Wiederaufnahme einer Förderung handeln, die es in vergangenen Jahren schon einmal gab. Es gibt also sozusagen Referenzmodelle.

Breul: Ja. - Dazu kann ich Ihnen im Einzelfall keine Auskunft geben. Dafür müsste ich gegebenenfalls noch einmal im Fachreferat nachfragen und Ihnen dann einen Zeitplan schicken.

Frage: Herr Seibert, hat sich die Bundesregierung schon auf die unmittelbar Beteiligten am Krieg im Jemen geeinigt?

StS Seibert: Eine neue Frage kann man das nicht wirklich nennen. Wir haben dazu keinen neuen Stand vorliegen.

Zusatzfrage: Wann können wir damit rechnen?

StS Seibert: Ich denke, wir haben hier bereits ausführlich über alle Aspekte des Jemen-Kriegs gesprochen. Deswegen kann ich Ihnen da nichts in Aussicht stellen.

Zusatzfrage: Werden wir noch in diesem Jahr erfahren, wer für die Bundesregierung die unmittelbar Beteiligten am Jemen-Krieg sind?

StS Seibert: Wir haben hier bereits ausführlich darüber gesprochen. Neues habe ich nicht mitzuteilen.

Mittwoch, 28. November 2018

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Quelle:
Regierungspressekonferenz vom 28. November 2018
https://www.bundesregierung.de/breg-de/suche/regierungspressekonferenz-vom-28-november-2018-1555466
Presse- und Informationsamt der Bundesregierung
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veröffentlicht im Schattenblick zum 3. Dezember 2018

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