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PRESSEKONFERENZ/1231: Regierungspressekonferenz vom 3. Juni 2016 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Im Wortlaut
Mitschrift der Pressekonferenz - Freitag, 3. Juni 2016
Regierungspressekonferenz vom 3. Juni 2016

Themen: Festnahme dreier mutmaßlicher Mitglieder der terroristischen Vereinigung "Islamischer Staat Irak und Großsyrien", Resolution des Deutschen Bundestages zum Völkermord an den Armeniern im Osmanischen Reich 1915, Kritik von Human Rights Watch an Vorgängen an der türkisch-syrischen Grenze, Verabschiedung einer Justizreform durch das ukrainische Parlament, Termine der Bundeskanzlerin (Festakt zum 30-jährigen Bestehen des Bundesumweltministeriums, Empfang des Präsidenten Aserbaidschans, Kabinettssitzung, Jahreskongress des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft, Jahreskongress des Zentralverbandes der Elektrotechnik- und Elektroindustrie e.V., "Kultursalon unter der Kuppel - Kultur trifft Politik", Plenarsitzung des Deutschen Bundestages, Empfang des Präsidenten von Togo, Tag des deutschen Familienunternehmens, Deutsch-Chinesische Regierungskonsultationen/Reise nach Peking und Shenyang), Fußball-Europameisterschaft, Hochwasserhilfen, Erbschaftssteuer, Benachteiligung gesetzlich Krankenversicherter bei der Vergabe von Facharztterminen, geplante Übernahme des deutschen Robotikherstellers KUKA durch einen chinesischen Konzern, Abgasaffäre/Manipulationsverdacht bei Opel, Reform der Erbschaftssteuer, Rückführungen nach Nordafrika, Einsatz des Pflanzenschutzmittels Glyphosat in der Landwirtschaft, Pflegeberufsgesetz, Nahostkonferenz in Paris, unregelmäßige Abgaswerte bei Fiat

Sprecher: StS Seibert, Dimroth (BMI), Scholz (BMJV), Chebli (AA), von Tiesenhausen-Cave (BMF), Angeli (BMG), Audretsch (BMWi), Strater (BMVI), Lenz (BMEL), Stamer (BMUB), Kempe (BMFSFJ), Strater (BMVI)


Vorsitzender Mayntz eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt StS Seibert sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

Frage : Ich würde gerne zum Thema Düsseldorf, bei dem wahrscheinlich hauptsächlich das Innenministerium, vielleicht auch das Justizministerium gefragt sind, nachfragen, ob man glaubt, mit den drei festgenommenen Tatverdächtigen die gesamte Zelle schon ermittelt zu haben oder ob man vermutet, dass es noch weitere Beteiligte gab, was die Pläne anging, in Düsseldorf einen Anschlag zu verüben.

Mich würde zum Zweiten interessieren, ob die Tatsache, dass die drei Festgenommenen allesamt in Flüchtlingsheimen gewohnt haben, Anlass ist, gesondert großflächig und intensiv zu schauen, ob es möglicherweise mehr potenzielle Straftäter und Anschlagsaktivisten geben sein könnte, als man bisher meinte. Gibt es irgendwelche Prüfungen in den Flüchtlingsheimen, die man einleitet?

Dimroth: Ich darf beginnen, Herr Heller. Vielen Dank für die Frage. - Zunächst einmal kann ich vielleicht etwas zur allgemeinen Gefährdungslage sagen: Diese ist in Deutschland unverändert hoch; daran ändern auch die Ereignisse von gestern nichts. Deutschland befindet sich ebenso wie andere Staaten im Fadenkreuz des internationalen Terrorismus. Wir müssen weiterhin von einer hohen Gefährdung durch eben diesen internationalen Terrorismus in Deutschland ausgehen.

Wenn Sie nach möglichen Konsequenzen fragen, ist es so, dass die Bundesregierung innerhalb dieser Legislaturperiode bereits eine Reihe von Dingen angeschoben und erfolgreich umgesetzt hat. Ich will nur daran erinnern, dass wir das Reisen mit dem Ziel, sich an Gewalttaten zu beteiligen, unter Strafe gestellt haben. Wir haben den Entzug des Personalausweises von Menschen, die mit diesem Ziel reisen wollen, erleichtert. Wir haben die Mindestspeicherfristen, die sogenannte Vorratsdatenspeicherung, wieder eingeführt; ganz zu schweigen von den deutlichen personellen Verstärkungen der Bundessicherheitsbehörden und der Errichtung robuster Spezialeinheiten bei der Bundespolizei. Nicht zuletzt wurde gerade am vergangenen Mittwoch vom Bundeskabinett ein weiteres Paket beschlossen, das insbesondere noch einmal den Daten- und Informationsaustausch auf internationaler Ebene für die Verfassungsschutzbehörden verbessern soll.

Zu dem konkreten Sachverhalt selbst, der, wie Sie wissen, unter der Ermittlungshoheit des Generalbundesanwalts erfolgt, vermag ich nichts zu sagen, insbesondere deswegen, weil für den Generalbundesanwalt nicht das Innenministerium zuständig ist.

Scholz: Ich muss Sie um Verständnis bitten, dass ich Ihnen, was den konkreten Sachverhalt angeht, über das hinaus, was der Generalbundesanwalt selber in einer Presseerklärung gestern mitgeteilt hat, nichts sagen kann. Sie müssen berücksichtigen, dass es sich um laufende Ermittlungen handelt und ich deshalb keine weiteren Auskünfte dazu geben kann und auch Ihre konkrete Frage, die Sie eingangs gestellt haben, nicht beantworten kann.

Zusatzfrage : Hat dieser Komplex Düsseldorf Anlass gegeben, sich noch einmal anzuschauen, was für Leute in den Flüchtlingsheimen sitzen und noch einmal nachzuvollziehen, ob irgendwelche Anhaltspunkte da sein könnten, dass irgendwelche Flüchtlingsheimbewohner zumindest ein Gefährdungspotenzial darstellten könnten?

Dimroth: Ich kann noch einmal übernehmen: Es ist ganz grundsätzlich so - das ist auch nicht neu -, dass wir auch in der Vergangenheit immer wieder Hinweise hatten, die in diese Richtung gingen, und die Sicherheitsbehörden, wie Sie wissen, jedem einzelnen dieser Hinweise mit größter Ernsthaftigkeit nachgegangen sind und nachgehen. Das war, das ist so, und das wird auch so bleiben. Für eine grundsätzliche Bewertung dessen, was da gestern passiert ist - und erst recht für Schlüsse daraus -, ist es heute sicher noch zu früh. Jetzt müssen wir einmal abwarten, was der Generalbundesanwalt im Zuge seiner Ermittlungen noch weiteres an Erkenntnisseen zu Tage befördert. Wenn das geschehen ist, wird man sich sicher auch dieser Frage, die Sie gerade gestellt haben, zuwenden.

Frage: Herr Dimroth, es gab eine Zeit, wo der Grenzübergang von Flüchtlingen nach Deutschland eher unkontrolliert stattgefunden hat. Gibt es aus dieser Zeit eine Risikoschätzung in Ihrem Haus, was an nicht identifizierten Personen nach Deutschland gekommen ist?

Dimroth: Ich kann Ihnen keine Schätzzahl nennen. Ich kann Ihnen nur sagen, dass insbesondere die Länder mit großem Aufwand und auch mit Unterstützung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge dabei sind, die sogenannten Nachregistrierungen durchzuführen. Das verläuft weitestgehend sehr erfolgreich. Zusätzlich haben wir aus diesem, wie Sie sagen, unkontrollierten Einreisegeschehen sehr schnell Schlüsse gezogen und mit dem sogenannten Datenaustauschverbesserungsgesetz und vor allem mit dem sogenannten Ankunftsnachweis unsere Schlüsse gezogen, die es eben jetzt ermöglichen, hier sehr viel rascher, deutlicher und vollständiger Klarheit zu bekommen.

Im Übrigen sind wir auch seit Beginn des Jahres tatsächlich in der Lage, bei Grenzübertritt vollständig zu registrieren, wer zu uns kommt. Eine Schätzzahl kann ich Ihnen aber nicht nennen.

Zusatzfrage: Die Frage, von welcher Größenordnung bei der noch ausstehenden Nachregistrierung ausgegangen wird, können, wollen Sie nicht beantworten?

Dimroth: Dazu liegt mir keine Schätzzahl vor. Weil das insbesondere wiederum in den Aufgabenbereich der Länder fällt, kann ich Ihnen keine Schätzzahl nennen. Das tut mir leid.

Frage: Herr Dimroth, hat das Bundesinnenministerium den Eindruck, dass der IS systematisch die Balkanroute nutzt, um mögliche Terroristen nach Europa und Deutschland einzuschleusen?

Dimroth: Noch einmal: Das Phänomen an sich, dass wir auch mit Erkenntnissen konfrontiert sind, die auf dieses Phänomen hinweisen, ist nicht neu. Wenn solche Erkenntnisse vorliegen, eingehen, gehen die Sicherheitsbehörden diesen Erkenntnissen nach. Für eine grundsätzliche Neubewertung im Lichte dessen, was gestern geschehen ist, ist es heute sicher zu früh. Jetzt müssen wir einmal abwarten, was tatsächlich aus den Ermittlungen des Generalbundesanwalts folgt.

Frage : Ich habe noch eine Nachfrage. Herr Dimroth, die Zahl der Gefährder aus der islamistischen Szene ist sicherlich von Ihnen schon genannt worden. Ich hörte etwas von einer niedrigen zweistelligen Zahl, die Brandenburg wohl für sich genannt hat. Vielleicht haben Sie gerade eine bundesweite Größenordnung verfügbar.

Dimroth: Landeszahlen liegen mir nicht vor. Ich habe mit Stand 30. Mai dieses Jahres die bundesweiten Zahlen. Das BKA zählt auf Grundlage von Meldungen der Bundesländer 499 sogenannte Gefährder in dem Bereich islamistischer Terrorismus.

Frage: Eine Frage an das Bundesjustizministerium. Können Sie die Zahl nennen, wie viele Verfahren derzeit gegen Terrorverdächtige aus Syrien in Deutschland laufen?

Scholz: Das kann ich machen. Aktuell ist es so, dass der Generalbundesanwalt knapp 120 Verfahren mit über 180 Angeschuldigten und Angeklagten im Zusammenhang mit dem Bürgerkrieg in Syrien wegen Mitgliedschaft oder Unterstützung einer terroristischen Vereinigung führt.

Frage : Herr Dimroth, wie viele von den 499 Gefährdern werden eigentlich rund um die Uhr überwacht?

Dimroth: Die Frage kann ich Ihnen so nicht beantworten, weil auch das - jedenfalls bis auf einen möglicherweise ganz geringen Anteil - Aufgabe der Landesbehörden und nicht der Bundesbehörden ist, sodass mir dazu keine Übersicht vorliegt.

Zusatzfrage : Können Sie kurz sagen, bei welchem geringen Anteil die Bundesbehörden zuständig sind?

Dimroth: Es gibt, wie Sie wissen, eine Zuständigkeit im BKA-Gesetz für bestimmte Gefährdungslagen im internationalen Terrorismuszusammenhang. Wenn eine solche Lage nach 4a BKAG vorliegt, ist es so, dass im Bereich der Prävention, also der Gefahrenabwehr, eine Bundeszuständigkeit anstehen kann.

Frage: Herr Dimroth, in dem Zusammenhang: Gibt es ein zwischen Bund und Ländern abgestimmtes Sicherheitskonzept mit Blick auf die Fußball-Europameisterschaft, was Public-Viewing-Veranstaltungen angeht? Gibt es da Nachbesserungsbedarf?

Dimroth: Das ist jetzt der dritte oder vierte Versuch, mich nach Konsequenzen zu gestern zu fragen. Ich hatte versucht darzustellen, dass es dafür aus unserer Sicht sicher zu früh ist.

Richtig ist, dass selbstverständlich Bund und Länder seit langem im Gespräch über den Gesamtkomplex "Sicherheit Europameisterschaft" sind. Das bezieht sich nicht allein auf das Thema "internationaler Terrorismus", das bezieht sich insbesondere auf das Thema Hooliganismus. Dabei gibt es ein abgestimmtes etabliertes Verfahren, wie zwischen Bund und Ländern auch mit Unterstützungskräften dafür gesorgt werden soll, dass möglichst gewaltbereite Fußballfans nicht in die jeweiligen Stadien gelangen. Das ist der eine Teil.

Was den anderen Teil - internationaler Terrorismus - angeht, so gibt es dafür, wie Sie wissen, das Gemeinsame Terrorismusabwehrzentrum, wo auch dieses ein Thema ist. Auch da muss ich leider zum wiederholten Male auf Zuständigkeiten verweisen, auch wenn Sie das immer nur bedingt befriedigt. Aber die Sicherheit einer Veranstaltung am Ort X oder Y - beispielsweise Public Viewing - ist durch die örtlichen Sicherheitskräfte zu gewährleisten.

Eine allgemeine Gefährdungsbewertung wird gemeinsam im Gemeinsamen Terrorismusabwehrzentrum erarbeitet. Aber die besonderen Herausforderungen für Sicherheit und all das vor Ort kann nur durch die örtlichen Sicherheitskräfte beurteilt werden, und dann können auch die entsprechenden Maßnahmen ergriffen werden.

Frage : Herr Scholz, eine Nachfrage zu den Zahlen, die Sie eben vorgetragen haben. Wenn ich es richtig verstanden habe, sind das die zusammengefassten Zahlen, welche Verfahren insgesamt geführt werden, und zwar sowohl was Taten in Syrien als auch Vorhaben hierzulande angeht. Ich weiß nicht, ob Sie das jetzt aufschlüsseln können. Ansonsten würde ich mich über eine Nachlieferung sehr freuen, wenn das gehen würde.

Scholz: Ich kann versuchen, Zahlen nachzuliefern. Ich kann das jetzt nicht genau aufschlüsseln. Dabei geht es allgemein um die Zahlen im Zusammenhang mit dem Bürgerkrieg in Syrien und Straftaten nach 129a und 129b StGB.

Frage: Eine Frage an das Auswärtige Amt. Erwarten Sie weitere Konsequenzen vonseiten der Türkei wegen der Armenien-Resolution?

Chebli: Nachdem es im Vorfeld bereits kritische Stimmen gegeben hatte, wurde gestern der deutsche Gesandte in Ankara einbestellt. Wenn wir das mit Fällen in der Vergangenheit vergleichen - ich weiß nicht, ob Sie sich erinnern können -, so gab es zum Beispiel in Luxemburg und Österreich ähnliche Reaktionen. Der Minister hat gestern von einer "erwartungsgemäßen" Reaktion gesprochen.

Ich kann Ihnen an dieser Stelle keine Prognose geben. Was ich für uns sagen kann, ist, dass die Beziehungen zwischen Deutschland und der Türkei so eng, so tief sind, und zwar auch aufgrund der vielen Tausend Menschen, die in Deutschland leben. Man muss sich vorstellen, dass, wie Sie wissen, in Deutschland die größte Community außerhalb der Türkei lebt. Aufgrund dieses engen freundschaftlichen Netzes haben wir die große Hoffnung, dass das zu keinen weiteren Beeinträchtigungen der Beziehungen führt. Wir haben nicht nur die Hoffnung, sondern wir setzen darauf, weil wir darauf vertrauen, dass das, was wir in den letzten Jahrzehnten aufgebaut haben, so fest ist, dass daran auch nicht geschüttelt und gerüttelt werden kann.

Frage: Frau Chebli, nun ist ja nicht nur der deutsche Gesandte in Ankara einbestellt worden, sondern es ist auch der türkische Botschafter aus Berlin abgezogen, jedenfalls vorübergehend zu Konsultationen gerufen worden. Wann erwarten Sie, dass der Botschafter zurückkehrt? Erwarten Sie, dass das in den nächsten Tagen passiert?

Würden Sie nicht zugestehen müssen, dass das zu einer Verschärfung der diplomatischen Krise zwischen den beiden Ländern geführt hat?

Chebli: Was eine Prognose in Bezug auf eine Rückkehr angeht, so kann ich Ihnen hier darüber keine Auskunft geben. Wir haben sowohl bei dem gestrigen Gespräch des deutschen Gesandten im türkischen Außenministerium, der in Vertretung des deutschen Botschafters vor Ort war, als auch im Rahmen einer Pressemitteilung, die das Außenministerium gestern veröffentlicht hat, die Information bekommen, dass der Botschafter zu Konsultationen nach Ankara berufen wurde. Dazu, wann er zurückkehrt und welche weiteren Konsequenzen folgen könnten, kann ich Ihnen hier keine Angaben machen.

Ich kann nur noch einmal wiederholen: Es gab in den Medien von vielen Ihrer Kollegen sozusagen eine Aufschlüsselung der verschiedenen Optionen, wie die Türkei reagieren könnte. Diese beiden Aktionen, die gestern erfolgt sind, waren darunter. Deswegen hat der Minister auch darüber gesprochen, dass das erwartungsgemäß gelaufen ist, weil wir in der Vergangenheit Fälle kannten, wo es ähnliche Reaktionen der Türkei gegeben hat.

Ich kann nur wiederholen, dass unsere Hoffnung ist, dass es jetzt nicht zu weiteren Reaktionen kommt. Wir vertrauen darauf, dass die Beziehungen so stabil sind, dass es auch nicht zu weiteren Beeinträchtigungen kommen kann.

Ich weiß nicht, ob Sie das gesehen haben: Premierminister Yildirim hat selbst gesagt - ich weiß nicht, in welchem Zusammenhang; ich habe das in einer Agenturnachricht gesehen -, dass es nicht darum geht, die deutsch-türkischen Beziehungen jetzt abzubrechen. Wir haben die Hoffnung, dass diese Äußerung ein Hinweis darauf sein könnte, dass auch die Türkei darauf setzt, dass die Beziehungen zu Deutschland so gut und so eng sind und so gut und so eng bleiben sollten.

Frage : Herr Seibert, Frau Chebli, gab es in den letzten 24 Stunden auf oberster Ebene, sprich Kabinettsmitgliedern, irgendwelche Kontakte zwischen der türkischen Regierung und Bundesregierung?

Zweitens noch einmal zu den Folgen: Haben Sie irgendwelche Befürchtungen, dass das harmonische Miteinander von Deutschen und Türken hier im Lande unter dieser Entscheidung leiden könnte?

StS Seibert: Ich kann zunächst für die Bundeskanzlerin nicht von einem Telefonat oder einem solchen Kontakt berichten, nach dem Sie fragen.

Ich will gerne noch einmal an das erinnern, was die Bundeskanzlerin auch gestern in einer Pressekonferenz gesagt hat:

Erstens - und das ist hier gerade sehr klar vom Auswärtigen Amt angesprochen worden - sind die Beziehungen zwischen Deutschland und der Türkei sehr breit, sehr tief. Wir sind enge Verbündete in der Nato. Unsere Wirtschaften sind miteinander verzahnt und verflochten. Die Türkei ist EU-Beitrittskandidat. Es leben Millionen von Menschen mit türkischen Wurzeln hier mit uns, bei uns in Deutschland - in vielen Fällen als Deutsche. Wir arbeiten auch in der Flüchtlingsfrage sehr eng zusammen, und zwar im Sinne gemeinsamer Interessen, auch im Sinne einer Lastenteilung, die die Zusammenarbeit für die Türkei bedeutet. Eine solche Art von Beziehung kann und wird auch Meinungsunterschiede aushalten.

Um nun noch einmal zu den Menschen zu kommen, die hier mit türkischen Wurzeln in Deutschland als deutsche Staatsangehörige oder auch nicht leben: Die Bundeskanzlerin hat es gestern sehr klar gesagt - ich will es gerne noch einmal aufgreifen -:

Sie sind und bleiben ein Teil unseres Landes. Zu unserem Land gehört eine demokratische Kultur, in der auch strittige Auseinandersetzungen stattfinden und bei der auch ganz selbstverständlich in verschiedener friedlicher Weise Meinungen geäußert werden können.

Frage: Herr Seibert, der Bundestag hat die Bundesregierung jetzt aufgefordert, "die türkische Seite zu ermutigen, sich mit den damaligen Vertreibungen und Massakern offen auseinanderzusetzen, um die Versöhnung mit dem armenischen Volk in Gang zu bringen". Wie setzt sich denn die Bundesregierung ab jetzt dafür ein?

StS Seibert: Auch das ist ja ein Punkt, der der Bundesregierung - und nicht erst seit gestern - sehr wichtig ist. Die Kanzlerin hat auch darüber gesprochen. Wir wollen uns weiter dafür einsetzen, dass es zu einem Dialog, zu einem politischen Ausgleich zwischen der Türkei und Armenien kommt. Wir erkennen an, dass die türkische Seite in den vergangenen Jahren dazu bereits einiges unternommen hat. Dennoch bleiben beide Seiten aufgefordert, ihre Bemühungen um so eine politische Verständigung zu intensivieren, zum Beispiel durch eine Historikerkommission, wie die Türkei sie angeregt hat. Wir werden das auf allen uns möglichen und uns offenen Kanälen immer wieder vorbringen.

Chebli: Vielleicht kann ich das mit einem Wort ergänzen. Auch Außenminister Steinmeier hat sich von Beginn an dafür eingesetzt, dass es zu einer Verständigung zwischen Armenien und der Türkei kommt. Er hat in den vergangenen Tagen mehrfach dazu Stellung bezogen, wie er das sieht und warum er denkt, dass es wichtig ist, diesen Prozess auch weiter zu unterstützen.

Wir als Auswärtiges Amt unterstützen aktuell zwei Projekte mit einem Umfang von einer Million Euro, wo es genau um diese Frage geht. Wir werden das, was gestern im Bundestag verabschiedet wurde, auch als Auftrag an uns, an die Bundesregierung sehen, in dieser Frage weiter tätig zu sein und nach gemeinsamen Projekten zu schauen, wo man die Türkei und Armenien zu einer Annäherung bewegen kann und der ins Stocken geratene Prozess über die Historikerkommission zu fruchtbaren Ergebnissen führt.

Frage: Eine weitere Frage zum Thema Türkei, aber ein anderer Aspekt, der sich, Frau Chebli, darauf bezieht, als die diplomatischen Kanäle zwischen der Türkei und Deutschland noch offener waren. Ist inzwischen ein Ergebnis bei den Prüfungen, die sich die Bundesregierung bezüglich der Vorwürfe von Human Rights Watch an die Türkei erwünscht, herausgekommen? Weiß man inzwischen, ob die Uno unabhängige Untersuchungen durchführen konnte, was die Schüsse auf syrische Flüchtlinge an der Grenze angeht?

Chebli: Ich kann Ihnen leider dazu keinen aktuellen Stand mitteilen.

Zusatzfrage: Herr Seibert, ich möchte Ihr Erinnerungsvermögen nicht überstrapazieren. Aber Sie waren ja mit der Kanzlerin in der Türkei, wo es ein Gespräch mit der Leiterin von Human Rights Watch in Istanbul gegeben hat. War das dort ein Thema? Wenn ja, was war der Inhalt des Gesprächs?

StS Seibert: Es gab ein Gespräch mit verschiedenen Vertretern der türkischen Zivilgesellschaft, dem Vorsitzenden der Anwaltskammer, kritischen Journalisten und unter anderem eben auch der Chefin von Human Rights Watch in der Türkei. Sie hat in diesem Gespräch, das in einer kleinen Gruppe stattfand, noch einmal ihre Darstellung von Vorgängen an der türkisch-syrischen Grenze gegeben.

Vorsitzender Mayntz: Wenn es keine weiteren Fragen zu diesem Thema gibt, gehen wir zum Thema Ukraine über.

StS Seibert: Ich möchte Ihnen gerne für die Bundeskanzlerin und die Bundesregierung sagen, dass wir es begrüßen, dass das ukrainische Parlament gestern wichtige Änderungen der Verfassung im Justizbereich vorgenommen hat. Die Verabschiedung dieser Verfassungsreform ist ein wichtiger Schritt, um die Unabhängigkeit, die Transparenz der Justiz in der Ukraine zu stärken und damit auch den Kampf gegen die Korruption zu stärken. Die Bundesregierung ermutigt die Ukraine ausdrücklich, auf diesem Pfad der Reformen weiter voranzuschreiten. Sie bietet dabei, wie auch in der Vergangenheit, ihre Unterstützung an.

Chebli: Vielleicht kann ich nur ergänzen: Wie wichtig die Justizreform und die Entwicklung in den Bereichen Kriminalitäts- und Korruptionsbekämpfung, Rechtsstaatlichkeit, Wirtschaftsförderung der Bundesregierung ist, zeigt, dass der Staatssekretär im Auswärtigen Amt, Stephan Steinlein, am 9. und 10. Juni - das ist nächste Woche - acht Ressortkollegen zu einer gemeinsamen Reise nach Kiew eingeladen hat. Gemeinsam wollen sie unsere beispiellose politische und wirtschaftliche Unterstützung für die Ukraine untermauern und sich vor Ort ein Bild zu den Reformen in Kiew unter der neuen Regierung machen. Uns ist bewusst, dass die Ukraine vor immensen Herausforderungen steht. Wir als Bundesregierung stehen der Ukraine zur Seite und unterstützen sie, die Reformen tatkräftig und entschlossen anzugehen.

Vorsitzender Mayntz: Dann schauen wir auf die öffentlichen Termine der nächsten Woche.

StS Seibert: Genau.

Es geht am Montag, dem 6. Juni, mit einem Termin los, der Ihnen vom Bundesumweltministerium schon bekanntgegeben worden war: Es ist der offizielle Festakt zum 30-jährigen Bestehen des Bundesumweltministeriums. Neben der Bundeskanzlerin, die ja auch einmal Bundesumweltministerin war, kommen dazu auch alle anderen bisherigen Umweltministerinnen und -minister zusammen. Gegen 13.30 Uhr wird die Bundeskanzlerin im Gespräch mit der Moderatorin Dunja Hayali über ihre Zeit als Bundesumweltministerin und das Thema Klimaschutz sprechen. Danach diskutieren Umweltministerin Hendricks und die ehemaligen Umweltminister in zwei Podien über weitere Umweltthemen.

Am Dienstag, dem 7. Juni, ist der Präsident Aserbaidschans, Herr Ilham Alijew, im Bundeskanzleramt zu Besuch. Es wird ein Mittagessen geben, bei dem über bilaterale Themen, die Entwicklung in Aserbaidschan und sicherlich auch über den Bergkarabach-Konflikt gesprochen wird. Gegen 13.30 Uhr ist eine Pressebegegnung vorgesehen.

Am Mittwoch tagt zunächst wie üblich um 9.30 Uhr das Bundeskabinett.

Ab 11 Uhr nimmt die Kanzlerin dann am Jahreskongress des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft teil. Sie wird dort eine Rede zu aktuellen Herausforderungen für die Energiebranche und zentralen aktuellen Vorhaben der Bundesregierung in der Energiepolitik halten. Der Kongress steht dieses Jahr unter dem Motto "Change". Es geht um die stark gewandelten Herausforderungen für die Energie- und Wasserwirtschaft.

Um 15 Uhr am Mittwoch nimmt die Bundeskanzlerin an einem weiteren Kongress teil, nämlich am Jahreskongress des Zentralverbandes der Elektrotechnik- und Elektronikindustrie e.V., der ebenfalls hier in Berlin stattfindet. Dort wird das Thema sehr stark in Richtung Digitalisierung gehen. Der Kongress hat das Motto "Vernetzung, Sicherheit, Vertrauen - Die digitale Welt gestalten", und das wird dann auch die Rede der Kanzlerin prägen.

Am Abend des Mittwochs wird sie an der Veranstaltung "Kultursalon unter der Kuppel - Kultur trifft Politik" der CDU/CSU-Bundestagsfraktion teilnehmen und dort eine Rede halten. Die Veranstaltung ist eine Plattform zur Diskussion aktueller Themen aus den Bereichen Kunst und Kultur.

Am Donnerstag, dem 9. Juni, ist die Bundeskanzlerin vormittags im Plenum des Deutschen Bundestages.

Am Donnerstagnachmittag empfängt sie den Präsidenten von Togo, Faure Essozimna Gnassingbé, zu einem Gespräch im Bundeskanzleramt. Wesentliche Themen sind sicherlich die regionale Kooperation sowie die aktuelle Sicherheitslage in Westafrika.

Am Freitagvormittag ist die Bundeskanzlerin wieder im Bundestag.

Am Freitag um 11 Uhr ist sie dann beim Tag des deutschen Familienunternehmens im Hotel Adlon und hält dort die Festrede.

Am Sonntag, dem 12. Juni, bricht die Bundeskanzlerin dann mit Mitgliedern des Kabinetts zu den Deutsch-Chinesischen Regierungskonsultationen in Peking auf. Die eigentlichen Konsultationen finden am Montag, dem 13. Juni statt. An diesem Tag gibt es auch eine Sitzung des Deutsch-Chinesischen Beratenden Wirtschaftsausschusses. Darüber hinaus hat die Bundeskanzlerin noch weitere Termine in Peking.

Sie wird dann am 14. Juni - das ist dann also der Dienstag - nach Shenyang weiterreisen. Shenyang liegt nordöstlich von Peking und ist die Hauptstadt der Provinz Liaoning.

Wir werden Sie über das gesamte Programm noch ausführlicher unterrichten, sobald alle Programmpunkte feststehen. Das wird spätestens am Freitag, dem 10. Juni, hier an dieser Stelle in einem Briefing mit Herrn Professor Röller und Herrn Heusgen sein.

Das wäre es zu den Terminen.

Frage : Nur kurz die obligatorische Frage zum Thema China: Trifft die Kanzlerin dort auch Vertreter der Zivilgesellschaft?

StS Seibert: Ich kann Ihnen das genaue Programm tatsächlich noch nicht nennen, aber auch diese Frage werden wir Ihnen dann zum gegebenen Zeitpunkt beantworten.

Frage: Ich habe eine andere Frage zu Terminen, die allerdings alle Ministerinnen und Ministern sowie die Bundeskanzlerin betrifft: Plant irgendeiner der Minister beziehungsweise irgendeine der Ministerinnen oder die Bundeskanzlerin, zum Eröffnungsspiel der Fußball-Europameisterschaft zu fahren?

Vorsitzender Mayntz: Vielleicht fährt der Sportminister?

Dimroth: Ich weiß nicht, wie das bei den anderen Kollegen ist, aber ich kann Ihnen sagen, dass der Bundesinnenminister nicht zum Eröffnungsspiel, sondern zum dritten Gruppenspiel der deutschen Mannschaft gegen Nordirland fahren wird.

Chebli: Was den Außenminister betrifft, weiß ich das nicht. Ich könnte das dann kurz nachreichen. Ein Spiel war geplant, aber welches, weiß ich nicht.

Frage: Ich habe eine Frage an das Finanzministerium: Frau von Tiesenhausen, können Sie mir sagen, ob die Opfer der Hochwasser in Bayern usw. Anspruch auf Geld aus dem Fluthilfefonds haben?

von Tiesenhausen-Cave: Zur Einordnung: Sie meinen den Fluthilfefonds aus dem Jahr 2013, nehme ich an?

Zusatz: Von Bund und Ländern, ja.

von Tiesenhausen-Cave: Genau. Es hat 2013 ja eine große Flutkatastrophe in Deutschland gegeben; das war das kombinierte Hochwasser von Elbe, Donau und Nebenflüssen. Das hat damals elf Bundesländer betroffen und hat Schäden in Höhe von mehreren Milliarden Euro verursacht. Daraufhin hat der Bundestag ein Sondervermögen Aufbauhilfe beschlossen - das ist umgangssprachlich dieser Fluthilfefonds. Die Antragsfrist für Erstattungen aus diesem Fonds läuft demnächst ab, und dieser Fonds bezieht sich sehr explizit auf Schäden, die aus der Flutkatastrophe 2013 herrühren.

Zusatzfrage: Das bedeutet, für das, was jetzt passiert ist, gilt dieser Fonds nicht?

von Tiesenhausen-Cave: Das ist ein spezieller Fonds, der damals aufgelegt wurde; der betrifft die Flutkatastrophe 2013 und steht so für sich, ja.

Frage : Da drängt sich die Frage auf: Ist denn Ähnliches für die aktuelle Katastrophe geplant, die ja in ganz unterschiedlichen Regionen relativ hohe Schäden verursacht hat, oder besteht die technische Möglichkeit, den bestehenden Fonds noch einmal mit veränderten Bedingungen zu öffnen, um Opfern der jetzigen Hochwasser zu helfen?

von Tiesenhausen-Cave: Mir sind dazu auch aus den Bundesländern keine Pläne oder Vorstöße bekannt. Die betroffenen Bundesländer, Bayern und Baden-Württemberg, sind ja auch zwei sehr starke Bundesländer. Sie wissen, dass Katastrophenbewältigung nach dem Grundgesetz Aufgabe der Bundesländer ist. Da sind mir jetzt keine Forderung und auch kein Vorstoß in dieser Richtung bekannt.

Frage: Frau von Tiesenhausen, wie viel Geld ist nach jetzigem Stand denn noch in dem Fluthilfetopf?

von Tiesenhausen-Cave: Der Fonds ist ja 2013 mit Mitteln aus dem Bundeshaushalt eingesetzt worden. In drei Tranchen sind insgesamt 6,1 Milliarden Euro zugeteilt. Der Abfluss gestaltet sich auch nach Einreichung von Belegen; das ist also nachlaufend. Aktuell sind rund 2,1 Milliarden Euro abgeflossen. Die Länder haben aber noch höheren Bedarf angemeldet - man wird das jetzt sehen. Ich habe ja gesagt, dass die Antragsfrist demnächst abläuft. Man muss das beobachten und wird dann sicherlich auch eine Bilanz ziehen.

Zusatzfrage: Was passiert denn mit dem Geld, das nicht abfließt? Könnte das umgewidmet werden oder läuft das zwangsläufig automatisch zurück in den Spendertopf?

von Tiesenhausen-Cave: Ich würde hier jetzt ungern spekulieren. Dieses Sondervermögen ist damals durch ein eigenes Gesetz aufgesetzt worden. Das ist, wie gesagt, noch nicht abgeschlossen; insofern ist alles spekulativ, was sich am Ende eventuell in der Bilanz darstellt. Das ist aber - um das noch einmal ganz deutlich zu machen - ein Gesetz für eine spezielle nationale Notlage, die es 2013 aufgrund dieser kombinierten Flut gegeben hat, und das steht so für sich.

Zusatzfrage: Nur ganz theoretisch, aber doch praktisch beantwortbar gefragt: Was aufgrund eines Gesetzesbeschlusses nicht gebraucht wird, das fließt am Ende, wenn abgerechnet wird, zurück in den Bundeshaushalt?

von Tiesenhausen-Cave: Ja, das ist theoretisch in der Tat der Fall. Sie wissen aber auch, dass der Bund auch mit Mitteln aus dem Fluthilfefonds den Ländern in der letzten Zeit entgegengekommen ist, was das Stichwort Flüchtlinge und Bewältigung des hohen Zustroms im vergangenen Jahr betrifft. Mit dem Entlastungsbeschleunigungsgesetz aus dem letzten Jahr hat man ja auf die Rückzahlung von Mitteln verzichtet; es war ja vorgesehen, dass da hälftige Rückzahlungen erfolgen. Man ist den Ländern also bereits mit Mitteln aus diesem Fonds entgegengekommen.

Wie gesagt: Da die Antragsfrist noch läuft, ist eine Gesamtbilanz zum jetzigen Zeitpunkt einfach noch nicht möglich.

Frage: Noch einmal ausdrücklich nachgefragt: Das Kriterium für Gelder aus diesem Fonds ist also nicht, dass es sich um eine nationale Katastrophe handelt, sondern es geht nur um die Katastrophe des Jahres 2013, habe ich das richtig verstanden?

von Tiesenhausen-Cave: Sie haben das richtig verstanden: Das ist ein Fonds, den der Bund 2013 aufgesetzt hat. Sie wissen auch, dass für die Bewältigung von Katastrophen nach der Verfassung eigentlich die Länder zuständig sind. Im Fall von großen nationalen Katastrophen hat es aber Ausnahmen gegeben; die jüngste ist die von 2013. So etwas gab es auch vor 2013 schon - aber da muss man dann lange zurückgehen -, nämlich 2002 nach der Oderflut. In solchen Ausnahmefällen gibt es also die Möglichkeit solcher nationalen Aufbauvermögen. Das jüngste dieser Sondervermögen ist aber, wie gesagt, für Schäden aus der Flut 2013 aufgesetzt worden.

Frage : Frau von Tiesenhausen, habe ich Sie also richtig verstanden: Sie sagen erst einmal: Der Fonds ist für die Schäden von 2013 aufgelegt, und nur dafür ist er bestimmt; deshalb kann er nicht für Schäden des Jahres 2016 benutzt werden. Aber dann sagen Sie: Das Geld aus dem Fonds ist teilweise - ich sage es einmal in meinem Worten - für Flüchtlingshilfe zweckentfremdet worden. Das heißt also, für Flüchtlingshilfe kann man das benutzen, aber für Fluthilfe 2016 nicht?

von Tiesenhausen-Cave: Nein, da haben Sie mich falsch verstanden; das kläre ich gerne noch einmal auf. Man hat sich damals darauf verständigt, dass die Länder hälftig Mittel zurückzahlen sollen. Wenn Sie das noch einmal nachschlagen wollen: Unter dem Stichwort Entlastungsbeschleunigungsgesetz beziehungsweise Liquiditätshilfe ist man den Ländern im letzten Jahr aufgrund des hohen Flüchtlingsstroms einen Schritt entgegengekommen, was die Rückzahlungen betrifft. Das heißt jetzt aber nicht, dass Mittel da zweckentfremdet werden. Was von Privatpersonen beantragt werden kann, sind Hilfen für Schäden aus der Flut von 2013.

Zusatzfrage: Frau von Tiesenhausen, wer entscheidet denn unter welchen Kriterien, wann es sich um eine nationale Katastrophe handelt?

von Tiesenhausen-Cave: Da es damals ein Gesetz dazu gab, ist das in dem Fall der Gesetzgeber gewesen. Es gibt auch Rechtsprechungen des Verfassungsgerichts zu derartigen Fragen. Ich glaube nicht, dass es eine Instanz gibt, die das beurteilt, aber es ist sehr klar, dass es nur in äußerst begrenzten Ausnahmefällen - und Sie haben ja gerade auch meine Beispiele gehört: 2002 und 2013 - zur Auflage solcher nationaler Fonds kommt.

Frage : Frau von Tiesenhausen, zum Stichwort Erbschaftssteuer: Können Sie etwas zum heutigen Treffen zwischen Herrn Schäuble, Herrn Gabriel und Herrn Seehofer sagen?

Ich habe gehört, es habe keine Einigung gegeben. Wie geht es jetzt weiter?

von Tiesenhausen-Cave: Es hat in der Tat heute dieses Treffen im Bundesfinanzministerium zwischen unserem Minister, dem Bundeswirtschaftsminister und dem bayerischen Ministerpräsidenten Seehofer gegeben. Just bevor ich losgefahren bin, konnte ich folgendes Ergebnis für Sie abgreifen: Es waren gute, aber fachlich komplizierte Gespräche. Wir sind vorangekommen. Es wird in der nächsten Woche ein weiteres Zusammentreffen geben. Ziel ist der Abschluss der Gesetzgebung vor der Sommerpause.

Zusatzfrage : Fällt das dann zusammen mit den Gesprächen der Ministerpräsidenten am 16. Juni zum Thema Länderfinanzausgleich?

von Tiesenhausen-Cave: Das kann ich Ihnen jetzt noch nicht sagen. Man geht jetzt in die Terminfindung. Ich habe jetzt noch keine konkreten Termine zu verkünden.

Frage : Wird denn die Einigung letztendlich in der nächsten Woche in diesem Format gesucht, oder kommt es noch einmal zu einem Treffen, an dem dann auch die Bundeskanzlerin beteiligt ist?

von Tiesenhausen-Cave: Die Verabredung aus dem Gespräch heute ist sehr eindeutig: Es wird in dieser Gruppe in der nächsten Woche ein weiteres Treffen geben, und das Ziel ist, sehr bald, also vor der Sommerpause, im Bundestag abzuschließen.

Frage : Frau von Tiesenhausen, wenn Sie "vor der Sommerpause" sagen, dann meinen Sie höchstwahrscheinlich nicht die letzte Sitzungswoche vor der Sommerpause, sondern Sie meinen vermutlich den 30. Juni, oder?

von Tiesenhausen-Cave: Ich meine vor der Sommerpause.

Frage : Die nächste Woche hat fünf Tage - können Sie etwas eingrenzen, wann das nächste Gespräch stattfindet?

von Tiesenhausen-Cave: Ich weiß zum Termin wirklich noch nichts.

Zusatzfrage : Gibt es eine politische Verbindung zwischen dem Thema Erbschaftssteuer und dem Länderfinanzausgleich, nach dem Motto: Hier wird beispielsweise von Bayern etwas verknüpft?

von Tiesenhausen-Cave: Nein. Das sind zwei sehr komplexe, aber fachlich völlig unterschiedliche Themengebiete. Es hat heute das genannte Gespräch zur Erbschaftssteuer gegeben. Ich habe ja auch gesagt, dass das fachlich kompliziert ist. Die Themen werden für sich behandelt.

Frage : Ich habe eine Frage an das Gesundheitsministerium: Frau Angeli, es gibt jetzt seit einiger Zeit Terminservicestellen, die dabei helfen sollen, dass Kassenpatienten schneller Facharzttermine bekommen. Jetzt gibt es aus Hessen neue Zahlen, die zeigen, dass das überhaupt nicht zu funktionieren scheint; demnach haben die Kassenpatienten im Durchschnitt erst nach 38 Tagen, also 27 Tage später als die Privatpatienten, einen Termin bekommen. Das heißt, im Vergleich zu 2013 ist es noch einmal schlimmer geworden, es scheint also nicht besser zu werden. Gibt Ihnen das zu denken?

Angeli: Lassen Sie mich kurz noch einige Dinge zur Terminservicestelle an sich sagen; das klärt vielleicht auch die eine oder andere Frage, wie die Regeln aussehen.

Überlange Wartezeiten sind in Deutschland nicht die Regel, aber auch kein Einzelfall. Deswegen ist klar: Gesetzlich Versicherte müssen sich darauf verlassen können, dass sie zügig einen Facharzttermin bekommen. Deswegen haben wir die Kassenärztlichen Vereinigungen gesetzlich verpflichtet, sogenannte Terminservicestellen einzurichten. Diese Terminservicestellen sind überall eingerichtet worden. Sie müssen helfen, wenn es beim Facharzttermin hakt; das heißt, der Versicherte, der Probleme hat, einen Facharzttermin zu bekommen, kann dort anrufen und muss innerhalb von einer Woche einen Termin in den nächsten vier Wochen vermittelt bekommen. Dafür braucht er eine Überweisung - außer beim Augen- oder Frauenarzt, bei denen keine Überweisung nötig ist. Gelingt das nicht, dann hat der Patient einen Anspruch auf eine Behandlung im Krankenhaus, und das geht zulasten des Budgets der Kassenärztlichen Vereinigungen. Dieser Termin muss dann auch von der Terminservicestelle vermittelt werden.

Damit die Patienten es leichter haben, ihre Terminservicestelle zu finden, haben wir auf unserer Homepage eine interaktive Karte eingestellt; da finden Sie alle Terminservicestellen mit Telefonnummer und Erreichbarkeit. Das erleichtert den Zugang und das stärkt auch die Patientenrechte.

Zusatzfrage : Ich habe das noch nicht ganz verstanden. Überraschen Sie solche Zahlen wie die aus Hessen, oder sagen Sie: Ist halt so, funktioniert eben noch nicht?

Angeli: Ich kann zu den Zahlen aus Hessen wenig sagen, weil ich nicht weiß, um welche Fälle es sich da handelt. Klar ist - das ist gesetzlich geregelt und das steht auch nach wie vor -: Wer eine Überweisung hat und Probleme hat, einen Termin zu finden, der kann bei der Terminservicestelle anrufen. Innerhalb einer Woche bekommt er dann einen Termin in den nächsten vier Wochen. Wenn das nicht klappt, dann wird er im Krankenhaus behandelt. Darauf hat jeder Patient ein Recht, und es ist ganz wichtig, die Patientenrechte hier zu stärken. Wenn es dabei irgendwo Probleme geben sollte, dann können sich die Patienten an die Aufsicht wenden, und das sind die jeweiligen Landesministerien, die hierbei die Aufsicht innehaben. Die müssen dann auch tätig werden; auch das ist gesetzlich als Pflicht geregelt.

Zusatzfrage : Ich glaube, nur in zwei oder weniger als einer Handvoll dieser 370 Fälle, in denen angerufen wurden, wurde, wenn die Patienten gesagt haben "Oh, das ist aber lang", überhaupt darauf verwiesen, dass es diese Terminservicestellen gibt. Müsste man nicht glauben, dass eine Praxis das dann einfach sozusagen routinemäßig macht? Man hat ja fast das Gefühl, dass die diese Stelle einfach boykottieren, wenn sie Patienten, die sagen "Das dauert mir eigentlich zu lange", nicht einmal darauf hinweisen, dass diese sich bei einer Terminservicestelle melden können.

Angeli: Die Ärzte sind verpflichtet, eine bedarfsgerechte Versorgung sicherzustellen. Auch dazu sind sie gesetzlich verpflichtet. Sie bekommen im Jahr rund 38 Milliarden Euro, um dieser Pflicht nachzukommen. Dazu gehört auch, Facharzttermine in einer annehmbaren Zeit zu vermitteln. Mit diesem Gesetz wurde festgeschrieben, in welcher Zeit das erfolgen muss.

Ich kann nur noch einmal sagen: Jeder, der Probleme hat und dem von seiner Terminservicestelle kein Termin vermittelt wird, soll sich an die Aufsicht wenden; denn dort muss man dann tätig werden. Das ist das Recht eines jeden Patienten.

Damit Patienten die Terminservicestellen finden, können sie sich auf unserer Internetseite oder über unser Bürgertelefon informieren. Wir haben alle Telefonnummern und auch die Erreichbarkeiten der Terminservicestellen da. Insofern sind wir immer bereit, helfend unter die Arme zu greifen.

Frage : Ich möchte das Bundeswirtschaftsministerium fragen. Mir geht es um den Fall KUKA. Es gibt verstärkt Kritik daran, dass sich die Bundesregierung über das Wirtschaftsministerium in diesen Komplex einmischt. Mich würde zum einen interessieren, ob diese Gespräche mit dem Ziel, deutsche und vielleicht auch andere europäische Investoren zu einem Alternativangebot für KUKA zu bewegen, noch laufen oder ob sie inzwischen - möglicherweise wegen Erfolglosigkeit - abgeschlossen sind.

Zum anderen: Nach welchem Kriterium bemisst sich, ob sich die Bundesregierung in solche Konstellationen einmischt? Man könnte ja argumentieren: Wenn sie sich bei KUKA einmischt, dann müsste sie eigentlich auch ein veritables Interesse an der Börsenfusion zwischen London und Frankfurt oder ähnlichen Komplexen haben. Wie entscheidet sich, ob sich die Bundesregierung zurückhält oder ob sie aktiv wird?

Audretsch: Danke für die Frage. Sie gibt mir die Gelegenheit, das Thema noch einmal darzustellen. Der Minister organisiert kein alternatives Anbieterkonsortium im Falle KUKA. Was er gesagt hat - das hat er auch schon bei seinen Pressekonferenzen in den vergangenen Tagen sehr deutlich klargemacht -, ist, dass er es gut fände, wenn es eine deutsche oder europäische Alternative aus der Wirtschaft selber heraus gäbe und die Eigentümer dann die Möglichkeit hätten, eine Entscheidung zu treffen, welches Angebot das bessere für das Unternehmen und welches auch das bessere für den Standort Deutschland ist.

Um das deutlich herauszustreichen: Solche Prozesse sind unternehmerische Vorgänge und Entscheidungen. Die Bundesregierung greift da nicht aktiv ein.

Zusatzfrage : Darf ich noch einmal fragen: Wenn der Minister sagt, dass er Gespräche zu diesem Thema führt, dann geht das ja darüber hinaus, nur etwas gut zu finden. Dann ist er aktiv daran beteiligt. Er spricht mit Unternehmen darüber. Noch einmal die Frage: Spricht er noch mit etwaigen Interessenten darüber?

Was entscheidet darüber, ob er in einem solchen Komplex mit irgendjemandem in der Wirtschaft darüber redet oder nicht?

Audretsch: Sie wissen, dass wir als Haus immer in intensivem Kontakt mit unterschiedlichsten Unternehmen stehen. Das ist, meine ich, ein ganz natürlicher Vorgang in einem Wirtschaftsministerium. Deswegen bleibt mir nur, Ihnen noch einmal sehr deutlich zu sagen, dass Minister Gabriel kein alternatives Anbieterkonsortium für KUKA organisiert und dass es eine unternehmerische Entscheidung ist, in die nicht eingegriffen wird.

Frage : Jetzt hat KUKA selber den Zusammenschluss mit den Chinesen eigentlich als eine Chance und als ganz positiv gesehen, zum Beispiel um sich nach China ausweiten zu können. Wird diese Ansicht geteilt? Sagt man: "Diese unternehmerische Entscheidung überlassen wir denen"?

Wo sieht der Minister tatsächlich den Vorteil eines deutschen oder europäischen Partners?

Audretsch: Ich kann nur noch einmal auf das zurückkommen, was ich gerade gesagt habe, dass das unternehmerische Entscheidungen sind. Wenn wir bei dem Punkt sind, dass es eine unternehmerische Entscheidung ist, dann kann ich sie natürlich auch nicht in einem Atemzug weiter im Detail kommentieren. Das versteht sich, denke ich.

Generell kann ich Ihnen sagen, dass Deutschland ein offener Investitionsstandort und ein für Investitionen offenes Land ist. Der Minister hat in seiner Pressekonferenz ausführlich betont, dass er etwas dagegen hätte, wenn über China als Gefahr diskutiert würde. Das wäre im Umgang mit China nicht angemessen. Daran haben auch wir als Land kein Interesse.

Die Bundesregierung beobachtet natürlich gleichzeitig aufmerksam, wenn es gezielte Beteiligungs- oder Übernahmeangebote für unsere wichtigen Know-how-Träger in der Industrie gibt. Gleichzeitig bleibt es dabei: Es sind unternehmerische Entscheidungen, in die die Bundesregierung nicht eingreift.

Frage : Herr Audretsch, das ist aber doch eigentlich das Eingeständnis, dass man - entgegen dem, was noch vor wenigen Tagen in Meseberg und auch sonst gern formuliert wurde - Unternehmen gewisser Schlüsseltechnologien - und KUKA ist durchaus ein Schlüsseltechnikunternehmen im Rahmen von Industrie 4.0 etc. - überhaupt nicht im eigentlichen Sinne in Deutschland halten kann. Das ist doch das Eingeständnis dessen, dass man politisch zwar vielleicht warme Worte, aber keine Handhabe hat.

Audretsch: Mir bleibt nur, Ihnen das, was ich gesagt habe, noch einmal zu wiederholen. Es geht um unternehmerische Entscheidungen. Gleichzeitig ist völlig klar, dass die Bundesregierung diese Vorgänge intensiv verfolgt und beobachtet.

Frage : Ich habe eine Lernfrage zum Außenwirtschaftsrecht: Spielt es bei einem solchen Komplex wie dem chinesischen Interesse an KUKA automatisch eine Rolle? Wird eine solche Transaktion nach Außenwirtschaftsrecht automatisch geprüft, oder muss einer solchen Prüfung ein Antrag eines Unternehmens zugrunde liegen, das zu prüfen?

Audretsch: Es wird nicht automatisch geprüft. Es wird dann geprüft, wenn es um konkrete Verträge geht. Dann gibt es die Möglichkeit, zu prüfen - in verschiedenen Varianten. Prüfmaßstab ist dann, ob der konkrete Erwerb die öffentliche Ordnung oder Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet.

Zusatzfrage : Könnte das Kriterium Sicherheit und Ordnung in irgendeiner Weise für eine KUKA-Übernahme zutreffen?

Audretsch: Ich habe meine letzten Ausführungen absolut abstrakt gemacht, nicht mit Bezug auf irgendeinen konkreten Fall.

Zum Fall KUKA habe ich Ihnen bereits gesagt, dass es eine unternehmerische Entscheidung ist und dass es jetzt nicht ansteht, über andere Fragen zu diskutieren.

Frage : Das heißt also, in diesem Fall - solange es kein Rüstungsunternehmen und die Sicherheit also nicht tangiert ist - kann die Bundesregierung nichts tun. Das heißt, wenn es zu einem Verkauf an China käme, dann könnte KUKA verkauft werden. Sie könnten und wollen es auch nicht verbieten. Ist das so richtig?

Audretsch: Zum Fall KUKA kann ich mich tatsächlich nur wiederholen. Bei allem, was Sie mit Bezug zum Fall KUKA wissen möchten, komme ich auf das zurück, was ich eingangs gesagt habe, dass es eine unternehmerische Entscheidung ist. Da werden Sie auch mit noch weiteren Nachfragen nicht zu weiteren Aussagen meinerseits gelangen, weil diese Frage - auch die Frage nach Prüfungen nach dem Außenwirtschaftsgesetz - nicht ansteht.

Frage: Meine Frage betrifft auch eine Schüsselindustrie, die Autoindustrie. Sie richtet sich an Herrn Strater. Wenn ich richtig gerechnet habe, dann sind die 14 Tage um, in denen Opel nachliefern sollte, warum es Abschalteinrichtungen für Abgasreinigung ab bestimmten Höhenmetern und ab einer bestimmten Geschwindigkeit gibt. Ist etwas eingegangen? Wenn ja, ist es zufriedenstellend?

Strater: Sie haben richtig gerechnet. Die Frist ist am vergangenen Mittwoch abgelaufen. Der Minister hat am 18. Mai Unterlagen von Opel gefordert. Opel hat die geforderten Unterlagen am vergangenen Mittwoch geliefert. Es handelt sich um mehrere Seiten an Unterlagen, die nun von uns technisch und juristisch überprüft werden. Minister Dobrindt hat eine zügige Bewertung der Unterlagen zugesagt. Ich kann aber im Moment noch nicht sagen, wie lange das dauern wird. Wenn die Ergebnisse vorliegen, werden diese so, wie wir das auch in der Vergangenheit gehandhabt haben, veröffentlicht. Ein Datum dafür gibt es aber noch nicht.

Frage: Ich habe eine Lernfrage an das Finanzministerium zur Erbschaftssteuer. Wenn man sich erst Anfang Juli einigt, also erst am 6. oder 7. Juli, und das nicht bis zum 30. Juni schafft, hat man dann eine Frist des Gesetzgebers, dass das noch in Ordnung ist? Hat man da einen Spielraum, oder was passiert dann rechtlich?

von Tiesenhausen-Cave: Ich möchte jetzt ungern spekulieren. Ich kann Ihnen nur noch einmal nachträglich in Erinnerung rufen, was ich gerade gesagt habe, dass es unser festes Ziel ist, das Gesetzgebungsverfahren vor der Sommerpause abzuschließen.

Zusatz: Die Sommerpause fängt ja erst im Juli an.

von Tiesenhausen-Cave: Vor der Sommerpause.

Frage: Zwei Fragen an Herrn Dimroth. Die sächsische Staatsregierung klagt, dass Rückführungen nach Nordafrika, vor allem nach Algerien und Marokko, immer noch extrem schwierig sind und meist scheitern, weil die Behörden dort nicht sehr kooperativ sind. Ich möchte fragen: Ist das ein rein sächsisches Phänomen? Wie sehen die Zahlen für die Bundesrepublik aus?

Wie weit ist man mit den Ländern Nordafrikas in Sachen Passersatzpapiere?

Dimroth: Vielen Dank für die Frage. Das gibt mir zunächst einmal Gelegenheit eine über die ganze Woche dem Bundesinnenminister seitens einiger Medien sehr hartnäckig in den Mund gelegte Bewertung klarzustellen, nämlich die Bewertung, dass es den Bundesländern an hinreichendem politischen Willen fehle, bei der Rückführung und Abschiebung mitzuwirken.

Genau das Gegenteil ist richtig: Der Bundesinnenminister hat mehrfach im Verlaufe dieser Woche sehr deutlich gesagt, dass er anerkennt, dass dieser politische Wille zwischenzeitlich bei allen Bundesländern vorhanden ist. - Das einmal vor die Klammer gezogen.

Richtig ist auch, dass Rückführung und im Zweifel auch Abschiebung ein wichtiges und richtiges Instrument ist, um bestehendes Recht in Deutschland durchzusetzen. Wenn nach Abschluss eines Verfahrens klar ist, dass jemand unser Land wieder verlassen muss, dann muss das auch durchgesetzt werden, am besten im Wege freiwilliger Rückkehr. Wo das aber nicht funktioniert, ist eine zwangsweise Rückkehr erforderlich. Das erfolgt dann im Wege der Abschiebung.

Richtig ist auch, dass die Durchsetzung dieser Ausreisepflicht im Wege der Abschiebung insgesamt verfahrensmäßig auf sehr viele Hürden trifft. Diese verfahrensmäßigen Hürden liegen nicht nur begründet in der Rücknahmebereitschaft der Herkunftsländer, sondern haben auch mit einer Reihe von Verfahrenshindernissen im nationalen Recht und letztlich auch mit dem Verhalten der Betroffenen selbst zu tun.

Wie Sie wissen, hat die Bundesregierung eine Reihe von Maßnahmen ergriffen - nicht nur der Innenminister, sondern auch der Außenminister -, um hier insgesamt die Rücknahmebereitschaft, gerade der Maghreb-Staaten, zu erhöhen. Das war ja das letzte Mal auch sehr prominent durch eine Dienstreise des Ministers in die genannten Staaten. Dort konnte durchaus ein gutes Stück an mehr Bereitschaft bei den Staaten erzielt werden. Es konnten Zusagen erreicht werden, was Zahlen an Rückzuführenden, aber auch bestimmte Verfahren anbetrifft. Jetzt sind wir als Gesamtstaat, also Bund und Länder, gefordert, diese Zusagen so zu nutzen, dass entsprechende Abschiebungen stattfinden.

Nach den Zahlen gefragt, kann ich Ihnen sagen, dass bis Ende April dieses Jahres für einige der genannten Staaten hier erhebliche Steigerungen erreicht werden konnten. Waren es im Jahr 2015 beispielsweise für Tunesien noch 17 Abschiebungen auf dem Luftweg nach Tunesien, so konnten bis zum April dieses Jahres schon 41 Rückführungen erfolgen, also eine deutliche Steigerung schon jetzt. Nach Algerien hatten wir im gesamten Jahr 2015 57 Abschiebungen, bisher - bis April 2016 - 35. Für Marokko hatte man im gesamten Jahr 2015 61 Fälle, während wir bis jetzt - April 2016- 25 Fälle haben.

Ich will das vielleicht noch einmal kurz erläutern: Dass die Bemühungen der Bundesregierung, wie gesagt, ein gutes Stück weit gefruchtet haben, was die Bereitschaft der Herkunftsstaaten anbetrifft, (Staatsangehörige zurückzunehmen), lässt sich durchaus auch anhand der erfolgten Rückführungen und Abschiebungen nachzeichnen. Wenn aber solche Bemühungen fruchtbar sein und sich auch langfristig in den Zahlen niederschlagen sollen, setzt das eben voraus, dass beispielsweise für einen Charterflug Gemeldete dann auch tatsächlich mit den entsprechenden Papieren ausgestattet dort erscheinen. Dem wiederum begegnet eine Reihe von verfahrensmäßigen Hindernissen und - noch einmal - nicht zuletzt auch Hindernisse, die in dem Verhalten der Rückzuführenden selbst begründet sind. Auch hier hat die Bundesregierung eine Reihe von Maßnahmen ergriffen. Nicht zuletzt hat sie gesetzlich dafür gesorgt, dass Abschiebehindernisse zumindest minimiert wurden.

Unser Appell ist es - und der Appell des Bundesinnenministers -, hier nicht ein Schwarze-Peter-Spiel zu spielen "Bund gegen Land - Land gegen Bund", sondern gemeinsam dafür zu sorgen, dass diese Maßnahmen - diese Handlungsrahmen, die damit eröffnet wurden -, jetzt sowohl durch die internationale Zusammenarbeit als auch durch die Gesetzgebung genutzt werden, um im Laufe des Jahres von diesen Instrumenten noch effektiver als bisher Gebrauch machen zu können.

Zusatzfrage: Und wie stehen die Chancen für dieses "Laissez-passer"-Verfahren?

Dimroth: Dazu habe ich keinen aktuellen Verhandlungsstand. Meine Information ist so, dass wir zunächst alle Kraft darauf setzen, die erreichten Verhandlungsstände so zu nutzen, dass tatsächlich die Effekte, die ich gerade als wünschenswert beschrieben habe, auch eintreten.

Frage: Ich habe eine Frage an das Landwirtschaftsministerium: Am Montag soll über eine Zulassungsverlängerung von Glyphosat abgestimmt werden. Wie verhält sich die Bundesregierung dazu?

Lenz: Innerhalb der Bundesregierung ist die Abstimmung der deutschen Haltung noch nicht abgeschlossen. Wir wissen aber von der EU-Kommission - das hat EU-Gesundheitskommissar Andriukaitis am Mittwoch in Brüssel gesagt - , dass - wie Sie am Montag richtig sagten - im zuständigen EU-Ausschuss eine Abstimmung über eine zeitlich eng begrenzte Verlängerung der geltenden Wirkstoffgenehmigung von Glyphosat stattfinden soll.

Zusatzfrage: Bis wann ist die Meinungsbildung abgeschlossen?

Lenz: Das kann ich Ihnen nicht sagen. Ich kann Ihnen nur sagen, dass derzeit die Abstimmung über die Haltung innerhalb der Bundesregierung noch nicht abgeschlossen ist.

Frage: Herr Seibert, ich erinnere mich, dass in dieser Frage das Kanzleramt so eine Art Moderatorenrolle einnehmen wollte. Ist es bisher nicht erfolgreich?

StS Seibert: Es ist jedenfalls so - das ist hier ja auch deutlich geworden - : Wir haben in der Bundesregierung noch keine gemeinsame Haltung dazu. Unter dieser Prämisse wird am Montag die deutsche Position eine Enthaltung sein müssen. Das ist nach den Regeln unserer Zusammenarbeit in der Koalition so.

Frage: Eine Frage an das Umweltministerium: Spielt die Zeitspanne für Sie überhaupt eine Rolle bei der Bewertung? Oder war von vornherein klar, dass es, wenn man sich noch einmal abstimmt, auf das gleiche Ergebnis herausläuft?

Stamer: Unsere Haltung dazu ist bekannt. Diese ist unverändert. Es gilt das Vorsorgeprinzip. Es ist für die Umweltpolitik genauso maßgeblich wie für die Gesundheitspolitik. Das heißt, solange die möglichen Gefahren eines Stoffes nicht abgeklärt sind, kann er nicht wieder zugelassen werden. Das ist die Position der Bundesumweltministerin und die Position aller SPD-geführten Ressorts.

Zusatzfrage: Gibt es denn dann überhaupt noch einen Abstimmungsprozess, wie es gerade aus dem BMEL hieß? Er ist doch dann zwecklos, oder?

StS Seibert: Ich wüsste jetzt nicht, an wen Sie die Frage gerichtet haben.

Zusatz: Vielleicht an Sie, wenn Sie sozusagen der Hauptzuständige sind. - Also versucht man, sich innerhalb der Bundesregierung noch abzustimmen? Oder ist die Sachlage eh klar?

StS Seibert: Es ist bislang nicht gelungen, eine gemeinsame Position zu entwickeln. Deshalb wird sich die Bundesregierung bei der Abstimmung in Brüssel enthalten.

Frage: Eine Frage an das Familienministerium bezüglich des Pflegeberufsgesetzes: Herr Lauterbach hat in dieser Woche gesagt, dass es in der SPD-Fraktion dazu noch kein einhelliges Meinungsbild gibt. Mich würde interessieren, ob die Ministerin, die ja den Gesetzentwurf mitverantwortet, versucht, da noch Einfluss auf die Fraktionen zu nehmen oder ob es überhaupt noch in dem Entwurf steht, weil man von ihr in den letzten Tagen gar nichts gehört hat.

Kempe: Die Ministerin hat sich schon häufiger zu dem Pflegeberufsgesetz geäußert. Sie hat kürzlich auch noch einmal gesagt, dass wir damit den größten Ausbildungsberuf in Deutschland schaffen und es sie nicht überrascht, dass es hier Kritik gibt. Sie wird weiter dafür werben, dass wir diese grundlegende Reform der Pflegeausbildung durchsetzen.

Zusatzfrage: Ist die Ministerin zuversichtlich, in der SPD-Fraktion da eine geschlossene Zustimmung oder zumindest eine Mehrheit zu bekommen?

Kempe: Ja, Sie können davon ausgehen: Die Ministerin ist zuversichtlich, dass sie da eine Mehrheit bekommt.

Frage : Ich würde das Außenministerium gern fragen: Es gibt heute eine Nahostkonferenz in Paris. Der Minister ist nicht dabei. Liest man daraus, dass die Bundesregierung dieser Konferenz keine großen Chancen einräumt?

Chebli: Ganz im Gegenteil. Die Bundesregierung begrüßt die Initiative der französischen Regierung, heute in Paris mit der internationalen Gemeinschaft über mögliche Impulse für eine Reaktivierung des Friedensprozesses zwischen Israelis und Palästinensern zu beraten. Es geht darum, den viel zu lange andauernden Stillstand zu überwinden und Wege auszuloten, wie der Wiedereinstieg in Gespräche über eine Zweistaatenlösung gelingen kann.

Außenminister Steinmeier ist ja auf Reisen, wie Sie wissen. Vertreten wird er von Staatssekretär Ederer. Allen muss klar sein - das ist unsere Haltung -: Der Status quo, wie er sich gegenwärtig im Nahen Osten zwischen Israel und Palästina darstellt, ist unhaltbar. Die Menschen brauchen Hoffnung auf Zukunft. Es wächst eine Generation auf beiden Seiten heran, die nichts außer Unfrieden kennt. Nur eine Zweistaatenlösung kann der Region auf Dauer Frieden bringen.

Dafür - auch das ist wichtig, glaube ich, dass man es unterstreicht - braucht es natürlich auch den Willen der Konfliktparteien. Wenn die internationale Gemeinschaft sagt "Wir rollen den Prozess an. Wir wollen eine Zweistaatenlösung. Wir wollen den Wiedereinstieg in Friedensverhandlungen.", dann wird es nicht reichen, wenn beide Seiten sich nicht bereit erklären, auch daran mitzuwirken. Deshalb ist es richtig zu überlegen - und das lohnt jede Mühe -, wie wir als Weltgemeinschaft den Prozess mit ankurbeln und den Parteien helfen können, den Weg zurück zum Verhandlungstisch zu finden, auch wenn dieser Weg natürlich alles andere als einfach wird.

Frage: Noch einmal eine Frage an das Verkehrsministerium: Herr Strater, Hinweise auf Unregelmäßigkeiten oder illegale Abgasreinigungseinrichtungen gab es ja nicht nur bei Opel, sondern auch bei Fiat. Da ist ein erster Gesprächsversuch gescheitert. Gibt es einen zweiten Versuch?

Strater: Zu Fiat haben wir mitgeteilt, dass wir entsprechende Informationen den italienischen Behörden übermittelt haben. Es liegt jetzt an denen, sie zu bewerten und Maßnahmen zu ergreifen.

Freitag, 3. Juni 2016

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Quelle:
Regierungspressekonferenz vom 3. Juni 2016
https://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2016/06/2016-06-03-regpk.html;jsessionid=09676F0B083BC5280A8E195750C62732.s7t1
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veröffentlicht im Schattenblick zum 6. Juni 2016

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