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PRESSEKONFERENZ/1534: Regierungspressekonferenz vom 15. September 2017 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Im Wortlaut
Mitschrift Pressekonferenz - Freitag, 15. September 2017
Regierungspressekonferenz vom 15. September 2017

Themen: Termine der Bundeskanzlerin in der kommenden Woche (Kabinettssitzung), mögliches kurdisches Referendum im Nordirak, Nordkorea-Krise, Nutzung der Flugbereitschaft der Bundesregierung durch Bundeswehrgeneräle, Abschiebungen nach Afghanistan, Äußerungen des AfD-Politikers Gauland zur Rolle deutscher Soldaten im Zweiten Weltkrieg, Sperrung der DB-Rheintalstrecke bei Rastatt, Abgasaffäre, Absage eines Wahlkampftermins der Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration im Eichsfeld, mögliche Beobachtung der AfD durch den Verfassungsschutz, mögliche Beobachtung von Politikern der LINKEN durch den Verfassungsschutz, Situation von in der Türkei inhaftierten deutschen Staatsbürgern, Justizdialog mit der Türkei, Explosion in der Londoner U-Bahn

Sprecher: SRS Streiter, Schäfer (AA), Flosdorff (BMVg), Plate (BMI), Strater (BMVI), Fichtner (BMUB), Scholz (BMJV)


Vorsitzende Wefers eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt SRS Streiter sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

SRS Streiter: Am kommenden Mittwoch findet wie immer um 9.30 Uhr die Kabinettssitzung statt. Das ist in der nächsten Woche der einzige öffentliche Termin der Bundeskanzlerin.

Aktiv habe ich zwei Dinge mitgebracht.

Zum einen geht es um ein mögliches kurdisches Referendum im Nordirak. Dort ist erstmalig für heute nach langer Inaktivität eine Wiedereinberufung des Parlaments der Region Kurdistan im Irak angesetzt. Eine solche Wiedereinberufung würden wir natürlich grundsätzlich begrüßen. Für den Fall, dass dieses Parlament heute dort auch tagt und sich mit dem von der kurdischen Autonomieregierung in Erbil einseitig für den 25. September angesetzten Referendum über die Unabhängigkeit der kurdischen Region des Irak befasst, möchte ich für die Bundesregierung verdeutlichen, dass wir dieses Vorhaben sehr kritisch sehen. Die Bundesregierung hält die territoriale Integrität des Irak für ein hohes und unverzichtbares Gut und lehnt deswegen ein einseitiges, das heißt nicht mit der Zentralregierung in Bagdad abgestimmtes Referendum über die Unabhängigkeit der Region Kurdistan ab. Ein solches Referendum würde die ohnehin schon sehr volatile Lage in der Region nur verschlechtern. Die Bundesregierung ruft daher alle Seiten auf, diesen Konflikt nicht weiter zu schüren und sich an einem konstruktiven Dialog zu beteiligen.

Ich möchte die Gelegenheit nutzen, anlässlich des jüngsten Terroranschlags des sogenannten IS, dem zahlreiche Menschen zum Opfer gefallen sind, dem irakischen Volk und seiner Regierung das tief empfundene Mitgefühl der Bundesregierung auszusprechen. Dieser Anschlag stellt eine Mahnung an alle dar, welche die wirklichen Herausforderungen des Irak und der gesamten Region eventuell als gelöst ansehen sollten.

Das Zweite betrifft Nordkorea. Die Bundesregierung verurteilt den neuerlichen Raketentest Nordkoreas auf das Schärfste. Das Regime in Pjöngjang zeigt einmal mehr, dass es eine Bedrohung der Stabilität der gesamten Region ist. Unsere besondere Solidarität gilt Japan, das bereits zum zweiten Mal innerhalb kurzer Zeit von einem Test betroffen war. Angesichts der erneuten Provokation aus Nordkorea kommt es jetzt darauf an, die gerade verschärften Sanktionen sehr schnell und konsequent umzusetzen. Hierbei haben die Nachbarstaaten China und Russland eine besondere Verantwortung.

Schäfer: Ich möchte ergänzen, dass wir es begrüßen, dass der Sicherheitsrat - soweit ich weiß, auf Antrag der Vereinigten Staaten von Amerika und Japans - entschieden hat, heute bereits zu einer Dringlichkeitssitzung zusammenzukommen. Es ist wichtig, dass es dieses Zeichen der Geschlossenheit der internationalen Gemeinschaft an die Adresse Pjöngjangs gibt.

In dem Zusammenhang möchte ich Ihnen sagen, dass der Außenminister beabsichtigt, am Samstagabend auf eine schon länger geplante Reise nach Peking zu gehen. Diese Reise steht angesichts der jüngsten Eskalation des Nordkorea-Konflikts und gerade angesichts des jüngsten Tests einer Mittelstreckenrakete, die über Japan abgeschossen worden ist, natürlich ganz besonders im politischen Fokus. Herr Gabriel wird im Laufe des Sonntags in Peking unter anderem mit dem chinesischen Außenstaatsrat Yang Jiechi politische Gespräche führen. Dabei wird es natürlich um Nordkorea, um eine Abstimmung beider Staaten in diesem Konflikt, gehen. Ansonsten wird Herr Gabriel dort an der Eröffnung einer Ausstellung deutscher Gegenwartskunst unter dem Titel "Deutschland 8" teilnehmen.

Frage: Rex Tillerson, der US-Außenminister, hat gesagt, die bislang verhängten Sanktionen seien der Boden, nicht die Obergrenze dessen, was zu tun sei. Hat die Bundesregierung eine Position im Rahmen der Vereinten Nationen, welche Weiterungen oder welche Verstärkungen man sich noch vorstellen kann?

SRS Streiter: Ich kann dazu nur kurz sagen: Wie Sie wissen, hat die Bundeskanzlerin im Vorfeld des Beschlusses des Sicherheitsrats zahlreiche Gespräche auf höchster Ebene geführt, um für verschärfte Sanktionen gegenüber Nordkorea zu werben. Dass sich der Sicherheitsrat auf eine Verschärfung verständigt hat, begrüßen wir sehr. Wir begrüßen ebenso - das hat aber Martin Schäfer eben schon gesagt -, dass es heute eine weitere Sitzung gibt. Dann wird man sehen.

Schäfer: Vielleicht kommt es heute Abend im Sicherheitsrat schon zu einer erneuten Debatte über mögliche weitere Sanktionen. Ich bin da nicht so sicher. Wir haben gewissermaßen im Wochentakt Diskussionen über eine angemessene Reaktion der internationalen Gemeinschaft in Bezug auf Nordkorea geführt. Ich glaube, nun muss im Mittelpunkt stehen, dass das, was vor einer Woche beschlossen worden ist, konsequent umgesetzt wird. Das gilt für alle Mitglieder der Staatengemeinschaft. Das sind schon sehr scharfe Sanktionen. Wenn es den Wunsch von anderen und eine Einigung darauf gibt, angesichts der erneuten Herausforderung der internationalen Gemeinschaft durch das Regime in Pjöngjang jetzt weiter zu gehen, wird sich die Bundesregierung dem nicht entgegenstellen.

Frage: Eine Frage an das Verteidigungsministerium. Es gibt Medienberichte, Generäle nutzten die Flugbereitschaft der Bundesregierung, indem Flüge als Trainingsflüge gekennzeichnet würden.

Meine erste Frage lautet: Können Sie diese Praxis bestätigen?

Zweite Frage: Können Sie ausschließen, dass beantragt wird, diese Flüge als Ausbildungsflüge zu absolvieren, damit die Generäle die Flugbereitschaft nutzen können?

Flosdorff: Es gibt Richtlinien für die Nutzung der Flüge der Flugbereitschaft, die vornehmlich für den politisch-parlamentarischen Flugbetrieb vorgesehen ist. Neben der Durchführung dieser Flüge müssen die Piloten natürlich im Rahmen ihrer Aus- und Weiterbildung auch üben. Das ist im zivilen Bereich nicht anders, und das ist auch zwingend notwendig. Dafür gibt es Vorgaben, und es gibt Volumen, die dabei einzuhalten sind.

Um Ihnen eine Idee zu geben: Im Zeitraum von 2015 bis 2017 gab es über 880 Ausbildungsflüge. Davon sind jetzt 22 Flüge thematisiert, bei denen Generäle der Bundeswehr aus dienstlichen Gründen mitgeflogen sind.

Sie haben immer eine Auswahl, wohin Sie Trainingsflüge machen. Es gibt bestimmte Muster, bestimmte Profile; die müssen abgeflogen werden. Wenn es bei Trainingsflügen, die zu absolvieren sind, in puncto Streckenlänge, in puncto Beschaffenheit des Zielflughafens eine Übereinstimmung gibt, dann hat man die Wahl, ob man den einen oder den anderen Flughafen nimmt, und es ist nichts dagegen einzuwenden, dass ein Ausbildungs- und Trainingsflug damit verbunden wird, dass zum Beispiel - das Beispiel ist ja auch in der Berichterstattung erwähnt - der Inspekteur der Luftwaffe die Eurofighter Air Policing Air Base im Baltikum besucht. Das ist ein Militärflugplatz, den man mit einem zivilen Flugzeug nicht ohne Weiteres anfliegen kann. Zumindest müsste man Umwege in Kauf nehmen.

Bei 880 Ausbildungsflügen reden wir also über 22 Flüge, bei denen die Generalität mitgeflogen ist. Schwierig würde es dann, wenn Flüge im parlamentarischen Raum, im politischen Raum deswegen nicht stattfinden könnten oder wenn bestimmte Flugmuster oder Trainingsmuster nicht eingehalten werden könnten. Solange man die Auswahl hat, wohin man die Trainingsstunden, die man absolvieren muss, fliegt, wo man die Landungen, die man absolvieren muss, durchführt und es keine Überschneidung oder keinen Widerspruch zu den Transportanforderungen im dienstlichen Bereich gibt, sollte man vielleicht mit Maß hinschauen. Wir reden ja auch ausschließlich über Dienstreisen - über nichts anderes - zu wichtigen Veranstaltungen oder über dienstliche Besuche, hier bei der Truppe im Baltikum, die Air Policing macht. Ich sehe nicht, dass es dort gravierende Vorfälle gegeben hat.

Wir schauen uns das natürlich alles noch einmal genau an. In dem Artikel wurde gemutmaßt, es habe mehr als diese 22 Flüge gegeben. Wir haben bisher keine Kenntnis darüber, dass das zutreffend wäre. Die Information die wir, auch auf mehrfache Nachfrage, haben, ist, dass es 22 Flüge sind. Von denen haben wir Kenntnis, und aus hiesiger Sicht ist das nachvollziehbar.

Zusatzfrage: Eines ist mir noch nicht klargeworden: Gibt es die Praxis, dass diese Flüge sozusagen auf Antrag zu Ausbildungsflügen erklärt werden, damit der General den Flieger nutzen kann?

Flosdorff: Grundsätzlich ist es so, dass es ein Portfolio an Ausbildungsflügen, an Trainingsflügen gibt, die absolviert werden müssen. Es gibt auch bestimmte Kontingente, die die Piloten und die Crews im Jahr erfliegen müssen, damit die Flugsicherheit erhalten bleibt, damit sie weiter im Training bleiben. Ich kenne das Verfahren nur so, dass es dort Pläne gibt. Man muss ja auch immer auf den Bedarf in der Regierung, auf den Bedarf im Parlament reagieren. Deswegen ist das nicht fixiert. Trainingsflüge werden absolviert, und dann gibt es die Anfrage aus der Bundeswehr heraus: Gibt es vielleicht die Möglichkeit, einen Trainingsflug dahin oder dorthin umzuwidmen? Findet vielleicht ohnehin etwas in der Zeit statt? Ist das für euch vergleichbar mit dem, was ihr ohnehin üben würdet? Dann kann man das tun.

Etwas anderes wäre es- ich sage es an der Stelle noch einmal -, wenn das Profil ein ganz anderes wäre, wenn man beispielsweise den Anflug auf den Flughafen von Katmandu üben müsste, der ein schwieriger Flughafen ist, aber ein General möchte lieber ins Baltikum, zu einem ganz normalen Flughafen, fliegen. Dann gäbe es sicherlich ein Problem. Aber über solche Fälle reden wir hier gar nicht. Wir reden hier von Flügen wie dem, der hier genannt ist: Der Inspekteur der Luftwaffe besucht auf einem Militärflughafen im Baltikum die deutschen Eurofighter, die dort Air Policing machen, und das ist ein ganz normaler Flughafen, und der Trainingsflug, der stattdessen stattgefunden hätte, hätte zu einem vergleichbaren Flughafen mit einer vergleichbaren Strecke stattgefunden.

Frage: Eine Frage an Herrn Plate. Es geht um die Abschiebungen nach Afghanistan. Nun waren ja sieben dieser abgeschobenen Personen im Strafvollzug, einer in Abschiebehaft. Hatten die Abgeschobenen ihre Strafen schon vollständig verbüßt, oder gab es mit Afghanistan Absprachen darüber, dass die Strafe in Afghanistan weiter verbüßt werden soll? Uns hat die afghanische Seite gesagt, dass sie eigentlich davon ausgegangen ist, dass es nur abgelehnte Asylbewerber waren; aber wenn Deutschland das wünsche, werde man diese Haft selbstverständlich wiederaufnehmen.

Plate: Diese Frage hat uns in den letzten Tagen schon häufiger erreicht. Dadurch, dass sie in Strafhaft waren, ergibt sich, dass die Strafe nicht verbüßt war. Denn in einem Rechtsstaat, wie Deutschland einer ist, ist man nicht mehr in Strafhaft, wenn die Strafe verbüßt ist. Insofern ist es, glaube ich, relativ klar: Der afghanischen Seite war sehr wohl bekannt, dass es sich um Straftäter handelt. Ich weiß nicht, mit wem Sie gesprochen haben, aber das war durchaus kommuniziert.

Hinsichtlich der Frage des Abbüßens von Strafhaft in Afghanistan verbietet sich eine pauschale Antwort. Aber im Grundsatz ist jedenfalls im zwischenstaatlichen Verkehr nicht per se vorgesehen, dass ein deutscher Strafanspruch - um einen solchen handelt es sich, wenn es um in Deutschland begangene Straftaten mit Anwendung deutschen Strafrechts geht - nicht automatisch in einem anderen Hoheitsgebiet verbüßt wird.

Zusatzfrage: Es war der Sprecher des afghanischen Flüchtlingsministeriums, der uns das gesagt hat.

Wissen Sie, was mit den acht Männern jetzt passieren wird, ob die Afghanen ihre Strafe dort verbüßen müssen?

Plate: Das kann ich Ihnen aus dem Stand nicht sagen. Aber das ist auch Sache der Afghanen. Da müssen Sie schon die Afghanen, die in Afghanistan dazu berufen sind, Hoheitsgewalt auszuüben, fragen, wie es weitergeht. Das ist außerhalb der deutschen Hoheitsgewalt. Insofern kann ich Ihnen von hier auch keine Angaben dazu machen.

Frage: Lernfrage, Herr Plate: Sie haben bereits mehrfach gesagt: In dem Moment, in dem sie dann nach Afghanistan überstellt sind, ist es Sache der afghanischen Behörden. Bedeutet das, dass auf deutscher Seite in diesen wie auch generell in andere Fällen die Aktendeckel zugeklappt werden, Fälle erledigt sind, weil sie weg sind, oder gibt es so etwas wie einen Nachlauf, eine weitere Kommunikation, eine weitere Information, was mit diesen Menschen dort geschieht?

Plate: Es gibt dazu sozusagen keinen aufgesetzten strukturellen Prozess. Grundsätzlich habe ich ja schon gesagt, dass, sobald sie in Afghanistan sind, die Frage staatlicher Maßnahmen oder vergleichbarer Dinge in afghanischer Hoheitsgewalt sind. Die Afghanen sind auch nicht verpflichtet, uns einzelne Angaben zum weiteren Verbleib zu machen. Es gäbe auch gar keine Rechtsgrundlage für eine Übermittlung personenbezogener Daten - das wären sie ja - über das hinaus, was bisher geschehen ist. Ich will nicht ausschließen, dass es trotzdem - in Einzelfällen, anlassbezogen, auf dann bestehenden einzelnen Rechtgrundlagen -, soweit die Voraussetzungen erfüllt sind, noch einmal einen Informationsaustausch zu einzelnen der Personen gibt, aber jedenfalls nicht grundsätzlich und strukturell.

Frage: Herr Plate, mein Stand war, dass unter den Straftätern auch zum Beispiel Vergewaltiger waren. Warum werden die jetzt vorzeitig aus der Strafhaft beziehungsweise sogar schon vor einer Verurteilung aus der Untersuchungshaft entlassen? Warum müssen sie nicht erst hier in Deutschland ihre gerechte Strafe absitzen und werden dann abgeschoben?

Plate: Konkrete Straftaten kann ich alleine schon deswegen nicht bestätigen, weil dadurch, dass in den Medien teilweise auch Gesichter der Personen veröffentlicht wurden und es auch eine relativ geringe Anzahl von Personen ist, ansonsten zumindest eine Personenbeziehbarkeit von Informationen gegeben wäre, was dazu führt, dass ich dazu keine Angaben, auch keine bestätigenden Angaben, zu konkreten Straftaten machen kann.

Richtig ist aber - das wissen Sie wahrscheinlich, weil es hier schon häufiger Thema war -, dass die Auswahl der abzuschiebenden Personen in der Zuständigkeit der betroffenen Bundesländer liegt. Die Bundesländer, die hieran beteiligt waren, sind mehrfach - auch durch den Minister selbst - genannt worden. Natürlich muss man sich im Einzelfall unter Beteiligung der Justiz anschauen, ob eine Abschiebung Vorrang vor einer Verbüßung von Reststrafen hat. Das kann ich aber von hier nicht pauschal beantworten, sowohl mangels Wissens als auch mangels Zuständigkeit.

Zusatzfrage: Aber auf welcher Rechtsbasis geschieht das denn, dass ein Mensch, der rechtskräftig verurteilt wurde, früher herauskommt und dann gegebenenfalls in Afghanistan wieder in Freiheit landet?

Plate: Das sind keine Rechtsgrundlagen, die in der Zuständigkeit des Bundesinnenministeriums liegen. Sie liegen irgendwo in den Tiefen der StPO. Das kann ich Ihnen aber von hier nicht auswendig herbeten, zumal das nicht unsere Zuständigkeit ist.

Frage: Eine Frage an das Justizministerium. Herr Gauland hat offensichtlich bei einem AfD-Treffen auf dem Kyffhäuser einen Schlussstrich unter die Nazi-Vergangenheit und eine Neubewertung der Taten deutscher Soldaten im Zweiten Weltkrieg gefordert. Ich möchte mich erkundigen, wie Sie das beurteilen, bewerten und ob das in irgendwelcher Hinsicht strafrechtlich relevant sein könnte.

Plate: Wir haben das zur Kenntnis genommen. Minister Maas hat sich heute auch schon dazu geäußert. Ich gebe das vielleicht wieder, falls es nicht bekannt ist:

Wer fordert, wir sollten stolz sein auf die Verbrechen deutscher Soldaten im Zweiten Weltkrieg, der muss sich vorwerfen lassen, ein Rechtsextremer zu sein. Wir dürfen niemals vergessen, welche Gräueltaten Deutschland begangen hat. Das Erinnern ist keine Schwäche. Ganz im Gegenteil: Verantwortung für unsere Vergangenheit zu übernehmen, macht uns stark; denn daraus lernen wir: Wir sind alle gefordert, unsere Demokratie und unseren Rechtsstaat gegen rechtsradikale Hetze zu verteidigen.

Immer offener zeigt sich das rechtsradikale Gesicht der AfD. Sie hat es offenbar darauf abgesehen, zur neuen politischen Heimat für Neonazis zu werden.

Das ist die Äußerung des Ministers von heute.

Zu Ihrer konkreten Frage: Eine strafrechtliche Beurteilung dieser Äußerung kann ich jetzt hier - ich bitte um Verständnis - nicht vornehmen. Das bleibt dann den zuständigen Stellen überlassen.

Frage: Herr Flosdorff, Verständnisfrage: Welche Haltung hat denn Ihr Ministerium zu deutschen Soldaten im Zweiten Weltkrieg? Waren das alle Verbrecher?

Flosdorff: Ich kann Sie herzlich einladen, an den derzeit stattfindenden Traditions-Workshops der Bundeswehr teilzunehmen. Dort spricht man auch noch einmal über dieses Thema und über die Haltung, die die Bundeswehr, dazu einnimmt. Ansonsten gibt es den gültigen Traditionserlass aus dem Jahr 1982, der das klar definiert. Er steht auf unserer Homepage und ist sehr leicht auffindbar.

Zusatzfrage : Können Sie ihn zusammenfassen?

Flosdorff: Das mache ich hier jetzt nicht. Das können Sie auf der Homepage nachlesen.

Zusatzfrage : Sie können uns jetzt nicht sagen, wie die Haltung des Bundesverteidigungsministeriums gegenüber Soldaten des Zweiten Weltkriegs ist?

Flosdorff: Ich halte hier kein Proseminar. Sie können das auf unserer Homepage nachlesen. Dort steht das alles.

Frage: Ich habe eine Frage an das Verkehrsministerium. Herr Strater, Stichwort Sperrung der Rheintalstrecke bei Rastatt. Jetzt fordert eine Reihe von Transportverbänden vom Bundesverkehrsminister einen Notfallfonds mit bis zu 250 Millionen Euro, um die Schäden abzudecken, die durch diese Sperrung entstanden sind. Ist Ihr Ministerium geneigt, dieser Forderung nachzukommen? Wird das Ministerium mit den Verbänden darüber sprechen?

Strater: Eine kleine Vorbemerkung zur Situation an der Rheintalstrecke: Grundsätzlich hat die DB ein umfassendes Krisenmanagement gestartet, um die Situation schnellstmöglich zu verbessern. Hunderte von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Deutschen Bahn und auch der beteiligten Baufirmen arbeiten rund um die Uhr, um die Strecke wieder in Betrieb zu nehmen. Es ist ein erheblicher Schaden entstanden. Es handelt sich um eine der zentralen Güterverkehrsstrecken in Europa. Unser Haus hat die DB aufgefordert, die volle Konzentration auf die Verbesserung der Situation zu richten. Die Wiederinbetriebnahme hat oberste Priorität. Wir erwarten, dass der von der DB genannte Terminplan zur Wiedereröffnung - nun ist der 2. Oktober genannt, fünf Tage früher als vorgesehen - auch eingehalten wird.

Die Forderungen der Verbände, die Sie genannt haben, sind als Schreiben in unserem Haus eingegangen. Die Schreiben werden derzeit bearbeitet. Ich kann jetzt nicht sagen, inwieweit sie beantwortet werden. Dem kann ich nicht vorgreifen.

Zusatzfrage: Die Schweiz hat den betroffenen Unternehmen bereits finanzielle Zusagen gemacht. Könnte das Verhalten dieses Nachbarlandes dazu führen, dass die Bundesregierung im Verein mit der Deutschen Bahn in diesem Sinne nachzieht?

Strater: Noch einmal: Ich kann jetzt hier nicht sagen, was wir auf die entsprechenden Schreiben der Verbände konkret antworten werden. Auch mit der Schweiz sind wir im Kontakt. Staatssekretär Odenwald war vor Ort, um mit dem Nachbarland über die Situation zu sprechen, und hat eine enge Kooperation zugesagt. Alles Weitere werden wir sehen, wenn wir diese Schreiben beantworten.

Frage: Meine Frage richtet sich an Herrn Streiter, Herrn Fichtner und Herrn Strate. Es geht darum, dass ich am Montag das Thema Dieselgate beziehungsweise das Auffliegen der Manipulationen bei VW zum zweiten Mal jähren wird. Herr Streiter, mich würde zunächst interessieren: Wie positioniert sich denn die Bundesregierung beziehungsweise die Bundeskanzlerin dazu? Welche Bilanz ziehen Sie?

Die gleiche Frage geht auch an Herrn Fichtner und an Herrn Strater.

SRS Streiter: Was die Bundeskanzlerin zum Thema zu sagen hatte, hat sie ja ausführlich auf der Internationalen Automobilausstellung gesagt. Wir werden am Montag hier keine Jubiläumsfeier veranstalten.

Strater: Ich weiß nicht, ob ich nun die Bilanz aus zwei Jahren noch einmal repetieren soll. Sie kennen all die Maßnahmen, die wir getätigt haben. Kein anderes Land hat so weitreichende Konsequenzen aus der Abgasaffäre gezogen wie Deutschland. Wir haben Rückrufe angeordnet, verbindliche Rückrufe von 2,4 Millionen Fahrzeugen von VW. Wir haben einen freiwilligen Rückruf im Rahmen einer Serviceaktion für 630 Fahrzeuge, die optimiert werden, weil Zweifel bestanden, ob die Nutzung des sogenannten Thermofensters im vollen Umfang durch den Motorschutz gerechtfertigt ist. Die Typzulassungen, die Kontrollverfahren sind deutlich verschärft worden. Wir haben die Real-Driving-Emissions-Verfahren, die jetzt in Kraft sind. Wir haben die WLTP-Verfahren, die verbesserten Rollenprüfverfahren, die jetzt in Kraft sind. Wir haben beim KBA Stichprobentests im Sinne von Dopingtests angeordnet. Das KBA hat sich eine eigene Prüftechnik besorgt. Bei den Prüfverfahren muss die Motorsoftware offengelegt werden. Der Minister hat ein Institut für Verbrauchs- und Emissionsmessungen angekündigt. Wir hatten ein nationales Dieselforum mit den entsprechenden Maßnahmen, die Sie kennen. Wir haben uns auf europäischer Ebene dafür eingesetzt, dass die entsprechenden Vorschriften verschärft werden. Das ist Artikel 5. Darauf haben wir auch immer hingewiesen. All dies sind Maßnahmen, die in diesem Maß kein anderes Land getroffen hat.

Fichtner: Auch wir werden keine Jubiläumsfeier machen. Wir haben eine breite Debatte über saubere Luft bekommen. Es gibt Ideen für Lösungen. Dazu ist in der Industrie und auch in der Politik einiges im Gange, auf unterschiedlichen Ebenen, in Kommunen, bei den Ländern und auch im Bund.

Womöglich werden wir uns eines Tages an diese Zeit als die Zeit erinnern, in der die Verkehrswende ihren Ursprung nahm und in der wir die Entwicklung hin zu emissionsfreien Fahrzeugen deutlich beschleunigen konnten.

Zusatzfrage: Ich habe noch eine Nachfrage an Herrn Strater. Sie haben eben die freiwilligen Rückrufe angesprochen. Ich kann mich erinnern, dass wir uns im Frühjahr schon einmal darüber unterhalten haben, als ich das BMVI gefragt hatte, ob es einen Überblick darüber hat, wie viele Autos bereits freiwillig zurückgerufen wurden. Damals wurde angekündigt, dass dies noch in dieser Legislaturperiode geschehen solle. Haben Sie das umgesetzt? Haben Sie dazu Zahlen im Hause?

Strater: Ich bin nicht sicher, ob Sie das ganz präzise beschrieben haben. Der verbindliche Rückruf der 2,4 Millionen Fahrzeuge läuft. VW hat zugesagt, das umzusetzen. Ich bin jetzt nicht ganz à jour, wie viele Freigaben wir bei der freiwilligen Serviceaktion erteilt haben. Das müsste ich nachsehen. Wir sind dabei, die Freigaben für diese Rückrufe zu erteilen. Ich kann Ihnen aber im Moment nicht sagen, wo wir dabei exakt stehen. Aber das läuft alles.

Zusatzfrage: Können Sie mir das bis 16 Uhr sagen?

Strater: Ich kann mich darum bemühen.

Vorsitzende Wefers: Sagen Sie es uns, dann sagen wir es allen.

Frage: Herr Strater, zum Thema "weitreichende Maßnahmen": Können Sie nachvollziehen, dass möglicherweise betroffene Autofahrer der Meinung sind, dass die weitreichenderen Maßnahmen, vor allem was Schadensregulierung angeht, nicht in Deutschland, sondern in den USA stattgefunden haben und stattfinden?

Strater: Auch zu dieser Frage haben wir uns häufig geäußert. Wir haben ein anderes Rechtssystem in Deutschland und Europa als in den USA. Die Kunden erhalten durch die Maßnahmen, die wir angeordnet haben, das Fahrzeug, das sie letztendlich bestellt haben. Es wird in den rechtskonformen Zustand versetzt. So haben wir es hier vollzogen.

Zusatzfrage: Finden Sie das weiterreichend?

Strater: Wir haben dem, was wir immer gesagt haben, jetzt nichts hinzuzufügen. Das Fahrzeug wird in den rechtskonformen Zustand gebracht. Das Fahrzeug ist dann das Fahrzeug, das sie bestellt haben. Die Situation ist mit den USA nicht vergleichbar.

Zusatzfrage: Ich habe noch eine Nachfrage zum Thema Gauland und Weiterungen. Ich war vorhin nicht schnell genug. Herr Plate, nach der Gauland-Provokation hatte es eine Wahlkampfreise von Frau Özoguz ins Eichsfeld geben sollen. Diese wurde abgesagt. Zunächst kursierte die Information, sie sei abgesagt worden, weil die Sicherheit nicht habe gewährleistet werden können.

Können Sie etwas dazu sagen, ob deutsche Sicherheitsbehörden in der Lage sind, jederzeit die Sicherheit von Mitgliedern der Bundesregierung zu gewährleisten?

Plate: Der Sachverhalt ist mir nicht bekannt. Ich habe ihn so noch nie gehört, erst jetzt gerade von Ihnen, dass das angeblich so sei. Deswegen müsste ich auf eine Kommentierung an dieser Stelle seriöserweise verzichten, weil ich dafür nachhalten müsste, wer das gesagt hat, ob sich das auf die Sicherheit in landesbehördlicher Zuständigkeit bezieht - falls die Information überhaupt zutrifft - oder auf andere Dinge. Es würde mich aber sehr wundern, wenn es so wäre, dass es sich auf Dinge in Bundeszuständigkeit bezieht, da das BKA, das für den Schutz von Schutzpersonen von Verfassungsorganen zuständig ist. Das könnte in diesem Fall anlassbezogen auch Frau Özoguz sein.

Dass sie einen solchen Schutz nicht sicherstellen können würden, kann ich, denke ich, so gut wie ausschließen, weil sie ständig und stets mit erheblichen Herausforderungen in dem Bereich konfrontiert sind und dies für sie aber, ehrlich gesagt, eine Routinesache ist.

SRS Streiter: Vielleicht kann ich Ihnen da helfen; denn entsprechende Fragen sind auch bei uns gelandet. Wir haben das aufzuklären versucht.

Zunächst ist es so, dass Frau Özoguz selbst den Sachverhalt ganz anders darstellt, nämlich so, dass sie einfach gar keine Zeit hatte. Die Einladung erfolgte sehr kurzfristig, und sie hatte gar keine Zeit dort hinzukommen.

Wir sind der Sache aufgrund einer ähnlichen Anfrage, wie Sie sie gestellt haben, nachgegangen. Es ist ganz klar, dass es sich bei dieser Meldung um eine klare Falschmeldung handelt. Es gab im Kanzleramt keinerlei Sicherheitsüberprüfung des Besuchs von Frau Özoguz. Es gab auch niemanden, der die Lage als unsicher eingeschätzt hat. Es ist einfach falsch. Es war einfach so, wie es ja auch Frau Özoguz selbst gesagt hat, dass die Einladung sehr kurzfristig erfolgte und sie einfach keine Zeit hatte. Sie will aber auf jeden Fall noch dort hinkommen.

Frage: Ich möchte noch eine Frage zur AfD stellen; ich war vorhin auch zu langsam. Ich möchte das Justizministerium und das Außenministerium fragen, ob sie der Ansicht sind, dass die AfD vom Verfassungsschutz beobachtet werden sollte, und zwar vor dem Hintergrund, dass beide Minister im Zusammenhang mit der AfD auch das Wort "Nazis" in den Mund genommen haben. Zuständigkeitshalber möchte ich auch das Innenministerium fragen, wie dort die Sichtweise ist, was eine Beobachtung der AfD angeht.

Scholz: Auch dazu hat sich der Justizminister schon im vergangenen Jahr geäußert und damals gesagt, dass die AfD längst auf dem Weg dahin ist, ein Fall für den Verfassungsschutz zu werden. An dieser Einschätzung hat sich bis heute sicherlich nichts geändert. Er hat aber auch immer betont, dass man das Problem sicherlich nicht einfach dadurch in den Griff bekommen kann, dass man die AfD als Beobachtungsobjekt für den Verfassungsschutz einstuft, sondern dass immer nötig ist, eine sachliche politische Auseinandersetzung mit der AfD und ihren Themen zu führen.

Schäfer: Für das Auswärtige Amt habe ich dazu keine Meinung. Die zuständigen Behörden entscheiden, wer unter welchen Bedingungen wann und in welcher Weise vom Verfassungsschutz beurteilt wird. Das ist keine Angelegenheit des Auswärtigen Amtes.

Plate: Vielleicht nur in aller Kürze, weil ich im Wesentlichen auf das verweisen möchte und muss, was hier schon öfter zu diesem Thema ausgeführt worden ist; denn der Sachstand ist unverändert: Eine Beobachtung - das ist ein technischer Begriff - ist nichts besonders Niederschwelliges, sondern bringt schon ein erhebliches Maßnahmenbündel mit sich. Für eine Einstufung als Beobachtungsobjekt liegen die Voraussetzungen im Falle der AfD nach Einschätzung des Verfassungsschutzverbundes nicht vor.

Das bedeutet aber nicht, dass Einzelpersonen und Äußerungen von Einzelpersonen aus dem Bereich der AfD oder dem Sympathisantenspektrum nicht doch vom Verfassungsschutz angeschaut werden und nicht mit in die Gesamtbewertung einfließen. Das habe ich hier auch schon ein paar Mal so ausgeführt. Das gilt weiterhin.

Frage : Eine Lernfrage, Herr Plate: Werden Einzelpolitiker der Linkspartei noch vom Verfassungsschutz beobachtet?

Plate: Das kann ich Ihnen jetzt aus dem Stand nicht sagen. Ich will gern versuchen, das nachzutragen.

Zusatzfrage: Meine Frage geht an Herrn Schäfer bezüglich der deutschen beziehungsweise der deutsch-türkischen Gefangenen in der Türkei. Was gibt es Neues in Sachen Frau Tolus, Herrn Yücels und Co? Sind es jetzt wieder neun Gefangene beziehungsweise zehn?

Schäfer: Es bleibt bei den Zahlen. Wir haben jetzt keine Veränderungen, von denen ich Ihnen mitteilen könnte.

Auch der letzte Fall einer Festnahme vergangenen Sonntag ist unverändert. Wir müssen, ohne dass es irgendeine offizielle Mitteilung gibt, davon ausgehen, dass der Betroffene, der am Sonntag am Flughafen in Istanbul in Polizeigewahrsam genommen worden war, weiterhin in Polizeigewahrsam ist, sich aber jetzt nicht mehr am Flughafen in Istanbul befindet, sondern in eine Haftanstalt verbracht worden ist. Sie wissen, dass man nach den Regelungen des Ausnahmezustands und der türkischen Strafprozessordnung bis zu 14 Tage in Polizeigewahrsam bleiben darf, ohne dass das ein Richter zu überprüfen hätte. Deshalb müssen wir uns notgedrungen in Geduld üben - auch bei unserem Versuch, bei unserem Ringen darum, konsularischen Zugang zu der betroffenen Person zu gewinnen. Denn auch den haben wir bislang noch nicht bekommen. Dazu gibt es keinen neuen Stand. Weder bei Herrn Steudtner noch bei Frau Tolu oder Herrn Yücel bin ich in der Lage, Ihnen von etwas Neuem zu berichten.

Es gibt vielleicht eine kleine weitere Verschlechterung. Unserem Generalkonsul, Herrn Birgelen, ist aus Gründen, die wir nicht verstehen können, ein Haftbesuch bei Herrn Yücel vor Kurzem nicht erlaubt worden.

Zusatzfrage: Handelt es sich dabei um einen Haftbesuch, den Sie hier angekündigt hatten und der dann doch nicht passiert ist?

Schäfer: Nein. Wir kündigen Haftbesuche ja nur in Ausnahmefällen an. Das ist wie bei Telefonaten von Mitgliedern der Bundesregierung. Meistens reden wir darüber, wenn diese Gespräche oder Besuche stattgefunden haben. So auch in diesem Fall. In der Türkei ist es leider üblich, dass man solche Haftbesuche mit langem Vorlauf beantragen und ankündigen muss. Sie stehen unter Genehmigungsvorbehalt der türkischen Regierung. Eine solche Genehmigung ist uns leider versagt worden, wie gesagt, aus Gründen, die wir schlicht und ergreifend nicht verstehen können.

Zusatzfrage: Wurden Ihnen Gründe genannt?

Schäfer: Nein. Es gab keine Gründe. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass es sinnvolle Gründe gibt. Aber wir verstehen nicht, warum es nicht möglich sein kann, dass unser Generalkonsul Herrn Yücel und die anderen deutschen Gefangenen in der Türkei regelmäßig besucht, und zwar nach einem Rhythmus, wie wir ihn unserer konsularischen Betreuung unterlegen, und nicht nach dem Rhythmus, den sich die Türken vorstellen. Das ist unsere Aufgabe, die wir sehr ernst nehmen. Deshalb ist das traurig und auch sehr ärgerlich.

Frage: Sind denn solche Besuche bei den anderen im Moment beantragt, und wartet man auf eine Erlaubnis?

Schäfer: Ja, natürlich sind all solche Besuche beantragt. Aber ich denke, wir sollten uns jetzt nicht in eine Situation hineinmanövrieren, in der ich Ihnen nun auch davon berichten würde, wann und wie bei wem für wen was beantragt worden ist, sondern ich denke, es ist sinnvoll, dass wir es dabei belassen, dass ich Ihnen sage, dass wir es sehr ernst nehmen, die konsularische Betreuung dieser Menschen, die in einer außerordentlich schwierigen humanitären Lage sind, sicherzustellen. Immer dann, wenn es solche Haftbesuche gegeben hat, berichte ich hier freiwillig und auch ausführlich darüber, wenn Sie es wünschen.

Frage: Ist der Stand auch, dass es immer noch Deutsche gibt, die, obwohl sie konsularische Betreuung bekommen müssten, keine bekommen haben?

Schäfer: Ich glaube, es gibt in der Tat einen solchen Fall. Auch da gibt es keine Änderung.

Das hat, meine ich - ohne dass wir das wirklich wissen -, auch damit zu tun, dass von der türkischen Seite, wie soll man sagen, das Kriterium der Staatsangehörigkeit, das für uns das Entscheidende ist und das für uns der Anlass ist, für die rechtlichen, tatsächlichen und politischen Pflichten konsularische Betreuung vorzunehmen, nicht recht ernst genommen wird. Wenn ein deutscher Staatsangehöriger bei der Verleihung der deutschen Staatsangehörigkeit auf die türkische verzichtet hat - das ging ja in der Vergangenheit, ganz früher, gar nicht anders, weil es die doppelte Staatsangehörigkeit nicht gab, und ist jetzt in vielen Fällen auch noch der Fall -, dann haben wir offensichtlich Situationen, in denen die türkische Seite das nicht so recht zu akzeptieren bereit ist. Sozusagen: Einmal Türke, immer Türke. Das klingt ja manchmal auch aus den Reden mancher türkischer Politiker in Deutschland und anderswo heraus. Wir halten uns dabei an das Recht, an das Völkerrecht und an unser Konsularrecht, und an die konkreten, belegbaren Angaben zur Staatsangehörigkeit.

Zusatzfrage: Sie sagen, Sie halten sich ans Recht, an das Völkerrecht. Es gibt ja auch das Wiener Abkommen. Gibt es jetzt rechtliche Möglichkeiten? Überlegen Sie, das irgendwie einzuklagen?

Schäfer: Die konsularische Betreuung ist in der Tat in Artikel 36 des Wiener Übereinkommens über konsularische Beziehungen aus den 60er-Jahren geregelt. Darauf verweisen wir in unserem Verhältnis zur Türkei immer wieder. Eine mögliche Klage in Fällen, in denen uns das verweigert wird, kann man erwägen. Bevor aber der dafür zuständige Internationale Gerichtshof eine Entscheidung fällen würde, gingen viele Jahre ins Land. Das heißt nicht, dass das ausgeschlossen wäre. Zurzeit gilt, dass wir uns ganz klar im täglichen Ringen mit der türkischen Regierung, innerhalb derer es ja auch durchaus Institutionen und Personen gibt, die unseren Ansinnen wohlgesonnen gegenüberstehen, auseinandersetzen, um unsere Rechte durchzusetzen und damit unserer moralischen, politischen und humanitären Verantwortung den deutschen Staatsangehörigen gegenüber nachzukommen, die aus unserer Sicht entweder zu Unrecht in der Türkei in Haft sind oder die Bedingungen zu gewärtigen haben, die wir für inakzeptabel und auch für unrechtmäßig halten.

Frage: Bedeutet das, dass es offenbar keine Möglichkeit gibt, mit dem - vermutlich - türkischen Justizministerium eine verbindliche Übereinkunft darüber zu erzielen, dass eine Staatsangehörigkeit dann endet, wenn der bis dahin Staatsangehörige diese ablegt?

Schäfer: Ich denke, dass wir über das grundsätzliche Faktum mit den Türken nicht in Widerspruch geraten würden, sondern das faktische Verhalten der Türken widerspricht dem immer hier und da. Deshalb bringt es, denke ich, auch nichts, zu versuchen, generelle Vereinbarungen zu treffen, sondern man muss im Einzelfall arbeiten. Wir versuchen, wie gesagt, unter ziemlich schwierigen Umständen, unserer Verantwortung für jeden Einzelfall in der Türkei gerecht zu werden.

Plate: Auf die Frage - Verfassungsschutz und die Linke - möchte ich gern ergänzen, dass das auf Seite 144 des aktuellen Verfassungsschutzberichtes nachzulesen ist. Einzelne offen extremistische Strömungen der Partei DIE LINKE werden vom BfV beobachtet. Dazu gehören etwa die Kommunistische Plattform, die Sozialistische Linke, die Arbeitsgemeinschaft Cuba Sí und die Antikapitalistische Linke. - Das war, denke ich, die Lieferung auf Ihre Frage.

Frage: Sind auch Abgeordnete darunter, also Landtagsabgeordnete oder Bundestagsabgeordnete?

Plate: Das kann ich Ihnen, ehrlich gesagt, nicht sagen. Ich kann nur auf das verweisen, was ich gerade aus dem Verfassungsschutzbericht 2016 vorgelesen habe. Dass ich das nicht auf konkrete Personen aufschlüsseln kann, gebietet schon der Datenschutz. Ich müsste prüfen lassen, ob sich aus der Antwort, die man auf Ihre Frage geben könnte oder müsste, möglicherweise eine Personbeziehbarkeit ergibt, sodass ich das vielleicht nicht nachliefern kann. Aber ich will das gern prüfen.

Frage: Dann würde ich es doch gern noch genauer verstehen. Wenn es sich so genau identifizieren lässt, was im Bereich der Linkspartei beobachtet wird, warum lässt sich das nicht in gleicher Weise auch für die AfD, die sich inzwischen auch in Strömungen, in Untergruppen organisiert, definieren und sagen: "Diese bestimmten, besonders völkisch ausgerichteten Gruppierungen innerhalb der AfD sind Beobachtungsobjekte"?

Plate: Dass sich das nicht differenzieren lässt, das haben Sie gesagt. Ich habe das nicht gesagt. Ich müsste prüfen, ob sich das differenzieren lässt. Ich habe den Verfassungsschutzbericht, wie Sie wahrscheinlich gerade schon bemerkt haben, jetzt leider nicht in all seinen Seiten sozusagen auswendig im Kopf. Ich will gern hineinschauen und schauen, ob sich das differenzieren lässt. Ich kann es jetzt hier ad hoc zwar nicht, aber dass das grundsätzlich nicht geht, hatte ich nicht gesagt. Das müsste ich prüfen.

Frage: Eine Updatefrage an Herrn Plate: Ich meine, in der vorletzten Woche war der Stand der unrechtmäßig entzogenen G20-Journalisten-Akkreditierungen nach Ihren Worten vier plus mutmaßlich eins. Hat sich an diesem Stand etwas geändert?

Plate: Ich habe keine tagesaktuelle Aktualisierung zu heute erbeten. Deswegen bitte ich um Nachsicht. Das würde ich lieber zur nächsten RegPK tagesaktuell aktualisiert haben und dann gern vortragen.

Vorsitzende Wefers: Dann vertagen wir das auf Montag.

Frage: Ich möchte von Herrn Scholz in Sachen Türkei wissen: Läuft der deutsch-türkische Justizdialog noch?

Scholz: Ich weiß, ehrlich gesagt, ad hoc nicht, was Sie mit deutsch-türkischem Justizdialog meinen. Ansonsten kann ich gern nachfragen, ob dazu entsprechende Termine oder Veranstaltungen geplant sind. Das weiß ich nicht.

Zusatzfrage: Auf Ihrer Website findet man, dass er vor drei Jahren eingerichtet und noch nicht beendet wurde.

Scholz: Wie gesagt, dazu habe ich jetzt, ehrlich gesagt, keinen aktuellen Stand dabei. Soweit ich weiß, sind dazu keine entsprechenden Veranstaltungen oder Termine geplant.

Zusatzfrage: Es müssen ja keine Events sein. Aber man könnte ja Gespräche führen.

Scholz: Gespräche werden natürlich ohnehin geführt. Aber auch da müsste ich - dafür bitte ich um Verständnis - noch einmal prüfen, inwieweit (akustisch unverständlich)

Vorsitzende Wefers: Jetzt sieht die Regierung etwas klarer, was in London passiert ist. Herr Schäfer!

Schäfer: Ich bin nicht ganz sicher, ob das der Fall ist. Jedenfalls wollte ich das Ende der Regierungspressekonferenz abwarten, um gegebenenfalls noch weitere Informationen aus London zu bekommen.

Wir haben immer noch etwas Nebel, was die Informationslage angeht. Lassen Sie mich trotzdem für die Bundesregierung sagen, dass wir angesichts der Informationen, die wir aus London über die Vorfälle oder den Vorfall in der "Tube", in der Londoner U-Bahn, bekommen haben, in großer Sorge über das sind, was dort geschieht. Wir bangen mit unseren britischen Partnern, mit den Familien und Angehörigen derjenigen, die dort ganz offenbar verletzt worden sind. Wir wissen noch nicht mit letzter Sicherheit, ob es sich um einen terroristischen Anschlag oder nur ein Unglück handelt. Die ersten Äußerungen von Verantwortlichen der britischen Seite lassen befürchten, dass es sich wieder einmal um einen terroristischen Anschlag handeln könnte. In dieser schwierigen Situation stehen wir an der Seite unserer britischen Freunde. Unsere Gedanken sind mit den Menschen in Großbritannien und in London, die um ihre Mitbürger bangen. Ich danke Ihnen.

Freitag, 15. September 2017

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Quelle:
Regierungspressekonferenz vom 15. September 2017
https://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2017/09/2017-09-15-regpk.html
Presse- und Informationsamt der Bundesregierung
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veröffentlicht im Schattenblick zum 18. September 2017

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