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PRESSEKONFERENZ/1449: Regierungspressekonferenz vom 5. Mai 2017 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Im Wortlaut
Mitschrift der Pressekonferenz - Freitag, 5. Mai 2017
Regierungspressekonferenz vom 5. Mai 2017

Themen: Festnahme von Aktivisten der "Occupy Central"-Bewegung in Hongkong, Termine der Bundeskanzlerin in der kommenden Woche (Gespräch mit dem französischen Präsidenten, Kabinettssitzung, Kabinettausschuss "Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union", Treffen mit Nato-Generalsekretär Stoltenberg, Veranstaltung zur Würdigung Ehrenamtlicher in Heidenheim, Teilnahme am "Ständehaus-Treff" in Düsseldorf), Kleine Anfrage der Grünen zum Zustand der deutschen Eisenbahnbrücken, Präsidentschaftswahl in Frankreich, Spionage-Vorwürfe gegen die Schweiz, finanzielle Situation Griechenlands, Bürgerkrieg in Syrien, rechtsextreme Tendenzen in der Bundeswehr, Alkohol- und Drogentests für deutsche Verkehrspiloten, Prüfung der Möglichkeit zur Schließung einer Brennelementefabrik in Lingen, Kritik an der Situation in griechischen Registrierungszentren für Flüchtlinge durch Papst Franziskus, Durchführung eines möglichen türkischen Referendums über die Einführung der Todesstrafe in Deutschland, Fall des in der Türkei inhaftierten Journalisten Deniz Yücel, möglicher Verbleib Gibraltars in der EU nach dem Ausscheiden Großbritanniens

Sprecher: StS Seibert, Hille (BMVI), Adebahr (AA), Dimroth (BMI), Flosdorff (BMVg), Haufe (BMUB)


Vorsitzender Detjen eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt StS Seibert sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

StS Seibert: Meine Damen und Herren, ich möchte Ihnen mitteilen, dass die Bundesregierung mit Besorgnis Berichte aus Hongkong zur Kenntnis genommen hat, wonach in den vergangenen Wochen mindestens 18 Aktivisten festgenommen wurden, die seit 2014 Demonstrationen im Rahmen der "Occupy Central"-Bewegung organisiert oder sich an ihnen beteiligt hätten. Die Bundesregierung erinnert in diesem Zusammenhang daran, dass das Prinzip "ein Land - zwei Systeme" die Verantwortlichen in Hongkong und China gleichermaßen zum Schutz der liberalen Verfassung Hongkongs verpflichtet. Das Demonstrationsrecht ist für die Bundesregierung ein Kernbestandteil jedes freiheitlichen Gemeinwesens. Wir appellieren an alle Verantwortlichen, alles dafür zu tun, dass die Grundfreiheiten in Hongkong respektiert werden. Den Angeklagten muss ein rechtsstaatliches Verfahren gewährt werden.

Wir kommen zu den öffentlichen Terminen der Kanzlerin in der nächsten Woche.

Wir beginnen mit Montag, 8. Mai. Da wird die Bundeskanzlerin um 19 Uhr den französischen Präsidenten François Hollande im Kanzleramt empfangen. Zu Beginn der Begegnung ist ein Bildtermin vorgesehen. Anschließend geht es zum Gespräch beim Abendessen.

Am Mittwoch, 10. Mai, findet um 9.30 Uhr wie üblich die Sitzung des Bundeskabinetts unter Leitung der Bundeskanzlerin statt. Im Anschluss daran tagt dann zum dritten Mal der Kabinettausschuss "Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union".

Wie Sie wissen, hat der Europäische Rat (zu 27) am 29. April Leitlinien für die Verhandlungen der EU mit Großbritannien beschlossen. Nächster Schritt des Verfahrens ist jetzt die Erteilung eines Verhandlungsmandats für die Europäische Kommission. Das setzt die Vorgaben aus den Leitlinien des Europäischen Rats um. Dieses Verhandlungsmandat wird derzeit zwischen den 27 Mitgliedstaaten abgestimmt, und es soll am 22. Mai vom Rat "Allgemeine Angelegenheiten" (zu 27) beschlossen werden. Insofern liegt es auf der Hand, dass es beim Kabinettausschuss am 10. Mai vor allem um den Entwurf für dieses Mandat geht.

Am Donnerstag, 11. Mai, wird die Bundeskanzlerin im Kanzleramt den Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg zu einem Gespräch begrüßen. Es geht um die Vorbereitung des Nato-Treffens der Staats- und Regierungschefs am 25. Mai in Brüssel. Nach dem Gespräch ist gegen 11.30 Uhr eine gemeinsame Pressekonferenz vorgesehen.

Am Nachmittag des Donnerstags nimmt die Bundeskanzlerin dann an einer Veranstaltung zur Würdigung Ehrenamtlicher im Congress Centrum in Heidenheim teil. Sie will damit ehrenamtlich engagierten Menschen in Heidenheim, aber stellvertretend auch in ganz Deutschland, ihren Dank und ihre Anerkennung aussprechen. Sie wird dort eine Ansprache halten und anschließend an einer Podiumsdiskussion mit Vertretern aus den Bereichen Sport, Feuerwehr, soziales Engagement und Flüchtlingshilfe teilnehmen.

Später, am Abend des Donnerstags, wird die Bundeskanzlerin von 19 bis 21 Uhr in Düsseldorf am "Ständehaus-Treff" teilnehmen. Das findet im ehemaligen Düsseldorfer Landtag statt. Es gibt dort ein Gespräch mit dem Chefredakteur der Rheinischen Post, Michael Bröcker.

So weit die öffentlichen Termine für die kommende Woche.

Frage: Herr Seibert, gehen Sie davon aus, dass es das letzte Treffen zwischen der Kanzlerin und dem Präsidenten sein wird - in seiner Amtszeit zumindest -, und in welcher Erinnerung wird Herr Hollande bei Frau Merkel bleiben?

StS Seibert: Es handelt sich um den Abschiedsbesuch François Hollandes als Präsident. Seine Amtszeit endet ja am 14. Mai. Eine weitere Begegnung ist bis zum 14. Mai nicht vorgesehen.

Ich will hier keine zeitgeschichtlichen Bewertungen abgeben. Die Bundeskanzlerin wird Herrn Hollande sicherlich danken für eine enge Zusammenarbeit in den vergangenen fünf Jahren, für ein gutes Kapitel deutsch-französischer Freundschaft und für die sehr intensive Zusammenarbeit an verschiedenen Themen. Ich nenne jetzt stellvertretend für andere nur das Thema Konflikt in der Ost-Ukraine.

Frage: Ich habe eine Frage an Herrn Hille. Es geht um eine Kleine Anfrage der Grünen zum Zustand der deutschen Eisenbahnbrücken. Ihr Ministerium hatte ja in den vergangenen vier Jahren die Investitionssumme zur Sanierung dieser Brücken erheblich aufgestockt, auf 4 Milliarden Euro im Jahr. Aber jetzt wird offenbar, dass seitdem nicht viel passiert ist. Also der Anteil der sanierungsbedürftigen Brücken liegt zumindest in NRW gleichbleibend auf einem Niveau. Was läuft da schief?

Hille: Herr Kollege, ich würde gern einen ganz kleinen Bogen machen und etwas ausholen, weil bei dieser Geschichte ein bisschen durcheinandergeht.

Die Verknüpfung, die jetzt gemacht wird zwischen den Investitionsmitteln einerseits und dem Zustand der Brücken andererseits - also die Ableitung, diese Brücken wäre marode; so war, glaube ich, die Meldung - ist so nicht zutreffend.

Die Deutsche Bahn nimmt eine Kategorisierung ihrer Brücken vor. Das ist ein ständiger Prozess. Es gibt, wenn ich das richtig im Blick habe, vier Kategorien. Das beginnt damit, dass an einer Brücke ein Geländer fehlt. Es geht bis hin zu größeren baulichen Mängeln. Sinn dieser Kategorisierung ist zu prüfen: Lohnt es sich, in diese Brücke weiter zu investieren und sie zu erhalten? Oder muss künftig, um den Verkehr sicherstellen zu können, ein Neubau geplant werden?

Dafür legen wir die Grundlage mit dem Investitionshochlauf, den Sie gerade schon angesprochen haben. Die Investitionen sind auf Rekordniveau. Es sind 40 Prozent mehr, als das im Vorgängerzeitraum der Fall war. In 2017 fließen knapp 5,1 Milliarden Euro in die Schiene zum Erhalt und zum Neubau. Diese Entwicklung geht weiter. Im Jahr 2018 sind es dann schon 15,6 Milliarden Euro. Also wir investieren stetig, und auf hohem Niveau wird es weiter gesteigert. Die Deutsche Bahn ist verpflichtet, das Ganze umzusetzen. Wir schauen dann am Ende, wenn die sogenannte Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung ausgelaufen ist, ob die Kennzahlen - die Kriterien, die wir aufgestellt haben - von der Deutschen Bahn erreicht worden sind. Das Ganze ist aber erst im Jahr 2019 der Fall.

Zusatzfrage: Sie hatten schon die Kategorien angesprochen. In der Kategorie 4 - das ist die schlechteste Kategorie - sind 5,5 Prozent betroffen. Da hat sich nichts geändert. In Kategorie 3, also dringend sanierungsbedürftig, ist der Anteil sogar auf 38 Prozent gestiegen.

Herr Dobrindt hatte damals gesagt, das Geld sei daran gebunden, dass die Bahn auch zügig diese Investitionen umsetzt. Ansonsten sollte die Bahn sogar Strafen zahlen, wenn das nicht passiert.

Meine Frage ist jetzt: Sind schon Strafen verhängt worden? Würden Sie sich von der Bahn wünschen, dass diese Mittel schneller und effektiver eingesetzt werden?

Hille: Ich habe ja gerade schon die Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung II genannt. Das ist die Grundlage dessen, was Sie gerade geschildert haben. Laufzeit dieser Leistung zur Finanzierungsvereinbarung II ist bis 2019.

Wie gesagt: Darin festgeschrieben sind diese Qualitätskennzahlen für die Brücken. Vereinbart ist mit der Deutschen Bahn, dass bis 2019 insgesamt 875 Eisenbahnbrücken vollständig oder in Teilen zu erneuern sind. 2019 werden wir dann schauen, ob dieses Ziel erreicht ist. Wenn das nicht der Fall ist, dann werden die nötigen Maßnahmen ergriffen. Aber bis 2019 ist ja noch ein wenig Zeit.

Frage: Ich habe noch einmal eine Frage zum Thema Frankreich. Welche Szenarien, welche Strategien verfolgt denn die Bundesregierung im Falle des Wahlausgangs? Das heißt, was wird passieren, wenn Herr Macron gewinnt? Was wird passieren, wenn Frau Le Pen gewinnt? Wie gehen Sie vor?

StS Seibert: Wir gehen so vor, dass wir den Sonntagabend und das Ergebnis der Wahl abwarten. Dann wird es natürlich sehr schnell Kontakte mit dem Wahlsieger, der Wahlsiegerin, geben. Die Bundeskanzlerin und die Bundesregierung haben deutlich zum Ausdruck gegeben, wem wir Glück wünschen und warum.

Frage: Eine Frage - wahrscheinlich an das Auswärtige Amt - zu dieser Spionage-Affäre. Es gibt Stimmen, die sagen, man könnte mit der Schweiz ein No-Spy-Abkommen abschließen - der Begriff ist ein bisschen belastet -, also dass man gegenseitig Spionageverzicht erklärt. Ist Deutschland überhaupt an so etwas interessiert? Könnte das Gegenstand der nächsten bilateralen Gespräche sein?

Adebahr: Ich kann Ihnen gern zu dem Thema sagen, dass der Bundesaußenminister vorgestern mit seinem Schweizer Amtskollegen, Didier Burkhalter, telefoniert und über den Vorgang mit ihm gesprochen hat. Die beiden waren sich einig, dass man in Fragen der Steuerpolitik inzwischen sehr gut zusammenarbeitet. Der Bundesaußenminister kann sich eigentlich kaum vorstellen, dass jemand im Auftrag der Schweiz Spionage gegen deutsche Finanzbehörden betreibt. Der Sachverhalt muss jetzt schnell aufgeklärt werden. Darum ging das Telefonat des Außenministers mit seinem Amtskollegen. Ich denke, wir müssen jetzt die Aufklärung dieser Sache abwarten und weiter daran arbeiten, dass sich der Sachverhalt aufklärt. Über weitere Fragen, die sich danach stellen könnten, muss man reden, wenn es so weit ist.

Frage: Sie sagten, er könnte sich kaum vorstellen, dass so etwas vorkommt. Aber die Schweiz beziehungsweise die Schweizer Regierung hat doch mittlerweile bestätigt, dass sie über diese Spionage-Aktivitäten durchaus Kenntnis hatte.

Adebahr: Das ist der Inhalt des Gespräches, den der Außenminister mit seinem Schweizer Kollegen vor zwei Tagen geführt hat. Darüber habe ich gesprochen. Jetzt geht es darum, dass der Sachverhalt von allen Seiten schnell aufgeklärt wird. Das steht jetzt im Vordergrund.

Frage : Sind das dann alle Konsequenzen, Herr Seibert, die man aus dieser Affäre zieht? Ich frage das auch vor dem Hintergrund, dass gestern zum Beispiel der nordrhein-westfälische Finanzminister Walter-Borjans gesagt hat, das wäre jetzt einmal die Gelegenheit, mit der Schweiz ein ernstes Wort zu sprechen.

StS Seibert: Ich kann auch nur das sagen, was die Kollegen gesagt haben. Wir sind in einem laufenden Verfahren. Es muss natürlich bis ins Letzte aufgeklärt werden, was da passiert ist. Wo nachrichtendienstliche Erkenntnisse oder Angelegenheiten betroffen sind, berichtet die Bundesregierung den geheim tagenden Gremien des Deutschen Bundestages und nicht hier. Wir setzen uns seit Jahren auf europäischer, auf internationaler Ebene für mehr Steuergerechtigkeit ein. Wir bekämpfen Steuerbetrug, Steuerhinterziehung, unfaire Steuerpraktiken mit Nachdruck. Gerade Bundesminister Schäuble hat auf diesem Gebiet bereits viel erreicht. Beim grenzüberschreitenden steuerlichen Informationsaustausch haben wir in den letzten Jahren vielleicht so etwas wie eine Zeitenwende erleben können. Ab September läuft der Austausch über Finanzkonten - das heißt, über Kapitaleinkünfte - an. Auch die Schweiz wird sich ab dem nächsten Jahr daran beteiligen. Unser Engagement in dieser Richtung ist also ganz klar. Es ist nicht in den letzten Jahren ohne Erfolge geblieben.

Zusatzfrage : Herr Seibert, das passt ja irgendwie alles nicht so richtig zusammen. Auf der einen Seite, was Sie gerade gesagt haben, die Kooperationswilligkeit der Schweiz, auch an diesem Informationsaustausch ab 2018 teilzunehmen und dann dieser mutmaßliche Spionagefall. Halten Sie die Schweiz im Moment noch für glaubwürdig, was diesen Kampf gegen Steuerhinterziehung und Ähnliches betrifft?

StS Seibert: Ich halte es für richtig und absolut notwendig, dass im laufenden Verfahren alle Details aufgeklärt werden.

Frage: Sie haben jetzt beide gesagt, dass Sie Aufklärung wünschen. Können Sie einmal zwei, drei Fragen nennen, die Sie haben? Das ist ja immer so eine allgemeine Formulierung - "wir wünschen uns Aufklärung". Es sind ja schon eine ganze Reihe an Details bekannt, aber vielleicht können Sie einmal zwei, drei Punkte nennen, die Sie jetzt an dem Fall noch interessieren und die Sie noch aufgeklärt haben möchten?

StS Seibert: Nun, es wird ja berichtet von einem angeblichen Spionagefall. Es versteht sich von selbst, dass alles rund um diesen Fall - wenn es denn einer ist - aufgeklärt werden muss: Warum, wann, mit wessen Beteiligung, Hintermänner, Zielrichtung der Aktivitäten usw.

Frage : Ist das für die Bundesregierung ein Einzelfall, oder haben Sie Kenntnisse von mehreren Schweizer Spionen?

StS Seibert: Ich kann nur sagen: Es gibt jetzt das laufende Verfahren in diesem Fall. Mehr Kenntnisse liegen mir nicht vor.

Zusatzfrage : Herr Dimroth?

Dimroth: Eine sozusagen systematische Antwort auf Ihre Frage habe ich nicht. Ich empfehle, wie so oft an dieser Stelle, auch hier die Lektüre des Berichts des dafür zuständigen Bundesamts für Verfassungsschutz. Der liegt für das Jahr 2016 auch in elektronischer Form vor und ist insgesamt sehr lesenswert. Da werden Sie auch Ausführungen zum Thema Spionage und Spionageabwehr finden. Mir ist nicht bekannt, dass es in dieser Form eine nennenswerte Vielzahl vergleichbarer Fälle gibt, nein.

Frage: Eine Frage an das Finanzministerium: Herr Kolberg, es gab in den letzten Tagen sehr viele Veröffentlichungen zum Thema griechische Schuldenlast. Gestern nach der Eurogroup Working Group hat laut dem englischsprachigen Reuters ein Sprecher erklärt, nach Implementierung der vereinbarten Maßnahmen durch Griechenland könne die Eurogruppe das Maßnahmenpaket und die Bedingungen der nächsten Auszahlungen billigen und sich - jetzt kommt das, worauf es mir ankommt - mit der Nachhaltigkeit der griechischen Schulden in naher Zukunft befassen, auf der Basis der Vereinbarungen vom Mai 2016. Ich kann jetzt den Sprecher der Eurogroup Working Group nicht fragen, aber ich frage Sie - denn er hat ja im Namen der Eurogruppe beziehungsweise der Eurogroup Working Group gesprochen -: Was heißt für Sie, für das Bundesfinanzministerium, "in naher Zukunft"? Ist das im Juni, im Juli, vor den deutschen Wahlen, nach den deutschen Wahlen, im nächsten Jahr?

Kolberg: Derzeit laufen ja die Arbeiten am Abschluss der zweiten Programmüberprüfung. Ziel ist es, dass dieser Abschluss in der Sitzung der Eurogruppe am 22. Mai erfolgen kann. Wir sind auch zuversichtlich - das hat der Minister in den letzten Tagen und Wochen auch immer wieder betont -, dass das gelingen kann. Es gibt auch Fortschritte: Griechenland hat sich mit den Institutionen über ein Reformmaßnahmenpaket geeinigt, und darüber wurde gestern in der Eurogruppe gesprochen.

Bei dem Zitat, das Sie erwähnen, ging es meines Erachtens um Schuldentragfähigkeit. Es werden keine Schuldenerleichterungen vorbereitet. Gestern wurde in der Arbeitsgruppe über die von Griechenland zugesagten Maßnahmen gesprochen. Dass auch über die Schuldentragfähigkeit gesprochen wird, ist klar; es ist ja auch im Mai-Statement niedergelegt, dass der IWF sich beteiligt, wenn die Schuldentragfähigkeit gegeben ist. Dazu gehört eben das Reformpaket, dazu gehört aber auch die Frage des Primärüberschusses; auch das ist ein Punkt, der bei der Schuldentragfähigkeit berücksichtigt werden muss. Im Mai-Statement 2016 wurde vereinbart, dass mittelfristig ein Primärüberschuss von 3,5 Prozent zu erreichen ist, um diese Schuldentragfähigkeit zu sichern.

Diese Themen werden eben in den nächsten Tagen und Wochen erörtert, und wir hoffen, dass es dann in der Sitzung der Eurogruppe am 22. Mai eine Einigung geben kann.

Zusatzfrage: Habe ich Sie richtig verstanden, dass in den nächsten Wochen auch über die Schuldentragfähigkeit gesprochen wird?

Kolberg: Genau, die Schuldentragfähigkeit ist ja eine Voraussetzung dafür, dass der IWF an Bord kommen kann; genau das hat der IWF ja immer wieder betont. Zur Schuldentragfähigkeit gehört eben neben den Reformmaßnahmen, die diese Schuldentragfähigkeit sichern sollen, auch die Frage des Primärüberschusses, also die Frage: Wie lange muss der Primärüberschuss erreicht werden, damit ebendiese Schuldentragfähigkeit gesichert ist, sodass wir ein verlässliches Gesamtpaket an Reformmaßnahmen haben?

Zusatzfrage: Ich möchte die Frage etwas spezifizieren: Wenn ich die Erklärung von Herrn Thompson, dem Europachef des IWF, aus New York richtig verstanden habe, dann scheint es wohl so zu sein, dass der IWF vorerst zufrieden wäre, wenn es eine Rahmenvereinbarung über die Maßnahmen gäbe und die notwendigen Spezifizierungen erst später erfolgen. Können Sie sich auf so einen Pfad begeben?

Kolberg: Wir müssen da, wie gesagt, unterscheiden. Ich glaube, Sie reden jetzt über Schuldenmaßnahmen. Ich habe ja eben schon gesagt, dass das Thema Schuldenmaßnahmen oder Schuldenerleichterungen nicht vorbereitet wird; das Thema sind jetzt vielmehr Reformmaßnahmen. Im Hinblick auf etwaige Schuldenmaßnahmen haben wir das Statement der Eurogruppe aus dem Mai; da wurden klare Vereinbarungen zu diesem Thema getroffen. Danach wird nach vollständiger Umsetzung des Reformprogramms - im Moment ist dafür 2018 angestrebt, da soll es vollständig umgesetzt werden - geprüft, ob Schuldenmaßnahmen notwendig sind, und das gilt weiterhin.

Zusatzfrage: (akustisch unverständlich)

Kolberg: Schuldenmaßnahmen - das ist die Wortwahl im Statement. Es geht also um die Frage, ob Maßnahmen im Hinblick auf Schulden erforderlich sind, und das wird nach vollständiger Umsetzung des Programms geprüft, und nicht jetzt. Das haben wir 2016 mit dem IWF und den anderen Institutionen vereinbart.

Frage : Zu den Syrien-Gesprächen in Astana: Wie bewertet die Bundesregierung das Abkommen zwischen den Parteien oder den Verhandlungspartnern über vier Deeskalationszonen in Syrien?

StS Seibert: Die Bundesregierung begrüßt jede Initiative, die zu einer Deeskalation, zu einer Reduzierung der Gewalt in Syrien führen kann und die endlich die dringend benötigte humanitäre Hilfe und Versorgung ermöglicht. Die Einrichtung solcher Deeskalationszonen kann ein Schritt in die richtige Richtung sein. Es wird darauf ankommen, ob diese Einigung auch wirklich umgesetzt wird, und da sehen wir besonders Russland in der Pflicht. Russland muss sicherstellen, dass sich das syrische Regime anders als in der Vergangenheit an die Vereinbarungen hält, insbesondere was das Flugverbot und die Ermöglichung humanitären Zugangs angeht.

Was wir positiv sehen, ist, dass die Vereinigten Staaten von Amerika in Astana teilgenommen haben. Problematisch ist, dass insbesondere Iran als Kriegspartei verantwortlich für die Überwachung der Einhaltung der Vereinbarungen sein soll.

Wenn es gelingt, ab dem morgigen Samstag in gewissen Regionen Syriens Räume zu schaffen, in denen nicht mehr gekämpft wird und in denen humanitäre Organisationen Zugang erhalten, dann wäre das ein ermutigender Schritt; das wäre eine uns verhalten optimistisch stimmende Perspektive. Eine tatsächliche Umsetzung der Vereinbarungen könnte dann endlich den Raum für den politischen Prozess in Genf schaffen, ohne den es nach unserer festen Überzeugung keine nachhaltige Deeskalation, keine nachhaltige Stabilisierung der Lage geben kann. Astana soll also die Rahmenbedingungen für die von der UN moderierten Gespräche über Verfassung und Transition schaffen.

Zusatzfrage : Zwei Verständnisfragen:

Erstens. Unterstützt die Bundesregierung dieses Abkommen, Herr Seibert?

Zweitens. Wenn Sie den Iran für seine Rolle kritisieren - der Iran soll ja die Einhaltung der Vereinbarungen beziehungsweise der Deeskalationszonen überwachen -: Wer sollte das stattdessen machen?

StS Seibert: Ich habe ja für die Bundesregierung gesagt - und ich bin mir sicher, die Sprecherin des Auswärtigen Amtes kann da auch noch etwas hinzufügen -, dass wir, wenn es umgesetzt wird, darin ein verhalten positives Zeichen sehen. Alles, was hilft, um den Menschen, die nun wirklich seit fünf Jahren in der Hölle eines Bürgerkriegs leben, Ruhe zu bringen, und was Versorgung zu ihnen durchlässt, ist zunächst einmal zu begrüßen. Wir haben bisher aber nur die Unterzeichnung eines Memorandums in Astana; wir haben noch nicht die Umsetzung dieser Deeskalationszonen am Boden, die wir uns wünschen.

Adebahr: In Ergänzung dazu: Es sind eben wirklich auch noch viele Fragen offen. Es kursieren auch noch verschiedene Versionen dieses Memorandums. Einerseits soll bis Samstag schon ein Waffenstillstand umgesetzt werden, andererseits sollen noch Arbeitsgruppen umgesetzt werden, die bis zum 4. Juni an der Ausformulierung der Bedingungen für die vier Zonen in Syrien weiterarbeiten.

Deshalb: Es sind noch viele Fragen offen. Grundsätzlich ist das eine Entwicklung, die, wenn sie trägt, wenn sie mit dem politischen Prozess in Genf verzahnt werden kann und wenn sie für die Menschen konkrete Erleichterungen bringt, zu begrüßen wäre. Was das Auswärtige Amt jetzt tun wird, ist, mit den Partnern in Genf und Vertretern der in Astana vertretenen Länder zu sprechen, weitere Informationen über den Prozess und über das Dokument einzuholen, zu schauen, wohin sich das entwickelt, und dann auch zu entscheiden, wie und ob wir da unterstützend tätig werden können.

Zusatzfrage : Können Sie bitte meine beiden Fragen beantworten?

StS Seibert: Ich meine, dass wir dazu für die Bundesregierung das gesagt haben, was wir heute dazu sagen können.

Frage: Herr Flosdorff, "Spiegel ONLINE" zitiert wohl im Vorgriff auf ein Gespräch mit der Ministerin, das heute Abend erst einmal im digitalen "Spiegel" erscheinen soll, ein Moment der Selbstkritik. Frau von der Leyen hat darauf hingewiesen, dass Sie im Bundesverteidigungsministerium eine Vielzahl von wichtigen und drängenden Fragen zu klären haben - Krieg, IS-Terror, Krim/Ukraine usw. Kann man sagen, dass in der Beschäftigung mit einer Vielzahl dieser durchaus existenziellen Fragen die Beobachtung und Aufmerksamkeit in Bezug auf rechtsextremistische Tendenzen in der Bundeswehr in den vergangenen Jahren gelitten hat beziehungsweise vernachlässigt wurde?

Flosdorff: Ich kann bestätigen, dass es ein entsprechendes Zitat und auch so eine Äußerung gibt. Die Ministerin hat in dieser Woche ja auch schon verschiedentlich anklingen lassen, dass insbesondere unter den Ereignissen der verschärften Sicherheitslage - Sie haben es ja alle in den letzten Jahren mitbekommen -, angefangen vom IS über die Spannungen an der Nato-Ostflanke bis hin zu den neuen Erfordernissen, neuen Einsätzen etwa im Irak oder in Mali, aber auch den großen Problemen mit unserem Material, die wir haben, der wahnsinnig wichtigen Reform des Rüstungswesens, in das wir Transparenz hineinbringen wollen, aber auch den Reformen des Personalwesens, die wir angestoßen haben, um die Bundeswehr zu einem besseren Arbeitgeber zu machen, der familienfreundlicher ist und mehr auf die Bedürfnisse der Soldaten eingeht - - Diese ganzen Projekte waren große Projekte, die sehr viel Kraft und Aufmerksamkeit gekostet haben, und es stand - das sehen wir heute in der Rückschau kritisch - nicht im Fokus, systematisch aufzuarbeiten, was unter der Oberfläche bei der Bundeswehr latent an rechtsextremen Tendenzen vorhanden ist beziehungsweise was es an bedenklichen verfassungsfeindlichen Einstellungen bei Soldaten gibt. Es hätte vielleicht früher an der Stelle auch systematischer geforscht werden müssen. Wir waren auch überrascht von den Ereignissen - und auch von der Dichte und der Qualität der Ereignisse -, die wir in der vergangenen Woche erlebt haben -h was die zutage geförderten Vorläufer betrifft, zu denen irgendwo in den Strukturen der Bundeswehr Hinweise oder Informationen vorhanden waren, sodass man schon Anfang des Jahres 2014 die rechtsextreme Einstellung des Soldaten A. hätte erkennen können. Das hätte sich in dieser Form und in dieser Dimension niemand vorstellen können. Insofern ist es angebracht, hier auch eine kritische Rückwärtsbetrachtung anzustellen.

Zusatzfrage: Kann man zum jetzigen Zeitpunkt ausschließen, dass der Beschuldigte A. in einem Kontext anderer Bundeswehrangehöriger solche Pläne gehegt hat, oder kann man sagen, dass er schon absehbar als Einzeltäter identifiziert ist?

Flosdorff: Das ist eine Frage, die die laufenden Ermittlungen betrifft, die auch nicht ausschließlich in der Verantwortung der Bundeswehr laufen. Ich bitte daher um Verständnis, dass ich Ihnen dazu keine detaillierten Auskünfte geben kann.

Wir schließen hier gar nichts aus. Wir ermitteln natürlich auch für die Bundeswehr sehr sorgfältig, was das Umfeld und mögliche Querverbindungen auch innerhalb der Bundeswehr angeht, nicht nur am Standort Illkirch, sondern auch über den Standort hinaus. Es gibt unterschiedlichste Ansätze dafür, da genau hinzuschauen. Die Munitionsfunde sind natürlich ein Ansatzpunkt, bei dem man über die Losnummern jetzt auch wieder irgendwie nachverfolgen kann, welche Standorte betroffen sind und an welchen Standorten diese Munition einmal ausgeliefert worden ist.

Das heißt, es gibt unterschiedliche Stränge, die jetzt noch untersucht werden; dies ist nur ein Strang. Es gehen jeden Tag weitere Meldungen ein, sowohl diesen Fall betreffend, aber auch andere Beobachtungen zum selben Thema betreffend, die irgendwo in der Truppe gemacht werden. All das wird den Untersuchungsgruppen zugeleitet, wird auch dem MAD zugeleitet und wird den Innenbehörden zur Kenntnis gegeben. Wir stehen hier am Anfang eines Prozesses, und ich bin jetzt noch nicht in der Lage und werde es lange nicht sein, hier eine abschließende Aussage treffen zu können, die Sie von mir jetzt gerade gewünscht haben.

StS Seibert: Ich möchte, wenn ich darf, zu diesem ganzen Themenkomplex vor dem Hintergrund einiger Äußerungen der letzten Tage auch noch etwas sagen. Bei der Bundeswehr ist durch die Ministerin jetzt ein sehr notwendiger Prozess der Aufklärung und der Diskussion in Gang gesetzt worden. Es ist schon befremdlich, dass diejenige, die ihrer Verantwortung entsprechend alles daransetzt, zum Wohle der Truppe Fehler und Versäumnisse aufzuklären, sich jetzt von mancher Seite Vorwürfen ausgesetzt sieht, statt unterstützt zu werden. Die Ministerin tut genau das Richtige, wenn sie ermitteln lässt, wo Fehler gemacht wurden, was das für die Arbeit in der Bundeswehr bedeutet und was daraus für die Arbeit in der Bundeswehr zu lernen ist. Sie tut das, gerade weil sie wie wir alle den täglichen Einsatz der Männer und Frauen in der Bundeswehr hoch schätzt und mit großem Respekt sieht. Dabei hat Ministerin von der Leyen, und das unterstreiche ich noch einmal, die volle Unterstützung der Bundeskanzlerin und der ganzen Bundesregierung.

Frage: Nur zur Ergänzung gefragt, ohne eine Parallele ziehen zu wollen, Herr Dimroth: Die Bundespolizei ist ebenfalls eine in sich geschlossene Organisation. Hat das, was in diesem Fall über die Bundeswehr bekannt geworden ist, in irgendeiner Weise Verdachtsfälle oder ähnlich gelagerte Informationen in den Reihen der Bundespolizei hochkommen lassen, oder haben Sie Anlass dafür gesehen, von sich aus zu schauen, ob es so etwas auch in dieser Organisation gibt?

Dimroth: Vielen Dank für die Frage. Ich glaube tatsächlich, Ihre eingangs gemachte Bemerkung ist hier schon recht maßgeblich: Ich glaube, eine Vergleichbarkeit ist doch allenfalls nur in Teilen gegeben. Nichtsdestotrotz ist das Thema "Extremismus, Extremismusbekämpfung und der Umgang damit" insgesamt auch in der Bundespolizei ein Thema; das ist gar keine Frage. Ich kann Ihnen aber von keinerlei vergleichbaren Fällen aus der Bundespolizei berichten, die jedenfalls mir im Zusammenhang mit diesem Sachverhalt oder auch ansonsten jetzt zur Kenntnis gelangt wären.

Frage: Ich würde gerne fragen, auch wenn es noch keine abschließenden Erkenntnisse gibt, ob Sie noch mehr zu den Munitionsfunden sagen können. Haben Sie schon irgendwelche Erkenntnisse darüber, wie der Soldat an die Munition kommen konnte? Haben Sie dort Schwachstellen ausgemacht?

Flosdorff: Ich kann Ihnen über diese Sätze hinaus, die ich gesagt habe, jetzt nichts sagen. Jetzt wird gerade zurückverfolgt. Wir haben die Nummern der Munition gestern erhalten, und jetzt haben wir erst einmal die Möglichkeit, die ganze Lieferkette, die Wege, die die Munition in der Bundeswehr genommen hat, zurückzuverfolgen. Wenn dazu weitere Erkenntnisse vorliegen und das auch in Abstimmung mit den anderen Ermittlungsbehörden frei kommuniziert werden darf, dann werden wir darüber informieren.

Frage: Herr Dimroth, können Sie bestätigen, dass nach diesem Fall im BAMF 2000 Fälle, und zwar ausschließlich von Syrern und Afghanen, überprüft werden? Warum sind es nur 2000 Fälle und nicht noch mehr?

Dimroth: Zunächst einmal ist das ja wenig überraschend. Wir hatten es am Samstag bereits angekündigt, und der Minister selbst hat bekannt gegeben, dass er das BAMF gebeten hat, eine entsprechende Untersuchung zu beginnen. Wir hatten hier sowohl am vergangenen Freitag als auch am Mittwoch Gelegenheit, darüber zu sprechen, und ich hatte sehr deutlich gemacht, dass diese Untersuchung aus unserer Sicht eben auf zweierlei Ebenen stattfinden muss und auch wird. Das eine betrifft sämtliche Sachverhalte, an denen diejenigen, die für diese Fehlentscheidung Verantwortung tragen, beteiligt waren; das heißt, Dolmetscher, Anhörer und Entscheider der Entscheidung, über die wir hier reden. Ausnahmslos alle Fälle und alle Verfahren, an denen diese beteiligt waren, werden angeschaut, um festzustellen, ob es dort möglicherweise vergleichbare Fehler gab, die sich auch in entsprechenden Entscheidungen niedergeschlagen haben.

Daneben war es dem Minister sehr wichtig, zu erheben, ob es möglicherweise darüber hinaus - wofür es bis heute keine Anhaltspunkte gibt, aber dennoch ist der Fall natürlich Anlass zur Sorge - auch systemische Mängel gibt, die sich möglicherweise auch in anderen vergleichbaren Sachverhalten niederschlagen. Da ist genau das richtig, was Sie sagten: Es werden 2000 Fälle - ich finde, das ist eine große Zahl; das bedeutet einen nicht unerheblichen Aufwand, einen nicht unerheblichen Personaleinsatz beim BAMF - in einem ersten Verfahren, in einer ersten Stufe stichprobenartig angeschaut, um eben zu sehen, ob es möglicherweise Dinge gibt, die sich unisono in vergleichbaren oder ähnlich gelagerten Fällen wiederfinden, und um dann entsprechende Konsequenzen ergreifen zu können. Selbstverständlich könnte eine mögliche Konsequenz auch sein, dass man sich weitere Fälle anschauen muss. Aber es ist ja geradezu dem Stichprobenverfahren innewohnend, dass man zunächst einmal mit einer bestimmten Anzahl beginnt, sich diese in einer möglichst breiten Form anschaut, sodass man ein möglichst vollständiges Bild erhält, und dann auf Grundlage der Ergebnisse solcher Untersuchungen gegebenenfalls Konsequenzen zieht.

Frage: Habe ich es richtig verstanden, dass sich diese Zahl 2000 auf diese Fälle bezieht, an denen Personen beteiligt waren, die eben auch an dem Fall des Oberleutnants beteiligt waren? Sie hatten nämlich auch gesagt, dass es eine anlasslose Überprüfung nicht geben könne. Sind diese Personen also der Anlass, und der Anlass an sich, also eben dieser Fall des Oberleutnants, würde nicht ausreichen, um weitere Fälle zu untersuchen, an denen diese Personen gar nicht beteiligt gewesen sind?

Dimroth: Nein, das haben Sie nicht richtig verstanden. Es sind zwei unterschiedliche Sachverhalte, die hier in Betracht gezogen werden. Das eine sind sämtliche Fälle, für die diejenigen, die an dieser hier in Rede stehenden Entscheidung beteiligt waren, Verantwortung tragen. Die kann ich nicht beziffern. Man schaut sich eben alle an, an denen die Beteiligten mitgewirkt haben, weil dieser Fall in seiner Krassheit - so hat es der Minister formuliert, und so habe ich es gestern auch formuliert - eben Anlass dazu gibt, nachzuschauen, ob diejenigen, die hier tätig waren, möglicherweise auch in anderen Fällen Fehler gemacht haben. Das ist der eine Teil des Sachverhalts.

Der andere Teil des Sachverhalts ist, dass wir uns stichprobenartig aus Anlass des jetzt bekannt gewordenen Falles insgesamt 2000 Sachverhalte anschauen, insbesondere aus dem Zeitraum von Anfang 2016 bis April 2017, um Erkenntnisse darüber zu erlangen, ob es eben möglicherweise systemische Mängel gibt, die sich in anderen Fällen niederschlagen und an denen Menschen beteiligt waren, die an dem hier in Rede stehenden Verfahren gerade nicht beteiligt waren.

Zu der von Ihnen gemachten Bemerkung zu der Frage der rechtlichen Zulässigkeit: Wir wurden hier ja immer mit der Forderung konfrontiert, anlasslos sämtliche Entscheidungen des BAMF noch einmal aufzuschnüren und anzufassen. Darin sehe ich einen großen Unterschied zu der Frage, ob man sich aus Anlass eines Sachverhalts, der eine Ausnahmerolle spielt, was vor allem sozusagen den Umfang und die Art der dort aufgetretenen Fehler betrifft, Stichproben anschaut. Ich denke, umgekehrt ist es richtig: Es ist geradezu geboten, das zu tun, um eben möglichst Erkenntnisse darüber zu erhalten, ob es sich tatsächlich um einen krassen Einzelfall handelt, wovon wir bis jetzt ausgehen müssen, oder ob dabei eben doch darüber hinaus Dinge eine Ursache gewesen sind, die möglicherweise auch für andere Verfahren eine Rolle gespielt haben, um dann - noch einmal! - möglichst zügig die entsprechenden Konsequenzen zu ziehen.

Zusatzfrage: Mich würde interessieren, welche Konsequenzen das sein könnten. Könnte das auch darauf hinauslaufen, dass rechtskräftige Entscheide zurückgenommen werden?

Dimroth: Das ist jetzt eine sehr hypothetische Frage; denn der rechtliche Handlungsspielraum, der dort gegeben ist, ist nicht uferlos. Es handelt sich hierbei um einen begünstigenden Verwaltungsakt. Da sieht das Verwaltungsverfahrensrecht bestimmte Regeln dafür vor, wann, unter welchen Umständen, mit welchen Fristen und mit welcher Konsequenz solche Entscheidungen zurückgenommen werden können. Beispielsweise, ohne jetzt mit Ihnen in eine vertiefte Subsumtion zu gehen, kann das Verhalten desjenigen, der Antragsteller und dann Empfänger eines begünstigenden Bescheides war, eine Rolle spielen, also insbesondere beispielsweise eine Täuschung, aber das lässt sich nicht pauschal beantworten. In diesem Fall, der hier in Rede steht, gehen wir davon aus, dass der betroffene Verwaltungsakt nichtig ist. Das heißt, aus dem Juristendeutsch übersetzt: Die Rechtswidrigkeit ist ihm auf die Stirn geschrieben.

Frage: Herr Dimroth, können Sie noch einmal sagen, welche Herkunftsländer vom BAMF genau angeschaut werden? Können Sie das aufgliedern? Nach welchen Kriterien stellen Sie da welche Fragen?

Dimroth: Zunächst einmal gilt, sozusagen vor die Klammer gezogen, ohnehin und in jedem Einzelfall, dass immer dann, wenn Zweifel am Zustandekommen oder an der Rechtmäßigkeit solcher Bescheide bestehen, die noch einmal angeschaut werden. Das hat sozusagen nichts mit diesem konkreten Sachverhalt zu tun, sondern das ist das tägliche Tun im BAMF, das Qualitätsmanagement, das ohnehin etabliert ist.

Wir haben jetzt diesen konkreten Fall zum Anlass dafür genommen - ich wiederhole mich -, zum einen das BAMF zu bitten, sich sämtliche Bescheide und Verfahren anzuschauen, bei denen die Beteiligten eine Rolle gespielt haben, und sich daneben stichprobenartig insgesamt 2000 Fälle aus den Herkunftsländern Syrien und Afghanistan anzuschauen, die schon beschieden sind, um daraus möglicherweise Rückschlüsse zu ziehen, die eben über diesen hier in Rede stehenden Einzelfall und die an diesem Einzelfall Beteiligten hinausgehen.

Frage: Herr Hille, es ist ja so, dass deutsche Airlines seit der vergangenen Woche Piloten auf Alkohol und Drogen testen müssen. Das müssen sie in Eigenregie tun. Auswärtige oder ausländische Airlines dagegen müssen das nicht in Eigenregie tun; da macht das das Luftfahrt-Bundesamt. Wieso diese Unterscheidung?

Hille: Diese Unterscheidung, wie Sie sie schildern, ist mir nicht bekannt. Auch dazu sage ich noch einmal zwei, drei einordnende Sätze: Nach dem tragischen Germanwings-Unglück hat sich die Taskforce Airline Safety ja mit all diesen Fragen beschäftigt, damit, was wir bei unserem eh schon sehr hohen Sicherheitsniveau möglicherweise noch verbessern können, was Kontrollen der Airlines und der Piloten angeht. Dann sind - ich will jetzt nicht alle kleinen Entscheidungen referieren - zwei grundsätzliche Entscheidungen getroffen worden: Es gibt zum einen Kontrollen, die das Luftfahrt-Bundesamt durchführt, und es gibt die Verpflichtung, dass die Airlines selbst dafür sorgen müssen, dass die Piloten in ihren Maschinen flugtauglich sind. Diese Kontrollen, zu denen die Airlines verpflichtet sind - das ist der Termin, den Sie gerade genannt haben -, werden vom Luftfahrt-Bundesamt natürlich überwacht, sodass ich nicht weiß, auf was für eine Differenzierung Sie sich da berufen.

Zusatzfrage: Ausländische Gesellschaften sind davon ja aber nicht betroffen. Die müssen diese Tests, glaube ich, nicht durchführen. Ist das richtig?

Hille: Das ist meines Wissens nicht richtig.

Zusatzfrage: Diese Tests auf Alkohol und Drogen sind ja bei Toxikologen recht umstritten. Deswegen sagt die Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit jetzt, dass die Piloten damit im Grunde genommen unter Generalverdacht gestellt werden. Können Sie diese Kritik nachvollziehen?

Hille: Soweit ich diese Debatte überblicke, geht es den Gewerkschaften, unter anderem der Vereinigung Cockpit, grundsätzlich darum, dass sie in den Prozess, wie die Airlines diese Kontrollen gestalten, eingebunden werden. Dabei geht es auch um Anlaufstellen für Piloten, wenn es Zweifelsfälle gibt.

Dass ich hier jetzt mit Ihnen nicht in die Details der Tests einsteige und sage, welche Substanzen wie getestet werden, versteht sich, denke ich. Denn das Ganze lebt auch davon, dass es eine abschreckende Wirkung gibt. Wenn aber klar ist, welche Verfahren wie und wo durchgeführt werden, dann lässt das Rückschlüsse zu. Das ist ähnlich wie bei der Polizei.

Frage: Das BMUB lässt derzeit überprüfen, ob die Brennelementefabrik in Lingen geschlossen werden kann, weil Rechtsexpertisen Ihres Hauses zu dem Ergebnis kamen, das sei der einzige Weg, um die Lieferung deutscher Brennelemente an die belgischen Schrottreaktoren zu verhindern.

Wie weit sind Sie in diesem Prüfungsprozess? Welche Tendenz gibt es? Gibt es möglicherweise noch vor der Landtagswahl in NRW, wo das Thema eine Rolle spielt, Ergebnisse?

Haufe: Vielen Dank für die Frage. Die Prüfung läuft. Ich kann Ihnen zum jetzigen Zeitpunkt keine weiteren Details dazu nennen. Ich kann Ihnen heute auch zum Zeitpunkt nichts sagen.

Zusatzfrage: Kommt das Ergebnis aber noch vor der Sommerpause? Eine solche Prüfung kann ja nicht endlos dauern.

Haufe: Ich würde mich jetzt gar nicht festlegen wollen, wann wir das Ergebnis liefern werden. Wir werden es liefern, das ist gar keine Frage. Dieses Ergebnis - Sie haben das Bundesland Nordrhein-Westfalen angesprochen - interessiert die Öffentlichkeit sehr. Ich kann Ihnen aber heute keine Voraussagen machen und auch nicht komplett vorhersehen, wie der Prozess genau läuft.

Frage : Herr Seibert, ich möchte noch einmal zur Flüchtlingspolitik der EU und damit auch zur Flüchtlingspolitik der Bundesregierung kommen. Sie wurde vom Papst vor ein paar Tagen scharf kritisiert. Es geht insbesondere um die Lage in den griechischen Registrierzentren, den sogenannten Hotspots, für die sich auch die Bundesregierung in den letzten beiden Jahren eingesetzt hat. Der Papst vergleicht die Situation mit dem Wort "Konzentrationslager". Wie bewertet die Bundesregierung diese Äußerung?

StS Seibert: Was die Bundesregierung grundsätzlich zum Vergleich aktueller Zusammenhänge mit den Gräueln des Nationalsozialismus denkt, habe ich hier bei anderer Gelegenheit ausgeführt. Darauf muss ich, denke ich, nicht noch einmal eingehen.

Ich will nur grundsätzlich sagen, dass die Politik, die die Bundesregierung sowohl hier in Deutschland als auch in internationalen Zusammenhängen verfolgt, eine Politik der Humanität ist und eine Politik, die das Leben und die Interessen der Flüchtlinge im Blick hat.

Zusatzfrage : Sie sagen, Sie befolgen eine Politik der Humanität. Das Internationale Auschwitz Komitee hält den Vergleich für legitim. Dementsprechend weiß ich nicht, ob es zusammenpasst, wenn Sie von einer Politik der Humanität sprechen und der Papst Konzentrationslager anmahnt. Sind das keine Alarmglocken für die Bundesregierung?

StS Seibert: Ich habe dazu nichts weiter zu sagen, auch wenn Sie noch weitere Zitate anführen. Ob Sie das EU-Türkei-Flüchtlingsabkommen nehmen oder unsere Bemühungen um die Bekämpfung von Fluchtursachen in den Herkunfts- und Transitländern, so werden Sie überall Maßnahmen sehen, die humanitär unterlegt sind, die verhindern sollen, dass sich Flüchtlinge gewissenlosen Schlepperkriminellen anvertrauen, die dazu beitragen sollen, dass Menschen nicht mehr auf dem Mittelmeer ertrinken, und die in den Ländern, in denen sich Flüchtlinge aufhalten, für bessere Lebensbedingungen für Flüchtlinge sorgen sollen.

Frage : Herr Seibert, ich möchte Sie auf das Thema Türkei ansprechen. Der SPD-Kanzlerkandidat hat sich für den möglichen Fall eines Referendums in der Türkei über die Wiedereinführung der Todesstrafe Gedanken darüber gemacht, wie das hier bei uns ablaufen könnte, und davon gesprochen, dass so etwas hier undenkbar wäre. Was sagt denn die Bundesregierung dazu?

StS Seibert: Ganz grundsätzlich: Wenn ein anderer Staat hier in Deutschland in seinen Botschaften oder in seinen Konsulaten Wahlen oder Abstimmungen durchführen will, dann ist das genehmigungspflichtig. Es bedarf eines Antrags. Dieser wird dann vom Auswärtigen Amt namens der Bundesregierung in Form einer Verbalnote beschieden. So ist es ja bei dem türkischen Verfassungsreferendum vor wenigen Wochen gelaufen.

Es gibt keine Pflicht, einem solchen Antrag zuzustimmen. Das heißt, die Bundesregierung kann ihre Genehmigung verweigern. Sie kann eine Abstimmung hier in Deutschland untersagen.

Nun gibt es gar keinen Antrag der Türkei auf Abstimmung über die Todesstrafe. Deshalb ist das eine hypothetische Frage, und solche beantworte ich üblicherweise nicht. Ich will jedoch sagen: Käme ein solcher Antrag, würden die Zuständigen in der Bundesregierung das natürlich gemeinsam beraten. - Ich will auch sagen: Es ist politisch nicht vorstellbar, dass wir einer solchen Abstimmung in Deutschland über eine Maßnahme, die unserem Grundgesetz und europäischen Werten klar widerspricht, zustimmen würden. Ich gehe davon aus, dass wir unsere rechtlichen Mittel, so etwas zu untersagen, ausschöpfen würden.

Adebahr: Gern kann ich für das Auswärtige Amt hinzufügen, dass das aus unserer Sicht voll zu unterstreichen ist und dass sie natürlich davon ausgehen dürfen, dass die Äußerung des Kanzlerkandidaten Schulz - das stand auch so in den Tickern - mit dem Bundesaußenminister koordiniert und abgesprochen war.

Frage : Was gibt es Neues im Fall von Deniz Yücel?

Adebahr: Leider gibt es keinen neuen Stand, den ich vermelden könnte. Wir arbeiten weiter mit den türkischen Behörden daran, konsularischen Zugang zu bekommen, und versuchen weiterhin unser Möglichstes, um Herrn Yücel dort zu betreuen und seine Haftbedingungen zu verbessern. Aber leider gibt es keinen neuen Stand im Vergleich zur vorangegangenen Bundespressekonferenz.

Zusatzfrage : Es ist ja doch ein neuer Stand, wenn Sie sagen, Sie arbeiten gemeinsam mit türkischen Behörden daran. In den vergangenen Tagen und Wochen hieß es ja immer, dass genau diese nichts machen und Sie darüber verärgert sind.

Adebahr: Ich wollte sagen, dass wir mit den türkischen Behörden, im Gespräch mit den türkischen Behörden daran arbeiten, dass wir den Zugang bekommen. Natürlich ist das ein - - -

Zusatzfrage : Sie sagen denen also: "Wir wollen den Zugang", und die sagen was?

Adebahr: Es ist nach wie vor ein schwieriger Dialog. Das wollte ich nicht anders dargestellt wissen. Aber wir arbeiten weiterhin daran, den Zugang zu bekommen.

Zusatzfrage : Ich möchte zur Gibraltarfrage kommen. Frau Adebahr, können Sie uns die Haltung der Bundesregierung zur territorialen Souveränität Gibraltars mitteilen? Ist Gibraltar, wenn Großbritannien mit dem Brexit aus der EU ausscheidet, damit auch raus? Denn es gab in den letzten Wochen immer wieder Nickeligkeiten, dass spanische Schiffe in Hoheitsgewässer von Gibraltar eingedrungen sind. Die Spanier erkennen ja zum Beispiel die Hoheitsgebiete Gibraltars nicht an. Welche Haltung hat die Bundesregierung in der Gibraltarfrage?

Adebahr: Spielen Sie darauf an, dass das in den Verhandlungslinien für den anstehenden Brexit eine Erwähnung fand?

Zusatz : Es gab in den letzten Wochen ja auch tatsächliche Geschehnisse.

Adebahr: Die völkerrechtliche Haltung der Bundesregierung zu Gibraltar ist unverändert.

Was die Brexit-Verhandlungen angeht, müssen wir einfach sehen, dass es dabei sehr schwierige und komplexe Fragen - auch auf anderen Gebieten - zu lösen gilt, die wir dann gemeinsam in den Verhandlungen mit Großbritannien angehen müssen.

Wenn Sie dazu genauere Fragen haben, kann ich gern versuchen, das nachzureichen.

Zusatzfrage : Möchte die Bundesregierung, dass Gibraltar in der EU bleibt? Denn darum geht es in den Brexit-Verhandlungen ja unter anderem auch: Was passiert mit Gibraltar? - Welche Position hat die Bundesregierung?

Adebahr: Die Haltung der Bundesregierung zu Gibraltar ist unverändert.

Zuruf : Sie ist welche?

Adebahr: Das kann ich gern nachreichen.

Zusatzfrage : Sie wissen es nicht, aber sie ist unverändert?

Adebahr: Durch den Einsatz der Brexit-Verhandlungen hat sich keine Veränderung der deutschen Politik ergeben.

Freitag, 5. Mai 2017

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Quelle:
Regierungspressekonferenz vom 5. Mai 2017
https://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2017/05/2017-05-05-regpk.html
Presse- und Informationsamt der Bundesregierung
Dorotheenstr. 84, 10117 Berlin
Telefon: 030 18 272-0, Fax: 030 18 10 272-25 55
E-Mail: internetpost@bpa.bund.de
Internet: www.bundesregierung.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 8. Mai 2017

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