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PRESSEKONFERENZ/1283: Regierungspressekonferenz vom 19. August 2016 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Im Wortlaut
Mitschrift der Pressekonferenz - Freitag, 19. August 2016
Regierungspressekonferenz vom 19. August 2016

Themen: Termine der Bundeskanzlerin (Reise nach Italien und Begegnung mit dem italienischen Ministerpräsidenten sowie dem französischen Präsidenten, Festakt zum 70-jährigen Bestehen des Landes Nordrhein-Westfalen in Düsseldorf, Kabinettssitzung, Reise nach Estland und in die Tschechische Republik, Reise nach Warschau und Begegnung mit den Regierungschefs der Visegrád-Staaten, Empfang von EU-Regierungschefs in Schloss Meseberg, Tag der offenen Tür der Bundesregierung), Studie von McKinsey zur Abschiebung beziehungsweise Rückführung von Ausreisepflichtigen aus Deutschland, Türkei, Gespräche zur Umsetzung des Minsker Abkommens, Ernennung von Werner Faymann zum Sonderbeauftragten der UN gegen Jugendarbeitslosigkeit, angekündigte 48-stündige Feuerpause in Aleppo, Reparationszahlungen der deutschen Regierung an Griechenland, Forderung des Bundesjustizministers nach einer Aufstockung der Stellen bei Bundes- und Landespolizei, Unterstützung der libyschen Küstenwache durch die Bundeswehr, Maßnahmenpaket für mehr Sicherheit in Deutschland, Verzögerung beim Rüstungsprojekt "Meads"

Sprecher: StS Seibert, Chebli (AA), Dimroth (BMI), Malachowski (BMJV), Kolberg (BMF), Flosdorff (BMVg), Alemany (BMWi)


Vorsitzende Maier eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt StS Seibert sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

StS Seibert: Guten Tag, meine Damen und Herren! Zunächst, wie üblich, der Blick auf die öffentlichen Termine der Kanzlerin in der kommenden Woche. Sie werden merken, dass diese Woche sehr im Zeichen europäischer Gespräche und Begegnungen steht.

Am Montag reist die Bundeskanzlerin nach Italien, auf die Insel Ventotene. Ventotene liegt im tyrrhenischen Meer, geografisch grob gesagt schräg gegenüber vor Neapel. Sie trifft sich dort mit dem italienischen Ministerpräsidenten Renzi und dem französischen Präsidenten Hollande. Das ist also eine Fortsetzung der Gespräche, die in diesem Format auf Einladung der Bundeskanzlerin schon Ende Juni hier in Berlin geführt wurden. Dieser Termin dient wie mehrere, die ich gleich noch ankündigen werde, der Vorbereitung des informellen Treffens der 27 EU-Mitgliedsstaaten sowie natürlich der Präsidenten des Europäischen Rates und der Europäischen Kommission, das am 16. September in Bratislava stattfinden soll.

Am Dienstag fliegt die Bundeskanzlerin nach Düsseldorf. Dort steht der Festakt zum 70-jährigen Bestehen des Landes Nordrhein-Westfalen an, bei dem sie eine Festrede halten wird. Der Festakt findet am Dienstag in der Düsseldorfer Tonhalle von 19.00 bis 20.45 Uhr statt. An dem Festakt wird auch Prinz William, der Herzog von Cambridge, als Vertreter Großbritanniens teilnehmen.

Am Mittwoch um 9.30 Uhr findet wie üblich die Sitzung des Bundeskabinetts statt.

Anschließend reist die Bundeskanzlerin nach Estland und von dort aus in die Tschechische Republik. Am Mittwoch wird sie in Tallinn erst ein Gespräch mit dem estnischen Ministerpräsidenten Taavi Rõivas führen. Im Anschluss findet gegen 16.45 Uhr eine Pressekonferenz statt. Die Kanzlerin wird in Estland auch das Kompetenzzentrum der Nato - Center of Excellence - für gemeinschaftliche Verteidigung im Cyberbereich besuchen. Dann gibt es ein Abendessen mit dem estnischen Ministerpräsidenten.

Am Vormittag des Donnerstags, des 25. Augusts, wird es eine Begegnung mit jungen estnischen Führungskräften geben, bevor die Kanzlerin mit dem estnischen Präsidenten Toomas Hendrik Ilves in dessen Amtssitz zusammentrifft. Anschließend wird sie sich den sogenannten e-Estonia Showroom anschauen und sich dort über die digitale Agenda der estnischen Regierung informieren. Nach einer Präsentation wird sie dort eine Rede halten. Sie wissen sicherlich, dass Estland bei dem Thema der digitalen Verwaltung eine absolute Vorreiterrolle in Europa einnimmt.

Am Donnerstagmittag wird sie dann nach Prag in die Tschechische Republik weiterreisen. Sie wird durch den tschechischen Ministerpräsidenten Bohuslav Sobotka in dessen Amtssitz begrüßt werden. Dann wird es ein Gespräch geben, an das sich gegen 15.00 Uhr eine gemeinsame Pressebegegnung anschließt. Dann wird die Kanzlerin die Tschechische Technische Universität Prag besuchen, sich über deutsch-tschechische Projekte und Kooperationsvorhaben im Bereich Industrie 4.0 informieren und dann ein Gespräch mit dem Präsidenten der Tschechischen Republik, Milos Zeman, führen. Den Abschluss der Reise wird ein Abendessen auf Einladung des tschechischen Ministerpräsidenten mit verschiedenen Mitgliedern seiner Regierung bilden.

Eine weitere Reise der Bundeskanzlerin folgt am Freitag, den 26. August. Sie reist nach Warschau und wird dort zunächst mit der polnischen Ministerpräsidentin, Beata Szydło, ein bilaterales Gespräch führen. Anschließend nimmt sie an einem Mittagessen mit den Regierungschefs der Visegrád-Staaten teil, also von Polen, Ungarn, Tschechien und der Slowakei. Auch diese Gespräche - ich habe es vorhin schon gesagt - dienen der Vorbereitung des informellen Treffens der 27 EU-Mitgliedsstaaten in Bratislava Mitte September.

Sie kehrt dann aus Warschau zurück und wird am Freitag ab 17.30 Uhr die Ministerpräsidenten der Niederlande, Rutte, Schwedens, Löfven, Finnlands, Sipilä, und Dänemarks, Rasmussen, zu einem Abendessen auf Schloss Meseberg empfangen. Unmittelbar vor dem Abendessen gibt es noch ein bilaterales Gespräch mit Ministerpräsident Rutte.

Am Samstag, den 27. August, trifft sie ebenfalls auf Schloss Meseberg die Regierungschefs Sloweniens, Cerar, und Bulgariens, Borissow, Bundeskanzler Kern aus Österreich und den kroatischen Ministerpräsidenten Ore+353;ković zu einem Mittagessen.

Wir hatten schon angekündigt, dass der Samstag und der Sonntag die diesjährigen Tage der offenen Tür sind. Sie bieten Bürgerinnen und Bürgern wiederum die Möglichkeit, das Kanzleramt, das Bundespresseamt und die Bundesministerien zu besuchen. Es gibt ein sehr interessantes, abwechslungs- und facettenreiches Programm. Sie finden es unter www.bundesregierung.de. Schon traditionell wird die Bundeskanzlerin im Kanzleramt am Sonntagnachmittag an dem Tag der offenen Tür teilnehmen, dort einen Rundgang machen und hoffentlich vielen Bürgern begegnen. Vorher, ebenfalls am Sonntag, zwischen 11 und 13 Uhr wird Kanzleramtsminister Altmaier die Gäste im Kanzleramt begrüßen

Wir veranstalten wie in jedem Jahr ein Pressefrühstück - in diesem Jahr mit meiner Stellvertreterin Frau Demmer -, um sie über die Einzelheiten des vielseitigen Programms der verschiedenen Häuser zu unterrichten. Es findet am Dienstag, den 23. August, um 10 Uhr im Presse- und Besucherzentrum des BPA statt.

Soweit der Blick auf die zahlreichen Termine der kommenden Woche

Frage: Herr Seibert, angesichts der aktuellen wirtschaftlichen Schwierigkeiten ihres Landes hofft die italienische Regierung auf noch größere Flexibilität bei den europäischen Haushaltsregeln, insbesondere beim Haushaltsdefizit. Wird es dazu in Ventotene auch ein Zweiergespräch zwischen der Bundeskanzlerin und dem italienischen Ministerpräsidenten geben, wie zurzeit spekuliert wird, oder wird das Thema sonst in irgendeiner Form eine Rolle spielen?

Ist die Bundeskanzlerin bereit die Forderung des italienischen Ministerpräsidenten nach mehr Flexibilität zu unterstützen?

StS Seibert: Das ganz genaue Programm für Ventotene, Minute für Minute, liegt mir noch nicht vor. Ich kann Ihnen sagen, dass es zunächst ein Dreiertreffen ist. So ist es geplant; so hat es auch Ende Juni hier in Berlin stattgefunden. Das Thema, das die drei dort zusammenbringt, ist ganz klar die gemeinsame Vorbereitung des informellen Treffens zur Zukunft der EU am 16. September in Bratislava. Was sonst noch zur Sprache kommen mag, kann ich hier nicht voraussehen.

Über das andere Thema ist hier ja häufig gesprochen worden. Der Bundesregierung - das kann der Vertreter des Finanzministeriums wahrscheinlich noch sehr viel besser ausführen - ist eine glaubwürdige Durchführung und Einhaltung des Stabilitäts- und Wachstumspaktes sehr wichtig. Daran hat sich nichts geändert. Flexibilitäten existieren und werden angewandt. Aber das sind keine im eigentlichen Sinne bilateralen Themen, sondern das ist etwas, worauf die Europäische Kommission zu achten hat.

Frage: Wissen Sie, ob sich die Kanzlerin angesichts des Anstiegs der Flüchtlingszahlen im vergangenen Monat in Italien vor Ort ein Bild machen und ob das ein Thema sein wird?

StS Seibert: Was meinen Sie mit "sich vor Ort ein Bild machen"?

Zusatz: Es gehen ja viele in Italien an Land. Vor allem im letzten Monat, im Juli, ist die Zahl noch einmal erheblich gestiegen. Die Italiener sind besorgt. Die Frage ist, ob der Flüchtlingsstrom über das Mittelmeer und eine mögliche Verteilung von Flüchtlingen ein Thema sein wird.

StS Seibert: Die Frage, wie sich Europa der Herausforderung durch die Flüchtlingssituation und auch durch die Migrationsbewegungen auf Europa zu stellt, ist eine der Zukunftsfragen Europas. Ich bin ganz sicher, dass sie auch zur Sprache kommt.

Was das Programm betrifft, ist außer dem Besuch auf Ventotene und dem Treffen, das dann auf dem italienischen Hubschrauberträger Giuseppe Garibaldi stattfinden wird, der im Übrigen an der Operation Sophia im Mittelmeer beteiligt war, kein weiterer Programmpunkt vorgesehen.

Frage: Der tschechische Präsident Milos Zeman ist der Meinung, dass Tschechien gar keine Flüchtlinge aufnehmen soll, das heißt, dass es auch nicht die EU-Quote erfüllen soll. Wie ist seine Meinung im Kanzleramt und auch im Auswärtigen Amt wahrgenommen worden?

Wird die Bundeskanzlerin mit ihm über diese Themen sprechen wollen?

StS Seibert: Ich kann dem Gespräch der Bundeskanzlerin mit dem tschechischen Präsidenten natürlich nicht vorgreifen. Klar ist, dass europäische Beschlüsse, die von allen europäischen Staaten getroffen worden sind, dann auch von allen einzuhalten sind. Klar ist auch, dass es aus unserer Sicht kein nationales Vorgehen einzelner Nationen geben kann, das dieser großen europäischen Herausforderung durch die Migration und die Flüchtlingsbewegungen gerecht wird. Deswegen müssen wir uns als Europäer in der Lage zeigen, zu reagieren. Das ist glücklicherweise längst eingeleitet worden. Auf vielen Gebieten haben die Europäer gemeinsam Fortschritte erzielt, etwa beim europäischen Außengrenzenschutz, bei der Stärkung von Frontex und EASO. Andere Beispiele sind zu nennen, etwa die Einrichtung von Hotspots etc., vor allem auch das Zustandekommen eines EU-Türkei-Flüchtlingsabkommens.

An diesen gemeinsamen europäischen Fortschritten weiterzuarbeiten, das ist der deutsche Ansatz. Für ihn wird die Bundeskanzlerin sicherlich auch in Prag und bei ihren anderen Terminen werben.

Chebli: Dem habe ich aus Sicht des Auswärtigen Amtes nichts hinzuzufügen. Das ist genau die Linie.

Zusatzfrage: Inwieweit hat die Migrationskrise die deutsch-tschechischen Beziehungen verändert? Aus Diplomatenkreisen kann man auch hören, dass die gemeinsamen Beziehungen jetzt viel schwieriger sind. Danke.

StS Seibert: Ich möchte hier keine pauschale Einschätzung treffen. Die bilateralen deutsch-tschechischen Beziehungen sind nach unserer Überzeugung sehr gut. Es gibt intensive Kontakte, vor allem auch auf der Ebene der Menschen. Das ist immer das Allerwichtigste.

Es gibt, wie niemand übersehen kann, auch Meinungsverschiedenheiten, gerade zum Thema der Flüchtlingspolitik. Aber Europa besteht auch daraus, dass man Meinungsverschiedenheiten im Gespräch und dadurch, dass man immer wieder miteinander redet und verhandelt, zu einer gemeinsamen Haltung zusammenführt.

Frage: Ich möchte die Frage spezifizieren. Ist das Thema Migration und Flüchtlinge eines der Themen, mit denen die Bundeskanzlerin nach Prag fährt? Ist das also ein Thema, das sie mit Premierminister Sobotka besprechen möchte?

Eine Zusatzfrage: Kommt es zu dem Treffen mit Präsident Milos Zeman auf Wunsch der Bundeskanzlerin? Danke.

StS Seibert: Es ist auch bei anderen Reisen nach Prag, die die Bundeskanzlerin in der Vergangenheit unternommen hat, üblich gewesen, dass sie den Ministerpräsidenten und den Präsidenten getroffen hat. Deswegen wird auch diesmal genauso verfahren.

Zu Ihrer ersten Frage: Die Gespräche, die die Bundeskanzlerin in Prag führen wird, dienen wie eine Fülle anderer Gespräche auch, die sie nächste Woche mit anderen europäischen Regierungschefs führt, dazu - ich habe es schon gesagt -, das informelle Treffen der EU 27 am 16. September in Bratislava vorzubereiten. Das ist der Hauptzweck. Ich bin ganz sicher, dass auch das Thema der Migration, weil es eine gesamteuropäische Herausforderung ist, bei diesen Gesprächen zur Sprache kommen wird.

Aber im Wesentlichen geht es der Bundeskanzlerin bei der Fülle von europäischen Gesprächen in der kommenden Woche und danach darum, den Präsidenten des Europäischen Rates Donald Tusk bei der Vorbereitung des Bratislava-Treffens zu unterstützen und ihren Teil dazu beizutragen, dass der vereinbarte Reflexionsprozess, den man miteinander darüber, wie sich die EU weiterentwickeln soll, durchführen will, ein Erfolg wird. Darüber hat sie übrigens gestern mit Donald Tusk in Meseberg ausführlich gesprochen. Sie will eine möglichst breite Diskussion mit möglichst vielen beteiligten Akteuren unterstützen - deswegen die Fülle der Treffen. Sie möchte dazu beitragen, dass die vielen Gespräche, die sie führt, die auch andere untereinander führen und die natürlich auch Präsidenten Tusk führt, am Ende des Reflexionsprozesses dazu beitragen, dass das, worauf man sich einigt, möglichst breite Akzeptanz in den Mitgliedsstaaten und den Bevölkerungen findet. Genau aus diesem Grunde gibt es die jetzt angekündigten Gespräche. Die Gespräche in Prag gehören dazu.

Frage: Herr Seibert, Sie haben uns erzählt, mit wem sie sich trifft und dass ein Diskursprozess, ein Reflexionsprozess angestrebt wird. Mich würde interessieren, mit welchen Grundideen oder Grundvorgaben Frau Merkel selber in diese Gespräche geht und was sie für diesen Gipfel zu erreichen hofft.

StS Seibert: Einiges habe ich dazu bereits gesagt. Ich denke, die EU 27 selber haben die thematischen Schwerpunkte schon bei ihrem Brüsseler Treffen unmittelbar nach dem Ergebnis des britischen Referendums gesetzt. Es geht um die Stärkung der inneren und äußeren Sicherheit. Es geht um die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit und der Innovationsfähigkeit Europas, und schließlich geht es auch darum, wie bessere Perspektiven für junge Menschen in Europa geschaffen werden.

Bei all dem geht es nicht so sehr um strukturelle und institutionelle Fragen, sondern es geht darum, sich zu fragen, wie Europa erfolgreich werden und wie Europa auf diesen Gebieten Ergebnisse vorweisen kann. Das wird der Schwerpunkt der Gespräche der Bundeskanzlerin sein.

Zusatzfrage: Heißt das, dass die Kanzlerin der Auffassung skeptisch gegenübersteht, dass eine grundsätzliche Änderung des institutionellen Gefüges in Europa durchaus ein Ziel sein könnte? Eine solche Forderung ist durchaus auch aus anderen Ländern manchmal zu vernehmen.

StS Seibert: Nein, das heißt es nicht. Das habe ich auch nicht gesagt. Aber das ist jetzt nicht der Schwerpunkt der Gespräche. Man will über Themen sprechen. Man will über Ergebnisse sprechen, über praktisches Handeln, das für jeden europäischen Bürger sichtbar Ergebnisse zeitigt.

Ich will auch noch dazusagen: Wenn wir hier von einem Reflexionsprozess sozusagen hin auf Bratislava sprechen, dann muss uns bewusst sein, dass das in Bratislava kein Ende nehmen und in Bratislava nicht zu Beschlüssen führen wird, nach denen der Reflexionsprozess vorbei wäre, sondern dass das ein längerer Prozess ist, der dort nicht abgeschlossen wird, der aber dann zum ersten Mal alle 27 wieder zusammenführt.

Frage: Mich interessiert zum einen, wer die Bundeskanzlerin zu dem Visegrád-Treffen eingeladen hat.

Zum anderen interessiert mich, welcher Sinn hinter der Zusammensetzung der nach Meseberg eingeladenen Gäste steht.

StS Seibert: Wie ich es gesagt habe, geht es darum, eine breite Diskussion mit möglichst vielen beteiligten Akteuren, die möglichst viele europäische Mitgliedsstaaten repräsentieren, zu führen. Im Übrigen ist das, was ich Ihnen an Terminen für die kommende Woche genannt habe, noch nicht das Ende der Fahnenstange, sondern es wird auch noch weitere Gespräche geben. Aber wir kündigen die Termine ja immer rechtzeitig und nicht zu früh an.

Es geht also darum, möglichst breit aufgestellt mit möglichst vielen unserer europäischen Partner zu sprechen, und zwar ergebnisoffen. Deswegen will ich diesen Diskussionen auch nicht vorgreifen. Es gibt durchaus unterschiedliche Ansätze in Europa - das ist jedem bekannt -, aber es gibt die Einigung der 27, über diese ganz konkreten Schwerpunkte zu sprechen und sich auf sie zu konzentrieren. Das wird die Bundeskanzlerin unterstützen. Das tut natürlich auch und in erster Linie der Präsident des Europäischen Rates.

Wenn Sie jetzt so wollen, können Sie das so werten, dass da regionale Schwerpunkte gesetzt wurden. Es wird aber sicherlich auch Runden von Regierungschefs geben, die durchaus aus unterschiedlichen Richtungen kommen. Es gibt neben diesen zahlreichen persönlichen Begegnungen natürlich Telefonate und andere Gespräche. Die Bundeskanzlerin ist in den Wochen seit dem britischen Referendum ja auch schon mit einigen europäischen Ministerpräsidenten und Regierungschefs zusammengetroffen.

Frage: Die Bundesregierung hat zu Beginn des Monats angekündigt, McKinsey zurate zu ziehen, um den Abschiebeprozess von abgelehnten Asylbewerbern zu beschleunigen. Gibt es neuere Informationen oder mehr Details dazu, wie und wo genau der Prozess verbessert werden soll?

Dimroth: Vielen Dank für Ihre Frage. Der darin enthaltene Tatsachenkern ist richtig: Auf Initiative des Bundesinnenministeriums ist eine solche begleitende Studie in Auftrag gegeben worden, und zwar unter Beteiligung einiger Pilotländer, die sich daran beteiligen.

Beim zweiten Teil der Frage fällt mir die Beantwortung etwas schwer, weil genau Gegenstand dieser in Auftrag gegebenen Begutachtung die Frage ist, wo in diesem gesamten Komplex, der ja sozusagen sehr vielfältig ist und auch auf vielfältigen staatlichen Ebenen verantwortet wird - also beginnend mit den Kommunen über die Bundesländer bis hin zum Bund -, möglicherweise Defizite oder Schnittstellen, die besser bearbeitet werden könnten, bestehen, um - das ist ja auch wieder durch die aktuelle Berichterstattung deutlich geworden - eben Hindernisse in Bezug auf unser gemeinsames Ziel auszuräumen, für diejenigen, die in Deutschland keinerlei Perspektive haben, hier rechtmäßig Aufenthalt zu erhalten, eine Rückführung und, soweit das auf dem freiwilligen Wege nicht geht, eben auch eine Abschiebung so effektiv wie möglich umzusetzen.

Frage: Zwei Fragen zum Thema Türkei, zum einen: Die türkische Botschaft hat die Erwartung geäußert, dass der Beitritt der Türkei zur EU spätestens bis zum Jahr 2023 vollzogen wird. Ich würde gerne wissen, ob das für realistisch gehalten wird.

Gestern hatte der türkische Europaminister gefordert, dass die Bundesregierung Gülen-Anhänger an die Türkei ausliefern solle. Ich wüsste auch gerne, wie diese Forderung gehandhabt wird.

StS Seibert: Wollen wir mit den Gülen-Anhängern anfangen? Dafür bin ich jetzt nicht so sehr zuständig.

Dimroth: Dafür bin ich, glaube ich, auch nur in Teilen zuständig, aber ich vermute, diejenigen hier auf der Bank, die in anderen Teilen dafür zuständig wären, würden meiner Antwort, die gleich folgen wird, auch nichts hinzuzufügen haben. Es gibt auch für solche Fragen in Deutschland bestehende gesetzliche Regelungen, und die gelten selbstverständlich in jedem Einzelfall, sozusagen völlig unabhängig davon, wie oder was hier auf politischer Ebene gefordert wird. Diese gesetzlichen Vorgaben müssen in jedem Einzelfall, in dem ein solches Begehren die deutsche Regierung erreicht, geprüft werden, und es muss auf Grundlage der gesetzlichen Regelungen entschieden werden - völlig ohne Ansehen einer wie auch immer gearteten politischen Forderung dazu.

Zusatzfrage: Können Sie die gesetzlichen Vorgaben kurz umreißen?

Dimroth: Dafür müsste ich dann, glaube ich, tatsächlich an das BMJV abgeben.

Malachowski: Da gibt es ein Auslieferungsabkommen zwischen Deutschland und der Türkei. Ich kann jetzt leider nicht daraus zitieren - ich habe es nicht mitgenommen -, aber ich kann das vielleicht nachreichen oder wir können im Anschluss noch einmal kurz darüber reden.

StS Seibert: Zum ersten Teil Ihrer Frage: Europa und die Türkei befinden sich bekanntlich in einem ergebnisoffenen Prozess von Beitrittsverhandlungen. Einige Kapitel sind eröffnet, andere Kapitel sind es nicht. Wir haben hier in den vergangenen Tagen mehrfach erklärt, dass es die Bundesregierung gegenwärtig nicht für denkbar hält, neue Verhandlungskapitel zu eröffnen. Aber im Übrigen ist das natürlich eine Frage, die dann ohnehin der Einstimmigkeit der Mitgliedstaaten bedarf. Ich bin nicht in der Lage, jetzt zeitliche Einschätzungen dazu abzugeben, wie dieser Prozess von Beitrittsverhandlungen weiter verlaufen wird. Sie sind, wie gesagt, ergebnisoffen. Schon daraus ergibt sich, dass ich hier nicht den Zeitpunkt eines möglichen Beitritts nennen kann oder nennen möchte.

Frage: Ich hätte eine Frage an das Auswärtige Amt. In der kommenden Woche - so ist es den Terminen zu entnehmen - wird Staatssekretär Roth in die Türkei fahren. Meine Frage ist, mit wem er sich dort treffen wird und welche Gespräche er dort führen wird, und zweitens, warum der Außenminister nicht selbst hinfährt.

Chebli: Zu der ersten Frage, was das Programm des Staatsministers angeht: Das müsste ich nachliefern. Ich habe es jetzt im Detail nicht parat. Das würde ich dann über den großen Verteiler schicken.

Warum der Außenminister jetzt nicht reist: Der Minister ist ständig im Gespräch - nicht nur er, sondern das gilt für verschiedenste Ebenen im Auswärtige Amt - mit unseren türkischen Partnern. Zuletzt war Ederer in der Türkei. Nächste Woche wird Roth fliegen. Ich gehe davon aus, dass auch der Minister persönlich in nächster Zeit in die Türkei reisen wird. Es gibt auch einige andere Treffen im internationalen Rahmen, bei denen es sicherlich eine Begegnung des deutschen Außenministers mit dem türkischen Außenminister geben wird. Insofern kann ich Ihnen jetzt kein konkretes Datum für ein Treffen nennen, aber Sie können davon ausgehen, dass der Austausch eng ist und dass es in nächster Zeit sicherlich auch zu direkten Gesprächen kommen wird.

Frage: Die Bundeskanzlerin hat sich gestern auf einer Wahlkampfveranstaltung auch zum Thema der Russland-Sanktionen geäußert und dort gesagt, dass heute Gespräche darüber stattfinden würden, also insbesondere über die Umsetzung des Minsk-Abkommens. Sie hat jetzt allerdings nicht erwähnt, mit wem und in welchem Rahmen die Gespräche stattfinden. Vielleicht könnten Sie uns da weiterhelfen, Herr Seibert oder Frau Chebli.

Chebli: Mir ist nicht bewusst, dass heute Gespräche stattfinden, jedenfalls nicht auf politischer Ebene. Es finden ständige Gespräche zwischen den Experten zum Thema der Umsetzung von Minsk statt. Dazu, wie wir zum gegenwärtigen Stand der Umsetzung von Minsk stehen, habe ich mich und hat sich auch der Minister in einem Interview ja ziemlich ausführlich geäußert. Der Minister hat gesagt: Wir können mit der Bilanz nicht zufrieden sein. Vor allem bei der Frage der Sicherheit gibt es keine Fortschritte. Auch was das Rahmenabkommen angeht, das wir gerade mit beiden Seiten zur Entflechtung der Konfliktparteien zu erzielen versuchen, stecken wir in einer Sackgasse. Auch hinsichtlich der Frage des politischen Prozesses und von Lokalwahlen gibt es leider nicht die Fortschritte, die wir uns wünschen.

Aber es bleibt dabei: Trotz der schwierigen Lage, in der wir stecken, und trotz der Rückschläge, die wir in diesem ganzen Prozess immer wieder erleben, muss es darum gehen, dranzubleiben und alles im Normandie-Format zu tun, damit Minsk umgesetzt wird. Nur das kann ich Ihnen dazu sagen.

StS Seibert: Wenn ich irgendetwas zur Beantwortung Ihrer Frage nachreichen kann, dann werde ich das tun.

Frage: In der Flüchtlingskrise hat der damalige österreichische Bundeskanzler Faymann sehr eng mit der Bundeskanzlerin zusammengearbeitet - bis zu einem bestimmten Moment; dann war genau das Gegenteil der Fall. Mittlerweile hat Faymann den ehrenamtlichen Job als Sondergesandter der Vereinten Nationen für Weltjugendarbeitslosigkeit aufgenommen. Ist das etwas, das für Deutschland relevant sein kann?

StS Seibert: Die Bundesregierung begrüßt die Ernennung von Werner Faymann zum Sonderbeauftragten der UN gegen Jugendarbeitslosigkeit. Gerade die derzeitige Flüchtlingskrise macht ja deutlich, wie wichtig es ist, dass vor allem in Ländern mit hohem Bevölkerungswachstum - ich denke jetzt an Afrika, aber keineswegs nur an Afrika - die jungen Generationen berufliche Perspektiven haben. An der Frage, ob es gelingt, den vielen jungen Menschen in diesen Ländern eine Zukunft im eigenen Land und auch eine wirtschaftliche Zukunft im eigenen Land zu geben, wird sich natürlich vieles entscheiden. Insofern ist das eine sehr, sehr wichtige Aufgabe. Die Bundesregierung wünscht Werner Faymann für diese neue Herausforderung Glück und Kraft.

Frage: Ich wüsste gerne etwas zur möglichen Feuerpause in Aleppo. An das Auswärtige Amt: Gibt es schon genauere Details dazu, wann die möglicherweise stattfinden soll?

Gab es nach dem Treffen in Jekaterinburg noch weitere Kontakte mit den Russen?

Chebli: Vielen Dank für Ihre Frage. In der Tat scheint es nach den tragischen Nachrichten und Bildern der vergangenen Wochen und der letzten Tage, die uns sehr berührt und wahrscheinlich alle zusammen erschüttert haben, zum ersten Mal seit langer Zeit wieder einmal einen ganz kleinen Hoffnungsschimmer zu geben. Eine 48-stündige Waffenruhe für Aleppo ist angekündigt. Das wäre ein entscheidender Schritt, damit wir es endlich schaffen, die Menschen vor Ort mit Nahrungsmitteln, mit medizinischer Hilfe und mit sauberem Wasser versorgen zu können. Der Außenminister hat dies gestern - vielleicht haben Sie das gesehen - auch begrüßt.

Es ist so, dass der Minister nach seinem Gespräch mit Außenminister Lawrow in permanentem Kontakt mit den Vereinten Nationen und mit dem Sonderbeauftragten Staffan de Mistura stand, um genau die Einzelheiten und Voraussetzungen für längere Waffenpausen zu klären, und gemeinsam mit ihnen im Gespräch darüber stand, wie diese Modalitäten aussehen können. Umso mehr sind wir erfreut, dass es gestern zumindest die Bereitschaft seitens der russischen Seite gab, sich auf diese 48-stündige Waffenruhe einzulassen. Wir haben hier ja mehrfach gesagt, dass die einseitige Waffenruhe von drei Stunden, die vorher angekündigt wurde, definitiv nicht dafür reicht, dass die Helfer Aleppo sicher erreichen. Der Minister hat viele Gespräche mit den russischen Kollegen, aber auch mit den Amerikanern geführt. Unsere Haltung dazu war immer ganz klar: Aleppo braucht dringend Hilfe.

Zu Ihrer konkreten Frage, was die Details angeht: Darum geht es jetzt. Jetzt müssen rasch die Details dessen geklärt werden, wie man sich diese 48-stündige Waffenruhe vorstellt. Dafür ist es entscheidend, dass Russland mit allen Konfliktparteien spricht. Nur dann sind die Vereinten Nationen auch in der Lage, wirklich humanitäre Hilfe nach Ostaleppo zu bringen und die Strom- und Wasserversorgung instand zu setzen. Wir als Deutschland und als deutsche Bundesregierung stünden auch sofort bereit, die Umsetzung dieser 48-stündigen Waffenruhe mit humanitärer Hilfe konkret zu unterstützen, die wir ja in Syrien leisten.

Gleichwohl sind wir weiterhin in Sorge darüber, was außerhalb dieser 48 Stunden geschieht. So fordert vor allem den Einsatz von ungelenkter Munition gerade in städtischen Gebieten wie Aleppo viele Opfer, wie wir ja gesehen haben. Deswegen ist es wichtig, in der Zeit bis zu dieser Umsetzung der Waffenruhe alles zu unterlassen, was zu einer weiteren Eskalation führen kann. Es ist wichtig, dass die Zahl der Kampfhandlungen - wie wir es ja häufig in der Vergangenheit gesehen haben, wenn Waffenruhen ausgerufen wurden - in dieser Zeit nicht auf einmal massiv steigt; das darf nicht passieren. Die Zeit muss genutzt werden, damit die Zahl der Kampfhandlungen sinkt und letztendlich nicht noch mehr Menschen sterben.

StS Seibert: Völlige Zustimmung zu dem, was Frau Chebli für das Auswärtige Amt gesagt hat! Ich will für die Bundeskanzlerin auch noch einmal sagen, dass sie es sehr begrüßt, dass Russland dieser Forderung der UN nun folgen will, eine 48-stündige Feuerpause für die aufseiten des Regimes kämpfenden Gruppen sicherzustellen und sie dann auch selbst einzuhalten. Es ist gut und wichtig, dass der Außenminister diese Forderung auch nachhaltig bei seinen Gesprächen in Russland vertreten hat. Wir sehen neben Russland auch den Iran in einer besonderen Pflicht. Wir ermutigen dazu, dass dieser Ankündigung jetzt nun auch wirklich Taten folgen, und rufen alle Konfliktparteien auf, diese Feuerpause einzuhalten.

Der UN-Sonderbeauftragte de Mistura hatte ja seit Längerem auf wöchentliche 48-Stunden-Waffenruhen gedrungen, damit die hilfsbedürftigen Menschen in Aleppo eben mit dem Nötigsten an Nahrungsmitteln und Medikamenten versorgt werden können. Es darf also nicht bei einer einmaligen Feuerpause bleiben. Das kann nur ein allererster Schritt sein, um die menschenverachtende Gewalt in Syrien zu beenden.

Es bedarf, um eine Lösung des Konflikts herbeizuführen, einer Waffenruhe in ganz Syrien. Es bedarf eines ungehinderten, nachhaltigen und UN-kontrollierten Zugangs zu allen belagerten Gebieten, und es bedarf einer Wiederaufnahme des politischen Prozesses. Da bleibt Russland eben auch aufgerufen, seinen politischen Einfluss vollumfänglich geltend zu machen. Es kann militärisch kein dauerhaftes Ende des Konfliktes erreicht werden. Die täglichen Berichte und Bilder aus Aleppo, Idlib und anderen Orten zeigen uns ja, welch unglaubliche Last und welch unglaubliches Leiden das für die Zivilbevölkerung bedeutet. Es ist höchste Zeit, dass die Konfliktparteien und die sie unterstützenden Staaten - insbesondere eben auch Russland und der Iran - das erkennen und dass sie gemeinsam an einer politischen Transition in Syrien arbeiten. Das würde im Übrigen auch die Schlagkraft gegen Terrorgruppen wie den sogenannten IS erhöhen.

Zusatzfrage: Sie hatten gerade erwähnt, dass Russland jetzt auf alle Konfliktparteien zugehen müsse. Wo genau sehen Sie denn da noch die Herausforderungen?

Ich wüsste auch gerne: Können Sie überhaupt eine zeitliche Einschätzung wagen?

Chebli: Nein, ich kann keine zeitliche Einschätzung wagen. Ich kann nur sagen, dass wir hoffen und auch weiterhin mit Russland, mit den Amerikanern und mit den Vereinten Nationen darüber im Gespräch sein werden, dass diese Ankündigung der 48-Stunden-Waffenruhe schnell umgesetzt wird.

Zu Ihrer zweiten Frage: Entschuldigung, die habe ich jetzt nicht verstanden.

Zusatz: Sie hatten noch einmal erwähnt, dass Russland auf alle Konfliktparteien zugehen müsse.

Chebli: Genau. Das eine ist ja, dass Russland seine Bereitschaft erklärt, und das andere ist - das ist noch einmal ein anderes Feld -, dass sich natürlich auch die Opposition zu einer Waffenruhe bekennen muss; sonst funktioniert es nicht. Aber wir haben ja in diesem Raum auch mehrfach gesagt, wie wichtig es ist, dass eine Abstimmung zwischen den Amerikanern und Russen stattfindet. Das ist letztendlich auch die Voraussetzung dafür, nehme ich an. Wenn wir darüber reden, dass jetzt die Details geklärt werden, dann geht es vor allem darum, dass die beiden miteinander sprechen. Das geschieht auch gerade unter Hochdruck, wie wir wissen. Ich hoffe, dass bei diesen Gesprächen dann auch schnell eine Klärung dessen erfolgen wird, wie sich Russland die Umsetzung dieser 48-Stunden-Waffenruhe vorstellt.

Frage: Frau Chebli, China hat sich bereiterklärt, mit der Assad-Regierung eine Militärkooperation einzugehen. Gibt es dazu von Ihnen eine Stellungnahme?

Wie sehen Sie Chinas Rolle in Syrien für die Zukunft?

Chebli: Das, was Sie gerade ansprechen, habe ich auch gesehen. Aus unserer Sicht macht das die ganze Lage noch komplizierter. Es ist so, wie Herr Seibert es gesagt hat: Der Konflikt kann nicht militärisch gelöst werden. Letztendlich verkomplizieren solche Schritte den Prozess weiter.

Zusatzfrage: Gab es dazu irgendwelche Gespräche mit der chinesischen Seite, um sie zu überzeugen, nicht in Syrien zu intervenieren oder die Zusammenarbeit mit der Assad-Regierung zu vertiefen?

Chebli: Nein, diese gab es, soweit ich das von dieser Stelle aus bewerten kann, nicht.

Ich kann Ihnen nur noch einmal sagen: In der jetzigen Situation ist es wichtig, dass alle an den Kampfhandlungen beteiligten Parteien zu einer Waffenruhe zurückkehren und dass es für den Konflikt nur eine politische und keine militärische Lösung geben kann.

Frage: Der griechische Ministerpräsident hat, glaube ich, am Dienstag anlässlich einer Gedenkveranstaltung in West-Griechenland zu Ehren von über 300 zivilen Opfern eines deutschen Wehrmachtsmassakers erklärt, dass Griechenland seine Entschädigungsforderungen gegenüber Deutschland aufrechterhält. Man werde zur Erfüllung der Forderungen sowohl auf diplomatischer und, falls nötig, auch auf gerichtlicher Ebene vorgehen. Man habe erstmals als Griechenland eine nationale Strategie. Dabei erwähnte der Ministerpräsident auch den Bericht einer Parlamentskommission, in dem zum ersten Mal konkrete Zahlen, konkrete Forderungen, aber auch Schritte benannt werden, um das griechische Anliegen international bekannt zu machen. Wie ist die Haltung der deutschen Bundesregierung beziehungsweise der zuständigen Ministerien, insbesondere des Außen- und des Finanzministeriums, dazu?

StS Seibert: Sie bringen hier eine Diskussion wieder auf, die wir genau in diesem Saal - -

Zuruf: Aber ich nicht!

StS Seibert: Entschuldigung, ich wollte Sie auch nicht tadeln. Ich wollte nur sagen: Wir hatten das Thema schon mehrfach in den vergangenen Jahren.

Unsere Haltung ist ganz klar und ist hier vielfach vorgetragen worden: Die Frage nach deutschen Reparationen ist juristisch und politisch abschließend geregelt.

Vorsitzende Maier: Möchten die angesprochenen Ministerien dazu noch etwas beitragen?

Chebli: Nein, dazu hat das Auswärtige Amt nichts beizutragen.

Zusatzfrage: Dann konkret an das Außenministerium: Was werden Sie tun, wenn die griechische Regierung, das griechische Außenministerium an Sie mit dem Anliegen herantritt, über diese Fragen zu sprechen?

Chebli: Ich habe dem, was der Regierungssprecher gerade zu dem Thema ausgeführt hat, nichts hinzuzufügen. Das ist unsere Haltung. Diese Haltung ist der griechischen Seite im Übrigen auch bekannt. Von daher gibt es keinen Grund für eine Ergänzung.

Frage: Meine Frage richtet sich an das BMJV, also an Herrn Malachowski, und in Folge an Herrn Seibert und Herrn Kolberg. Der Bundesjustizminister hat vor einigen Minuten geäußert, dass er eine massive Aufstockung der Sicherheitsbehörden fordert. Er sagt auch, dass die Menschenwürde und das Recht auf Sicherheit über der Schuldenbremse stehen würden. Ich würde gerne verstehen, was er damit genau meint.

Meine zweite Frage ist, wie Herr Seibert das beurteilt, ob die Schuldenbremse auch aus seiner Sicht respektive der Sicht der Kanzlerin nicht für eine Erhöhung der Zahl der Sicherheitskräfte hinderlich sein darf. Natürlich möchte ich auch die Einschätzung des Bundesfinanzministeriums dazu hören.

Malachowski: Vielen Dank. - Herr Maas hat in der Tat eine Erhöhung der Stellen bei der Polizei - Bundes- und Landespolizei - gefordert und ins Spiel gebracht. Das sollte nicht gegenüber der Schuldenbremse aufgewogen werden, sondern einfach nur darstellen, dass sozusagen monetäre Zwänge dem nicht im Wege stehen dürfen. Den Verweis auf Artikel 1 GG - Die Würde des Menschen ist unantastbar - muss ich, glaube ich, nicht weiter kommentieren.

Zusatzfrage: Was will der Minister uns denn damit sagen? Wenn er die Schuldenbremse in dem Kontext thematisiert, dann heißt das doch, dass er die finanziellen Zwänge, die finanziellen Beschränkungen an der Stelle als groß ansieht, aber auf der anderen Seite die Schuldenbremse dafür nicht als hinderlich angesehen haben will. Das ist doch eine Thematisierung, die er hergestellt hat, nicht ich.

Malachowski: Das ist Ihre Interpretation; das bleibt Ihnen überlassen. Ich wollte nur klarstellen, dass Herr Maas damit nicht die Schuldenbremse per se infrage gestellt hat, sondern einfach nur unterstrichen hat, dass die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger wichtig ist und dass in Artikel 1 GG steht, dass die Würde des Menschen unantastbar ist.

StS Seibert: Ich kenne die Äußerungen des Bundesjustizministers - Sie selber sagen, dass sie erst vor wenigen Minuten gemacht worden sind - nicht. Deswegen möchte ich sie aus der hohlen Hand auch nicht kommentieren und habe deswegen dem Sprecher des Justizministeriums nichts hinzuzufügen.

Die hohe Bedeutung, die die innere Sicherheit und das verständliche und berechtigte Sicherheitsbedürfnis der Bürger für die Bundesregierung hat, ist gerade in diesen letzten Tagen und Wochen von allen Verantwortlichen klar betont worden. Wir werden dieser Betonung auch Taten folgen lassen.

Kolberg: Ich habe dem im Grunde auch nichts hinzuzufügen. Vielleicht nur einen Punkt, dass im Haushalt ohnehin schon eine Erhöhung in diesen Bereichen vorgesehen ist. Ich kenne die Äußerungen nicht und kann mich dazu dementsprechend nicht weiter äußern.

Dimroth: Ich wollte im Prinzip auch nur noch einmal darauf hinweisen, dass es auf Initiative des Bundesinnenministers in vertraulicher Zusammenarbeit mit dem Bundesfinanzminister zu massiven Aufstockungen jedenfalls für die Sicherheitsbehörden des Bundes nicht nur in diesem, sondern auch in den vorangegangenen Haushalten gekommen ist. Insofern ist auf Bundesseite schon Erhebliches passiert.

Der Bundesinnenminister hat ja heute Morgen im Vorgriff auf die heute zu Ende gehende sogenannte BIMK - das Treffen der unionsgeführten Innenminister - darauf hingewiesen, dass in den laufenden parlamentarischen Verhandlungen sich auch gemeinsam mit dem Bundesfinanzminister dieses Paket sicher noch einmal angeschaut wird. In der von mir gerade genannten Konferenz werden die unionsgeführten Innenminister die sogenannte "Berliner Erklärung" verabschieden. Das läuft parallel zu dieser Veranstaltung. Auch dort wird sich noch eine klare Aussage zur Bedeutung und Wichtigkeit der hinreichenden personellen Ausstattung der Sicherheitskräfte von Bund und Ländern finden.

Frage: Meine Frage betrifft Libyen. Es war in den letzten Tagen zu lesen, dass die Bundesregierung mehr tun will, um die libysche Küstenwache auszustatten und zu schulen. Wie soll das konkret aussehen? Was ist konkret geplant?

Ist die libysche Einheitsregierung ein verlässlicher Gesprächs- und Verhandlungspartner?

Flosdorff: Dazu gibt es keine wirklich neue Entwicklung. Wie Sie wissen, laufen derzeit in Brüssel auf Ebene der EU die weiteren Ausplanungen, die Schritt für Schritt vorangehen. Deutschland hat sich grundsätzlich bereiterklärt, wenn die EU eine Ausweitung beschließt - die Details, die Rahmenbedingungen dazu liegen noch nicht vor -, dann ein erweitertes Engagement zu prüfen. Das könnte so aussehen, dass Deutschland Personal für die Ausbildung libyscher Küstenwache zur Verfügung stellt und sich damit weiterhin verstärkt bei "Sophia" mit einbringt.

Aber ich kann Ihnen noch keine Eckdaten nennen, da die notwendigen politischen Beschlüsse in Brüssel dazu noch nicht gefasst sind. Auch die faktischen Rahmenbedingungen stehen in Brüssel noch nicht fest. Wir erwarten auch nicht, dass das in dieser oder in der nächsten Woche schon der Fall sein wird. Da reden wir eher von Wochen, bis das feststehen wird.

Chebli: Wenn Sie eine Ergänzung zur generellen Einschätzung der Lage in Libyen haben möchten, dann kann ich sie Ihnen gern geben.

Also es ist so: Sie haben ja auch in den Nachrichten der vergangenen Tage gesehen, dass die Einheitsregierung gegenüber loyalen Truppen aus Misrata weiterhin Fortschritte macht, zum Beispiel was den Kampf gegen IS in Sirte angeht. Wichtige strategische Punkte wie eine zentrale Kommandozentrale wurden in den letzten Tagen genommen. Nun konzentrieren sich die Auseinandersetzungen auf Wohnviertel entlang der Küste.

Im Osten des Landes - das erschwert letztendlich die Lage und macht sie so komplex - halten die Auseinandersetzungen zwischen Kräften der sogenannten libyschen Nationalarmee unter General Haftar und islamistischen Gruppierungen an. Dabei ist es immer wieder zu Toten gekommen. Es kamen zum Beispiel bei der Explosion am 16. August zehn Menschen ums Leben. Die libysche Nationalarmee versucht ihrerseits ihren Einfluss auf Einrichtungen wie die Ölindustrie und insbesondere Ölterminals wie den in Zueitina zu verstärken. Wir haben gemeinsam mit den Regierungen der Vereinten Staaten, also mit den USA, mit den Franzosen, Großbritannien, Italien und Spanien in einer Erklärung unsere Sorge um die zunehmenden Spannungen um diesen Ölterminal zum Ausdruck gebracht. Wir haben in den vergangenen Tagen, glaube ich, zwei Erklärungen generell zu der Lage um den Ölterminal, aber auch zu Libyen gemacht. Aus unserer Sicht liegt die Verantwortung für sämtliche Einrichtungen des Landes bei der Einheitsregierung.

Wir sehen, was jetzt den politischen Zustand der Einheitsregierung angeht, dass der Präsidialrat weiter daran arbeitet, seine Rolle zu stärken und seinen Einfluss zu erweitern, was nicht leicht ist aufgrund der Konstellationen, die da im Kampf mit General Haftar und anderen Gruppierungen gegeben sind. Dass nun aber ein Steuerungsausschuss für den Libyschen Nationalfonds, eine zentralen Finanz- und Wirtschaftsinstitution, durch den Präsidialrat ernannt wurde, ist ein Schritt, den wir wie unsere Partner sehr begrüßen. Das hilft, dass die Einheitsregierung Fuß fassen kann, um letztendlich auch in Libyen operieren zu können. Ich glaube, das ist eine der Grundvoraussetzungen dafür, dass dieser Staat funktionieren kann.

Kolberg: Ich möchte etwas zu der Frage des Kollegen nachliefern, wie viel wir für Sicherheit tun. Die Kollegen haben mir ein paar Zahlen geschickt.

Also da gab es eine deutliche Ausweitung bei der Bundespolizei für den Einzelplan vom BMI auf 8,3 Milliarden Euro in 2017. Zum Vergleich: In 2005 waren es noch 4 Milliarden Euro. Die Ausgaben für die Bundespolizei sind von 2,2 Milliarden Euro in 2006 auf 4,3 Milliarden Euro in 2017 gestiegen. Also es ist ein erheblicher Anstieg. Die Ausrüstung der Bundespolizei ist von 148 Millionen Euro in 2006 auf 253 Millionen Euro in 2017 gestiegen - und das alles bei Einhaltung der Schuldenbremse. Sie sehen, wir tun da etwas und agieren trotzdem finanzpolitisch verantwortlich.

Frage: Bundesinnenminister de Maizière hat in der vergangenen Woche Vorschläge gemacht. Davon betreffen zwei auch Gesetzesänderungsvorschläge. Einmal will er einen zusätzlichen Haftgrund für Abzuschiebende schaffen und zweitens eine "Duldung light" für Ausländer, die nicht an der Aufklärung ihrer Identität mitarbeiten. Meine Frage ist: Wie weit laufen da schon Gespräche mit dem Bundesjustizministerium und wie steht Bundesjustizminister Maas zu diesen Vorschlägen?

Malachowski: Wenn ich das richtig sehe, fallen diese beiden Punkte eher in die Zuständigkeit des BMI, Ausländer- und Aufenthaltsrecht.

Im Übrigen kann ich jetzt nicht dazu Stellung nehmen, wie wir das bewerten. Das sind, wie Sie mir vielleicht nachsehen werden, interne Gespräche, die da laufen und die auch erst einmal intern bleiben sollen.

Zusatzfrage: Nur zu dem, was eben aus dem Bundesfinanzministerium zu verlauten war. Sind in diesem Finanzplan eigentlich auch die von Bundesinnenminister de Maizière in der letzten Woche nicht angekündigten, sondern konstatierten 4.600 Stellen für die Bundespolizei schon mit gedeckt, die im vergangenen Jahr beschlossen wurden? Sind sie in der Haushaltsplanung inzwischen alle ausgewiesen?

Dimroth: Ich kann Ihnen dazu sagen, dass die in diesem Zusammenhang genannten Stellen ausgebracht sind und sozusagen den Ist-Stand beschreiben. Ich habe ja gerade ausgeführt - wie der Minister heute Morgen auch -, dass die ausstehenden Haushaltsberatungen im parlamentarischen Teil des Verfahrens sicher noch einmal Gelegenheit bieten, sich das auch anzuschauen.

Frage: Meine Frage betrifft den Komplex davor, den wir gerade so vermischt hatten. In den Vorschlägen des Innenministers, die der Kollege eben ansprach, ist auch unter anderem eine Anpassung des Telekommunikationsrechts und des Telemedienrechts aneinander enthalten. Die Verpflichtungen für Telemedienbetreiber sollen sich an die Verpflichtungen der Telekommunikationsanbieter anpassen. Da würde ich gern wissen, wie konkret erstens die Pläne sind und zweitens, ob das Dinge sind, zu denen das Wirtschaftsministerium, das für die Telemedien zuständig ist - zum Teil für das Telemedienrecht und zum Teil auch für das Telekommunikationsrecht - , dazu eine Meinung hat.

Dimroth: Also zur Meinungsbildungssituation in den anderen Häusern kann ich verständlicherweise nichts beitragen.

Aber zum ersten Teil Ihrer Frage: Das BMI ist daran, sämtliche dieser vorgeschlagenen Maßnahmen - seien sie sozusagen auf operativer oder auch auf gesetzlicher Ebene - jetzt in einen Reifegrad zu bringen, auf deren Grundlage entsprechende Prozesse in Gang gesetzt werden können, die den Meinungsbildungsprozess innerhalb der Bundesregierung voranbringen und hoffentlich zügig finalisieren.

Alemany: Dazu kann ich inhaltlich nicht viel beitragen, weil wir da, wie es der Kollege vorhin schon erzählt hat, erst im Prozess der Meinungsbildung und der regierungsinternen Absprachen sind.

Frage: Herr Flosdorff, noch eine Frage an Sie: Es gab einen Bericht, dass es Verzögerungen beim Raketensystem "Meads" gibt. Stimmen diese Berichte? Inwiefern könnte bei "Meads" ein ähnliches Schicksal wie beim A400M drohen?

Flosdorff: Da wagen Sie aber einen großen Vergleich. Ich glaube, da sind wir lange nicht. Es ist richtig, dass die Firma MBDA ihr Angebot zu einem späteren Zeitpunkt vorlegen wird. Wir reden hier über eine Verzögerung von Wochen und wenigen Monaten. Da wir uns noch im laufenden Vergabeverfahren befinden, kann ich hier nicht weiter ins Detail gehen.

Ich kann generell dazu sagen: Es ist erklärtes Ziel der "Agenda Rüstung", dass wir, bevor wir in konkrete Bindungen gehen - das betrifft nicht nur unsere Seite, sondern auch die Seite unserer Vertragspartner, die Zulieferer -, jeder auf seiner Seite prüft, was er liefern, was er einhalten, was er zusagen kann. Insofern unterstützen wir das, wenn auf Seiten des Herstellers hier noch einmal mehr Zeit erforderlich ist, bevor wir in den konkreten Vertragsschluss gehen, der dann für alle Seiten bindend ist und wir dann in größere Probleme kommen, wenn das nicht eingehalten werden kann. Es geht also um mehr Sorgfalt am Anfang, als dass dann nach vielen Jahren ein dickes Ende kommt.

Insofern ist es richtig: Der Hersteller braucht mehr Zeit. Er hat auch zugestanden, dass die Ursachen dafür in seinem Verantwortungsbereich liegen. Die drei Monate, um die es sich voraussichtlich handelt - die sind zugestanden -, bringen auch den gesamten Zeitplan jetzt nicht groß ins Wanken. Vergleiche mit anderen Rüstungsprojekten, die Sie eben in den Mund genommen haben, sehe ich im Moment noch nicht wirklich in der Proportionalität gerechtfertigt.

Freitag, 19. August 2016

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Quelle:
Regierungspressekonferenz vom 19. August 2016
https://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2016/08/2016-08-19-regpk.html;jsessionid=2A087429FD25C920478E657E0CC611A2.s7t1
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veröffentlicht im Schattenblick zum 22. August 2016

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