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PRESSEKONFERENZ/1448: Regierungspressekonferenz vom 3. Mai 2017 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Im Wortlaut
Mitschrift der Pressekonferenz - Mittwoch, 3. Mai 2017
Regierungspressekonferenz vom 3. Mai 2017

Themen: Internationaler Tag der Pressefreiheit, Kabinettssitzung (Bundesbericht Wissenschaftlicher Nachwuchs 2017, Jahresbericht Bessere Rechtssetzung 2016, Fall des Bundeswehroffiziers Franco A., Reise des Bundesaußenministers nach Somalia), Bemühungen um konsularische Betreuung von Deniz Yücel und weiteren deutsch-türkischen Inhaftierten, Besuch der Bundeskanzlerin in Russland, Syrien-Friedensgespräche in Astana, Grenzkontrollen im Schengen-Raum, Einbestellung der schweizerischen Botschafterin in das Auswärtige Amt wegen eines unter Spionageverdachts festgenommenen schweizerischen Staatsbürgers, Verhandlungen in Sachen Brexit, Nahost-Konflikt, Asylgesuche von Mitgliedern der Taliban in Deutschland, Vorschriften der Strafprozessordnung für Gerichtsverfahren, Ankündigung des Rücktritts des tschechischen Ministerpräsidenten und seiner Regierung, Reisehinweis des US-Außenministeriums für Europa, Gründung eines Fonds zur Förderung von Frauen in Entwicklungsländern

Sprecher: StS Seibert, Schäfer (AA), Nannt (BMVg), Dimroth (BMI), Kolberg (BMF), Baer-Henney (BMJV)


Vors. Detjen eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt StS Seibert sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

StS Seibert: Guten Tag auch von mir! Bevor wir zu den Themen der Kabinettssitzung kommen, würde ich gerne noch ein anderes Thema kurz vorschieben, denn heute ist der Internationale Tag der Pressefreiheit. Erlauben Sie mir deshalb, bei dieser Gelegenheit zu sagen, dass unsere dreimal wöchentliche Übung hier, die Regierungspressekonferenz unter Leitung der Journalisten selbst, auch ein gutes Stück Pressefreiheit ist und dass ich deshalb auch als Regierungssprecher - wie sicherlich alle meine Kollegen hier oben - immer gern und aus voller Überzeugung hierherkomme. Die Pressefreiheit ist Grundpfeiler der Demokratie. Wir müssen - und für diese Bundesregierung kann ich sagen: wir werden - sie immer aufs Neue verteidigen - bei uns in Europa und darüber hinaus.

Leider werden freie Medien und mutige Journalisten in so vielen Ländern dieser Erde verfolgt, sie werden schikaniert, unterdrückt, gewaltsam an ihrer Arbeit gehindert, und die Liste der ermordeten Journalisten ist bedrückend. Sogar in einigen europäischen Ländern werden politisch unerwünschte Meinungen durch Einschränkungen der Pressefreiheit unterdrückt. Vor den Toren Europas werden reihenweise Journalisten verhaftet. Wir denken heute - nicht nur, aber besonders - an diese Journalisten, die wegen ihrer Arbeit hinter Gittern sitzen; wir denken an Deniz Yücel und an viele andere. Ihre Gefangenschaft mahnt uns: Wenn wir die Freiheit der Presse verlieren, verlieren wir die Freiheit, uns eine unabhängige Meinung zu bilden, und am Ende verlieren wir die Freiheit, als offene Gesellschaft zu leben.

Vors. Detjen: Danke für diese Vorabmitteilung - vor allem auch für das, was Sie über die Bundespressekonferenz gesagt haben. Wir freuen uns, dass wir das gemeinsam so sehen. - Wir kommen zum Bericht aus dem Bundeskabinett.

StS Seibert: Genau. - Das erste Thema, mit dem sich das Bundeskabinett heute in der Aussprache befasst hat, ist der Bundesbericht Wissenschaftlicher Nachwuchs 2017, zu dem die Regierung Stellung genommen hat. Das deutsche Wissenschafts- und Hochschulsystem ist für den wissenschaftlichen Nachwuchs sowohl aus dem In- als auch aus dem Ausland hochattraktiv; das zeigt dieser Bundesbericht Wissenschaftlicher Nachwuchs 2017. Eine wichtige Kennzahl: Der Anteil der Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftler am gesamten wissenschaftlichen Personal ist überproportional gestiegen.

Vielleicht drei wichtige Punkte:

Erstens. Befristete Beschäftigungsverhältnisse sind für junge Akademiker in Qualifikationsphasen grundsätzlich sinnvoll und notwendig. Problematisch sind unsachgemäße Kurzbefristungen. Mit der Novelle des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes vom März vergangenen Jahres hat die Bundesregierung auf Fehlentwicklungen reagiert. So ist eine Befristung nur zulässig, wenn die Beschäftigung der wissenschaftlichen oder künstlerischen Qualifizierung dient, also zum Beispiel bei einer Promotion. Wissenschaftliche Mitarbeiter, die Daueraufgaben haben - sagen wir Labor- oder Technikmitarbeiter -, dürfen nicht mehr ohne sachlichen Grund befristet beschäftigt werden.

Zweitens. Die Bundesregierung hat das Problem der späten Berufung auf eine unbefristete Professur erkannt. Durchschnittlich geschieht das erst mit Anfang 40. Mit dem Tenure-Track-Programm hat sie darauf reagiert. Tenure-Track-Professoren erhalten nach einer erfolgreichen sechsjährigen Bewährung unmittelbar eine Lebenszeitprofessur. Der Bund stellt bis 2032 eine Milliarden Euro bereit, damit die Länder dauerhaft 1000 zusätzliche Tenure-Track-Professuren schaffen können.

Drittes Thema: Familien- und Karriereplanung. Zwar profitieren Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit Kindern von vergleichsweise flexiblen Arbeitszeiten, aber oft werden Kinderwünsche wegen finanzieller Unsicherheit aufgeschoben. Das Tenure-Track-Programm macht auch in dieser Hinsicht eine wissenschaftliche Karriere besser planbar. Ebenso sorgen das Professorinnenprogramm wie auch der Pakt für Forschung und Innovation für mehr Familienfreundlichkeit und Chancengleichheit. Das Ganze hat Auswirkungen: Der Frauenanteil an Professuren an Hochschulen ist zwischen 2005 und 2014 von 14 auf 22 Prozent gestiegen, der Frauenanteil an den außeruniversitären Forschungseinrichtungen ist von 9 auf 17 Prozent gestiegen.

Ebenso gestiegen ist der Anteil ausländischer Nachwuchswissenschaftler an deutschen Forschungseinrichtungen, und zwar um 3 Prozentpunkte zwischen 2006 und 2014 auf 15 Prozent. Die Bundesregierung hat im Februar dieses Jahres eine Strategie zur Internationalisierung von Bildung, Wissenschaft und Forschung beschlossen.

Die Zuständigkeit für die Personalstruktur an den Hochschulen liegt natürlich bei den Ländern. Die Bundesregierung appelliert an die zuständigen Hochschulen und Wissenschaftseinrichtungen, Befristungsmöglichkeiten verantwortungsvoll zu nutzen und ihre Bemühungen um Chancengerechtigkeit und eine gute Vereinbarkeit von Familie und akademischer Karriere zu verstärken.

Das nächste Thema im Kabinett war der Jahresbericht Bessere Rechtssetzung 2016, also auch der Jahresbericht über unsere Erfolge beim Bürokratieabbau. Der Bericht stellt fest, wie die Gesetzgebung des Bundes Bürger und Bürgerinnen, Wirtschaft und Verwaltung entlastet und belastet. Für die Bürgerinnen und Bürger ergibt sich 2016 aus den von der Bundesregierung verabschiedeten Initiativen für Gesetze und Rechtsverordnungen insgesamt eine Entlastung um 2,1 Millionen Stunden im Jahr sowie um Kosten in Höhe von 6 Millionen Euro im Jahr.

Die Bürokratiebremse hat auch im Jahre 2016 erneut deutlich Wirkung gezeigt. Sie wissen: Nach dem Prinzip "one in, one out" müssen seit 2015 die Bundesministerien neu eingeführte Belastungen für die Wirtschaft durch Entlastungen an anderer Stelle wieder ausgleichen. Mit den 2016 verabschiedeten Initiativen der Bundesregierung sinkt die laufende Belastung der Unternehmen - soweit sie unter die Bürokratiebremse fällt - per Saldo um 574 Millionen Euro im Jahr.

Für die Verwaltung hat sich der laufende Vollzugsaufwand gegenüber dem Vorjahr erhöht. Hintergrund war dabei zum Teil eine Neuordnung von Aufgaben zwischen Bund und Ländern.

Der Bericht gibt auch einen Überblick über die vielen Einzelprojekte, mit denen die Bundesregierung zum Bürokratieabbau, zu modernerer Verwaltung und zu besserer Rechtssetzung beiträgt. Ich will Ihnen nur einige wenige Stichworte nennen: Bei der Beschäftigung ausländischer Arbeitnehmer hat sich die Dauer des Visumverfahrens auf 23 Kalendertage beinahe halbiert. Im Anschluss an die Reform des Vergaberechts für Aufträge oberhalb der EU-Schwellenwerte, die im April 2016 in Kraft getreten ist, hat die Bundesregierung mit den Ländern auch weitreichende Erleichterungen für Vergaben unterhalb der Schwellenwerte vereinbart. Es sind zahlreiche Schriftformerfordernisse im Verwaltungsrecht des Bundes gestrichen worden: genau 586. Digitale Verfahren können damit leichter eingesetzt werden. Die Bundesregierung hat sich mit den Ländern auf die Einführung eines gemeinsamen Portalverbundes geeinigt. Der Einsatz von E-Government in Deutschland wird damit künftig stark erleichtert. Darüber hinaus wird die Online-Ausweisfunktion des Personalausweises leichter anwendbar und attraktiver.

Die Bundesregierung nimmt also Bürokratieabbau ernst. Bei jeder Neuregelung schaffen wir Transparenz über die Kosten und behalten das Ziel im Blick, Bürgerinnen und Bürger, Wirtschaft und Verwaltung zu entlasten.

Schließlich - weitere Themen im Kabinett - ging es noch um den Fall Franco A., zu dem sowohl Ministerin von der Leyen als auch Staatssekretär Schröder für das Bundesinnenministerium die Sachlage vorgetragen haben.

Abschließend hat Außenminister Gabriel von seiner Reise nach Somalia berichtet, wo er sich in Mogadischu und Beidoa ein Bild von der extremen humanitären Notlage des Landes sowie von den großen politischen Herausforderungen in Somalia gemacht hat.

Frage : Herr Schäfer, was gibt es Neues zu Herrn Yücel und den anderen deutsch-türkischen Inhaftierten?

Herr Seibert, Sie hatten Herrn Yücel im Zusammenhang mit dem Tag der Pressefreiheit angesprochen. Es sitzen aber noch 120 weitere Journalisten in der Türkei in Haft, zu denen Sie jetzt gar nichts gesagt haben. Möchten Sie dazu etwas sagen? Fordern Sie deren Freilassung?

StS Seibert: Ich habe wörtlich gesagt "wir denken an Deniz Yücel und an viele andere". Ich habe auch gesagt, dass wir uns sehr wohl bewusst sind, dass vor den Toren Europas reihenweise Journalisten verhaftet werden. Wir haben hier in der Vergangenheit darüber gesprochen, dass es weit, weit mehr als den Einzelfall Deniz Yücel betrifft. Dessen sind wir uns bewusst, und daran denken wir an diesem Internationalen Tag der Pressefreiheit besonders.

Schäfer: Die Pressefreiheit kennt keine Staatsangehörigkeiten und Nationalitäten; wir setzen uns für jeden ein, der die Pressefreiheit für sich in Anspruch nimmt und geltend machen möchte. Der Fall Yücel ist für uns - eben weil Deniz Yücel auch ein deutscher Staatsangehöriger ist - aber eben ein ganz besonderer.

Auf Ihre Frage in concreto, kann ich nur antworten: Wir sind weiter am Ball, aber wir prallen immer wieder an der fehlenden Bereitschaft der türkischen Behörden ab, im Fall Yücel etwas an den Haftbedingungen zu ändern oder auch die konsularische Betreuung möglich zu machen. Das wird uns nicht davon abhalten, unsere Bemühungen fortzusetzen. Ich habe Ihnen an dieser Stelle schon häufiger gesagt, dass der Fall Yücel ein sehr schwieriger Teil der bilateralen Beziehungen mit der Türkei ist, und das wird auch solange so bleiben, wie die Lage so ist, wie sie sich heute darstellt.

Frage: Herr Seibert, Sie sprachen jetzt gerade von der Wichtigkeit der Verteidigung der Pressefreiheit in der Welt. Warum spielt diese Säule der westlichen Werte bei der militärischen und wirtschaftlichen Kooperation mit der absolutistischen Monarchie in Saudi-Arabien scheinbar nur eine untergeordnete Rolle?

StS Seibert: Wie Sie schon sagen: "scheinbar". Die Bundesregierung vertritt ihre Überzeugungen zu Menschenrechten, und die Pressefreiheit ist nach unserer Auffassung ein solches Recht, und sie ist ein wichtiges demokratisches Recht in allen Ländern und gegenüber allen Ländern, mit denen wir Kontakte haben.

Zusatzfrage: Herr René Wildangel, Nahostexperte bei Amnesty International, hat gesagt, es sei mittlerweile so, dass fast alle Menschen in Saudi-Arabien, die sich für die Menschenrechte einsetzen oder sich kritisch äußern, im Gefängnis sitzen. Wenn ich Sie jetzt richtig verstanden habe, sagen Sie, dass man trotz allem mit einem repressiven Staat wie Saudi-Arabien kooperieren kann. Sehe ich das richtig?

StS Seibert: Die Bundesregierung pflegt Beziehungen, Kontakte, führt Gespräche mit vielen Ländern in der Welt, die unsere Vorstellungen von Menschenrechten oder von demokratischen Freiheiten nicht teilen; das ist ein Faktum. Wir glauben nicht, dass es in diesen Ländern besser wird, wenn wir keine Kontakte mit ihnen pflegen. Wir glauben, dass es richtig ist, die Kontakte zu pflegen und die Gespräche zu führen - und zwar über alle Themen, auch über solche.

Frage: Ich habe zwei Fragen an Herrn Nannt.

Erste Frage: War die mündliche Ermahnung, die es im Fall Franco A. nach seiner Masterarbeit gegeben hat, aus Ihrer Sicht angemessen?

Zweite Frage: Wie groß ist das Ausmaß rechtsextremer Gesinnung in der Bundeswehr, liegen Ihnen dazu aktuelle Studien vor, und was unternimmt die Bundeswehr dagegen?

Nannt: Zu Ihrer ersten Frage - die Ministerin hat sich dazu gestern ja schon eingelassen -: Es ist so, dass 2014 eine Masterarbeit abgegeben wurde. Wir haben erst spät, am letzten Freitag, Kenntnis darüber bekommen, dass es diese Masterarbeit gab. Es ist so, dass in dieser Masterarbeit ganz extremistische Äußerungen standen, die sehr drastisch, sehr hart formuliert waren. Dazu wurde vom Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr (ZMSBw) ein Gutachten erstellt, und auch dieses Gutachten hat noch einmal diese drastischen extremistischen Äußerungen bestätigt.

Aus unserer Sicht ist dort ganz klar ein Fehler unterlaufen. Wir sind jetzt dabei, dem noch einmal nachzugehen, aber jetzt laufen ja gerade die Ermittlungen - zum einen die Ermittlungen, die im Bereich des Generalbundesanwalts laufen, aber natürlich auch die Ermittlungen in unserem Bereich; da haben wir auch über das Wochenende eine ganze Menge gemacht, mit Ermittlungsteams, die an den verschiedenen Standorten waren. Fakt ist aber, dass auf dieser Ebene entschieden wurde: Okay, wir belassen es bei einer Ermahnung. Wenn man aber diesen Vorfall sieht und ihn in den heutigen Sachverhalt einordnet, dann muss man feststellen: Es ist einfach verwunderlich, dass zum damaligen Zeitpunkt nicht zum Beispiel der MAD eingeschaltet wurde; denn dann hätte man auch Kenntnis von diesem Vorgang gehabt. Dass gerade in diesem Bereich - als Beispiel: Illkirch - Fehlverhalten eben nicht konsequent aufgeklärt wurde, nicht abgestellt wurde und daraus auch nicht die Konsequenzen gezogen wurden, ist ja ein Punkt, den auch die Ministerin in ihren Einlassungen am Wochenende, aber vor allem auch gestern in vielen Medien angesprochen hatte.

Zu Ihrer zweiten Frage: Es ist so, dass der MAD im Bereich des Rechtsextremismus - diese Zahlen sind Ihnen soweit ja auch bekannt - derzeit 280 Verdachtsfälle bearbeitet. Diesen Verdachtsfällen wird nachgegangen. Das sind nicht nur Verdachtsfälle aus diesem Jahr oder dem letzten Jahr, sondern teilweise auch Verdachtsfälle aus den Jahren davor, die untersucht werden - wie gesagt: Verdachtsfälle. Das Entscheidende ist: Bei uns hat Extremismus - sei es Linksextremismus, Rechtsextremismus oder sonstiger Extremismus - keinen Platz, und jedem Vorfall, der stattfindet, muss konsequent nachgegangen werden, und entsprechendes Fehlverhalten muss dann natürlich auch mit Konsequenzen sanktioniert werden.

Zusatzfrage: Herr Dimroth, welche aktuellen Erkenntnisse haben Sie, was ist beim BAMF schiefgelaufen? Gibt es neue Erkenntnisse, ob das tatsächlich systemische Mängel waren, oder sind Sie weiterhin der Auffassung, dass es sich hier um einen Einzelfall handelte?

Dimroth: Vielen Dank für die Frage. - Zu der ersten Einordnung unseres Hauses zu dem hier in Rede stehenden Sachverhalt hat Herr Plate hier am vergangenen Freitag sehr ausführlich vorgetragen. Der Minister hat, wie Sie wissen, in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang das BAMF angeordnet, eine entsprechende Ermittlungsgruppe einzusetzen. Das ist inzwischen erfolgt. Dort werden insbesondere sämtliche Entscheidungen und sämtliche Verfahren zu dem hier in Rede stehenden Sachverhalt, an denen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des BAMF beteiligt waren, noch einmal angeschaut. Jede Entscheidung und jeder Verfahrensschritt, an dem diejenigen beteiligt waren, die auch für diese Entscheidung verantwortlich sind, wird in jedem Einzelfall also noch einmal sehr genau daraufhin angeschaut, ob da vergleichbare Fehler passiert sind. Darüber hinaus ist diese Untersuchungsgruppe gebeten, sich stichprobenartig Vergleichsfälle anzuschauen, um möglicherweise auch weitergehende Erkenntnisse zu der von Ihnen formulierten Frage zu gewinnen. Nach all dem, was wir bisher wissen, wäre ein solcher Schluss jedenfalls zu früh; aber um hier mehr Gewissheit zu erlangen, ist diese Untersuchungsgruppe eingesetzt worden, die sich neben den von mir geschilderten Einzelfällen unter Beteiligung der Betroffenen stichprobenartig auch weitere Fälle anschaut, um genau diese Frage dann belastbarer beantworten zu können.

Frage: Herr Nannt, ich würde gerne etwas mehr über die Veranstaltung am morgigen Tag erfahren. Könnten Sie vielleicht kurz erklären, welche ranghohen Offiziere da zum Gespräch oder zu der Erörterung mit der Ministerin kommen? Ist diese Veranstaltung dann eine presseöffentliche, oder wie müssen wir uns das vorstellen?

Nannt: Die morgige Veranstaltung wird im Verteidigungsministerium stattfinden; wir werden dazu auch noch einen Presseterminhinweis versenden. Es wird so sein, dass morgen die Spitzenführungskräfte der Bundeswehr - also Ebene Generale/Admirale - zusammenkommen. Es geht darum, dass man den Vorfall Illkirch, aber genauso auch die Vorfälle Sondershausen, Pfullendorf, Bad Reichenhall - unterschiedliche Vorfälle, aber mit einem ähnlichen Muster - bespricht. Es wird so sein, dass der erste Teil nur ganz kurz presseöffentlich ist und dass, weil es natürlich eine interne Veranstaltung ist, in der intern diskutiert wird, die Masse der Veranstaltung nicht presseöffentlich sein wird.

Zusatzfrage: Es wurde eben schon nach Studien gefragt. Wird sich das Sozialwissenschaftliche Institut mit diesen Fragen beschäftigen, oder ist das, was Herr Pfeiffer machen soll - ich glaube, Sie haben in der vergangenen Woche über die beabsichtigte Studie informiert -, auch ein so breit angelegtes Unterfangen, dass die Fragen, die jetzt im Raum stehen, mit abgedeckt werden?

Nannt: Ich glaube, man muss zwei Dinge noch einmal sauber eingrenzen. Das eine ist natürlich das Thema Führung. Wie gesagt, die Vorfälle - ich mache noch einmal die Kette: Pfullendorf, Bad Reichenhall, Sondershausen, Illkirch - sind ganz unterschiedliche Vorfälle, aber doch mit einem ähnlichen Muster, und zwar in dem Sinne, dass dort Mängel aufgetreten sind oder es Fehlverhalten gab und dieses Fehlverhalten nicht umfassend aufgeklärt wurde, nicht umfassend sanktioniert wurde und daraus keine Konsequenzen gezogen wurden. Das ist ein Punkt, den die Ministerin natürlich im Bereich der Führung gerade auch am morgigen Tag noch einmal mit ihren Spitzenführungskräften diskutieren und dann auch noch einmal analysieren wird.

Der zweite Teil ist eben diese Studie von Herrn Pfeiffer, die jetzt die nächsten 18 Monate bis 24 Monate laufen wird und bei der man gerade auch noch einmal den Fall im Bereich von Mobbing und Diskriminierung darauf untersucht, ob dort eben ein Dunkelfeld vorliegt und wie dieses Dunkelfeld aussieht. Das soll, wie gesagt, in den nächsten Monaten untersucht werden. Das wird im Juni beginnen. Wir haben - dies vielleicht auch noch einmal als Lesehinweis - dazu einen umfassenden Onlinebaustein auf unserer Seite, der diesen Prozess auch noch einmal beschreibt, der da durchlaufen werden soll. Das sind die beiden Bereiche, die in den nächsten Wochen und Monaten diskutiert werden.

StS Seibert: Nachdem Sie jetzt gehört haben, was die Verteidigungsministerin für heute und die nächsten Tage vorhat, würde ich gerne sagen: Die Verteidigungsministerin hat die volle Unterstützung der Bundeskanzlerin und der ganzen Bundesregierung dabei, alle Facetten dieses Falls Franco A. aufzuklären, soweit sie die Bundeswehr betreffen.

Vor dem Hintergrund der genannten, ganz anders gelagerten Fälle, wie sie aus Bad Reichenhall, aus Pfullendorf, aus Sondershausen bekannt geworden sind, ist es auch vollkommen richtig, dass die Ministerin ein Verfahren in Gang setzt - mit einem Standortbesuch, mit einer Führungskräftetagung, und dies sicherlich über viele Wochen und Monate reichend -, das der Frage nachgeht, welche Verfehlungen es da auf Ebene einzelner Vorgesetzter gab und wie alles getan werden kann, damit schwerwiegendes Fehlverhalten - ob es nun eine rassistisch-völkische Gesinnung ist oder ob es sexuelle Demütigungen sind - schneller gemeldet, schneller nach oben getragen und abgestellt wird.

Bei alledem weiß die Bundesregierung, wie die Ministerin es ja auch mehrfach betont hat, dass die ganz überwiegende Mehrheit der Soldatinnen und Soldaten sowie der Zivilangestellten der Bundeswehr unter oft schwierigen Bedingungen ausgezeichneten, einsatzfreudigen Dienst für unser Land tut, den Werten unseres Landes entsprechend. Dafür können wir ihnen nur dankbar sein.

Frage: Herr Nannt, ich will noch einmal auf die Fragen meiner Vorredner zurückkommen. Der Anteil der deutschen Bevölkerung mit rechtsextremer Gesinnung liegt zwischen 8 Prozent und 10 Prozent. Ist dieser Wert rechtsextremer Gesinnung innerhalb der Bundeswehr höher?

Sie haben von Verdachtsfällen gesprochen. Wie viele Soldaten wurden aufgrund einer rechtsextremen Gesinnung oder aufgrund von rechtsextremen Verdachtsfällen ihres Dienstes im letzten Jahr und vielleicht in der gesamten Amtszeit von Frau von der Leyen entlassen?

Nannt: Ich schaue einmal, ob ich hier ein paar Zahlen dabei habe. Zum einen vielleicht zur Zahl der Entlassungen: Dazu kann ich Ihnen jetzt keine Zahlen liefern. Es ist so, dass die Anzahl der Verdachtsfälle jetzt natürlich keine Rückschlüsse darauf liefern kann, ob es sich wirklich ganz konkret um Fälle handelt. Es sieht so aus, dass der MAD im Jahr 2016 - dies vielleicht einmal als eine Beispielszahl - drei Verdachtsfälle als rechtsextremistisch bewertete.

Wenn man die Zahl der Verdachtsfälle sieht, dann ist es so, dass jeder Verdachtsfall einer zu viel ist. Vor allen Dingen dann, wenn sich dieser Verdachtsfall erhärtet, muss man jedem Fall konsequent nachgehen; das ist der Punkt. Ich finde es schwer zu sagen, was die bessere Zahl oder die schlechtere Zahl ist. Der Punkt ist: Es muss insgesamt verhindert werden, dass sich rechtsextremes Gut - sei es innerhalb der Bundeswehr, aber sei es auch außerhalb der Bundeswehr - weiterverbreitet. Dem muss man konsequent nachgehen, und das erwartet man natürlich von jedem Vorgesetzten und von jedem Mitarbeiter. Deshalb werden wir zum Beispiel auch ab Juni oder Juli dieses Jahres ganz bewusst Bewerber, die bei uns eingestellt werden sollen, im Vorwege untersuchen, um im Rahmen des Datenabgleichs frühzeitig zu erkennen, ob wir vielleicht einen Bewerber einstellen, der eine falsche Denkrichtung hat.

Ich kann jetzt aus den Zahlen keine These machen, die mich sagen lässt: Bei der Bundeswehr ist es so. Das ist auch zu pauschal. Es gibt 280 Verdachtsfälle, und diese Verdachtsfälle müssen sorgfältig aufgearbeitet werden. Jeder Verdachtsfall, der sich erhärtet, ist mindestens einer zu viel.

Zusatzfrage : Können Sie uns die Zahlen hinsichtlich der Entlassungen innerhalb der letzten Jahre nachreichen?

Nannt: Ich versuche, sie nachzuliefern; klar, gar kein Thema.

Frage: Meine Frage geht in eine ganz ähnliche Richtung. Es gibt verschiedene Berichte, wonach der Verdächtige auf ein rechtsextremes Netzwerk innerhalb der Bundeswehr zurückgegriffen habe. Über welche Erkenntnisse verfügen Sie da, Herr Nannt?

Eine weitere Frage: Er soll auch eine Todesliste geführt haben. Was sind die Namen auf dieser Liste? Gibt es darüber neue Erkenntnisse?

Nannt: Zuerst einmal - ich kann ganz schnell liefern - komme ich auf die Frage von dem Kollegen zurück; meine Mitarbeiter sind ganz schnell. In den Jahren 2012 bis 2016 wurden 18 Angehörige der Bundeswehr vorzeitig wegen Rechtsradikalismus aus der Bundeswehr entlassen. Dies einmal als Zahl, damit man das einordnen kann.

Zu Ihren Fragen bezüglich eines Netzwerks und einer Todesliste: Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass ich mich zum Stand der Ermittlungen nicht äußern darf und auch nicht äußern kann. Wenn Sie dazu Fragen haben, dann müssten Sie sich bitte an den Generalbundesanwalt wenden.

Frage: Herr Seibert, Sie haben eben gesagt, dass die Verteidigungsministerin die volle Unterstützung der Bundesregierung habe. Heißt das dann auch, dass sich die Bundesregierung die Einschätzung von Frau von der Leyen zu eigen macht, dass die Bundeswehr insgesamt eine Führungsschwäche und ein Haltungsproblem hat?

StS Seibert: Ich glaube, es ist hier jetzt sehr klar dargelegt worden, was die Haltung von Frau von der Leyen ist. Ich empfehle auch immer die ganze Lektüre dessen, was sie in den letzten Tagen in Interviews oder in dem offenen Brief gesagt hat. Sie hat mehrfach das sehr klargemacht, was ich auch noch einmal betont habe, nämlich dass die überwiegende Mehrzahl der Bundeswehrangehörigen - seien es Soldaten, Soldatinnen oder Zivilangestellte - ihren Dienst tadellos und in ausgezeichneter Weise für unser Land tut, dass sie auch den Werten unseres Landes entspricht und dass wir ihr dafür Dank schulden.

Frage: Herr Nannt, Sie haben von einem Muster gesprochen und das kurz skizziert. Ist das ein Wiedererstarken dessen, was man früher beschönigend als Korpsgeist im falschen Sinne bezeichnet hat, oder war das in Wahrheit nie verschwunden?

Zweite Frage: Ist das Konzept der Inneren Führung, für das historisch ja auch der Name Ulrich de Maizière steht, in eine Schieflage geraten? Wird das teilweise ausgehebelt? Es gab ja bei der Umwandlung der Bundeswehr von einer Wehrpflichtigen- in eine Freiwilligenarmee solche Befürchtungen, dass eben sozusagen die natürliche demokratische Struktur durch eine Freiwilligenarmee möglicherweise unterhöhlt werden würde. Sind diese Muster Indizien dafür, dass diese Befürchtungen jetzt wahr werden?

Nannt: Ich kann hier jetzt keinen Unterschied darin erkennen, ob es sich um eine Freiwilligenarmee oder eine Wehrpflichtarmee handelt. Ich sehe das nicht so. Ich glaube, dass das keine Rolle spielt. Wenn man vor allen Dingen auch sieht, dass die betroffenen und handelnden Personen in diesem Sachverhalt, gegen die es diese Vorhalte gibt, alle Soldatinnen und Soldaten sind, die zu einer Zeit eingestellt wurden, als wir die Wehrpflichtarmee hatten, dann kann ich daraus nicht den Schluss ziehen, dass sich durch die Freiwilligenarmee etwas verändert hätte. Das kann ich auch durch meinen Eindruck, den ich selbst als ehemaliger Bataillonskommandeur habe, sagen, weil ich selbst in einer Freiwilligenarmee Kommandeur und Kompaniechef war und ich dazu sage: Es gibt da keinen Unterschied. Das ist eine Frage der Führung.

Jetzt sind wir an dem Punkt des Konzepts der Inneren Führung. Von diesem Konzept der Inneren Führung lese ich jetzt ab und zu einmal, aber das Konzept der Inneren Führung ist wesentlich mehr. Das Konzept der Inneren Führung umfasst auch den Staatsbürger in Uniform. Das ist also so umfassend, dass man nicht sagen kann, dass diese Vorfälle jetzt eine Auswirkung auf das Konzept der Inneren Führung hätten. Das Konzept der Inneren Führung ist richtig, aber es geht - das ist jetzt hier das Thema - um Führung. Das heiß also: Wie stelle ich Fehlverhalten fest? Wie kläre ich es auf? Wie stelle ich es ab? Wie kann ich die Konsequenzen daraus ziehen?

Das ist das Muster, das gleich ist, das heißt, bei allen vier Fällen. Die sind alle total unterschiedlich, sei es im Bereich des Rechtsextremismus, wo wir uns gerade in großen Ermittlungen befinden, die jetzt laufen, sei es im Bereich von Anfeindungen, sei es im Bereich des Denunziantentums. Es sind also ganz verschiedene Dinge, die dort gelaufen sind. Was immer der Punkt ist, und das ist das Muster, ist, dass Dinge über Wochen und Monate hinweg gelaufen sind. Es bedarf dann immer einer Eingabe an den Wehrbeauftragten, eines Briefs an die Ministerin, sodass wir quasi von oben noch einmal hereingeschaut haben und sodass man irgendwo auf Zwischenebenen in diesen ganz konkreten vier Fällen gesehen hat: Es ist quasi nicht nach oben gekommen. Es wurde nicht abgestellt. - Das können wir uns einfach nicht erlauben, weil ich glaube: Es ist auch ein ganz entscheidender Punkt für uns und für die Glaubwürdigkeit der Bundeswehr, dass, wenn so etwas passiert, wir dem nachgehen, dass wir verhindern, dass so etwas weiter stattfindet, und dass wir dann natürlich auch die betroffenen Personen sanktionieren.

Schäfer: Wenn Sie erlauben, dann möchte ich mich nur ausdrücklich dem anschließen, was Herr Nannt gerade gesagt hat. Ich vertrete ja, wenn Sie so wollen, gewissermaßen den Blick von außen und des Auswärtigen Amtes, und natürlich wird auch von unseren europäischen Partnern in Frankreich und anderswo darauf geachtet, wie wir mit dieser Art von Fällen umgehen. Es ist ja bedauerlich, dass in dem einen Fall, dem Fall von Franco A., wenn ich das richtig sehe, einige der Vorfälle in eine Zeit fallen, in der der Offizier in der Deutsch-Französischen Brigade im Einsatz gewesen ist. Deshalb ist es ganz wichtig - ich denke, so ist es ja heute auch schon besprochen worden; ich sage das auch für den Außenminister -, dass im Hinblick darauf, dass unsere Soldatinnen und Soldaten ja in mehr als einem Dutzend Auslandseinsätzen unterwegs sind und dort ganz viel mit Kameraden und Kollegen aus anderen Ländern zu tun haben, alles sehr sorgfältig aufgeklärt wird, damit auch unsere Partner keinen Zweifel daran haben, dass wir so etwas schlicht und ergreifend nicht dulden können.

Frage : Herr Seibert, ich habe eine ganz einfache Frage: Was ist denn nach Ansicht der Bundeskanzlerin das wichtigste Ergebnis oder sind die wichtigsten Ergebnisse des Treffens in Sotschi mit dem russischen Präsidenten?

StS Seibert: Die Bundeskanzlerin hat sich ja gestern auch in der Pressekonferenz sehr ausführlich geäußert; ich hoffe ein bisschen, dass Sie die auch verfolgt haben. Es war ein sehr intensives Treffen in dem Sinne, dass eine Reihe von wirklich wichtigen Themen, die uns weltpolitisch gemeinsam beschäftigen, sehr intensiv besprochen werden konnten, aber eben auch die bilateralen Themen. Ich werde davon jetzt keines hervorheben, weil die Frage, ob wir dazu beitragen können und ob auch Russland dazu beitragen kann, dass der fürchterliche Bürgerkrieg in Syrien irgendwann ein Ende findet, genauso wichtig wie die Frage ist, ob es auf Dauer gelingt, Libyen eine Staatlichkeit zu geben, die auch wieder uns Europäer in die Lage versetzt, mit Libyen sozusagen normale Verabredungen zu treffen und normale Beziehungen zu führen. Es gibt so viele Themen, dass ich keines herausgreifen werde.

Ich werde aber für die Bundeskanzlerin, wie sie es gestern auch betont hat, sagen: Es war ein intensives Treffen. Es ist gut, dass man, auch wenn Meinungsverschiedenheiten existieren, miteinander spricht, weil sich, wie die Bundeskanzlerin es ausgedrückt hat, sonst das Schweigen einstellt und man den Blick für den Blickwinkel des anderen verliert. Genau das geschieht zwischen Deutschland und Russland, zwischen der Kanzlerin und Wladimir Putin, nicht, weil es, auch wenn es gar nicht so oft Treffen gibt, doch ziemlich häufig Kontakte und ausführliche Gespräche am Telefon gibt. Aber es war gut, gestern dieses intensive Gespräch in Sotschi führen zu können.

Entschuldigung, ich habe die Ukraine vergessen. Es ging um Syrien, Libyen und selbstverständlich das wichtige Thema, wie wir in der Ostukraine vorankommen.

Zusatzfrage : Es sollte ja auch eine Reise im Zuge der Vorbereitung des G20-Gipfels sein. Bei welchen Themen, die für die Bundesregierung wichtig sind - ich meine die G20-Agenda -, gibt es eine Übereinstimmung in Moskau?

StS Seibert: Es gibt wahrscheinlich bei sehr viel mehr Themen Übereinstimmung als möglicherweise Meinungsverschiedenheiten. Ich kann berichten, dass die Vorbereitungen auf den G20-Gipfel zwischen uns, der deutschen Präsidentschaft in diesem Jahr, und der russischen Seite konstruktiv verlaufen. Das hat die Bundeskanzlerin auch zum Ausdruck gebracht.

Aber es ist jetzt auch erst Anfang Mai, und der Gipfel wird Anfang Juli stattfinden. Das heißt, die arbeitsintensivste Phase der Vorbereitung auf den Gipfel kommt noch. Dann wird man über Klimathemen, über Energiethemen und über Themen der Weltgesundheitsprävention noch im Detail sprechen müssen.

Frage : Ich kann es ganz kurz machen, Herr Seibert: Wurde die Kanzlerin von einer Wirtschaftsdelegation begleitet? Wenn ja, wer war das?

Sie wollten uns auch noch die die Namen der Vertreter der Wirtschaftsdelegation nennen, die mit der Kanzlerin in Saudi-Arabien waren.

StS Seibert: Nein, die Kanzlerin wurde nach Sotschi nicht von einer Wirtschaftsdelegation begleitet. Das waren rein politische Gespräche zwischen ihr und ihrem Team und Präsident Putin und seinem Team.

Die Liste der Vertreter der Wirtschaftsdelegation, die mit an den Golf gereist ist, können wir, weil ich das jetzt hier nicht vorlesen möchte, nach dieser Pressekonferenz Ihnen allen zur Verfügung stellen.

Frage : Herr Seibert, ich habe noch einmal eine Frage zu einer Äußerung, die die Kanzlerin gestern gemacht hat. Auf die Frage, ob sie befürchte, dass sich Russland oder die russische Regierung möglicherweise auch in die Bundestagswahl einmische, hat sie sinngemäß gesagt, sie sei kein furchtsamer Mensch, aber hat doch schon von hybrider Kriegsführung gesprochen, die Teil der militärischen Militärdoktrin sei. Ist das jetzt eigentlich sozusagen eine Äußerung gewesen, die bestätigt, dass sie schon davon ausgeht, dass sich Russland in irgendeiner Form einmischen wird, oder wie konnte man das genau verstehen?

StS Seibert: Ich denke, das war sehr klar zu verstehen. Die Kanzlerin wurde gefragt, ob sie davor Angst habe, und sie hat gesagt, sie sei kein ängstlicher Mensch. Gleichwohl gibt es das Phänomen, dass die hybride Kriegsführung ein Teil der russischen Militärdoktrin ist; das wird ja auch von dem russischen Militär ganz offen verkündet. Dessen muss man sich bewusst sein, und dessen sind wir uns bewusst. Wir haben darüber aus gegebenem Anlass immer wieder einmal gesprochen.

Aber die Bundeskanzlerin hat auch gesagt, dass sie zuversichtlich ist, dass wir in Deutschland den Wahlprozess, der ja in diesem Jahr bevorsteht, auch ordnungsgemäß und ohne sozusagen verzerrende Einflüsse von außen schaffen können.

Zusatzfrage : Heißt das, Sie würde aber jetzt nicht mit dem russischen Präsidenten übereinstimmen, wenn der behauptet, man mische sich ja überhaupt nicht in die Angelegenheiten anderer Staaten ein?

StS Seibert: Die Aussage, die sie gestern in der Pressekonferenz gemacht hat, steht für sich.

Frage: In Astana beginnt heute die bereits vierte Runde der Syrien-Friedensgespräche, unter anderem unter Schirmherrschaft von Russland. Durch welche Maßnahmen unterstützt die Bundesregierung denn diese Friedensbemühungen, also jetzt bei der aktuellen Konferenz und auch bei den drei Konferenzen in der Vergangenheit?

StS Seibert: Ich würde sagen, das Außenministerium übernimmt das einmal.

Schäfer: Wir haben an dieser Stelle schon häufig über den Astana-Prozess gesprochen. Für die Bundesregierung wie für die meisten ihrer Partner - jedenfalls die engen Partner - steht der Prozess unter der Ägide der Vereinten Nationen im Mittelpunkt, weil wir glauben, dass nur unter Beteiligung der Vereinten Nationen und im Rahmen eines breiten Spektrums an internationalen Akteuren, wie sie sich im Wiener Prozess wiederfinden, eine dauerhafte Lösung für Syrien gefunden werden kann.

Wir begrüßen es, dass in Astana auf Einladung der drei Mächte Iran, Russland und der Türkei sowohl ein Vertreter der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika als auch der Sonderbeauftragte der Vereinten Nationen, Herr de Mistura, diesmal vor Ort dabei sein können.

Es geht jetzt wirklich darum, und die Gespräche zwischen dem amerikanischen und dem russischen Präsidenten drehten sich auch um dieses Thema, wie jetzt endlich der Friedensprozess in Gang gebracht werden kann. Wir hören heute Morgen aus Astana, dass es Vorschläge dazu gibt, Schutzzonen einzurichten. Da muss man einmal genau hinschauen und hinhören, was das denn jetzt in concreto bedeuten mag. Es führt kein Weg daran vorbei, dass wir darauf hinarbeiten müssen - das sagen wir nicht zum ersten Mal -, dass im Land endlich eine flächendeckende Waffenruhe und ein Waffenstillstand eintreten müssen. Auch jetzt wieder, während der Verhandlungen in Astana, gehen die Angriffe der syrischen Luftwaffe weiter. Das kann natürlich dem Verhandlungsprozess in keiner Weise förderlich sein.

Wir müssen gemeinsam daran arbeiten, aber, wie gesagt, die Bundesregierung sieht da die Vereinten Nationen und den Sonderbeauftragten de Mistura im Mittelpunkt. Wir müssen versuchen, den Verhandlungsprozess zwischen Regierung und Opposition wieder in Gang zu bringen. Wenn Astana dafür einen Beitrag leisten kann, dann würden wir das sehr begrüßen.

Zusatzfrage: Sie sagten gerade im letzten Satz "wenn Astana dazu einen Beitrag leisten kann". Bedeutet das, dass Sie jetzt in der Analyse der vergangenen Konferenzen, die ja bereits stattgefunden haben und von denen halt viele sagen, dass sie durchaus produktiv gewesen seien, diese Einschätzung nicht teilen?

Schäfer: Astana hat, wenn ich das richtig sehe, versucht, sich auf Fragen des Waffenstillstands zu konzentrieren, und die Ergebnisse haben wir in den letzten Monaten gesehen. Auch Astana hat das syrische Regime nicht davon abgehalten, sogar erneut Tabubrüche zu begehen und Chemiewaffen einzusetzen. Der Waffenstillstand ist heute genauso brüchig wie vor Monaten und vor einem Jahr. Deshalb kann man, glaube ich, nicht davon sprechen, dass Astana einen Durchbruch oder größere Erfolge erbracht hätte, die unmittelbar bessere Aussichten für den Friedensprozess oder etwa für das Schicksal und das Los der Menschen im Land mit sich gebracht hätten.

Das ändert nichts an der Einschätzung - ich wiederhole das gerne noch einmal -, dass wir uns wünschen, dass es Fortschritte gibt. Wenn Astana dazu einen Beitrag leisten kann, dann würde uns das sehr freuen.

StS Seibert: Ich will nur ganz kurz daran erinnern, dass ja auch Präsident Putin in der gestrigen Pressekonferenz gesagt hat, er sei als russischer Staatspräsident davon überzeugt, dass eine Lösung für die Syrien-Frage nur unter Führung der Vereinten Nationen gefunden werden könne.

Frage: Ich hätte zwei, drei Fragen zum Themenkomplex "Grenzkontrollen im Schengen-Raum". Dazu hat gestern am späten Nachmittag die EU-Kommission mehr oder weniger kundgetan, dass das nun die letzte Verlängerung sei, die man genehmigt habe, und dass die Grenzkontrollen spätestens in sechs Monaten unter anderem in Deutschland auslaufen müssten. Jetzt gibt es schon einige Stimmen, die sagen, die Lage lasse das gar nicht zu.

Ich wollte Sie, Herrn Dimroth, fragen, wie das Bundesinnenministerium die Lage einschätzt. Ist man schon so weit, dass die Grenzkontrollen zu diesem Zeitpunkt auslaufen könnten? Hält man sich, falls dem nicht so sein sollte oder falls die Einschätzung nicht so sein sollte, auch offen, sozusagen im nationalen Alleingang mit den entsprechenden Paragrafen oder Artikeln im Schengen-Kodex vorzugehen?

Herr Seibert, das Projekt oder Programm "Back to Schengen" ist ja sozusagen auch vom Europäischen Rat im Beisein der Kanzlerin verabschiedet oder begrüßt worden. Ich wollte schlicht fragen, ob die Kanzlerin weiterhin darauf drängt, dass man sozusagen zu einem völlig grenzkontrollfreien Binnenverhältnis in Europa zurückkehrt.

Dimroth: Vielen Dank für Ihre Frage. Tatsächlich ist es ja so, dass die Kommission jetzt einen Vorschlag dazu vorgelegt hat, Grenzkontrollen an bestimmten Binnengrenzen für einen Zeitraum von noch einmal sechs Monaten zu verlängern. Wir sind der festen Auffassung, dass jedenfalls nach heutigem Stand sowohl aus migrations- als auch aus sicherheitspolitischen Gründen ein Verzicht auf die derzeit durchgeführten Grenzkontrollen nicht infrage kommt. Deswegen ist der Vorschlag dem Grunde nach zunächst einmal zu begrüßen.

Wie Sie sicherlich wissen, bedarf der ja im nächsten Schritt einer Zustimmung durch den Rat. Wir werden die Zeit nutzen, die dieser Prozess in Anspruch nehmen wird, um den Vorschlag der Kommission im Detail zu prüfen und dann auch abschließend zu bewerten.

Zu begrüßen ist allerdings auch schon heute, dass in dem Vorschlag der Kommission ein klares Bekenntnis zu polizeilichen Fahndungsmaßnahmen im Grenzgebiet enthalten ist, der sogenannten Schleierfahndung. Wir begrüßen das sehr nachdrücklich und können auch nur noch einmal diese Gelegenheit nutzen, sozusagen appellhaft an die Bundesländer heranzutreten, von diesen Maßnahmen, soweit sie da rechtlich zulässig sind, Gebrauch zu machen und, soweit das nicht der Fall ist, entsprechende rechtliche Grundlagen zu schaffen.

Klar ist aber auch, dass solche Schleierfahndungen Grenzkontrollen schon deswegen nicht vollständig ersetzen können, weil das Instrument der Zurückweisung durch solche Grenzkontrollersatzmaßnahmen wie die Schleierfahndung eben gerade nicht möglich wäre, da der oder die Betroffene dann jeweils schon auf dem jeweiligen Staatsgebiet und eben nicht an der Grenze angetroffen wird. Das ist ein fundamentaler Unterschied, was die Wirksamkeit und die verschiedenen Maßnahmen, die an die jeweiligen Instrumente geknüpft sind, betrifft.

Wir unterstützen also die Kommission in ihrem Bestreben, Grenzkontrollen zunächst einmal weiterhin für möglich zu halten. Wir unterstützen die Kommission selbstverständlich auch in ihrem Bestreben, zu dem hohen Gut der einschränkungslosen Reisefreiheit in Europa zurückzukehren, also auf dem Weg zurück zu Schengen. Ob aber tatsächlich innerhalb von sechs Monaten ein Zustand erreicht sein wird, der ein hinreichend stabiles Maß an Außengrenzsicherung und an sicherheitspolitischen und migrationspolitischen Bewertungen mit dem Ergebnis zulässt, dass der Verzicht auf Binnengrenzkontrollen tatsächlich verantwortbar ist, lässt sich heute wirklich nicht belastbar sagen.

Wir begrüßen, dass die Kommission Grenzkontrollen weiter ermöglicht. Wir sind der Auffassung, dass diese - jedenfalls zunächst - erforderlich sind. Wir werden uns den Vorschlag sehr genau anschauen, um dann zu einer Entscheidung darüber zu kommen, inwieweit und mit welchen Kautelen er möglicherweise unterstützt werden kann. Dann ist, wie gesagt, im nächsten Schritt der Rat zu befassen. Eine Bewertung dessen, was in sechs Monaten sein wird, ist von hier aus wirklich nicht belastbar leistbar.

Frage: Herr Dimroth, wie nah sind für Sie Bedingungen, unter denen der Brenner gegebenenfalls dichtgemacht werden muss?

Dimroth: Das ist keine Entscheidung, die von uns oder von hier aus zu treffen wäre, sondern das ist zunächst einmal eine Entscheidung, die die österreichische Regierung zu treffen hätten.

Wir sehen ein nicht unerhebliches Migrationspotenzial aus Nordafrika; das ist bekannt. Wir beobachten sehr aufmerksam die Migrationsströme insbesondere nach Italien. Da gibt es eine gewisse Dynamik in der Entwicklung, ohne jetzt allerdings wirklich weit und sozusagen exorbitant über den Zahlen des Vergleichszeitraums 2016 zu liegen. Insbesondere beobachten wir noch keine deutliche oder massive Zunahme des Ankunftsgeschehens in Deutschland. All das soll sozusagen keine Beruhigungspille sein, sondern wir schauen da sehr genau hin, und wir schauen sehr aufmerksam hin, weil die Lage, wie gesagt, sehr dynamisch ist und weil wir sehr wohl wissen, dass es ein nicht unerhebliches Migrationspotenzial gibt. Aber noch einmal: Die Frage, ob und zu welchem Zeitpunkt sich eine österreichische Regierung dazu veranlasst sieht, solche Maßnahmen zu treffen, ist von hier aus wirklich nicht abschließend zu beurteilen.

Ich weise noch einmal darauf hin, dass uns sehr bewusst ist, welch hohen Stellenwert und welch große Errungenschaft die Reisefreiheit und der Verzicht auf Grenzkontrollen im europäischen Kontext darstellen. Das ist ein Wert an sich. Den gilt es zurückzugewinnen; das ist gar keine Frage. Der steht derzeit eben im Spannungsfeld sicherheits- und migrationspolitischer Erwägungen, die wir derzeit so auflösen, wie Ihnen bekannt ist. Wie es zukünftig weitergehen wird, hatte ich gerade einigermaßen zu skizzieren versucht.

Frage: Herr Dimroth, was müsste denn Ihrer Ansicht nach passieren, damit Deutschland tatsächlich auf Grenzkontrollen verzichten kann? Gibt es da ein Set von Kriterien, gibt es da eine Schwelle von Migranten, oder welcher Zustand müsste erreicht sein?

Dimroth: Das lässt sich jetzt sicherlich nicht an feststehenden Zahlentabellen festmachen, sondern ich hatte ganz bewusst darauf hingewiesen, dass wir uns sowohl aus migrationspolitischen als auch aus sicherheitspolitischen Gründen derzeit daran gehindert sehen, auf eine solche Maßnahme zu verzichten. Das soll Ihnen deutlich machen, dass es eben nicht nur um das Thema Migration geht, das uns hier besorgt, sondern eben auch um das Thema Sicherheit.

Das alles hängt natürlich sehr stark damit zusammen, wie zum einen die EU den Außengrenzschutz sicherstellt, ihn organisiert und durchführt. Da ist in jüngerer Vergangenheit einiges geschehen; aus unserer Sicht noch nicht genug. Viele Dinge sind auf europäischer Ebene angestoßen worden, die jetzt der Umsetzung bedürfen, der kraftvollen und möglichst schnellen Umsetzung im europäischen Kontext - im Übrigen, soweit und wo immer möglich, mit Unterstützung Deutschlands, was sowohl Know-how als gegebenenfalls auch Personal angeht. Das betrifft aber selbstverständlich und natürlich auch das Thema, wie sich Migrationsströme entwickeln, wie sich Migrationszahlen entwickeln und wie sich das Ankunftsgeschehen in Deutschland entwickelt. Muss man beobachten, dass sich andere europäische Staaten beispielsweise aus einer gelebten Solidarität verabschieden, indem also hier ein Ankunftsgeschehen zu verzeichnen ist, das sich nur so erklären lässt, dass andere nicht registrieren? Wir kennen das; das alles ist Ihnen aus der Zeit zu Beginn der großen Flüchtlingszahlen vor nicht allzu langer Zeit bekannt.

All das sind migrations- wie sicherheitspolitische Faktoren, die wir sehr aufmerksam beobachten, die in ein Gesamtbild zusammengefügt werden müssen, um dann zum jeweils geeigneten Zeitpunkt als Entscheidungsgrundlage für die Frage dienen zu können, ob weitere Grenzkontrollen nötig oder nicht nötig sind. Das ist aber nicht vorstellbar im Sinne von: Ankunftsgeschehen kleiner als X heißt: keine Grenzkontrollen erforderlich. Sondern das ist ein Gesamtbild, das sich aus einer Vielzahl von Erkenntnissen zusammensetzt, die teilweise natürlich durch gewisse prognostische Bestandteile angereichert werden, um dann, wie gesagt, auf möglichst breiter Tatsachenbasis eine solche Entscheidung treffen zu können.

Frage: Sie sagten, es gebe das Bemühen, zu dem Stand zurückzukehren. Auf der anderen Seite wird in der Unionsfraktion eher argumentiert, man müsse die Grenzkontrollen ausweiten. Seit fast einem Jahr ist das Thema Schweiz immer wieder im Gespräch. Es wird auch jetzt gefordert, die Grenzkontrollen auf die deutsch-schweizerische Grenze auszuweiten. Ich wollte Sie fragen, ob Sie uns dazu etwas sagen können. Es gab vor einigen Monaten den "Aktionsplan Deutschland-Schweiz". Können Sie etwas zu seiner Umsetzung sagen? Ist Herr de Maizière möglicherweise mit Überlegungen beschäftigt, tatsächlich auf diese Forderung einzugehen und auch an der Grenze zur Schweiz dauerhafte Grenzkontrollen zu erwägen?

Dimroth: Zunächst einmal muss man, glaube ich, differenzieren. Der Vorschlag der Kommission betrifft, wie Sie auch aus vergangener Tätigkeit wissen, zunächst das bestehende Grenzregime - das heißt, was Deutschland betrifft, die deutsch-österreichische Grenze - und beschränkt sich auch darauf.

Sie hatten bei Ihrer ersten Frage darauf hingewiesen, dass es neben dem Rechtsregime des Schengener Grenzkodex, der jetzt Grundlage für den Vorschlag der Kommission bildet, sehr wohl auch die Möglichkeit gibt, nationalstaatlich zu entscheiden und bestimmte Grenzkontrollmaßnahmen anzuordnen, sodass das eine mit dem anderen zunächst einmal unmittelbar nichts zu tun hat.

Was die deutsch-schweizerische Grenze betrifft - dazu hat sich der Minister mehrfach geäußert -, schauen wir auch da selbstverständlich sehr aufmerksam hin und beobachten auch eine messbare Zunahme beim Einreisegeschehen, aber keine, die jetzt so stark in den Zahlen zugenommen hätte, dass aus unserer Sicht, Stand heute, die Einführung von Grenzkontrollen auch an dieser Grenze erforderlich wäre. Das heißt aber nicht, weil das Ganze natürlich immer ein sehr dynamischer Prozess ist, dass es damit ausgeschlossen wäre. Im Gegenteil. Wenn wir zu einem Zustand kämen, wo das aus übergeordneten Gründen für erforderlich gehalten würde, dann wäre das sicherlich ein Mittel der Wahl.

Hinzukommt aber, dass jedenfalls bisher die Zusammenarbeit mit unseren Schweizer Kollegen wirklich sehr gut sowohl auf grenzpolizeilicher als auch auf migrationspolitischer Ebene funktioniert und eine Reihe von Kooperationen sozusagen tagtäglich gelebt und umgesetzt werden, sodass wir bisher ein Bild haben, das weder von dem tatsächlichen Migrationsgeschehen noch von der Kooperationsbereitschaft unser Schweizer Partner zu dem zwingenden Erfordernis der Einführung von Grenzkontrollen führt.

Sollte sich das ändern, ist selbstverständlich eine Option - auch auf Grundlage der nationalstaatlichen rechtlichen Möglichkeiten, die der Schengener Grenzkodex vorsieht -, eine entsprechende Maßnahme zu ergreifen.

Frage: Wir bleiben gleich bei der Schweiz. Ich habe eine Frage an das Auswärtige Amt, bei der es um diese Spionageschichte geht. Ich möchte zunächst einmal fragen, ob Herr Staatssekretär Lindner befriedigende Informationen und Erklärungen von der Schweizer Botschafterin erhalten hat.

Zweite Frage: Ist das eine Belastung für die bilateralen Beziehungen zwischen Deutschland und der Schweiz?

Dritte Frage an das Bundesfinanzministerium: Ich möchte wissen, ob Sie weiterhin das Vertrauen in die Schweiz haben, dass sie ihre Weißgeldstrategie weiter betreibt.

Schäfer: Ich denke, Sie haben gelesen, dass wir gestern die Öffentlichkeit darüber informiert haben, dass unser Staatssekretär Walter Lindner die schweizerische Botschafterin zu einem Gespräch im Zusammenhang mit uns vorliegenden Informationen über mögliche Spionagetätigkeit gebeten hat. Es ist guter Brauch, dass wir die Öffentlichkeit über Dinge unterrichten, die wir an unsere Gesprächspartner gerichtet haben, aber nicht die Öffentlichkeit wissen lassen, was von unseren Gesprächspartnern gesagt worden ist. An diesen guten Brauch möchte ich mich auch in diesem Fall halten.

Zu Ihrer zweiten Frage möchte ich sagen, dass ich denke, dass die deutsch-schweizerischen Beziehungen so eng und so fest sind, dass sie nicht so schnell erschüttert werden können. Auch das hat Staatssekretär Lindner gestern in seinem Gespräch mit der schweizerischen Botschafterin deutlich gemacht, dass jedenfalls wir ein starkes Interesse daran haben - wir gehen aber auch davon aus, dass die Schweiz ein starkes Interesse daran hat -, dass sich dieser Fall nicht negativ auf die bilateralen Beziehungen auswirkt. Das setzt natürlich voraus, dass die Schweiz sich an der Aufklärung der im Raum stehenden Vorwürfe dann eben auch beteiligt.

Kolberg: Sie haben die Zusammenarbeit im Zusammenhang mit der Bekämpfung von Steuerbetrug und grenzüberschreitender Steuerhinterziehung angesprochen. Es gibt den Standard der OECD zum automatischen Informationsaustausch über Finanzkonten. Am 29. Oktober 2014 hat sich die Bundesrepublik Deutschland und haben sich viele andere Staaten, darunter auch die Schweiz, zur Umsetzung eines solchen Informationsaustausches verpflichtet. Die Schweiz wird ab 2018 an diesem Informationsaustausch teilnehmen. Von daher gehen wir davon aus, dass das gemeinsame Ziel weiter verfolgt wird, diese Form von Steuerhinterziehung zu bekämpfen.

Frage: Ich habe eine Frage an Herrn Seibert, und zwar zu den Brexit-Verhandlungen. Es gab am Sonntag einen Artikel in der "F.A.Z.", der vor allen Dingen in Großbritannien sehr hohe Wellen geschlagen hat. Das war ein Bericht über das Treffen zwischen Jean-Claude Juncker und Theresa May. Zunächst einmal wollte ich fragen, ob es ein Telefonat von Herrn Juncker und der deutschen Bundeskanzlerin am Mittwochabend gab und ob es einen Erkenntnisgewinn auf der deutschen Seite gab, der dazu geführt hat, der tatsächlich in die Regierungserklärung am Donnerstag eingeflossen ist.

Dann hat sich Theresa May diese Woche selbst als a "bloody difficult woman" in Bezug auf die Brexit-Verhandlungen beschrieben. Ich wollte Sie fragen, wie die deutsche Bundeskanzlerin ihre Rolle sieht.

StS Seibert: Ich kann und will Berichte über ein Abendessen zweier Politiker, für die ich hier nicht spreche, nicht kommentieren. Ich kann Ihnen lediglich sagen, dass die Regierungserklärung der Bundeskanzlerin unabhängig vom Londoner Abendessen verfasst wurde. Sie war gut überlegt, und sie stand schon am Vortag fest.

Zusatzfrage: Und die zweite Frage?

StS Seibert: Dazu habe ich nichts zu sagen.

Frage : Herr Schäfer, ich wollte zum Nahost-Konflikt kommen. Die Hamas hat gestern oder vorgestern in Doha ein neues Dokument ihrer Absichten vorgestellt, in dem sie gesagt hat, dass sie Grenzen von 1967 anerkennen wolle. Natürlich will sie den bewaffneten Kampf nicht aufgeben und das Existenzrecht Israels nicht anerkennen. Wie bewertet die Bundesregierung dieses Entgegenkommen der palästinensischen Seite? Ist das eine Chance?

Schäfer: Zunächst einmal: "Palästinensische Seite" ist, wenn man von Hamas spricht, nur ein Teil der Wahrheit. Hamas ist ein Teil der politischen Bewegung, die es unter den Palästinensern gibt. Sie können sicher sein, dass wir das, was vorgestern in Doha veröffentlicht worden ist - auch die Art, wie es veröffentlicht worden ist, auch die Vorarbeiten vor der Veröffentlichung, einschließlich der Beteiligung von ganz vielen -, sehr aufmerksam verfolgt haben.

Dass manche der extremistischen Forderungen der Hamas nach langen Jahren aufgegeben worden sind, ist hoffentlich ein Schritt in die richtige Richtung. Das wird nicht zuletzt davon abhängen, ob bei der Hamas und ihrem Verhalten im Rahmen des Nahost-Konflikts Worte und Taten übereinstimmen. Aber selbst wenn die Taten eins zu eins mit den Worten übereinstimmten, gibt es immer noch in diesem Dokument viele Dinge, die für uns schlicht inakzeptabel sind. Das muss man, glaube ich, auch ganz deutlich sagen.

Die Qualifikation der Hamas durch die Bundesregierung kennen Sie. Auch das Verhalten der Hamas im Gazastreifen und die Kritik, die wir immer wieder daran üben, kennen Sie. Uns geht es darum, auch und gerade im Lichte der Ereignisse der letzten Wochen, immer wieder zu versuchen, einen Beitrag dazu zu leisten, dass dieser sogenannte Nahost-Friedensprozess, der ja in den letzten Jahren kein wirklicher Friedensprozess mehr gewesen ist, in Gang kommen kann. Wir sind nicht ganz sicher, ob das, was von der Hamas jetzt geändert worden ist, wirklich ausreichend ist, um einen tatsächlichen Beitrag dazu zu leisten, dass das gelingen kann.

Zusatzfrage : Apropos Schritt in die falsche Richtung und "inakzeptabel": Die israelische Regierung hat vor ein paar Tagen kurz nach dem Besuch von Herrn Gabriel und dem Eklat mit Herrn Netanjahu 15 000 neue Siedlungsprojekte in Ostjerusalem verkündet. Wie bewerten Sie diese Ankündigung von 15 000 neuen Völkerrechtsbrüchen?

Schäfer: Die Zahl, die Sie genannt haben, kann ich nicht bestätigen. Aber ich kann Ihnen versichern, dass wir vor und hinter den Kulissen, dass wir öffentlich und in unseren Gesprächen mit der israelischen Regierung nicht müde werden zu betonen, was wir vom Siedlungsbau halten, nämlich dass wir ihn erstens für völkerrechtswidrig halten und dass wir ihn zweitens für hinderlich für eine Aufnahme und einen erfolgreichen Abschluss von Verhandlungen über eine Zwei-Staaten-Lösung halten. Das hat natürlich der deutsche Außenminister getan, und das werden wir auch weiter tun.

Im Übrigen gibt es zu diesem ganzen Themenkomplex eine Antwort auf eine Kleine Anfrage aus dem Deutschen Bundestag mit Datum 19. April, wo Sie noch einmal im Detail die Haltung der Bundesregierung in einer Antwort an den Deutschen Bundestag nachlesen können, wenn Sie das möchten.

Frage : Ich habe eine Frage zu sogenannten Taliban-Anhängern in Deutschland, die sich an das BMI richtet. Wie viele gibt es davon schätzungsweise in Deutschland, die um Asyl gebeten haben und die verdächtigt werden, Taliban-Anhänger gewesen zu sein oder es immer noch sind?

Eine Frage an das BMJV: Ist das Ministerium damit ein bisschen überlastet, wenn die IS-Anhänger, andere Terrormilizen und jetzt auch die Taliban-Anhänger auffällig sind?

Noch eine Frage an das BMI bezüglich des Engagements der Firma McKinsey: Können Sie bestätigen, dass Praktikanten dieser Firma 2000 Euro am Tag bekommen haben, um für das BAMF tätig gewesen zu sein?

Dimroth: Ich fange mit Ihrer ersten Frage an: Es gibt das Phänomen - darüber haben wir hier auch schon mehrfach gesprochen -, dass es teilweise Schutzsuchende gibt, die mit dem Vortrag beim BAMF vorstellig werden, dass sie sich zumindest in der Vergangenheit dieser Organisation der Taliban angehörig gefühlt haben oder angehörig waren. Ich kann Ihnen hier keine Größenordnung nennen, weil das statistisch in der Form nicht aufgearbeitet wird. Das gilt für sämtliche solche Vorträge. Ich kann Ihnen nur sagen, dass selbstverständlich, wie in jedem anderen Einzelfall auch, auch dort auf der Grundlage der Buchstaben des Gesetzes, der einschlägigen gesetzlichen Vorschriften beim BAMF sehr genau geschaut wird, ob für die Betreffenden einerseits ein Schutzbedarf besteht, selbstverständlich andererseits aber auch, ob sich aus dem Vortrag des Schutzsuchenden möglicherweise ein Anfangsverdacht für strafrechtlich relevantes Verhalten ableiten lässt. Sollte das so sein, werden unverzüglich die Strafverfolgungsbehörden konsultiert.

Im Übrigen: Wenn der Vorwurf, der sich hier möglicherweise ableitet, erheblich genug ist, ergibt sich auch ein Konnex zu dem durch den Antrag eingeleiteten Asylverfahren. Denn ab einer bestimmten Strafhöhe, einer bestimmten Erheblichkeit eines strafbar vorwerfbaren Verhaltens mag das auch Auswirkungen auf den jeweiligen Antrag an sich haben. Wie gesagt, eine konkrete Zahl kann ich Ihnen hier nicht nennen.

Zu Ihrer zweiten Frage, wenn ich die schon vorwegnehmen darf: Das kann ich Ihnen hier nicht bestätigen. Ich kenne aber auch zugegebenermaßen den von Ihnen angesprochenen Sachverhalt nicht im Detail, sodass ich auch gerne zusage, die Frage mitzunehmen. Ich gehe einmal davon aus, dass sie sich zunächst einmal vor allem an die von Ihnen angesprochene Unternehmung richten sollte und nicht so sehr an uns. Nichtsdestotrotz kann ich die Frage gerne mitnehmen und nachhaken, ob bei uns im Ministerium zu diesem Fall Erkenntnisse vorliegen.

Baer-Henney: Vielen Dank für die Frage. Ich ergänze das insoweit: Sie haben sicherlich aus den Medien schon wahrgenommen, dass es tatsächlich einige Verfahren beim Generalbundesanwalt zu diesem Komplex gibt. Der Generalbundesanwalt hat ja schon einige Zahlen genannt. Was die genauen Zahlen angeht, würde ich Sie bitten, sich an die Pressestelle des Generalbundesanwalts zu wenden.

Tatsächlich muss in jedem Einzelfall geprüft werden, ob ein Anfangsverdacht vorliegt. Sicherlich ist das eine Belastung für die Behörde. Aber im Moment ist ja gar nicht absehbar, wie viele Verfahren sich daraus tatsächlich ergeben. Herr Dimroth hat ja gerade schon ausgeführt, dass im Moment die Anzahl der tatsächlichen Fälle noch gar nicht erfasst ist. Insofern bleibt erst einmal abzuwarten, wie sich das entwickelt. Sicher haben wir immer die Belastung des Generalbundesanwalts im Auge. Es erfolgt ja auch ein Austausch von Kräften mit den Bundesländern.

Frage: Eine Frage an das BMJV: In Koblenz ist einer der größten Neonaziprozesse geplatzt, weil der Richter die Altersgrenze erreicht hat und der Ergänzungsrichter nicht zur Verfügung steht. Unabhängig von diesem Fall: Ist das noch zeitgemäß? Ist die Strafprozessordnung noch zeitgemäß, wenn es möglich ist, dass so ein großer, auch international beachteter Prozess platzt, nur weil der Richter die Altersgrenze erreicht?

Baer-Henney: Sie werden sicher Verständnis haben, dass ich zu dem Einzelfall (nichts sagen kann). Ich kenne natürlich das Verfahren. Einzelfragen müssten Sie Koblenz stellen.

Zuruf: Unabhängig, habe ich gesagt!

Baer-Henney: Einiges in dem Verfahren scheint ja wirklich eine längere Verfahrensdauer hervorgerufen zu haben. Wie gesagt, Einzelheiten bitte in Koblenz erfragen.

Ganz generell kann man sagen, dass die Strafprozessordnung Vorschriften für die Unterbrechung und Aussetzung der Hauptverhandlung vorsieht und dass sie insoweit ausreichend sind und den Einzelfällen auch gerecht werden können. Es gibt immer die Möglichkeit, dass auch andere Richter das übernehmen können, wenn sie in der Hauptverhandlung schon zugegen waren. Warum das hier im Einzelfall nicht der Fall war, kann ich Ihnen nicht sagen. Das müssten Sie dann dort erfragen.

Frage: Wie bewerten die Kanzlerin und das Auswärtige Amt die gestrigen und heutigen Entwicklungen in Tschechien? Ist das etwas, was die Bundeskanzlerin und das Auswärtige Amt überrascht hat oder hat man so etwas erwartet?

Könnte das Ende der Regierung von Herrn Sobotka die Kooperation in Sachen Migration oder Brexit negativ beeinflussen?

Schäfer: Wir haben sehr gute und sehr enge Beziehungen mit der tschechischen Regierung gepflegt. Es gehört sich, glaube ich, nicht, von hier aus, von Berlin aus auf die innenpolitisch oder parteipolitisch motivierten Entscheidungen des tschechischen Ministerpräsidenten einzugehen. Wir wünschen uns und hoffen, dass wir bald wieder so gut, so eng und so vertrauensvoll mit einer tschechischen Regierung zusammenarbeiten können, wie das bisher der Fall gewesen ist. Wir sind sehr zuversichtlich, dass das auch gelingen wird.

Vors. Detjen: Herr Seibert, Ergänzungen, Widerspruch?

StS Seibert: Ich habe dem nichts hinzuzufügen.

Frage : Zu den deutsch-amerikanischen Beziehungen: Herr Schäfer, wie bewertet die Bundesregierung die US-Reisewarnung für Europa?

Herr Seibert, Ivanka Trump hat eine Stiftung für weibliche Unternehmerinnen angekündigt. Hat die Bundesregierung oder Frau Merkel selbst finanzielle Zusagen für diese Stiftung gemacht? Das wird jedenfalls in Amerika berichtet.

StS Seibert: Das wird nicht nur in Amerika berichtet, das wurde im Umfeld des W20-Gipfels vergangene Woche hier auch in Deutschland ausgiebig berichtet und in dieser Regierungspressekonferenz besprochen. Es handelt sich im Übrigen nicht um eine Stiftung, sondern um die Initiative, einen Fonds in Verbindung mit der Weltbank einzurichten, der dafür genutzt werden soll, um weibliches Unternehmertum in aller Welt - sowohl in entwickelten wie in weniger entwickelten Ländern - zu fördern. Das ist ein Fonds, in den staatliche Gelder wie auch privatwirtschaftliche Gelder einfließen würden. Das ist der Grundgedanke, der in der Tat von Ivanka Trump bei diesem W20-Gipfel auch vertreten wurde.

Die Bundeskanzlerin, auch andere Teilnehmerinnen dieses W20-Gipfels, haben darauf sehr positiv reagiert. Wir werden das jetzt in die G20-Vorbereitungen hineintragen und für diesen aus unserer Sicht sehr sinnvollen Fonds werben.

Schäfer: Zu der an mich gerichteten Frage, möchte ich sagen: Ich habe das leider nur in den Agenturen gesehen und mir den Text dieser, wie ich annehme, nicht Reisewarnung, sondern Reiseinformation des amerikanischen State Department nicht selber angeschaut. Es ist ein weites Feld, ganz Europa mit Terrorgefahr zu verbinden. Das ist mir jedenfalls aufgefallen. Aber da ich den Text nicht im Detail kenne, erlaube ich mir, den jetzt auch nicht im Detail zu qualifizieren.

Zusatzfrage : Können Sie das nachreichen?

Schäfer: Das versuche ich gerne.

Mittwoch, 3. Mai 2017

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Quelle:
Regierungspressekonferenz vom 3. Mai 2017
https://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2017/05/2017-05-03-regpk.html
Presse- und Informationsamt der Bundesregierung
Dorotheenstr. 84, 10117 Berlin
Telefon: 030 18 272-0, Fax: 030 18 10 272-25 55
E-Mail: internetpost@bpa.bund.de
Internet: www.bundesregierung.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 5. Mai 2017

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