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PRESSEKONFERENZ/1476: Regierungspressekonferenz vom 12. Juni 2017 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Im Wortlaut
Mitschrift der Pressekonferenz - Montag, 12. Juni 2017
Regierungspressekonferenz vom 12. Juni 2017

Themen: Rüstungsexporte, Durchführung von Asylverfahren nach dem Dublin-Abkommen, Antrag von Air Berlin auf Landesbürgschaften, Eklat bei Gedenkveranstaltung für griechische NS-Opfer, mögliche Senkung der Mehrwertsteuer, Strafanzeige gegen Bundeswehroffizier, Sicherheitsprobleme im belgischen Atomkraftwerk Tihange, mögliche Abgasmanipulationen bei Porsche, Abzug von EU-Behörden aus Großbritannien, Abbruch der diplomatischen Beziehungen zu Katar vonseiten Saudi-Arabiens und anderer Staaten der Golfregion, Fake-News, finanzielle Situation Griechenlands, Störung eines Konzerts auf Mallorca durch rechtsradikale Deutsche, Interview des Bundesinnenministers im "Tagesspiegel", in der Türkei inhaftierte deutsche Staatsangehörige, Telefonat der Bundeskanzlerin mit dem französischen Präsidenten

Sprecher: StS Seibert, Baron (BMWi), Dimroth (BMI), Schäfer (AA), Weißgerber (BMF), Nannt (BMVg), Langenbruch (BMUB), Hille (BMVI), Steffen (BMJV)


Vorsitzende Wefers eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt StS Seibert sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

Frage : Eine Frage an das Wirtschaftsministerium. Ihr früherer Ressortchef, der heutige Bundesaußenminister, hat im vergangenen Jahr eine Kommission zum Thema Rüstungsexporte eingesetzt, die eigentlich bis zur Legislaturperiode ein Ergebnis liefern sollte. Anfang dieses Monats teilte Ihr Haus mit, dass bis zur Wahl kein Ergebnis der Kommission zu erwarten sei. Am gestrigen Sonntag kam Ihr früherer Ressortchef mit Vorschlägen zum Thema Rüstungsexporte, für die er ja nicht zuständig ist. Ist das mit Ihrem Haus abgestimmt? Was ist jetzt eigentlich das Verfahren der Bundesregierung, was dieses Thema anbelangt?

Baron: Vielen Dank. - Die konkreten Äußerungen des Bundesaußenministers kann ich natürlich nicht kommentieren; das könnte eventuell der Kollege übernehmen.

Die Forderungen, die Herr Gabriel formuliert hat, sind ja nicht neu. Die hat er auch in seiner Zeit als Wirtschaftsminister schon einmal formuliert.

Es ist so, dass wir in dieser Legislaturperiode durchaus einige Verbesserungen bei der Transparenz von Rüstungsexporten umgesetzt haben. Ich erinnere daran, dass es einen Rüstungsexportbericht vor der Sommerpause geben wird; es gibt zusätzlich den Zwischenbericht; es gibt natürlich die verbesserte Information gegenüber dem Parlament. Das sind die wichtigen Punkte, die in dieser Legislaturperiode umgesetzt wurden.

Dann gibt es den Status quo der derzeitigen Entscheidungslage. Es ist so, dass Entscheidungen auf Basis der bekannten Gesetze - Kriegswaffenkontrollgesetz, Außenwirtschaftsgesetz und die jeweiligen Grundsätze - durch die jeweiligen Gremien des Bundessicherheitsrats, in dem viele Ressorts der Bundesregierung vertreten sind, getroffen werden. Die Entscheidungen dort werden als Entscheidungen der Exekutive der gesamten Bundesregierung getroffen. Das Bundesverfassungsgericht erkennt es auch so an, dass es diesen Kernbereich der Exekutive gibt. Das ist eben der Status quo.

Sie haben recht: Es gab im letzten Jahr bei uns im Haus den Konsultationsprozess "Zukunft der Rüstungsexportpolitik", der sehr gut und sehr umfassend mit hoher Beteiligung der verschiedenen Kreise - Kirchen, Wissenschaft, Industrieverbände, NGOs - gelaufen ist. Die Stellungnahmen sind alle abrufbar. Es gibt sehr unterschiedliche Stellungnahmen, sehr unterschiedliche Meinungen zu diesen Fragestellungen. Deshalb ist es sehr komplex, diese zusammenzufassen. Es ist in der Tat so, dass konkrete Schlussfolgerungen daraus, wie sie erfolgen sollen, wie sie nicht zu erfolgen haben, Aufgabe der nächsten Legislaturperiode sind.

Zusatzfrage : Ich sehe mit Interesse, dass die Fähigkeit zur historischen Aufarbeitung nicht nur dem AA gegeben ist, sondern auch dem BMWi.

Aber meine konkrete Frage war: War diese Aussage des heutigen Außenministers mit dem Bundeswirtschaftsministerium abgestimmt?

Ich wüsste außerdem gerne, ob vor der Wahl aus Sicht Ihres Hauses noch gesetzestechnisch etwas passiert.

Baron: Zu beiden Fragen hatte ich ja Stellung genommen.

Zuruf : Nein!

Baron: Wie gesagt, dieser Konsultationsprozess "Zukunft der Rüstungsexportpolitik" hat für uns dargestellt, dass es sehr unterschiedliche Auffassungen zu beiden Fragen gibt. Das sind einmal die Fragen "Was ist Kernbereich der Exekutive? Was könnte der Bundestag entscheiden?" oder auch die Frage "Was müsste man neben den bestehenden Regelungen gesetzlich regeln oder nicht gesetzlich regeln?" Dazu gibt es sehr unterschiedliche Rechtsauffassungen, die im Prozess geäußert werden. Das hat bei uns zu dem Ergebnis geführt, dass noch weitere Analysen erforderlich sind und konkrete Schlussfolgerungen eben Aufgabe der nächsten Legislaturperiode sind.

Zusatzfrage : Ich habe immer noch nicht verstanden, ob die gestrigen Äußerungen des Bundesaußenministers mit Ihrem Haus abgestimmt waren.

Baron: Wie gesagt, das sind Äußerungen, die Herr Gabriel schon in seiner Zeit als - -

Zuruf : Waren sie abgestimmt?

Baron: Diese Frage müsste dann jemand anderes beantworten. Sie sind bekannt. Sie liegen auf der Linie dessen, was Herr Gabriel schon als Wirtschaftsminister geäußert hat. Deshalb gab es ja die Entscheidung der Bundesregierung, diesen Konsultationsprozess aufzusetzen.

Zusatz : Keine weiteren Fragen.

Frage: Eine Frage an das Innenministerium zum Dublin-Abkommen und die Aufnahme von Flüchtlingen. Wie ist zu erklären, dass die Übernahmeersuchen von anderen Ländern offensichtlich so sehr zögerlich umgesetzt werden, wogegen wir offensichtlich viel zeitnaher reagieren? Wie kann man das möglicherweise ändern?

Dimroth: Zunächst einmal ist es so, wie Sie auch wissen, dass wir insgesamt in Europa für die in Europa geltenden rechtlichen Grundlagen für das Flüchtlingsthema einen überbordend großen Reformbedarf sehen. Gerade in der letzten Woche hat der Innenministerrat stattgefunden, wo Bundesinnenminister de Maizière noch einmal sehr deutlich und pointiert diesen Änderungsbedarf skizziert hat. Leider ist es so, dass im Gesamtkonzept der auf dem Tisch liegenden Reformvorschläge aus unserer Sicht derzeit nicht erkennbar ist, dass man in einem Gesamtpaket tatsächlich zeitnah alle Reformprojekte erfolgreich beenden können wird. Deswegen hat der Minister letzte Woche sehr deutlich gemacht, dass er jetzt in einem Schritt die Dinge aus diesem Gesamtpaket heraustrennen möchte, die einigungsfähig erscheinen, um dann in weiteren Schritten die anderen Reformprojekte angehen zu können, dass man aber die Dinge erst einmal vorzieht, für die man möglicherweise auch rasch einen Konsens aller Mitgliedstaaten finden kann.

Das nur vor die Klammer gezogen, um noch einmal den Kontext zu erläutern und um noch einmal klar zu machen, was wir in vielen Regierungspressekonferenzen zum Ausdruck gebracht haben: Aus Sicht der Bundesregierung gilt und galt immer die Dublin-Verordnung mit all ihren Defiziten, die bekannt sind. Wir haben uns im immer rechtlich an diese Verordnung gebunden gefühlt und entsprechend verhalten. Das gilt selbstverständlich auch - jetzt komme ich langsam zu Ihrer Frage - in Bezug auf die aktuelle Praxis.

Selbstverständlich halten wir uns an die Regeln der Dublin-Verordnung. Immer dann, wenn Deutschland für die Durchführung eines Asylverfahrens nach diesen europarechtlichen Vorgaben zuständig ist, füllen wir diese Zuständigkeit natürlich sehr konstruktiv mit Leben, um die betreffenden Menschen einem Asylverfahren zuzuführen. Das ist erst einmal ganz grundsätzlich die Ausgangsbasis und das Selbstverständnis unserer Politik.

Was das Verhalten anderer anbetrifft, so ist das sicher nicht mit einem Satz und auch nur bedingt durch mich zu erklären. Gegebenenfalls müsste man - jedenfalls in Teilen - auch andere Regierungen fragen, ob und inwieweit sie Erklärungen für ihr Verhalten anbieten können.

Dass es immer im Zusammenhang mit der Flüchtlingspolitik in Europa auch einige gibt, die bei der Frage Übernahme von Solidarität und wirkliches Leben von europäischen Regelungen etwas zurückhaltender agieren, um es vorsichtig zu sagen, ist nicht neu. Das ergibt sich aus vielerlei auch öffentlichen Statements von Vertretern anderer Regierungen, die sehr deutlich gemacht haben, dass sie sich im Prinzip diesem Solidaritätsmechanismus grundsätzlich und abschließend entziehen möchten und gerade daran nicht teilhaben möchten. Das ist alles bekannt. Diese Politik anderer mag sich dann auch in der Praxis bei der Frage niederschlagen, wie man die rechtlichen Verpflichtungen aus Dublin im täglichen Miteinander erfüllt.

Das ist jedenfalls da, wo eine rechtliche Verpflichtung besteht und nicht eingehalten wird, zu bemängeln. Das wird auch bemängelt, wenn wir bilateral mit den entsprechenden Staaten Kontakt haben. Noch einmal: Weil wir für uns selbstverständlich diese rechtliche Verpflichtung als bindend anerkennen und so agieren, verlangen wir das auch von unseren Partnern - aber nicht immer mit durchschlagendem Erfolg. Das ist ein sehr mühsames Geschäft, ein sehr kleinteiliges Geschäft, bei dem sowohl die Mitarbeiter des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge im täglichen Kontakt mit ihren europäischen Partnern stehen, als auch, soweit hier ministeriell geholfen werden kann, mit den Mitarbeitern im Ministerium selbst. Aber eine abschließende Antwort auf die Frage "Warum?", kann ich Ihnen nicht bieten. Ich kann Ihnen nur sagen: Bekannt und für uns im täglichen Geschäft immer wieder erkennbar ist, dass es doch einige Mitgliedstaaten gibt, die versuchen, sich mehr oder weniger komplett aus dieser Solidarität und dieser Verantwortung herauszuziehen.

Zusatzfrage: Das, was Sie gerade gesagt haben, gilt es jetzt zu verdauen.

Trotzdem einmal der zweite Schritt: Welche Möglichkeiten sehen Sie denn im Kontakt und Gespräch mit den Partnern, ein wenig erfolgreicher und effizienter zu sein? Gibt es Sanktionsmöglichkeiten? Welche Palette bietet sich Ihnen dabei?

Dimroth: Zunächst einmal ist, glaube ich, immer der bilaterale Kontakt und das Hinweisen und Erinnern an europäische rechtliche Verpflichtungen aller Mühen wert, wie wohl nicht immer erfolgsversprechend.

Darüber hinaus ist es so, dass - ich kann mich nur wiederholen - wir uns an unsere rechtlichen Verpflichtungen halten. Deswegen gibt es zumindest rechtlich nicht ohne weiteres die Möglichkeit, ein Do ut des zu vereinbaren, also im Sinne von: Wenn du nicht mitmachst, mache ich auch nicht mit. Wir halten uns an unsere rechtliche Verpflichtung. Deswegen ist dieses Instrument jedenfalls so in dieser Deutlichkeit verbaut. Es gibt natürlich immer einen großen Strauß von Dingen mit Mitgliedstaaten, die gerade in den bilateralen Verhältnissen eine Rolle spielen, auch im Zuständigkeitsbereich des Bundesinnenministeriums. Da kann man natürlich schon versuchen, das eine oder andere Dossier mit den Erfahrungen aus dem Dublin-Geschäft zu verknüpfen, was auch geschieht. Das ist durchaus eine Möglichkeit neben dem bloßen stetigen und immer wiederkehrenden Verweis darauf, dass wir sehr wohl davon ausgehen, dass nicht nur Deutschland rechtlichen Verpflichtungen nachkommt.

Sollte das Ganze allerdings sozusagen dokumentiert einen dauerhaften Rechtsverstoß zur Folge haben, dann wäre es nicht an uns, sondern an der Kommission, ein entsprechendes Vertragsverletzungsverfahren anzustrengen, um den betroffenen Mitgliedstaat entsprechend zu sanktionieren. Das ist sehr wohl möglich.

Frage (zu Antrag von Air Berlin auf Landesbürgschaften): Frau Baron, welches rechtliche Vehikel steht denn für Staatsbürgschaften zur Verfügung? Wir kannten ja in Zeiten der Finanzkrise den Deutschlandfonds. Welche Möglichkeiten gibt es jetzt aus der Sicht des Bundes, Staatsbürgschaften zur Verfügung zu stellen?

Baron: Vielen Dank für die Frage. - Wir hatten schon am Freitag hier in der Bundespressekonferenz zu diesem Thema Stellung genommen. Ich wiederhole vielleicht ein paar allgemeine Sachen und komme dann noch einmal zum Thema.

Air Berlin hat einen Bürgschaftsantrag bei den Ländern Nordrhein-Westfalen und Berlin gestellt, und zwar als Landesbürgschaften; dieses Instrument gibt es. Der Bund hat entschieden, den Antrag gemeinsam mit den Ländern NRW und Berlin zu prüfen. Das ist erst einmal der Status quo. Das heißt, das ist ein Einstieg in eine Prüfung ohne Präjudiz, ob eine Bürgschaft gewährt wird; denn unabdingbare Grundvoraussetzung für die Gewährung von Bürgschaften ist das Vorliegen eines tragfähigen Zukunftskonzeptes.

Diese Prüfungen werden jetzt erfolgen. Jetzt müssen die Unterlagen vorgelegt werden. Dann wird gemeinsam mit den betroffenen Ländern im sogenannten Interministeriellen Ausschuss geprüft. Dieser müsste dann zu einer Entscheidung kommen.

Zu Ihrer Frage nach dem Instrumentarium, das dahintersteht: Das sind im Kern Anträge bei den Ländern auf Landesbürgschaften. In den haushaltsrechtlichen Gesetzen und Grundlagen gibt es die Regelung, dass bei einer Bürgschaft ab 10 Millionen Euro und der Betroffenheit eines neuen Bundeslandes der Bund zusätzlich absichern kann. Das ist hier gegeben, weil das Land Berlin als neues Bundesland zählt. Das ist das Instrumentarium, das dahintersteht. Wie gesagt: Das ist der Einstieg in eine Prüfung ohne Präjudiz und ohne Entscheidung über das Ob einer Bürgschaft.

Zusatzfrage: Würde das dann mithilfe der KfW abgewickelt, oder wie würde diese Bürgschaft dann ausgereicht?

Baron: Das wären Mittel, die in den jeweiligen Haushalten des Bundes und der Länder zur Verfügung gestellt sind. Aber wie gesagt: ohne Präjudiz, ob eine Bürgschaft am Ende gewährt ist.

Frage: Ich wüsste gerne, ob es da ein Zeitfenster gibt. Ich könnte mir vorstellen, dass die Airline in Bälde auf Zahlungen angewiesen ist. Insofern gibt es wahrscheinlich einen gewissen finanziellen Druck. Können Sie sagen, ob die entsprechenden Unterlagen, die diesen Antrag begründen sollen, schon eingereicht worden sind? Um welche Summen handelt es sich genau?

Baron: Wie gesagt: Am Freitag gab es die Entscheidung, dass die Länder NRW und Berlin sowie der Bund den Antrag gemeinsam prüfen. Das ist sozusagen eine erste Art Vorfrage, der Einstieg in die Prüfung. Jetzt sind die Unterlagen einzureichen. Das heißt, der Vorgang, der Prozess des Einreichens der Unterlagen läuft jetzt. Die Unterlagen müssen jetzt noch vollständig vorgelegt werden. Das ist ein Prozess, der gerade noch läuft.

Zu der Prüfdauer: Man kann da keine allgemeine Regel aufstellen. Das hängt eben davon ab, wie schnell und vollständig die Unterlagen sind, die eingereicht werden. Ich kann nur sagen: Eine solche Prüfung wird Wochen bis Monate dauern. Aber mehr konkretisieren kann ich das nicht.

Zu der Summe kann ich keine Stellung nehmen.

Frage: Herr Schäfer, gestern gab es einen Eklat mit dem deutschen Botschafter bei einer Gedenkveranstaltung für griechische NS-Opfer in Distomo. Sie sind sicherlich darüber informiert. Noch einmal zur Erinnerung: Welche Position hat Deutschland gegenüber Griechenland?

Schäfer: Der Vorfall, auf den Sie anspielen, ist mir persönlich nicht bekannt. Ich habe das gelesen, was Sie mir dazu gezeigt haben. Deshalb möchte ich mich in aller Vorsicht ausdrücken, weil ich keine Informationen dazu von unserem Botschafter in Athen habe.

Was ich zunächst einmal sagen möchte, ist - das gilt ganz sicher für den Botschafter; das gilt für die Bundesregierung; das gilt für den Außenminister; das gilt für das ganze Auswärtige Amt und die Bundesregierung -, dass wir zu unserer historischen Verantwortung für das, was im Zweiten Weltkrieg im Namen Deutschlands auch in Griechenland gestehen ist, stehen, dass wir genauso wie die Menschen in Griechenland das, was dort geschehen ist, zutiefst verurteilen und dass wir gemeinsam daran arbeiten und arbeiten wollen, damit umzugehen.

Sie wissen, dass es in den letzten Jahren verschiedene Initiativen des Bundespräsidenten, des damaligen Außenministers und jetzigen Bundespräsidenten und anderer gegeben hat, unter anderem mit einem deutsch-griechischen Zukunftsfonds, um sich gemeinsam der Aufgabe zu stellen und sich der Herausforderung zu widmen, mit der gemeinsamen Geschichte und mit der Gewalt, die Griechenland während des Zweiten Weltkriegs angetan worden ist, umzugehen.

Deshalb ist es verständlich für uns, dass auch noch heute, nahezu 70 Jahre nach Endes des Krieges, in Griechenland angesichts der schrecklichen Ereignisse aus dieser Zeit die Emotionen hochgehen können. Ich glaube, dazu gibt es gar nicht mehr zu sagen.

Die Haltung zu Entschädigungen, die Sie jetzt von mir abfragen, hat sich absolut nicht geändert. Dazu gibt es so viele Äußerungen von dieser Bank und von anderswo, dass ich das wohl nicht mehr zu wiederholen brauche.

Frage: Ich habe eine Frage an das BMWi und an das BMF: Wann wird denn die Mehrwertsteuer sinken, um den Leistungsbilanzüberschuss zu drücken? Wie weit sind die Überlegungen, und laufen die überhaupt?

Baron: Ich kann gern beginnen. - Es gibt keine Pläne für eine Mehrwertsteuersenkung. Die gibt es nicht im BMWi und, ich glaube, auch nicht in den anderen Häusern der Bundesregierung.

Vielleicht kann ich den Bericht vom Wochenende etwas erläutern. Bei uns im Haus gibt es Berechnungen zu Fragen des Leistungsbilanzüberschusses und auch der Mehrwertsteuer. Es ist wenig überraschend, dass aktuelle ökonomische Fragestellungen im Bundeswirtschaftsministerium berechnet werden. Das gehört sozusagen zu der Jobbeschreibung des Hauses. Das ist auch in diesem Fall so.

In der Tendenz sehen die Berechnungen in unserem Haus eine Mehrwertsteuersenkung eher skeptisch, weil dies in der Sache nicht zu einer Senkung des Leistungsbilanzüberschusses führen würde. Nach unserer Auffassung muss die Stärkung der Investitionen weiter im Vordergrund stehen. Das hat die Bundeswirtschaftsministerin schon wiederholt betont, und das ist auch weiterhin die Auffassung. Natürlich gibt es auch sehr viele externe Einflussfaktoren wie Ölpreis oder Euro. Aber wir verfolgen eben eine Wirtschaftspolitik, die auf inklusives Wachstum und Stärkung der Investitionen gerichtet ist.

Weißgerber: Ich als Vertreter des Bundesfinanzministeriums habe dem gar nichts hinzuzufügen. Auch bei uns gibt es keine Überlegungen oder Pläne, die Mehrwertsteuer zu senken.

Der Bericht, der gestern Aufmacher in der "Welt am Sonntag" war, ist schon etwas weit hergeholt gewesen, muss man ehrlich sagen. Die Überschrift "Bundesregierung prüft die Senkung der Mehrwertsteuer", ist, wenn man diesen Vermerk kennt, zwar richtig als ein Aspekt dargestellt. Aber man muss schon sagen, dass das auf einen Leser, der diese Formulierungen nicht kennt, eine andere Wirkung entfalten kann. Auch das, was da als Quelle genannt ist, gibt das überhaupt nicht her. Deswegen: Es gibt keine Überlegungen.

Frage : Herr Nannt, wo ist eigentlich die Schwelle erreicht, wenn zynische, sarkastische, abwertende Äußerungen von Bundeswehrsoldaten die Grenze zum Strafrechtlichen überschreiten? Ich beziehe mich jetzt konkret auf die Meldung, dass gegen einen Bundeswehroffizier Strafanzeige erstattet wurde, weil er sinngemäß gesagt hat: Dann müssten wir eigentlich gegen diese Ministerin putschen. - Vielleicht könnten Sie uns auch noch sagen, wer genau diese Strafanzeige mit welchem Verdacht erstattet hat.

Nannt: Ich musste aufgrund Ihrer Anfangsschleife erst einmal einordnen, in welche Richtung die Frage geht.

Zusatz : Entschuldigung.

Nannt: Dass ich ganz konkret zu dem Fall nichts sagen kann, ist natürlich klar. Aber ich sage trotzdem ein paar Dinge, damit Sie das insgesamt einordnen können.

Ich habe am Wochenende in einer großen Tageszeitung gelesen, dass die Verteidigungsministerin und das Verteidigungsministerium eine Anzeige erstattet hätten. Beides ist falsch.

Einfach einmal zur Einordnung: Wir haben in der Bundeswehr Hunderte von Disziplinarvorgesetzte, die auf vielen verschiedenen Ebenen verantwortlich sind. Wie läuft das, wenn ein zuständiger Disziplinarvorgesetzter einen Vorfall hat, bei dem er vor Ort ermittelt und prüft, ob eine Dienstpflichtverletzung eingetreten ist? Wenn er im Rahmen dieser Ermittlung feststellt, dass es hierbei den Verdacht auf eine Straftat geben könnte, dann kann er den Fall an die zuständige Staatsanwaltschaft abgeben. Die Staatsanwaltschaft allein entscheidet dann, ob das Strafverfahren aufgenommen beziehungsweise ob es fortgesetzt wird. Die Ermittlungen, die ein Disziplinarvorgesetzter, der vielleicht drei, vier Ebenen vom Ministerium weg sitzt, vor Ort macht, dienen dazu, die Situation insgesamt aufzuklären.

Ich kann jetzt zu dem Fall "unter eins" nicht so viel sagen. Da müsste ich schon "unter drei" gehen.

Zusatz : Bitte!

Nannt: Ansonsten kann ich nur sagen: Es ist die ureigene Aufgabe von Disziplinarvorgesetzten, zu ermitteln. Ich wäre sehr vorsichtig, ohne die Kenntnis von Disziplinarakten, von den ganzen Vernehmungen zu beurteilen, warum einer abgegeben hat oder nicht. Das ist eine ganz klare Pflicht, die ein Vorgesetzter hat: Er muss ermitteln, er muss prüfen. Wenn ein Dienstvergehen vorliegt und vielleicht sogar eine Straftat vorliegen könnte, dann ist eine Abgabe an die Staatsanwaltschaft dafür da, um weiter zu überprüfen, um zu ermitteln.

Vorsitzende Wefers: Herr Nannt, möchten Sie den Konjunktiv in einen Indikativ umwandeln und "unter drei" gehen?

Nannt: Wir können gerne "unter drei" gehen.

Zusatzfrage : Darf ich vorher noch etwas fragen? - Es gibt auch andere Fälle - Stichworte "Hechingen" und "Pfullendorf" -, bei denen das Ministerium sehr wohl in der Lage war zu sagen, dass staatsanwaltschaftliche Ermittlungen, dass Strafanzeigen eingeleitet wurden. Ist es in diesem Fall vielleicht nicht doch möglich, dass Sie sagen, wer warum eine Strafanzeige erstattet hat? Hilfsweise sollten wir dann "unter drei" gehen.

Nannt: Ich schlage vor, wir gehen "unter drei", um das Ganze einmal deutlich zu machen.

Vorsitzende Wefers: Ich bitte darum, die Kameras wegzuschwenken. Wir sind jetzt "unter drei".

(Es folgt ein Teil "unter drei")

Vorsitzende Wefers: Wir sind jetzt wieder "unter eins".

Frage: Herr Nannt, haben Sie zufällig aktuelle Zahlen zu dem Meldeaufkommen, insbesondere vor dem Hintergrund des Falls Franco A.? Können Sie erklären, wie in Bezug auf die aktuelle Behandlung der Staatsanwaltschaft, zu der Sie ja inhaltlich nichts sagen können, das Verhältnis zum Ministerium ist? Inwieweit ist das Ministerium da mit im "loop"?

Nannt: Ich hatte ja letzte Woche am Mittwoch schon allgemein etwas dazu gesagt. Vielleicht noch einmal zu den Zahlen, die ich nachher noch ganz kurz einordnen muss: Bei der Auswertung des Meldewesens zur inneren und sozialen Lage der Bundeswehr, Stichtag 24. Mai - neuere Zahlen habe ich jetzt nicht dabei -, hatten wir im Gesamtjahr 2016 im Bereich Verstöße von Vorgesetzten gegenüber Untergegebenen 30 Verstöße. Stand 24. Mai hatten wir im Jahr 2017 insgesamt 39 Verstöße. Verstöße gegen die sexuelle Selbstbestimmung hatten wir im letzten Jahr 121. Im Jahr 2017 waren es, Stand 24. Mai, 105. Im Bereich Verstöße mit rechtsextremem beziehungsweise fremdenfeindlichem Hintergrund hatten wir im letzten Jahr 61 und in diesem Jahr, Stand 24. Mai, 72.

Zur Einordnung der Zahlen: Wir spüren eine deutlich höhere Sensibilität der Vorgesetzten. Ein Punkt ist ja, wie man damit umgeht und dass man genauer hinschaut. Zum Teil werden auch Vorfälle gemeldet, die schon in der Vergangenheit liegen, weil man sich jetzt vielleicht unsicher ist und sagt: Ich melde das jetzt lieber doch noch.

Ich will damit nicht sagen, dass sich dadurch jetzt irgendetwas geändert hat oder dass die Bundeswehr im Jahr 2017 total anders ist als 2016. Aber wir spüren eben eine andere Sensibilität. Wir spüren, dass zum Teil Vorgänge gemeldet wurden, die schon in der Vergangenheit liegen, und dass dadurch noch einmal ganz genau hingeschaut wird.

Zu der Frage nach der Rolle des Ministeriums: Wie gesagt, das ist ureigene Aufgabe das Disziplinarvorgesetzten. Bei solchen Dingen wie Abgaben an die Staatsanwaltschaft ist das nicht der Kenntnisstand, den das BMVg hat, weil das auch gar nicht in dessen Verantwortung und Zuständigkeit liegt. Wir bekommen aber über das Meldewesen zum Teil Punkte, bei denen dann steht: Achtung, es gab ein besonderes Vorkommnis. Es wurde eine Abgabe an die Staatsanwaltschaft eingeleitet. - Das ist aber bei manchen Fällen nicht so. Aber bei manchen Fällen wissen wir es eben, weil das gleichzeitig schon in dieser Meldung steht. Aber dann ist es eine rein nachrichtliche Sache.

Wenn aber zu einem Fall deutlich später eine Entscheidung kommt, eine Abgabe an die Staatsanwaltschaft zu machen, weil die Umfänge sehr groß waren, dann ist es nicht immer der Sach- und Kenntnisstand des BMVg. Das muss es ja auch nicht sein, weil es eben die Zuständigkeit der einzelnen Organisationsbereiche und der Disziplinarvorgesetzten ist.

Zusatzfrage : Wann hat denn Ihr Haus von der am Freitag im "Spiegel" gemeldeten Abgabe an die Staatsanwaltschaft - nicht Strafanzeige! - erfahren?

Nannt: Am Freitag ist das Haus durch den Artikel sauber informiert worden, dass eine Abgabe an die Staatsanwaltschaft erfolgt ist. Das war quasi nachrichtlich. Wenn es solche Meldungen gibt, überprüfen wir das grundsätzlich bei allen Vorfällen und schauen, wie bestimmte Sachverhalte sind.

Frage: Offenbar gibt es im Atomkraftwerk Tihange störfallähnliche Vorfälle. Ist das Anlass für die Bundesregierung, tätig zu werden? Dieser Reaktor liegt ja sehr grenznah.

Baron: Ich glaube, dazu müsste die Kollegin aus dem Umweltministerium Stellung nehmen.

Langenbruch: Danke für die Frage. Ich kann gerne darauf antworten. - Wir haben von dieser Meldung bei der deutsch-belgischen Nuklearkommission erfahren, die letzte Woche stattgefunden hat. Das war das erste Zusammentreffen zwischen Vertretern der deutschen und der belgischen Nuklearkommission. Da haben uns die belgischen Kollegen bereits darauf aufmerksam gemacht, dass bei Ultraschallmessungen neue Risse bekannt geworden sind. Die Belgier haben uns offen darüber informiert. Das ist aber, wie mir die Kollegen gesagt haben, keine beunruhigende Meldung.

Wir werden diese Ergebnisse nun auswerten. Wir werden den Bericht, den uns die Areva, also die Kollegen bei der deutsch-belgischen Nuklearkommission, übergeben hat, nun durch das Staatliche Materialprüfungsamt in Stuttgart auswerten lassen.

Ich möchte an dieser Stelle noch sagen und betonen, dass es sehr gut ist, dass wir uns dieses Themas angenommen haben. Die deutsch-belgische Nuklearkommission hilft dabei, dass wir miteinander über genau solche Themen reden. Wir haben im Nachgang eine Meldung herausgegeben. Unsere Experten von der Reaktorsicherheitskommission werden sich mit den Kollegen in Belgien zu diesem Thema, zu den offenen Fragen austauschen. Wir stehen in einem engen Dialog.

Frage: Frau Langenbruch, wenn das schon in der Kommission bekannt war, warum hat denn die Öffentlichkeit dann nicht von Ihnen davon erfahren?

Langenbruch: Die Öffentlichkeit haben wir durch unsere Pressemitteilung über das Thema informiert, dass wir über offene Fragen und somit auch über die aktuelle Entwicklung in Tihange 2 sprechen werden.

Des Weiteren muss man sagen, dass 70 neue Risse, die jetzt bekannt geworden sind, kein Vorgang sind, womit man eine Beunruhigung in der Bevölkerung hervorrufen soll. Die belgischen Kollegen haben uns das genau erläutert. Das sind Ultraschallmessungen gewesen. Dort ist eine neue Kamera zum Einsatz gekommen. Das Ganze muss jetzt genau untersucht werden. Wenn das jetzt etwas Beunruhigendes gewesen wäre, dann hätten wir die Bevölkerung noch umfassender darüber informiert. Wir haben aber im Nachgang das, was wir berichten konnten, in einer Erklärung herausgegeben.

Frage: Ich möchte Herrn Hille zu der "Spiegel"-Berichterstattung vom Wochenende etwas fragen. Aus meiner Sicht wurden sehr überzeugende Argumente dafür gefunden, dass offenbar auch bei Porsche eine illegale Abschalteinrichtung eingesetzt wurde, die an Lenkbewegungen oder einer vertikalen Veränderung des Autos durch Hügel usw. erkannt hat, dass es sich nicht mehr im Teststand befindet. Wie beurteilen Sie diese Ergebnisse? Teilen Sie die Einschätzung, die von Experten geäußert wurde, dass das, was da bei Porsche passiert, wohl illegal ist?

Hille: Vielen Dank für die Frage. - Die Ergebnisse, die Sie genannt haben, kenne ich nicht, die liegen uns nicht vor. Aber ich kann Ihnen sagen, dass das KBA angewiesen ist, Untersuchungen bei Porsche durchzuführen.

Zusatzfrage: Aufgrund dieser Berichterstattung oder ohnehin schon?

Hille: Das KBA ist angewiesen, Untersuchungen bei Porsche durchzuführen.

Zusatzfrage: Es gab ja damals auch schon bei Porsche Nachuntersuchungen im Rahmen der Abgasaffäre. Gibt es aus Ihrer Sicht irgendwelche Versäumnisse, dass Ihnen das damals nicht aufgefallen ist, was jetzt anderen aufgefallen ist, oder wie kommt das?

Hille: Sie wissen, wie lange wir den Prozess begleiten. Ich glaube, Sie haben auch eine Ahnung davon, wie komplex der Sachverhalt ist. Vor, ich glaube, zwei Wochen haben wir einen weiteren Fall bei Audi öffentlich gemacht, was zeigt, wie eng wir den Prozess betreiben. Wie es bei solchen Prozessen der Fall ist, gibt es immer mal wieder Ergebnisse. Das zeigt der Fall Audi. Wie gesagt: Im Fall Porsche geht das KBA dem Ganzen weiter nach.

Frage: Audi sollte ja bis heute Lösungsvorschläge für die Umrüstung von 24 Fahrzeugen und zur Beseitigung der Abschalteinrichtung vorlegen. Hat Audi geliefert, und sind die Lösungsvorschläge geeignet? Steht inzwischen fest, ob auch andere Fahrzeuge auf ähnliche Abschalteinrichtungen oder -systeme hin überprüft werden sollen?

Hille: Wie Sie sich vorstellen können, sind wir gerade in der letzten Woche intensiv mit Audi im Gespräch gewesen. Der Minister hat den 12. Juni als Termin genannt, zu dem der VW-Konzern Vorschläge vorlegen muss. Der 12. Juni ist heute, der Tag ist noch nicht vorbei. Wir gehen davon aus, dass heute im Laufe des Tages die entsprechenden Unterlagen bei uns vorliegen.

Frage: Dazu direkt: Würden Sie dann auch kommentieren, ob das passiert ist, oder uns heute gegebenenfalls sogar noch darüber informieren, wie Sie die Vorschläge, die vorgelegt worden sind, finden?

Noch eine Nachfrage zu Porsche: Gibt es da auch schon eine Frist, bis wann wir mit Ergebnissen der Nachuntersuchungen, zu denen Sie das KBA angewiesen haben, rechnen dürfen?

Hille: Wie Sie wissen, sind wir schnell in alledem, was wir tun, aber wenn heute Vorschläge vom VW-Konzern vorgelegt werden, dann braucht es eine gewisse Zeit, sich diese Vorschläge anzuschauen. Das werden wir zügig tun, und nachdem wir das geprüft haben, können wir darüber ein Urteil fällen.

Zusatz: Wobei ich jetzt auch einmal den Satz sagen möchte, der sonst vom Podium aus gesagt wird: Diese Unterstellung in Ihrer Antwort weise ich zurück.

Hille: Ich weiß jetzt nicht, auf welche Sie sich beziehen.

Zusatz: Dass ich wisse, dass Sie immer schnell sind mit Ihren Antworten.

Frage: Steht jetzt schon fest, ob auch weitere Fahrzeuge überprüft werden, oder ergibt sich das dann erst aus der Vorlage der Lösungsvorschläge?

Hille: Das gehört mit in dieses Paket. Ich kann Ihnen jetzt keine Liste von Fahrzeugen nennen, die weiter überprüft werden, aber der Minister hat ja gesagt, dass wir vom VW-Konzern erwarten, dass er uns auch vorlegt - und das ist Teil dieser Lösung -, welche Fahrzeuge möglicherweise ähnlich betroffen sein könnten, sodass diese dann bei uns einer entsprechenden Untersuchung zugeführt werden.

Frage: Herr Hille, nur weil Sie das gesagt haben: Täusche ich mich, oder hat Ihr Ministerium bisher den Eindruck erweckt, nach Bekanntwerden der Abgasskandale hätten sich alle Automobilproduzenten hierzulande darum bemüht herauszufinden, ob es eine "Schummelsoftware" oder ähnliches gibt? Wenn Sie jetzt aufgrund einer "Spiegel"-Berichterstattung bei Porsche nachzuforschen beginnen, dann frage ich mich: Was haben Sie bisher getan, beispielsweise bei Porsche?

Hille: Es tut mir leid, aber die Frage im Gesamtzusammenhang verstehe ich nicht. Was ist die Frage?

Zusatz: Sie konnten durch die Ergebnisse des "SpiegelS" doch nicht überrascht sein.

Hille: Sind wir auch nicht.

Zusatzfrage: Das heißt, die Prüfung wurde schon vorher eingeleitet?

Hille: Ich habe doch gerade versucht deutlich zu machen, dass das Ganze ein Prozess ist, der seit dem letzten Jahr läuft und in dem eine ganze Reihe von Fahrzeugen geprüft worden ist. Dann gab es einen Abschlussbericht über die Frage VW, und vor zwei Wochen haben wir den Fall Audi öffentlich gemacht. Das macht ja deutlich, dass das nichts Punktuelles, sondern ein laufendes Verfahren ist, in dem stetig umfangreiche Tests durchgeführt werden.

Frage: Nach dem Brexit werden ja EU-Behörden aus London abgezogen. Ich wüsste gerne, ob eine Berichterstattung zutrifft, dass die Europäische Arzneimittel-Agentur wohl doch nicht nach Deutschland kommen wird, und wie der Stand der Verhandlungen über den neuen Sitz der Bankenaufsichtsbehörde EBA ist. Ist die Bundesregierung daran interessiert, die eventuell nach Frankfurt zu holen? Könnten Sie da einfach einmal den Stand der Dinge berichten?

StS Seibert: Ich freue mich richtig, dass ich auch etwas zu unserer schönen Veranstaltung heute beitragen kann.

Vorsitzende Wefers: Es stehen ja noch Fragen auf der Liste.

StS Seibert: Ich habe auch gar keine Sorge gehabt, dass das kommt. - Es ist richtig: Die EMA und die EBA, also die Arzneimittelagentur wie auch die Europäische Bankenaufsicht werden infolge des Brexit in einen anderen EU-Mitgliedstaat umziehen müssen. Deutschland wirft für beide Agenturen seinen Hut in den Ring: mit Bonn für die Europäische Arzneimittel-Agentur und mit Frankfurt am Main für die Europäische Bankenaufsicht. Zurzeit führen die 27 EU-Mitgliedstaaten über das weitere Verfahren, wie der Standort ausgewählt werden soll, Gespräche. Der Präsident des Europäischen Rates, Donald Tusk, strebt an, dass die Entscheidung über das Verfahren beim Europäischen Rat im Juni getroffen werden soll. Wann dann eine endgültige Entscheidung über die Umsiedlung der beiden Agenturen an einen neuen Standort getroffen sein wird, steht noch nicht fest.

Zusatzfrage: Können Sie vielleicht sagen, welche anderen Länder sich um die Standorte bewerben?

StS Seibert: Das kann ich nicht, da müssten Sie wirklich die europäischen Stellen fragen.

Frage: Meine Frage richtet sich an die Bundesregierung: Wie bewertet die Bundesregierung die Entwicklung der neuen Krise in der Golf-Region?

StS Seibert: Ich fange einmal an - ich bin mir sicher, das Auswärtige Amt wird dazu zu ergänzen haben. Die Bundeskanzlerin hatte sich ja auch am Wochenende auf ihrer Lateinamerikareise dazu geäußert, und zwar in dem Sinn: Es ist notwendig, dass alle Akteure vor Ort ihren Dialog aufrechterhalten, und das betrifft unter anderem den Golf-Kooperationsrat, dem Katar genauso angehört wie Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate und der sich nach unserer Auffassung um Zusammenarbeit untereinander bemühen sollte. Es gibt jetzt eine ganze Anzahl diplomatischer Aktivitäten, die auf Deeskalation hinarbeiten. Wir alle haben ein gemeinsames Interesse daran, dass wir die Finanzierung des internationalen Terrorismus trockenlegen. Gleichzeitig muss der Dialog aufrechterhalten bleiben; ansonsten wird es uns nicht gelingen, politische Lösungen für die Konfliktfälle in der Region zu erzielen.

Zusatzfrage: Wird Bundeskanzlerin Merkel heute Abend mit dem ägyptischen Präsidenten General Al-Sisi, über die Menschenrechtslage in seinem Land sprechen?

StS Seibert: Zunächst einmal ist richtig, dass der ägyptische Staatspräsident hier in der Stadt ist; das hat mit der G20-Konferenz zur Afrika-Partnerschaft zu tun. Es gibt tatsächlich ein bilaterales Gespräch um 17.15 Uhr zwischen der Bundeskanzlerin und Herrn Al-Sisi. Ich kann hier die Themen nicht vorhersagen. Ich bin mir sicher, es geht noch einmal um die G20-Afrika-Partnerschaft, es geht sicherlich auch um bilaterale Themen und um aktuelle Fragen der Region. Das Thema, das Sie ansprechen, hat auch eine Rolle gespielt, als die Bundeskanzlerin vor gar nicht allzu langer Zeit in Kairo war.

Frage: Herr Schäfer, wird die Situation in der Golfregion durch teilweise widersprüchliche Äußerungen einerseits des US-Präsidenten und andererseits des US-Außenministers erschwert? Wie wirkt sich die offenbar engere Kooperation - zumindest in der Frage von Hilfsleistungen, aber teilweise auch bei der militärischen Präsenz - zwischen Iran und der Türkei aus, möglicherweise auch mit weiteren Folgen für die Region insgesamt, speziell Syrien?

Schäfer: Zunächst einmal würde ich gerne sagen: Der Außenminister hat in der letzten Woche zahlreiche Gespräche geführt, die uns, glaube ich, ein ganz gutes Bild davon vermitteln, worum es in diesem Konflikt zwischen den Kontrahenten im Wesentlichen in Riad und in Abu Dhabi sowie in Doha geht. Er hat sich schon letzte Woche Montag mit dem türkischen Außenminister in Ankara getroffen und mit ihm gesprochen; das war sozusagen vor dem öffentlichen Ausbruch dieser Krise. Die beiden Außenminister Saudi-Arabiens und Katars waren in Berlin beziehungsweise in Wolfenbüttel, um sich mit der Bundesregierung auszutauschen. Der Außenminister hat über das Wochenende und in den letzten Tagen mit dem Außenminister Kuwaits und lange auch mit dem US-Außenminister zur Krise telefoniert, und wir werden weiter gemeinsam mit unseren europäischen Partnern alles tun, was von uns gewünscht wird und was wir darstellen können, um vermittelnd und vielleicht auch deeskalierend auf diese Krise einzuwirken.

Erstens stellt man fest - das sind alles kleine Zeichen, aber immerhin spürbare Zeichen -, dass auf beiden Seiten offensichtlich die Erkenntnis wächst, nicht weiter zu eskalieren. Wenn Sie mögen, kann ich das im Detail ausführen, aber ich glaube, das sehen Sie auch. Insofern haben wir das Gefühl: Es wird. Jedenfalls ist es über das Wochenende nicht schlimmer geworden. Die Sorge, die der Außenminister gestern in der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" geäußert hat, dass aus einem kalten Krieg auch ein heißer werden kann, gilt aber weiterhin.

Ich habe Ihnen gerade gesagt, dass sich der deutsche Außenminister eng mit dem US-Außenminister abgestimmt hat, und ich kann Ihnen auch sagen, dass die Position, die beide da miteinander für ihre jeweiligen Regierungen vertreten haben, ein hohes Maß an Übereinstimmung hatten. Nun sind die Amerikaner ganz anders betroffen als wir, weil sie, wie Sie wissen, bei CENTCOM in Katar zehntausend Soldaten stehen haben und deshalb natürlich in Sorge darüber sind, in welcher Weise die Versorgung und auch die Einsatzfähigkeit dieser Truppen sichergestellt werden kann. Es stimmt, es gibt da durchaus unterschiedliche Intonierungen unterschiedlicher Stellen der US-Administration. Unter dem Strich war unser Eindruck und auch der Eindruck von Herrn Gabriel aus dem Gespräch mit Herrn Tillerson, dass die amerikanische Seite sehr stark auf Deeskalation drängt und hofft, dass wir es in absehbarer Zeit schaffen, diesen weiteren Konfliktherd im Mittleren Osten, am Golf, einzuhegen.

Zu Ihrer zweiten Frage bezüglich Irans und der Türkei: Es ist angesichts der Entwicklungen der letzten Jahre und auch mancher außenpolitischer Übereinstimmungen zwischen der Türkei und Katar nicht sonderlich überraschend, dass es da ein Bündnis gibt. Mir scheint, dass die auch in deutschen Medien sehr prominent gebrachten Entscheidungen des türkischen Parlamentes und des türkischen Präsidenten über eine mögliche Stationierung von Gendarmerie, von Polizeikräften und von Militärs keine Entscheidung ist, die sozusagen unmittelbar droht oder unmittelbar der Vorbereitung einer militärischen Eskalation dient. Das, was ich dazu hier und da gelesen habe, scheint mir übertrieben zu sein. Die Auffassung, dass es trotzdem Anlass zu Sorge ist, dass sich im Nahen und Mittleren Osten die Länder nicht miteinander, sondern gegeneinander aufstellen und dabei vielleicht der Konflikt und der Kampf gegen den Islamischen Staat unter die Räder zu geraten droht, teilen wir.

Frage : Herr Seibert, ich möchte Sie und eventuell auch die anderen Sprecher bitten, mich einmal kurz upzudaten, was das Thema Sorge vor Fake-News angeht. Ich habe das in den letzten Wochen ein bisschen aus den Augen verloren. Ich weiß, dass es im Februar ein bisschen größere Aufregung wegen der Fake-News-Geschichte über die Bundeswehr in Litauen gab. Hat es seitdem eigentlich noch einmal solche Geschichten gegeben, die irgendein Ressort oder vielleicht auch die Bundesregierung beziehungsweise das Kanzleramt selbst betrafen?

StS Seibert: Die Tatsache, dass es nicht täglich Schlagzeilen macht, heißt in keiner Weise, dass das nicht ein Phänomen ist, mit dem wir uns auseinandersetzen. Für das Bundespresseamt kann ich sagen, dass wir im Rahmen der Medienbeobachtung und auch der Online-Beobachtung, die wir ohnehin durchführen, natürlich auch vermehrt Ausschau halten nach Nachrichten, die desinformierenden oder gar gefälschten Inhalt haben. Das schauen wir uns genau an, und wir sprechen dann auch mit Ressorts, die eine solche Nachricht betreffen könnte. Ich würde einmal sagen: Das ist ein Teil unserer Arbeit geworden.

Insgesamt ist sicherlich mit das Wichtigste, was jede freiheitliche Gesellschaft leisten kann, Aufmerksamkeit auf dieses Thema zu lenken und sich dessen bewusst zu sein, dass es da geben kann, und umso mehr mit unseren Mitteln freiheitlicher, demokratischer und transparenter Kommunikation da, wo es notwendig ist, zu antworten. Das ist das, was ich Ihnen sagen kann. Beispiele gibt es immer und immer wieder aus verschiedenen Politikgebieten, und ehrlich gesagt auch aus verschiedenen Richtungen kommend.

Zusatzfrage : Wenn Sie sagen, dass Sie verstärkt darauf schauen: Gibt es tatsächlich in der Regierung jetzt auch Leute, die verstärkt auf genau dieses Thema schauen, sich also speziell damit beschäftigen, und werden sie auch vermehrt fündig?

StS Seibert: Aufgabe des Bundespresseamts ist es ja unter anderem auch, sozusagen die Medienlandschaft zu beobachten und Nachrichten daraus zu ziehen, die wir zum Beispiel an die Mitglieder der Bundesregierung weiterleiten. Im Rahmen dieser Medienbeobachtung haben wir tatsächlich unseren Blick auch auf dieses Phänomen verstärkt, das stimmt. Da wird man auch fündig. Das hat nicht immer das Kaliber und die Wucht von bestimmten Fake-News-Stories, die uns vielleicht alle bewusst sind; trotzdem ist das ein Phänomen, dessen wir uns bewusst sein müssen.

Zusatzfrage : Was machen Sie, wenn das passiert und Sie das merken?

StS Seibert: Wir schauen uns das genau an und entscheiden, ob das etwas ist, worauf wir mit unseren Mitteln reagieren müssen, wir teilen das Ressorts mit, in deren Zuständigkeit das thematisch fallen könnte, und wir verbreiten innerhalb der Bundesregierung das Bewusstsein dafür, dass solche Kräfte durchaus unterwegs sind.

Frage : An das Bundesfinanzministerium: Herr Weißgerber, erwarten Sie morgen den französischen Finanzminister hier in Berlin? Falls ja: Wird dann angesichts der Sitzung der Eurogruppe am Donnerstag auch die Frage der Griechenland-Schulden besprochen?

Weißgerber: Mir ist nicht bekannt, dass wir den französischen Finanzminister hier empfangen, aber das müsste ich im Zweifel nachreichen. Mir liegt aktuell jedenfalls keine entsprechende Information vor. Wie man Meldungen entnehmen kann, hält er sich heute ja in Athen auf. Aber ob er nach Berlin kommt, weiß ich aktuell nicht.

Zusatzfrage : Es ist wahr, der französische Finanzminister ist heute in Athen und führt dort Gespräche. Angeblich soll er einen Vermittlungsvorschlag vorbereiten und auch dem deutschen Finanzminister unterbreiten. Ein Kernpunkt dieses Vermittlungsvorschlages ist, eine Wachstumskomponente in diese ganze Diskussion über die Griechenland-Schuldenkrise mit einzubeziehen. Wäre das Bundesfinanzministerium prinzipiell zu so einer Lösung bereit?

Weißgerber: Ich werde diese Frage heute nicht beantworten können, sondern muss, wie immer, auf das Verfahren hinweisen, in dem das alles stattfindet: Am Donnerstag dieser Woche findet in Luxemburg die Sitzung der Eurogruppe statt; dort wird zusammen mit den Institutionen und der griechischen Regierung formal darüber gesprochen werden. Ich kann das an dieser Stelle nicht kommentieren und auch nicht vorwegnehmen; ich bitte wirklich um Geduld, dass wir diese Sitzung abwarten müssen.

Frage: An das Justizministerium oder das Innenministerium: Nach einem Medienbericht sollen am vergangenen Freitag auf Mallorca deutsche Neonazis randaliert haben. Gibt es da irgendeinen Ansatz für deutsche Behörden für eine Strafverfolgung? Beispielsweise ist das Tragen bestimmter Symbole in Spanien ja nicht strafbar, so wie es das in Deutschland ist. Geht die Bundesregierung überhaupt den Berichten nach?

Dimroth: Ich kann dazu nicht so wahnsinnig viel sagen, außer dass das, was ich da an Bildern zu sehen bekommen habe, ziemlich widerlich ist und auf das Schärfste zu verurteilen ist. Darüber hinaus kann ich für Sie von dieser Stelle aus weder eine Strafrechtsprüfung durchführen noch in die verästelten Vorschriften des StGB einsteigen, in denen geregelt ist, wann eine im Ausland begangene Straftat möglicherweise auch in Deutschland verfolgbar ist. Möglicherweise könnte dazu die Kollegin des BMJV aushelfen. Es gibt jedenfalls keinerlei Anknüpfungspunkte für dem Geschäftsbereich des BMI zugehörige Behörden und Mitarbeiter, hier tätig zu werden, da das tatsächlich allenfalls eine Frage wäre, die die Justiz zu beantworten hätte.

Steffen: Ich kann das jetzt nicht abschließend beantworten. Dort waren ja Deutsche betroffen beziehungsweise offensichtlich haben Deutsche diese Straftat - wenn es eine ist, was noch zu klären wäre; im Zweifel ist das 86a StGB - begangen. Das können wir gerne noch en détail nachreichen, aber wie gesagt, zu dem Einzelfall an sich werden wir natürlich keine Stellung nehmen.

Weißgerber (zu einem Besuch des französischen Finanzministers in Berlin): Nach aktuellem Stand ist nicht vorgesehen, dass der französische Finanzminister Le Maire vor der Eurogruppensitzung nach Berlin kommt.

Zuruf : Morgen?

Weißgerber: Die Sitzung der Eurogruppe ist am Donnerstag. Dass er vorher nach Berlin kommt, ist nicht vorgesehen.

Frage : Noch einmal zur Klarstellung: Er kommt nach Berlin, aber Sie wissen nicht genau wann. Oder habe ich das nicht richtig verstanden?

Weißgerber: Sie fragten, ob der französische Finanzminister nach Berlin kommt. Die Antwort ist: Nein, er kommt vor der Eurogruppensitzung nicht nach Berlin.

Frage : Ich habe eine Frage an Herrn Dimroth. Können Sie sagen, welche praktische Relevanz die diversen Vorschläge Ihres Ministers vom Wochenende zur effektiveren Gestaltung der Arbeit der Sicherheitsbehörden bis zur Bundestagswahl noch haben, oder ob das sozusagen nur auf die Zeit danach zielt, ob das also im weiteren Sinne Wahlkampf ist?

Zweite Frage: Täuscht der Eindruck, dass Ihr Minister und der Innenminister von Bayern sich seit geraumer Zeit einen Wettbewerb dazu liefern, wer für die Zeit nach der Bundestagswahl der bessere Innenminister wäre?

Dimroth: Ich darf vielleicht mit der zweiten Frage beginnen, weil die Antwort darauf etwas kürzer ausfällt. - Es ist letztlich absolut in Ihrem Zuständigkeitsbereich, solche eher in den B-Notenbereich fallenden Bewertungen vorzunehmen. Ich kann Ihnen jedenfalls für den Bundesinnenminister sehr deutlich zum Ausdruck bringen, dass er sich an keinerlei Wettbewerb mit wem auch immer beteiligt, sondern dann, wenn es fachlich erforderlich ist, entsprechende Vorschläge platziert, um insgesamt Stück für Stück weiter an der Sicherheitsarchitektur in Deutschland zu bauen und diese voranzubringen.

Zu Ihrer ersten Frage: Das ist beinahe schon eine allumfassende Frage. Denn das Interview hat eine Reihe von Themen berührt, sodass es mir jetzt relativ schwerfällt, das pauschal zu beantworten. Auch da gilt zunächst einmal, vor die Klammer gezogen, dass in dieser Legislaturperiode eine Reihe von Maßnahmen - vielleicht sogar so viel wie noch nie zuvor - geschafft wurden, um Deutschland besser aufzustellen, was den Bereich der inneren Sicherheit anbetrifft. Das beginnt sicherlich mit den wirklich umfangreichen Personalzuwächsen für die Bundessicherheitsbehörden, die wir erreichen konnten, und zwar für sämtliche Bundessicherheitsbehörden: Verfassungsschutz, BKA, Bundespolizei, aber auch das BSI ist hier sehr umfangreich betroffen. Das geht mit einer Reihe von gesetzgeberischen Maßnahmen weiter, die wir in dieser Legislaturperiode umsetzen konnten. Ich will beispielsweise nur an die Strafbarkeit für Auslandsreisen in Kampfgebiete mit der Absicht, sich dort an Kampfhandlungen zu beteiligen, mit der Möglichkeit, Personalausweis und Reisepass zu entziehen, wenn eine entsprechende Absicht bekannt ist, und an die Wiedereinführung der sogenannten Vorratsdatenspeicherung erinnern. In dieser Legislatur gibt es eine lange Liste von Dingen, die erfolgreich abgearbeitet wurden, um Deutschland ein gutes Stück voranzubringen und besser aufzustellen als zuvor. Auf diese Erfolgsbilanz sind wir auch ein gutes Stückchen stolz, das will ich hier ganz deutlich so sagen.

Wenn Sie mich nach den Inhalten des Interviews fragen, dann muss ich sagen, dass es dort um total unterschiedliche Ebenen geht. Deswegen fällt mir eine pauschale Antwort so schwer. Einmal geht es um die Zusammenarbeit zwischen dem Bund und den Ländern. Anfang des Jahres hat der Minister einen sehr prominenten Aufschlag gemacht, wie er sich das vorstellt. Daran haben sich die Länder jetzt abgearbeitet. Das ist ein sehr dickes Brett, an dem von verschiedenen Enden her gebohrt wird. An dem werden wir auch weiterbohren. Heute beginnt die Innenministerkonferenz in Dresden. Auch dort wird das Thema sicherlich wieder eine Rolle spielen. Wenn ich höre, was einige Länderinnenminister sagen, was die Koordination in Sachen Cybersicherheit anbetrifft, bei der sie sich den Bund in einer stärkeren Rolle wünschen, wenn ich mir die Diskussion um möglichst einheitliche Befugnisse der Polizeien in allen Bundesländern anschaue - Stichwort "Musterpolizeigesetz" -, die aus allen Ländern kommt, dann gibt es dabei offensichtlich auch eine gewisse Bewegung in diese Richtung, hin zu mehr Zentralisierung des Bundes. Das ist also ein dickes Brett.

Wenn Sie mich danach fragen, Messengerdienste vergleichbar zu behandeln wie Telekommunikationsinhalte, dann ist dieses Thema schon einmal mitnichten neu und sollte aus unserer Sicht so schnell wie möglich abgearbeitet werden. Im Präventionsbereich haben wir Quellen-TKÜ und Onlinedurchsuchung längst geregelt. Jetzt wird das auf Initiative des Justizministers auch für die StPO nachgezogen. Das begrüßen wir. Dabei gibt es noch einen Restant, wenn wir darüber sprechen, ob das Telemedienrecht noch zeitgemäß aufgestellt ist, wenn es Telemediendienstanbietern an dieser Stelle unterschiedlich zu denjenigen behandelt, die Telekommunikationsdienste erbringen.

Frau Vorsitzende, unterbrechen Sie mich, wenn ich zu viel Zeit von der Uhr nehme. Aber wenn ich Herrn Deckers Frage abschließend - - -

Vorsitzende Wefers: Ich würde jetzt Herrn Decker bitten, ob er seine Frage vielleicht etwas konkretisieren kann. Dann müssen Sie das Interview nicht - - -

Zuruf : Nein, ich höre da gern zu.

Vorsitzende Wefers: Wunderbar, aber machen Sie es doch bitte ein bisschen konkreter.

Zusatz : Herr Dimroth hat ja selber gesagt, dass das tatsächlich verschiedene Felder sind. Meine Frage war schlicht und ergreifend die, ob vor der Wahl noch irgendetwas an praktischen Folgen zu erwarten ist oder nicht.

Dimroth: Das ergibt sich ja ein Stück weit aus dem Interview selber. Das liegt, wie Sie wissen, natürlich auch mitnichten allein in der Hand des Bundesinnenministers. Jedenfalls dann, wenn es um Gesetzgebung geht, braucht man erst einmal eine Einigung innerhalb der Bundesregierung. Dann brauchen wir eine Mehrheit im Parlament.

Aber um das abzukürzen, ganz konkret: Mehr intelligente Videotechnik, Pilotprojekt Südkreuz - das wird im August starten, vor der Wahl.

Die Diskussion über das Bund-Länder-Verhältnis ist eine fortdauernde Diskussion. Dabei wird man sukzessive auch bis zur Bundestagswahl sicherlich weitere Fortschritte erreichen können. Nicht zuletzt im Zuge der heute beginnenden Innenministerkonferenz wird das eine gewisse Rolle spielen, aus unserer Sicht durchaus mit der Hoffnung verknüpft, auch dabei ein gutes Stück voranzukommen.

Onlinedurchsuchung, Quellen-TKÜ als Strafverfolgungsinstrument in die StPO - das wird hoffentlich zügig und zwar noch vor der Bundestagswahl im Bundesgesetzblatt stehen.

Das alles sind also Dinge, die noch vor der Wahl umgesetzt werden sollen und nach unserer festen Hoffnung auch umgesetzt werden.

Frage: Bei mir geht es relativ schnell. Auch in dem Zusammenhang: Herr Herrmann hat in dem Interview heute gesagt, er sehe eine eklatante Sicherheitslücke, weil nicht jedes Bundesland die Schleierfahndung eingeführt habe. Inwiefern teilt das BMI diese Einschätzung?

Dimroth: Dazu hat sich der Bundesinnenminister selber schon an einer Vielzahl von Stellen geäußert. Das war zum Beispiel ein Thema im Wahlkampf in Nordrhein-Westfalen. Es war aber auch immer ein Thema im Zusammenhang mit der Frage der Verlängerung der Grenzkontrollen im Schengen-Regime. Die Kommission hat bei ihrem letzten Vorschlag ihrerseits sehr deutlich darauf hingewiesen, dass das Instrument der Schleierfahndung ein sehr wirksames sein kann, wenn man nicht auf Dauer von dem Instrument der Grenzkontrolle Gebrauch machen will. Der Bundesinnenminister selber hat wirklich vielerorts und an vielen Stellen zum Ausdruck gebracht, dass er dieses Instrument für sehr wirkungsvoll hält und sich sehr wünschen würde, dass tatsächlich alle Bundesländer eine solche Befugnis erst einmal überhaupt in das Polizeigesetz schreiben und dann davon, jedenfalls soweit polizeitaktisch angezeigt, auch Gebrauch machen.

Zusatzfrage: Sehr wirksam - das habe ich auch gelesen. Ich habe noch nicht ganz verstanden, woran er das festmacht. An Zahlen? Woran konkret macht Herr de Maizière fest, dass es so wirksam sein soll?

Dimroth: Es gibt eine Reihe von Erfahrungen bei der Nutzung dieses Instrumentes, die jedenfalls im Bereich des BMI bei der Bundespolizei aufgelaufen sind. Man stellt immer wieder fest, dass man über dieses Instrument Anfangsverdachte zutage fördert, Straftatenermittlungen einleiten kann und damit mindestens als Ergänzung der derzeit laufenden Grenzkontrollen im grenzüberschreitenden Kriminalitätssektor ein sehr wirksames Ermittlungsinstrument an der Hand hat. Das zeigen schlichtweg die täglichen Erfahrungen, die die Bundespolizei für den Bereich des BMI bei Anwendung dieses Instrumentes macht.

Steffen (zur Störung eines Konzerts auf Mallorca durch rechtsradikale Deutsche): Ein Nachtrag: 7 StGB ist es, Absatz 2. Ich lese es kurz vor:

"Für andere Taten, die im Ausland begangen werden, gilt das deutsche Strafrecht, wenn die Tat am Tatort mit Strafe bedroht ist oder der Tatort keiner Strafgewalt unterliegt".

Das, wie gesagt, nur als ganz allgemeine Ausführung dazu.

Frage: Ich habe noch einmal eine Frage an Herrn Hille, weil ich eben beim Durchlesen meiner Notizen und Abhören gemerkt habe, dass ich auf eine entscheidende Frage keine richtige Antwort gefunden habe. Ich möchte jetzt noch einmal ganz genau wissen: Haben Sie die Untersuchungen, die Sie jetzt bei Porsche angeordnet haben, vor Freitag oder nach Freitag angeordnet?

Haben Ihre Ergebnisse, die Sie selber oder das KBA bei Porsche schon durchgeführt haben, auch zu Auffälligkeiten geführt, vorher schon, ja oder nein?

Hille: Erst einmal freue ich mich, dass Sie wieder zurückgekommen sind. - Zu Ihrer Frage: Wie ich gerade schon auf verschiedene Fragen gesagt habe, untersuchen wir in einem Prozess viele verschiedene Fahrzeuge. In diesem Prozess werden die Untersuchungsgegenstände ab und an etwas konkreter gefasst. Wenn Sie etwas suchen und etwas gefunden haben, was vielleicht dem ähnlich ist, was Sie suchen, dann wissen Sie beim nächsten Mal konkreter, wonach Sie suchen. Verstehen Sie, was ich sagen will? Dementsprechend werden die Untersuchungen angepasst und fortgesetzt.

Vor diesem Hintergrund ist das KBA angewiesen, Untersuchungen bei Porsche vorzunehmen.

Zusatz: Das heißt, Sie wollen die Frage, die ich gestellt habe, ob das vorher oder hinterher passiert ist, nicht beantworten.

Hille: Ich weiß nicht, wie viel Male ich Ihnen auf diese Frage jetzt schon geantwortet habe. Wenn Ihnen die Antwort nicht gefällt, dann tut mir das leid, aber das ist meine Antwort.

Zusatzfrage: Und die andere Frage: Haben Ihre Tests in der Vergangenheit bei Porsche Auffälligkeiten gezeigt?

Hille: Wenn das der Fall gewesen wäre, hätten wir Sie informiert. Aber die Untersuchungen sind auch nicht abgeschlossen. Wenn wir Untersuchungen abschließen und zu einem Ergebnis kommen, dass wir für veröffentlichenswert halten, weil sie beispielsweise wie jetzt im Falle von Audi eine neue Abschalteinrichtung zutage fördern, dann informieren wir Sie sofort.

Zuruf: Waren Sie überrascht - - -

Vorsitzende Wefers: Ich denke, es macht in diesem Fall vielleicht wirklich Sinn, wenn Sie sich noch einmal miteinander unterhalten.

Hille: Weil das Thema - - -

Vorsitzende Wefers: Ich spüre auch eine gewisse Unruhe mit Blick auf die Uhr. - Möchten Sie noch antworten? Ich will niemanden abwürgen.

Hille: Ich will dem Kollegen nur noch abschließend sagen: Das Thema Lenkwinkelerkennung ist grundsätzlich nicht neu. Deshalb sind wir, wie ich es gesagt habe, auch nicht überrascht.

Frage: Eine sehr kurze Frage an Herrn Schäfer: Sie haben in der vergangenen Woche berichtet, dass es im türkischen Außenministerium immerhin offene Ohren für die Menschenrechtsargumentation der deutschen Seite gibt. Haben sie in den Fällen von Yücel, Tolu oder anderer inhaftierter Deutscher zu nennenswerten Fortschritten geführt?

Schäfer: Ich habe hier schon vor einigen Wochen gesagt, dass es einen Besuchstermin für unseren Botschafter bei Deniz Yücel gibt. Der Moment ist jetzt gekommen. Es ist geplant, dass Botschafter Martin Erdmann morgen Deniz Yücel aufsucht und ihm im Gefängnis einen Besuch abstattet, morgen, den 13. Juni, im Laufe des Nachmittags. Wenn es daraus für uns Anlass gibt, Sie und Ihre Kolleginnen und Kollegen etwas wissen zu lassen, dann tun wir das natürlich.

StS Seibert: Eine ganz kurze Mitteilung: Ich möchte Ihnen nur sagen, dass die Bundeskanzlerin gestern Abend den französischen Präsidenten Emmanuel Macron angerufen und ihm auch persönlich zum hervorragenden Abschneiden seiner Partei beim ersten Wahlgang der französischen Parlamentswahlen gratuliert hat. Nun muss man noch den kommenden Sonntag abwarten, um genau zu wissen, welche parlamentarische Basis er für die Umsetzung seiner Reformpolitik hat. Wir jedenfalls freuen uns auf die intensive Zusammenarbeit nicht nur mit dem Präsidenten, sondern auch mit seinen Ministern und Ministerinnen.

Montag, 12. Juni 2017

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Quelle:
Regierungspressekonferenz vom 12. Juni 2017
https://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2017/06/2017-06-12-regpk.html
Presse- und Informationsamt der Bundesregierung
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veröffentlicht im Schattenblick zum 14. Juni 2017

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