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PRESSEKONFERENZ/1141: Regierungspressekonferenz vom 20. Januar (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Im Wortlaut
Mitschrift der Pressekonferenz - Mittwoch, 20. Januar 2016
Regierungspressekonferenz vom 20. Januar 2016

Themen: Kabinettssitzung (nationales Hafenkonzept für die See- und Binnenhäfen, Beschluss zur Unterzeichnung des Europaratsübereinkommens zur Geldwäschebekämpfung, Maßnahmen zur Förderung bezahlbaren Wohnraums), Reise des Bundesaußenministers nach Warschau, Asyl- und Flüchtlingspolitik, finanzielle Situation Griechenlands, BND-Gesetz, Manipulation von Abgastests durch VW, Militärische Luftfahrtstrategie 2016, Syrien-Einsatz der Bundeswehr, Kohleausstieg, Vorwurf von durch die Peschmerga verübte Kriegsverbrechen, Syrien-Konflikt, Obergrenze für Flüchtlinge in Österreich, Jahrestreffen des Weltwirtschaftsforums in Davos, Reise des Bundesaußenministers nach Warschau

Sprecher: StS Seibert, Schäfer (AA), Scholz (BMJV), Haufe (BMUB), Weißgerber (BMF), Schneider (BMAS), Plate (BMI), Susteck (BMVI), Alemany (BMWi)


Vorsitzender Leifert eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt StS Seibert sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

StS Seibert: Guten Tag auch von mir, meine Damen und Herren. Der erste Punkt im Kabinett war der Entwurf eines nationalen Hafenkonzepts für die See- und Binnenhäfen, vorgelegt vom Bundesverkehrsminister. Dieses nationale Hafenkonzept soll ein strategischer Leitfaden für die Hafenpolitik, also See- und Binnenhäfen, der nächsten zehn Jahre sein und damit eine verlässliche Grundlage für alle Beteiligten für ihr politisches und wirtschaftliches Handeln.

Es hat im Jahre 2009 bereits ein Hafenkonzept gegeben. Das wird nun fortgeschrieben. Es gibt neue Herausforderungen, vor denen Deutschlands Häfen stehen. Insofern benennt das Konzept diese Herausforderung; es benennt aber auch die Maßnahmen für ihre Bewältigung.

Man kann die Bedeutung der Häfen für Deutschlands Wirtschaft, vor allem die Außenwirtschaft, gar nicht hoch genug einschätzen. Ein Viertel des deutschen Außenhandels läuft über Seehäfen. Es gibt immer größere Containerschiffe. Es werden immer noch größere gebaut mit immer größerem Tiefgang. Das alles sind Herausforderungen. Das Konzept benennt über 150 Einzelmaßnahmen, die ich Ihnen hier erspare.

Ich sage aber die wesentlichen Überschriften dessen, was in den kommenden Jahren geleistet werden soll: Hafenbezogene Infrastrukturen sollen bedarfsgerecht ausgebaut werden. Wir wollen die Wettbewerbsfähigkeit der Häfen steigern - Umwelt- und Klimaschutz ist ein sehr wichtiger Aspekt -, qualifizierte Ausbildung und Beschäftigung sichern und rund um die Häfen die angemessene Sicherheit und Gefahrenabwehr gewährleisten.

Anschließend hat der Justizminister dem Kabinett einen Beschluss zur Unterzeichnung des Europaratsübereinkommens zur Geldwäschebekämpfung vorgelegt. Die Bundesregierung hat der Unterzeichnung dieses Übereinkommens zugestimmt. Das Abkommen regelt unter anderem den Bereich der Terrorismusfinanzierung und die Einziehung von Erträgen aus Straftaten. Das Ziel dieses Übereinkommens ist es, dem drängenden Phänomen der Terrorismusfinanzierung zu begegnen. Es soll effektiver daran gearbeitet werden, grenzüberschreitende kriminelle terroristische Finanzierungshandlungen aufzudecken und zu verfolgen. Die Gewinne aus solchen Straftaten sollen grenzüberschreitend sichergestellt und abgeschöpft werden können. Das Übereinkommen selbst stammt aus dem Jahr 2005.

Bei der Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung ist die Bundesrepublik Deutschland gut aufgestellt. So kann ich Ihnen sagen: Alle Maßnahmen, die dieses vorliegende und jetzt zu unterzeichnende Übereinkommen fordert, sind im deutschen Recht bereits umgesetzt. Das ist, glaube ich, das Wesentliche, was ich dazu sagen kann.

Dann kommen wir zum regelmäßigen Punkt "Situation der Flüchtlinge und des Flüchtlingszulaufs in Deutschland": Heute hat sich das Kabinett mit dem Thema Wohnraum für Flüchtlinge beschäftigt. Die Bundesbauministerin hat einen Bericht zu den Maßnahmen, mit denen die Bundesregierung bezahlbaren Wohnraum fördert, gegeben. Ich betone: Gefördert wird Wohnraum für alle in Deutschland, also für Flüchtlinge, aber auch für alle anderen Menschen in Deutschland, die auf bezahlbaren Wohnraum angewiesen sind.

Angesichts der hohen Zuwanderung geht die Bundesregierung davon aus, dass jährlich bis zu 350 neue Wohnungen gebaut werden müssen. Die Bundesregierung hat schon durch Änderungen des Baugesetzbuches, des Erneuerbare-Energien-Wärme-Gesetzes und der Energieeinsparverordnung den Rahmen gesetzt, um Verfahren zu beschleunigen und um die notwendige Flexibilität bei der Nutzung oder bei der Errichtung von Flüchtlingsunterkünften zu erreichen, um die Länder und Kommunen zu unterstützen. Darüber hinaus hat sie die Mittel für den sozialen Wohnungsbau für den Zeitraum 2016 bis 2019 um 500 Millionen verdoppelt, also auf eine Milliarde Euro jährlich erhöht. Nun sind die Länder gefordert, die Bundesmittel und zusätzliche eigene Mittel gezielt einzusetzen, um mehr bezahlbaren Wohnraum zu schaffen.

Ich möchte auch das Programm "Soziale Stadt" des Bauministeriums erwähnen. Damit unterstützt der Bund Städte und Gemeinden bei der Unterbringung von Flüchtlingen, beim Ausbau der sozialen Infrastruktur und bei der Verbesserung des Wohnumfelds. Mit dem Bundesprogramm "Bildung, Wirtschaft, Arbeit im Quartier" - kurz BIWAQ - fördert die Bundesregierung wohnortnahe berufsbezogene Bildungs- und Qualifizierungsangebote in benachteiligten Stadtteilen.

Soweit mein Bericht aus dem Kabinett.

Schäfer: Ich kann Ihnen sagen, dass Außenminister Steinmeier sich sehr freut, dass er auf Einladung seines polnischen Kollegen morgen den Tag in Warschau verbringen wird. Er wird zunächst im Laufe des Vormittags mit seinem Amtskollegen Waszczykowski zusammentreffen. Nach dem Gespräch wird eine Pressekonferenz stattfinden. Im Anschluss wird Herr Steinmeier mit der polnischen Ministerpräsidentin Beata Szydlo und dem Vorsitzenden des Ausschusses für Außenpolitik und ehemaligen Außenminister der vorhergehenden Regierung, Herrn Schetyna, zusammentreffen. Er wird mit Vertretern der Kirchen, insbesondere dem Erzbischof von Warschau, ein Treffen haben. Er möchte gern mit Schülerinnen und Schülern von zwei Gymnasien in Warschau sowie im Rahmen einer Begegnung mit der Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit mit polnischen Intellektuellen und Wissenschaftlern zusammentreffen.

Sie können sich denken, worum es bei dieser Reise geht. Der Außenminister hat bereits einige sehr gute Treffen mit seinem polnischen Amtskollegen gehabt. Er erwidert die Reise, die sein polnischer Amtskollege Waszczykowski bereits am Tag nach der Ernennung zum Außenminister am 26. November durchgeführt hat. Herr Steinmeier freut sich auf die Gespräche mit der neuen polnischen Regierung. Herzlichen Dank.

Frage (zum Übereinkommen zur Geldwäschebekämpfung): Herr Seibert, gibt es aus Sicht der Bundesregierung Terrorismus-Finanzierung aus Deutschland oder nach Deutschland? Gab es bisher Fälle, die die Bundesregierung zum Handeln bringt?

StS Seibert: Ich würde Sie gern an das Justizministerium verweisen. Der Minister der Justiz hat ja die Unterzeichnung dieses Abkommens eingebracht.

Scholz: Auf Ihre konkrete Frage kann ich so ad hoc nicht antworten. Das weiß ich nicht. Mir liegen keine Kenntnisse über konkrete Einzelfälle vor. Was das Übereinkommen des Europarats angeht, hat Herr Seibert die wichtigsten Punkte schon gesagt. Die gesetzlichen Maßnahmen, die das Übereinkommen fordert, sind im deutschen Recht bereits umgesetzt. Das betrifft insbesondere die 2015 abgeschlossenen Gesetzgebungsvorhaben zur Korruptionsbekämpfung und zur Änderung der Verfolgung der Vorbereitung von schweren staatsgefährdenden Gewalttaten. Da wurde die Strafbarkeit der Geldwäsche und der Terrorismus-Finanzierung weiter verschärft.

Zusatzfrage: Sie können jetzt keine Einzelfälle nennen? Das heißt, Sie handeln jetzt basierend, ohne dass es einen Anlass gibt. Kann man das so verstehen?

Scholz: Ich habe gerade erwähnt, dass wir im letzten Jahr schon Gesetzgebungsvorhaben abgeschlossen haben und davor auch schon entsprechende Straftatbestände hatten. Ich kann nur jetzt keine einzelnen Strafverfahren aufzählen, die möglicherweise in diesem Bereich stattgefunden haben.

Zusatzfrage: Können Sie das vielleicht nachreichen?

Scholz: Das kann ich versuchen. Ich weiß aber nicht, ob ich da Erkenntnisse bekomme.

Frage: Herr Scholz, könnten Sie vielleicht netterweise ein praktisches Beispiel aus der Gesetzgebung aus 2015 nennen, was Teil dieser Gesetzgebung war, damit man sich das ein bisschen vorstellen kann?

Scholz: Das kann ich gern machen. Ich hatte eben erwähnt. Wir hatten im Rahmen des Gesetzes zur Änderung der Verfolgung der Vorbereitung von schweren staatsgefährdenden Gewalttaten die Forderungen auch der FATF umgesetzt und einen eigenständigen Straftatbestand der Terrorismus-Finanzierung mit einer Mindestfreiheitsstrafe eingeführt. Dieses Gesetz ist am 20. Juni 2015 in Kraft getreten. Dort ist die Strafbarkeit der Finanzierung terroristischer Straftaten wie auch die Bekämpfung der Finanzierung entsprechender Reisetätigkeit zu terroristischen Zwecken geregelt. Damit wird insbesondere der besonderen Bedeutung Rechnung getragen, welche der Finanzierung als wirtschaftlicher Nährboden für terroristische Straftaten zukommt.

Vorsitzender Mayntz: Ich rufe jetzt die Fragen zum Wohnraumkonzept und zum Bericht von Umweltministerin Hendricks auf. Ich gehe davon aus, dass das Stichwort dann zum weiteren Komplex Flüchtlinge führen wird.

Frage: Ich hätte nur eine Frage, damit ich weiß, ob man da nachher noch hingehen muss. In welchem Zusammenhang steht der Bericht der Bundesbauministerin zu der KfW-Förderung, die Herr Altmaier nachher vorstellen wird?

Haufe: Die Bundesbauministerin hat ja heute um 11 Uhr ein Pressestatement zu der Situation des Wohnungsbaus und der Wohnungsbauförderung gegeben. Das, worauf sich die Bundesbauministerin bezieht, ist die Wohnungsbauförderung, die Förderung des sozialen Wohnungsbaus. Die möglichen Sonderabschreibungen, um Bauherren Anreize zu schaffen, mehr Wohnungen zu bauen, ist das Wesentliche, was die Bundesbauministerin vorgestellt hat. Thema war zudem, wie sie die weitere Finanzierung und die Aufstockung der Mittel in diesem Bereich, wie auch die Mittel für den sozialen Wohnungsbau, sieht. Das ist das, wozu sich die Ministerin geäußert hat.

Was jetzt Herr Altmaier dazu sagen wird, dazu kann ich Ihnen natürlich keine Auskunft geben.

Vorsitzender Mayntz: Können Sie das, Herr Seibert?

StS Seibert: Ich würde einmal das BMF anblicken in der Hoffnung, dass es über den Winkel KfW in das Thema hereinkommt. Ansonsten müssten wir das nachreichen. Aber ich würde ohnehin den Besuch der Pressekonferenz empfehlen.

Zusatzfrage: Aber wenn ich es richtig verstehe, dann geht es doch beide Male ums Bauen und um das Fördern von Bauen aus einem Anlass, der relativ naheliegend ist. Also ich wundere mich etwas, dass das nicht aufeinander abgestimmt zu sein scheint.

Haufe: Also mir ist zu dem KfW-Programm jetzt auch nichts bekannt. Wir sind vor allem über das Thema Sonderabschreibung für Mietwohnungsbau involviert.

Zusatzfrage: Also dann muss man davon ausgehen, dass Herr Altmaier das zu seinem Privatvergnügen macht, und dann müssen wir da halt nachher hingehen.

StS Seibert: Davon brauchen Sie nicht auszugehen. Auch die Tatsache, dass es zwei verschiedene Presseveranstaltungen gibt, ist ja kein Hinweis darauf, dass irgendetwas nicht abgestimmt ist.

Frage: Herr Seibert, Sie haben eben ausdrücklich betont, dass das für alle gelte, die bezahlbaren Wohnraum benötigen. Jetzt wollte ich einmal fragen: Wer sind die anderen?

StS Seibert: Alle, die in Deutschland auf bezahlbaren Wohnraum angewiesen sind.

Zusatzfrage: Wer sind die anderen?

StS Seibert: Ich verstehe jetzt, ehrlich gesagt, nicht die Frage.

Zusatz: Ich verstehe Ihre Aussage an der Stelle nicht.

StS Seibert: Dann haben wir ein Problem.

Zusatzfrage: Erklären Sie mir doch einmal, wer in Deutschland nicht auf bezahlbaren Wohnraum angewiesen ist.

StS Seibert: Es gibt, glaube ich, in Deutschland - da gehören sogar eine ganze Menge Journalisten dazu - Menschen, die nicht so sehr wie andere auf bezahlbaren Wohnraum angewiesen sind. Ich glaube, das ist lebenspraktisch erklärbar.

Haufe: Ich kann ja dazu noch etwas sagen. Die Formulierung "bezahlbarer Wohnraum" bezieht sich natürlich auch darauf, dass jeder nach seiner Einkommensklasse, nach seinem Einkommen, unterschiedlich betroffen ist. Wir haben den Bereich "sozialer Wohnungsbau". Das ist eine Kategorie. Da geht es natürlich um Menschen mit weniger und niedrigerem Einkommen. Wir haben in diesem Jahr zum Beispiel aber auch ein eigenes Programm speziell für Studentenwohnungen aufgesetzt, in großen Städten mit modularen Wohnsystemen, die man später vielleicht auch für Senioren nutzen kann, die also von Anfang an barrierefrei sein müssen. Das ist quasi ein Experimentierfeld, auf das wir uns begeben. Auch das geht in den Bereich bezahlbaren Wohnraum für diejenigen und für alle Menschen.

Frage: Mir ist noch nicht ganz klar, worin die Förderung jetzt besteht. Also ich habe jetzt einen Betrag gehört. Aber wo kann ich denn erfahren, was eigentlich gefördert wird? Sind die 500 Millionen Aufstockung jetzt die Sonderabschreibung? Oder was ist die Förderung, oder wo gibt es die Informationen?

Haufe: Also es geht um 5 Milliarden. Das sind Mittel, über die die Ministerin sagt: Um diese Summe, diese 5 Milliarden, möchte ich die Mittel für den sozialen Wohnungsbau aufstocken. Das strebt sie an. Die Gespräche dazu laufen ja erst noch. Das ist nicht schon fest beschlossen.

Das Zweite ist die Sonderabschreibung.

Zusatzfrage: Sie möchte die Mittel um 5 Milliarden aufstocken. Auf wie viel dann?

Haufe: Die momentane Förderung für den sozialen Wohnungsbau beträgt eine Milliarde jährlich. Das ist bereits eine Aufstockung. Ab 2016 haben wir eine Milliarde für den sozialen Wohnungsbau für die Länder. Die Länder müssen dazu einen Nachweis liefern, dass sie das Geld auch wirklich für das Bauen ausgeben. Das war bisher nicht mehr der Fall. In Zukunft sollen die Mittel zwei Milliarden pro Jahr ausmachen. Eine Förderung des sozialen Wohnungsbaus von zwei Milliarden an die Länder wird angestrebt. Das ist das Ziel.

Zusatzfrage: Wie steht das denn jetzt zu den 5 Milliarden?

Weißgerber: Es ist richtig, dass die Mittel für den sozialen Wohnungsbau ab 2016 von 500 Millionen auf eine Milliarde aufgestockt werden. Das ist Geld, das an die Länder geht. Die Länder können dann nach ihren eigenen Landesregularien dieses Geld für den sozialen Wohnungsbau verwenden. Das ist das Eine.

Das Zweite ist der Vorschlag von Frau Hendricks, diese Mittel auf 2 Milliarden Euro aufzustocken. Da muss ich aber sagen: Hier laufen die Haushaltsverhandlungen jetzt erst an. Wir kommen ja jetzt erst in die Haushaltsberatungen für den Haushalt ab 2017 und werden dann irgendwann im März die Eckwerte verkünden. Insofern ist das jetzt ein Vorschlag der Ministerin, der aber noch nicht innerhalb der Regierung abgestimmt ist.

Dann gibt es noch die zusätzliche Schiene über die Sonderabschreibung. Da geht es darum, dass man Mietwohnungsbau über eine Sonderabschreibung fördern soll. Das heißt, da hat der Bundesfinanzminister schon im November einen Vorschlag gemacht, dass man in den ersten drei Jahren des Förderzeitraums 35 Prozent Sonderabschreibung erhält. Da laufen gerade die Gespräche mit den Ländern. Da bestehen wir darauf, dass die Länder ihren Anteil an den Steuermindereinnahmen tragen. Diese Gespräche laufen gerade noch. Das ist auch in dieser Woche aktuell. Da muss man sich dann auch über die Details verständigen. Also: Was ist Fördergebiet? Welche Ziele verfolgt man genau?

Wir haben ja unseren Vorschlag erweitert, dass es eben nicht nur um bestimmte Gebiete mit Mietstufen 4 bis 6 geht, sondern auch um Gebiete mit Mietpreisbremse, Kappungsgrenze usw. Aber diese Details werden gerade in den Bund-Länder-Finanzverhandlungen besprochen.

Zusatzfrage: Ich hatte ja von 500 Millionen gesprochen. Das ist die Aufstockung auf eine Milliarde. Sie sagten jetzt, es gehe um 5 Milliarden. Vielleicht können Sie die Zahl noch einmal einordnen.

Weißgerber: Das ist die Zielgröße für sozialen Wohnungsbau, die bis 2020 angestrebt wird. Das ist das Programm sozialer Wohnungsbau.

Frage: Herr Seibert, genießt Herr Dobrindt noch das uneingeschränkte Vertrauen der Bundeskanzlerin?

Zweite Frage: Welche Maßnahmen hat die Bundeskanzlerin veranlasst, um die Disziplin im Bundeskabinett wieder zurückzuholen?

Drittens. Befindet sich die Regierung auch nach Meinung der Bundeskanzlerin in einer Regierungskrise?

StS Seibert: Es kommt immer einmal wieder vor, dass sich Kabinettsmitglieder auch in ihren Parteirollen äußern. Ich sehe da auch gar keine Veranlassung als Regierungssprecher, das hier zu kommentieren. Die Bundeskanzlerin arbeitet mit dem Verkehrsminister sehr gut zusammen. Er hat heute, wie ich es gerade berichtet habe, dem Kabinett ein wichtiges Stück Politik, nämlich ein Hafen-Konzept, vorgestellt. Das ist eine wichtige Maßnahme zur Sicherung unseres Außenhandels.

Zur Bundesregierung insgesamt: Ich kann Ihnen sagen, sie hat seit dem letzten Jahr immer da, wo es nötig war, einmütig Beschlüsse zum Umgang mit der Flüchtlingssituation gefasst - Beschlüsse, die unser nationales Handeln betreffen, genauso wie Beschlüsse über die internationalen Aspekte. So wird die Bundesregierung auch weiterhin tun, was nötig ist, damit Deutschland und Europa sich dieser großen Aufgabe gewachsen zeigen.

Vorsitzender Mayntz: Es gab noch die zweite allgemeine Frage nach den Maßnahmen zur Disziplin innerhalb des Kabinetts.

StS Seibert: Ich habe Ihnen ja über die Bundesregierung und das Kabinett gesagt, was ich sagen möchte. Deswegen ergibt sich kein Bedarf an Disziplinierungsmaßnahmen.

Frage: Herr Seibert, wie findet die Bundeskanzlerin diese Taktik von Matteo Renzi, was gerade Flüchtlinge betrifft? Ist die Kanzlerin besonders genervt oder besorgt, dass Italien wirklich das Geld für die Türkei blockieren könnte? Wir wissen, dass in den nächsten Tagen ein Treffen in Berlin zwischen Merkel und Renzi stattfindet. Denken Sie, dass es möglich ist, einen Kompromiss zu finden?

StS Seibert: Es ist ja so, dass alle Staats- und Regierungschefs zusammen drei Milliarden Euro an Flüchtlingshilfe für die Türkei zugesagt haben. Diese Zusage gilt selbstverständlich. Dafür steht im EU-Haushalt 2016 auch schon ein Teil des Betrags zur Verfügung.

Jetzt dauern die Arbeiten an der Umsetzung, wie man den Rest bereitstellt, eben an. Wir setzen uns dafür ein, dass es eine faire Lastenverteilung auf alle Mitgliedstaaten gibt. Auf der letzten ECOFIN-Sitzung Ende letzter Woche konnte leider noch keine Einigung erreicht werden. Das stimmt. Es ist nach unserer Meinung notwendig - wie auch der Dezember-Rat schon angemahnt hat -, dass wir uns rasch auf eine Finanzierung einigen und eben eine Umsetzung dessen, was der Türkei zugesagt worden war. Denn mit diesen Finanzmitteln sollen konkrete Projekte für Flüchtlinge finanziert werden, also konkrete Projekte, die die Situation der syrischen Flüchtlinge, die in der Türkei leben, verbessern. Damit wollen wir natürlich dazu beitragen, dass diese Menschen in der Türkei eine Bleibeperspektive haben. Das ist im europäischen Interesse. Deswegen ist es auch im europäischen Interesse, dass wir zu dieser Zusage stehen und sie umsetzen.

Das Treffen der Bundeskanzlerin mit Herrn Renzi in der nächsten Zeit ist eine wichtige Begegnung für sie, weil der Ministerpräsident persönlich und das Land Italien ein wichtiger Partner für uns sind.

Zusatzfrage: Ich hoffe, ich rutsche mit meiner Frage nicht zu sehr vom Thema ab: Renzi sieht die Sache irgendwie als eine Verhandlung. Wie findet die Bundeskanzlerin die Erwartungen von Renzi zum Beispiel zum Thema Flexibilität oder Bankenunion? Gibt es in Berlin die Idee, dass eine Verhandlung zwischen den Interessen von Deutschland - besonders, was Flüchtlinge betrifft - und den Interessen Italiens im ganzen Wirtschaftsbereich möglich ist?

StS Seibert: Das sind andere Themen, über die natürlich auch in Europa gesprochen werden muss. Aber jetzt haben wir es mit dem für ganz Europa großen Thema der Flüchtlingssituation zu tun. Da gibt es eine europäische Zusage. Die macht Sinn, weil sie wirklich ein geeignetes Mittel wäre, um Flüchtlingen in der Türkei eine bessere Bleibeperspektive zu ermöglichen. Deswegen ist dieses Thema nach seinem eigenen Wert zu beurteilen und zu behandeln.

Zusatzfrage: Also keine Verhandlung?

StS Seibert: Die anderen Themen sind andere Themen, die zum gegebenen Zeitpunkt ebenfalls im europäischen Rahmen besprochen werden müssten. Wir haben jetzt aber eine Zusage für dieses extrem wichtige europäisch-türkische Projekt des Aktionsplans, und natürlich muss Europa - das versteht sich von selbst - zu seinen Zusagen stehen.

Frage: Zum einen noch eine Replik: Woran erkenne ich denn im Grundsatz, ob ein Minister als Regierungsmitglied oder Parteimensch spricht? Leuchtet dann eine rote Lampe auf seinem Kopfe auf, oder wie ist das?

Zweitens. Wie steht die Bundesregierung zu Vorschlägen des IWF, dass man, um Flüchtlinge schneller einzugliedern, flexibler und auch großzügiger mit einer Reihe von Regeln umgehen sollte? Das betrifft vor allem den Stabilitätspakt, die Verschuldungsregeln und den Arbeitsmarkt, zum Beispiel beim Mindestlohn.

StS Seibert: Vielleicht möchte sich das Finanzministerium noch zu diesen Fragen äußern?

Weißgerber: Zum IWF: Das Papier ist ja noch gar nicht offiziell beschlossen; es wird heute in Davos vorgestellt und wir haben einen Entwurf bekommen. Grundsätzlich begrüßen wir, dass sich der IWF mit diesem Thema beschäftigt. Der IWF hat ja festgestellt, dass der Flüchtlingszustrom in der kurzen Frist zu höheren Wachstumsraten führen kann und dass das Wachstum mittel- bis langfristig davon abhängt, wie die Integration der Flüchtlinge in die Gesellschaft und in den Arbeitsmarkt erfolgt. Das bestätigen wir, und da stimmen wir mit den Aussagen des Berichts überein.

Was die Forderung mit den Schuldengrenzen betrifft, so muss man wissen, dass es diese Flexibilität bereits gibt. Im April werden ja die Stabilitätsprogramme der einzelnen Mitgliedstaaten vorgelegt, und dabei wird die Kommission - so hat sie es angekündigt - etwaige Zusatzkosten der Flüchtlingskrise berücksichtigen. Der Stabilitäts- und Wachstumspakt bietet also bereits ausreichend Flexibilität, und insofern ist diese IWF-Forderung jetzt nicht ganz klar.

Vorsitzender Leifert: Es gab noch die Frage nach dem Erkennen, ob jemand als Parteipolitiker oder als Mitglied der Regierung spricht.

Zusatzfrage: Und es steht für meine Begriffe auch noch eine Reaktion des Arbeitsministeriums aus; denn der größte Teil der IWF-Forderungen betrifft das Arbeitsministerium, da es ja heißt, man müsse Beschränkungen aufheben - Mindestlohnausnahmen und Ähnliches -, damit Flüchtlinge so schnell wie möglich in den Arbeitsmarkt hineinkommen.

Schneider: Was die Frage des Mindestlohns für Flüchtlinge anbelangt, hat sich die Ministerin ja schon mehrfach sehr deutlich geäußert. Die Frage, ob jemand Mindestlohn erhalten soll oder nicht, hängt nicht davon ab, welche Staatsangehörigkeit derjenige hat; das hat sie mehrmals klar gemacht.

Vielleicht ganz allgemein: Es gab ja bereits für diejenigen Asylbewerber, die sich noch im Verfahren befinden, erhebliche Erleichterungen, die bereits vorgenommen worden sind - im Asylpaket 1 beispielsweise. Was die Zeit nach der Anerkennung anbelangt, so wissen Sie, dass ja auch die Mittel der Jobcenter für Eingliederungsmaßnahmen aufgestockt worden sind, sodass die Bundesagentur für Arbeit und die Jobcenter auch gut aufgestellt sind, wenn es darum geht, die Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt zu integrieren.

Vorsitzender Leifert: Herr Seibert, wollen Sie noch auf die erste Frage eingehen?

StS Seibert: Nein, ich habe da nichts hinzuzufügen.

Frage: Es gibt heute Nachrichten, dass es in Österreich eine Verständigung auf eine Obergrenze von 120 - unklar ist wohl noch, ob in einem Zeitraum von drei oder vier Jahren; also 30 oder 40 im Jahr - gegeben habe. Ich habe in diesem Zusammenhang drei Fragen.

Erstens. Hat Herr Faymann die Bundeskanzlerin über diese Entwicklung informiert? Beide kooperieren ja sehr eng.

Zweitens. Ist darüber unter dem Tagesordnungspunkt Flüchtlinge berichtet und gesprochen worden?

Unabhängig von den beiden ersten Fragen: Was würde eine solche Entwicklung für Deutschland bedeuten?

StS Seibert: Da es eine offizielle Ankündigung ja noch gar nicht gibt, ist das eine hypothetische Frage. Ich weiß noch nicht, was da heute im Einzelnen beschlossen oder verkündet wird. In jedem Fall handelt es sich um nationale Maßnahmen eines Nachbarlandes, die ich nicht kommentieren werde.

Unsere Überzeugung, dass nur gemeinsames europäisches Handeln die geeignete Antwort auf die Flüchtlingssituation sein kann, haben wir hier oft und ausführlich dargelegt.

Zu der Frage der Informationen: Es gilt bei allen Maßnahmen, dass wir in sehr engem und ständigem Kontakt mit den europäischen Partnern stehen, ganz besonders auch mit Österreich.

Zusatzfrage: Na ja, die Hypothese - weil Sie sagen, das sei eine hypothetische Frage - besteht natürlich darin, dass es damit dann - nachdem auch Dänemark, Schweden und alle anderen Länder Kontingente erklärt oder Grenzen dichtgemacht haben - auf der gesamten Route nur noch ein Land gäbe, das keine Obergrenze hat, nämlich Deutschland.

StS Seibert: Sie fragen mich dennoch zu etwas, was noch nicht offiziell verkündet ist, und ich möchte hier über mögliche Entwicklungen im Nachbarland Österreich keine Kommentare abgeben.

Frage: Herr Seibert, Sie - und Ihre Chefin natürlich auch - sagen ja immer, dass es eine spürbare und dauerhafte Verringerung der Zuzüge nach Deutschland geben soll. Würden Sie sagen, dass die Bundesregierung, dass die Bundeskanzlerin zu diesem Zweck Begrenzungsstrategien entwickelt hat?

StS Seibert: Ich bin mir jetzt nicht sicher, warum dieses Wort benutzt werden muss. Wir haben immer - oder jedenfalls schon seit Langem - von der spürbaren und nachhaltigen Reduzierung der Zahl derjenigen Menschen, die zu uns kommen, als einer Notwendigkeit und als einem Ziel unserer Arbeit gesprochen. Für dieses Ziel ist natürlich eine ganze Agenda aufgesetzt, die jetzt bearbeitet wird - eine Agenda von nationalen und europäischen Aufgaben. Wir haben hier heute schon Anlass gehabt, über das EU-Türkei-Abkommen, den gemeinsamen europäisch-türkischen Aktionsplan, zu sprechen, der angesichts dessen, dass die Türkei ein Schlüsselland ist, natürlich ganz wichtig ist.

Zusatzfrage: Es gibt ja immer wieder die Forderung nach einer Begrenzung, und Ihre Antwort ist, es gehe um eine Reduzierung. Ich würde gerne wissen: Ist es aus Ihrer Sicht Wortklauberei, wenn man jetzt immer von der Bundesregierung oder von der Bundeskanzlerin erwartet, dass sie eine Begrenzung vornimmt? Denn Sie sagen, darauf komme es an. Oder ist es ein zentraler Unterschied, ob man eine Begrenzung oder eine Reduzierung will?

StS Seibert: Wir können auch sagen: Wir brauchen deutlich niedrigere Zahlen. Wir haben schon jetzt deutlich niedrigere Zahlen als noch vor wenigen Monaten; das ist gut. Wir haben auch schon jetzt mehr Ordnung im System als vor einigen Monaten; auch das ist gut. Wir sind uns aber auch einig: Das reicht bei Weitem nicht, diese Entwicklung muss noch weiter vorangetrieben werden.

Frage: Herr Seibert, der BKA-Chef Münch hat vor ein paar Tagen gesagt, dass Flüchtlinge in Deutschland unter Bedingungen lebten, die Kriminalität fördern. Beschäftigt das das Kanzleramt? Sie sagen ja, dass die Bundesregierung immer dann handle, wenn es nötig ist. Oder bekommt der BKA-Chef jetzt Ärger, weil er die Bedingungen angemahnt hat?

StS Seibert: Ich denke, es ist doch offensichtlich, dass die Bundesregierung - und im Übrigen der Staat auf allen Ebenen, auch auf der Ebene der Länder und der Kommunen - seit vielen Monaten große Anstrengungen dafür unternimmt, dass Menschen, die zu uns kommen, weil sie Schutz vor Krieg und Verfolgung suchen, hier menschenwürdig untergebracht sind. Ich glaube, dass wir dies für viele Hunderttausend Menschen auch gewährleisten können. Selbstverständlich ist die Aufgabe nie zu Ende, und man wird sich immer weiter bemühen müssen. Deswegen wurde heute im Kabinett unter anderem ja auch über Maßnahmen für die Zurverfügungstellung von Wohnraum gesprochen.

Vorsitzender Leifert: Entschuldigung - weil Herr Seibert gerade das Stichwort Wohnraum nannte, möchte ich Herrn Haufe die Gelegenheit geben, einen Nachtrag für denn Kollegen nachzureichen.

Haufe: Ich möchte hier den Eindruck eines möglichen Mangels an Koordination natürlich nicht stehen lassen. Die beiden Termine von Herrn Altmaier und Frau Hendricks sind durchaus koordiniert. Ich habe mich kurz informieren lassen: Herr Altmaier wird zusammen mit der KfW darüber informieren, wie die KfW ihre Mittel aus Förderprogrammen, die auch für den sozialen Wohnungsbau genutzt werden können, aufstocken möchte. Es geht da insbesondere auch um die Zusammenarbeit zwischen der KfW und den Länderinstitutionen, die den sozialen Wohnungsbau in den Ländern fördern. Genau über ein solches Programm und über die Mittelaufstockung wird er informieren.

Vorsitzender Leifert: Bitte weiter zur Türkei.

Zusatzfrage: Herr Seibert, mich würde einfach nur interessieren, woher Sie wissen, dass die Milliarden für die Türkei, die in die Verbesserung der Situation in den Flüchtlingslagern führen sollen, auch da ankommen. Wie kontrollieren Sie das?

StS Seibert: Zunächst einmal müssen wir diese Milliarden auch erst zur Verfügung stellen; darüber haben wir hier gesprochen. Es gibt Vereinbarungen mit der Türkei, und beide Seiten sind gehalten, diese Vereinbarungen einzuhalten. Natürlich wird das auch zu beobachten sein.

Zusatzfrage: Also das Prinzip Hoffnung?

StS Seibert: Nein.

Frage: Herr Plate, es gibt Medienberichte zu einer Großrazzia gegen Schleuserringe. Können Sie uns ein bisschen etwas dazu sagen? Wie viele Verhaftungen hat es gegeben, welche Nationalitäten sind unter den Schleusern und in wie vielen Städten hat das stattgefunden?

Plate: Nein, solche Details kann ich Ihnen nicht liefern. Es ist so, dass das eine gemeinsame Aktion zusammen mit den türkischen Behörden ist. Heute um 14 Uhr wird es dazu eine Pressekonferenz - eine gemeinsame Pressekonferenz auch mit den türkischen Kollegen - in Potsdam geben, und ich bitte um Verständnis, dass ich auch aus Respekt vor den türkischen Kollegen dieser Pressekonferenz nicht vorgreifen kann.

Frage: Herr Seibert, hat unter dem regelmäßigen Tagesordnungspunkt Flüchtlinge heute nur Frau Hendricks vorgetragen, oder hat die Bundeskanzlerin möglicherweise allgemeinere oder speziellere Bemerkungen zur Situation der Flüchtlinge gemacht?

StS Seibert: Nein, außer Frau Hendricks hat auch noch Ministerin Schwesig kurz über ein Projekt vorgetragen, das Patenschaften für minderjährige unbegleitete jugendliche Flüchtlinge ermöglichen soll. Aber das, wonach Sie fragen, hat im Kabinett keine Rolle gespielt.

Frage: Herr Plate, wir hören ja heute, dass sich die Zahl der Abschiebungen im vergangenen Jahr verdoppelt hat. Können Sie uns vielleicht noch erklären, wie das in Relation steht zu den Zahlen der Menschen, die 2015 zu uns gekommen sind? Das ist ja nicht unbedingt passend.

Daran anschließend: Wann sind die Leute, die jetzt abgeschoben wurden, eingereist - sind die schon jahrelang hier gewesen oder sind das auch welche, die 2015 zu uns gekommen sind?

Worauf ist der Anstieg der Zahl der Abschiebungen zurückzuführen? Haben die Länder jetzt mehr gemacht?

Plate: Ich kann es ja einmal versuchen. Es ist richtig, dass die Zahlen, was die reine Anzahl der Abschiebungen angeht - also sozusagen die zwangsweise Durchsetzung der Ausreisepflicht -, ungefähr eine knappe Verdoppelung im Vergleich zum Vorjahreszeitraum ausweisen. Darüber hinaus haben wir über 37 geförderte freiwillige Ausreisen gehabt; das ist nicht ganz eine Verdoppelung der Vorjahreszahl, die etwas über 20 lag, aber jedenfalls auch annähernd in diesem Spektrum nahe an einer Verdoppelung dran. Hinzu kommen natürlich immer freiwillige Ausreisen von Menschen, die sich aber - wenn ich das etwas umgangssprachlich ausdrücken darf - nicht abgemeldet haben. Das ist ja auch nicht unbedingt erforderlich. Der Aufwuchs ist also sehr erheblich.

Wie steht das im Verhältnis zu der Zahl der Menschen, die gekommen sind? Ein sinnvolles Verhältnis zwischen solchen Zahlen kann man, ehrlich gesagt, nicht aufmachen. Denn diejenigen, die gekommen sind, haben ja häufig Asylanträge gestellt, häufig auch Asyl erhalten; andere Menschen haben Anträge gestellt, die noch nicht entschieden sind; und gegen Ende des Jahres sind sicherlich auch Menschen gekommen, die auch ihren Antrag noch nicht gestellt haben. Deswegen kann man kein sinnvolles Verhältnis zwischen diesen beiden Größenordnungen aufmachen, da eine Abschiebung - -

Zuruf: Aber es sind ja deutlich mehr als doppelt so viele Menschen - -

Plate: Darf ich ausreden? Dann können Sie gerne noch nachfragen. - Es ist einfach so, dass für eine Abschiebung erforderlich ist, dass jemand überhaupt vollziehbar ausreisepflichtig ist. Das gilt ja für die allermeisten Menschen, die im Jahr gekommen sind, überhaupt nicht. Deswegen kann man ein sinnvolles Verhältnis nicht aufmachen.

Richtig ist, dass wir über 50 Menschen im Ausländerzentralregister haben, die vollziehbar ausreisepflichtig sind und auch keinen Duldungsstatus haben. Gemessen daran ist die Zahl der Abschiebungen, für die ja die Länder zuständig sind, immer noch nicht hoch genug. Es hat aber Bewegung gegeben. Sie haben gefragt, woran das gelegen hat: Es gibt dafür natürlich ein Bündel von Gründen. Zum einen haben die Länder ihre Bemühungen intensiviert. Zum anderen ist es aber auch so, dass der Bund einige Maßnahmen auch gesetzgeberischer Art getroffen hat, die Abschiebungen erleichtert haben, und zwar einmal, was die Frage der Ankündigung des Abschiebetermins angeht, die ja nicht mehr im Gesetz vorgesehen ist; das hat sicherlich einen Effizienzgewinn bedeutet. Darüber hinaus wissen Sie sicherlich - das habe ich hier auch schon ein paar Mal vorgetragen -, dass zum Beispiel mit den Ländern aus den Westbalkanstaaten durchweg verabredet worden ist, dass diese sogenannte EU-Laissez-passer-Dokumente akzeptieren und deswegen nicht mehr die Ausstellung von Dokumente n durch den Herkunftsstaat erforderlich ist. Das hat zu einer deutlichen Verschlankung der Prozedur beigetragen, gerade bei Personen aus diesen Herkunftsländern, die keine Papiere mehr hatten - aus welchen Gründen auch immer.

Richtig ist auch - das hatten Sie, glaube ich, auch gefragt -, dass das noch nicht ausreicht und dass das weitergehen muss. Auch dazu hatte ich hier - vor allem in den letzten beiden Regierungspressekonferenzen - bereits recht umfassend vorgetragen, was die weiteren Bemühungen angeht, die gemeinsam zum Beispiel mit dem Bundesaußenminister schon angestoßen sind und noch weiter geplant sind.

Vorsitzender Leifert: Es war auch die Frage, ob Sie wissen, wie lange die sich jeweils hier im Land schon aufgehalten hatten.

Plate: Nein, das kann ich Ihnen jetzt präzise nicht mitteilen. Ich glaube auch nicht, dass sich das aus dem Zahlenmaterial, das wir haben, so ohne Weiteres abbilden lässt. Ich hatte ja schon ausgeführt, dass die Länder die Abschiebungen vornehmen und wir deswegen diesbezüglich sowieso auf zahlenmäßige Zulieferungen der Länder und Abgleichsmöglichkeiten mit der Bundespolizei - soweit sie an den Abschiebungen beteiligt war - angewiesen sind. Aus den Zahlen der Bundespolizei ergibt sich aber nicht, wie lange die jeweils vorher im Land oder gegebenenfalls schon ausreisepflichtig gewesen sind.

Frage: Ich möchte an das anknüpfen, was Kollege Siebert zum Begriff "Begrenzung" gefragt hat: Es fällt auf, dass der Bundespräsident in seiner Rede das Wort "Begrenzung" - auch das Wort "Begrenzungsstrategien" - achtmal benutzt hat und zum Beispiel sagt, sie dürfe nicht tabu sein, wenn sie hülfe, Akzeptanz für Flüchtlinge zu erhöhen. Er sagte auch, wer das Wort vermeide und nicht über Begrenzung rede, helfe nur Populisten. Könnte das dazu beitragen, dass auch in der Bundesregierung über die Vermeidung des Wortes "Begrenzung" neu nachgedacht wird?

StS Seibert: Sie sind ja wirklich sehr erfahren, deswegen wissen Sie, dass ich als Sprecher der Bundesregierung aus Respekt vor dem Amt des Bundespräsidenten die Reden des Bundespräsidenten und seine Aussagen grundsätzlich nicht kommentiere. Die Haltung der Bundesregierung zur Notwendigkeit, die Zahl der Flüchtlinge spürbar und nachhaltig zu reduzieren, ist hier in unzähligen Pressekonferenzen sehr ausführlich erläutert worden.

Ich möchte vielleicht noch eine Bemerkung dazu machen, weil das in der Diskussion häufig übersehen oder vergessen wird: Wir sollten nicht so diskutieren, als blieben alle, die im vergangenen Jahr oder beispielsweise jetzt im Januar als Flüchtlinge in unser Land gekommen sind, ein Leben lang in Deutschland. Dem ist nicht so. Der Aufenthaltstitel eines Flüchtlings ist unter der Genfer Konvention auf drei Jahre begrenzt, und wenn es gelingt, friedlichere Zuständige in Syrien oder in Irak zu schaffen - was wir alle hoffen und wofür die Weltgemeinschaft sich intensiv einsetzt -, so wird es viele Rückkehrer geben. Das ist auch die historische Erfahrung mit den Flüchtlingen der 90er-Jahre aus den Jugoslawien-Kriegen, die in großer Zahl in ihre Heimat zurückgekehrt sind. Das gehört zumindest auch zum Gesamtthema und wird vielleicht ein wenig zu selten erwähnt.

Frage: Herr Seibert, da sich Herr Dobrindt als Parteipolitiker über den falschen Gesichtsausdruck der Kanzlerin und den falschen Flüchtlingskurs geäußert hat: In welcher Funktion tritt Frau Merkel heute bei der CSU in Kreuth auf - als Parteipolitikerin oder als Regierungschefin?

StS Seibert: Als Bundeskanzlerin.

Zusatzfrage: Wieso gelingt es der Kanzlerin, in ihren Äußerungen beide Rollen einzunehmen, sodass ich da nicht differenzieren muss, wieso muss ich aber bei Herrn Dobrindt differenzieren, ob er sich - - Entschuldigung. - Woher wissen Sie, dass sich Herr Dobrindt als Parteipolitiker und nicht als Regierungsmitglied geäußert hat? Schließlich hat er doch Kritik am Regierungskurs geübt.

StS Seibert: Ich sehe wirklich keine Veranlassung, als Regierungssprecher die Äußerungen weiter zu kommentieren. Ich habe dazu gesagt, was ich hier sagen kann. Ich weiß nicht, ob sein Sprecher dazu etwas beitragen möchte. Jedenfalls habe ich dazu gesagt, was ich sagen kann, und auch über die Zusammenarbeit in der Bundesregierung an diesem großen Thema - Flüchtlingssituation - habe ich das gesagt, was zu sagen ist.

Vorsitzender Leifert: Jetzt ist der Ball weitergespielt worden zum Verkehrsministerium.

Susteck: Vielen Dank. Ich glaube, es ist bekannt: Der Minister hat mehrere Funktionen - Sie haben es selber angesprochen -, einerseits die parteipolitische, andererseits die Funktion als Bundesminister. Ich werde Ihnen jetzt nicht aufdröseln, wann er was in welcher Funktion gesagt hat. Sie haben auf das Interview in der gestrigen Ausgabe des "Münchner Merkur" angespielt; ich nehme an, auch Ihren Kollegen ist dieses Interview bekannt. Lesen Sie sich dieses Interview im Wortlaut durch. Es hat einen klaren Bezug, und dieser Bezug ist kein Ressortbezug. Daher bitte ich um Verständnis, dass ich mich dazu nicht weiter äußern werde.

Frage: Herr Seibert, die "FAZ" schreibt heute, dass das Thema Familiennachzug vom Asylpaket 2 ausgeklammert werden könnte, um das Gesetz überhaupt auf die Reihe zu bringen. Ist das eine Überlegung, die es in der Bundesregierung gibt?

StS Seibert: Ich kann Ihnen zu diesen Gesprächen nur sagen, was ich auch in der Vergangenheit gesagt habe: Sie dauern noch an. Einzelne Aspekte werde ich hier nicht erörtern.

Frage: Eine kurze Nachfrage zu dem, was Sie zum Thema Wohnraumförderung nachgeliefert haben: Geht es bei der Aufstockung um KfW-Mittel oder geht es um Haushaltsmittel?

Haufe: Es geht um KfW-Mittel, speziell um Mittel, die für die Flüchtlingsunterbringung vorgesehen sind. Das ist der wesentliche Punkt.

Zusatzfrage: Aber die kommen von der KfW, nicht aus dem Haushalt?

Haufe: Die kommen von der KfW, genau, und das sind quasi ergänzende Programme.

Frage: Herr Seibert, die Worte des Vizekanzlers in den letzten Tagen waren interessant: Er hat davon gesprochen, dass Teile der Bundesregierung - und damit meinte er die Kanzlerin - Flüchtlinge nach Deutschland eingeladen hätten. Besorgt dieses Vokabular, das ja in der Regel von sogenannten besorgten Bürgern und vom rechten Rand kommt, beziehungsweise besorgen solche Aussagen ihres Vizekanzlers die Kanzlerin?

StS Seibert: Ich möchte jetzt wirklich auf das verweisen, was ich im Zusammenhang mit dem anderen Minister und auch über die Zusammenarbeit in der Bundesregierung an dem wichtigen Thema Flüchtlingspolitik hier schon gesagt habe.

Zusatzfrage: Dann würde mich vom Wirtschaftsministerium interessieren, ob denn der Wirtschaftsminister erwartet, dass die Kanzlerin die Flüchtlinge jetzt auslädt.

Alemany: Ich kann mich den Kollegen da eigentlich nur anschließen. Ich kann hier nur für den Minister als Ressortzuständigen sprechen, und insofern muss ich mich hier zurückhalten.

Zusatzfrage: Deshalb frage ich ja: Will der Wirtschaftsminister, dass die Flüchtlinge von der Kanzlerin wieder ausgeladen werden?

Alemany: Die Haltung der Bundesregierung hat Herr Seibert schon deutlich gemacht; dem kann ich mich anschließen.

Frage: Herr Plate, Sie haben gesagt, Sie könnten zu den Details der Polizeiaktion gegen Schleuser nichts sagen. Können Sie denn sagen, wie lange es schon eine Zusammenarbeit zwischen der deutschen und türkischen Polizei gibt und wie diese funktioniert?

Plate: Nein, wie schon gesagt - ich habe ja gerade schon auf die Pressekonferenz verwiesen, die in 42 Minuten anfängt. Ich bitte Sie, sich noch so lange zu gedulden.

Frage: Herr Seibert, in den letzten Tagen gab es unterschiedliche kritische Stimmen in Europa gegen Renzi. Juncker hat starke Töne benutzt, und gestern hat das auch der EVP-Fraktionsvorsitzende Weber. In Italien denkt man, dass hinter diesen kritischen Stimmen Berlin steckt. Stimmt dieser Verdacht?

StS Seibert: Ich spreche hier für die Bundesregierung, und für die Bundesregierung habe ich von dieser Bank - und ich glaube, das hat auch kein anderes Mitglied - solche Stimmen nicht erhoben. Wenn der Chef der Europäischen Kommission etwas sagt, dann sagt er das als Chef der Europäischen Kommission. Die Bundesregierung wird mit ihren Partnern immer das vertraulich besprechen, was zu besprechen ist. Insofern freut sich die Bundeskanzlerin auch auf die Gelegenheit, bald ausführlich mit Ministerpräsident Renzi zu sprechen.

Frage: Herr Seibert, der ehemalige griechische Finanzminister Varoufakis hat gestern gesagt, dass China bereit gewesen wäre, Griechenland ein Darlehen zu geben, dass aber ein Telefonat aus Berlin das verhindert hat. Was sagt die Bundesregierung dazu?

StS Seibert: Dass ich keinen Grund sehe - ich weiß nicht, ob das Finanzministerium das anders sieht -, Äußerungen des ehemaligen griechischen Finanzministers zum Anlass zu nehmen, hier Erklärungen abzugeben.

Weißgerber: Ich habe nichts zu ergänzen.

Frage: Herr Seibert, ist die Bundesregierung zufrieden mit dem griechischen Rentenreformvorschlag? Laut Medienberichten ist sie es nicht.

StS Seibert: Da möchte ich es halten, wie wir es immer gehalten haben: Das ist ja nicht von einzelnen Euro-Partnern zu beurteilen, sondern letztlich von den Institutionen und von der Gesamtheit der Euro-Finanzminister. Dieser Beurteilung werde ich nicht vorgreifen.

Weißgerber: Auch da habe ich nichts zu ergänzen; es sind die Institutionen, die jetzt den Review-Prozess führen, und in diesem Kontext wird das zu behandeln sein.

Zusatzfrage: Herr Weissgerber, Herr Varoufakis hat gestern auch bestätigt, dass er alle Eurogruppen-Treffen geheim aufgenommen hat und jetzt USB-Sticks mit den Aufnahmen aller Gespräche der Eurogruppe zu Hause hat. Was meint das Finanzministerium dazu? Herr Schäuble hat an diesen Gesprächen ja teilgenommen.

Weißgerber: Ich werde das nicht kommentieren; das spricht für sich. Die Sitzungen waren vertraulich und haben hinter verschlossenen Türen stattgefunden. Mehr sage ich dazu nicht.

Frage: Herr Seibert, gibt es im Kanzleramt einen Fahrplan für die Reform des BND-Gesetzes, also einen zeitlichen Horizont, wann das kommen soll?

StS Seibert: Wir haben ja bereits mehrfach erklärt - auch an dieser Stelle - , dass wir an einer klarstellenden Regelung für die strategische Fernmeldeaufklärung des BND arbeiten. Das Bundeskanzleramt hat dazu einen konkreten Gesetzentwurf vorgelegt, in dem eine ausgewogene Regelung angestrebt wird, die Rechtsklarheit und Rechtssicherheit schaffen soll. Wir werden uns jetzt zu den Einzelheiten dieses Gesetzentwurfs auch aus Respekt vor dem Deutschen Bundestag nicht äußern - jedenfalls nicht öffentlich.

Zusatzfrage: Die Frage war, ob Sie einen Zeitplan haben.

StS Seibert: Ich kann Ihnen auch keinen Zeitplan nennen, aber immerhin hat das Kanzleramt einen konkreten Gesetzentwurf vorgelegt.

Frage: An das Justizministerium oder vielleicht auch das Verkehrsministerium: Wie stehen Sie zu Forderungen der EU-Kommission beziehungsweise der Industriekommissarin, dass im Falle VW europäische Kunden gefälligst genauso zu entschädigen seien wie amerikanische? Sie hat zudem weitere Informationen angemahnt, auch zur anstehenden Rückrufaktion. Teilt die Bundesregierung diese Forderungen? Ist es überhaupt Aufgabe der Kommission, in diesem Fall solche Positionen und Forderungen zu erheben?

Was ist denn die Informationslage der Bundesregierung, gerade im Hinblick auf die anstehenden Rückrufaktionen von VW? Gibt es da schon die Erwartung konkreter Starttermine oder Ähnliches?

Scholz: Für das Justiz- und Verbraucherschutzministerium kann ich nur darauf verweisen, dass sich Herr Minister Maas schon vor einigen Wochen zu dieser Frage geäußert hat und gesagt hat, dass er eine Ungleichbehandlung von US-Kunden und deutschen/europäischen Kunden für nicht akzeptabel hält.

Zu konkreten Plänen auf Ebene der EU kann ich Ihnen zum jetzigen Zeitpunkt nichts sagen.

Susteck: Zu der ersten Frage, habe ich nichts hinzuzufügen; da sehe ich die Zuständigkeit nicht bei unserem Haus.

Was Ihre zweite Frage nach dem aktuellen Stand im Bereich Rückrufe betrifft: Wie sie wissen, arbeiten wir an der Aufklärung der Manipulationen, und wir arbeiten auch daran, dass die Fahrzeuge wieder in einen regelkonformen Zustand gebracht werden. Der Sachstand ist der, dass alle drei generellen technischen Lösungen für die 1,2-, 1,6- und 2,0-Liter-Dieselmotoren fristgerecht von Volkswagen vorgestellt worden sind. Der Eindruck der Umrüstungskonzepte ist positiv - das, denke ich, ist soweit bekannt. Die Erteilung der endgültigen Freigaben durch das Kraftfahrtbundesamt für die drei in Rede stehenden Motoren steht aber noch aus. Wir erwarten aber - das hat der Minister am Anfang der Woche auch noch einmal öffentlich gesagt -, dass Volkswagen in den nächsten Wochen mit dem Rückruf beginnen wird.

Zusatzfrage: Ich möchte eine Frage gern wiederholen: Glaubt die Bundesregierung, dass die EU im Rahmen ihrer Kompetenzen handelt, wenn sie sich wie beschrieben äußert? Hat die EU in dieser Sache die Kompetenz, die sie da für sich in Anspruch nimmt?

Susteck: Ich weiß nicht, an wen Sie die Frage richten. Wenn Sie die Frage an mich richten, kann ich Ihnen sagen: Was Fragen der Kompensation und des Schadensersatzes betrifft, sehe ich nicht unser Haus in der Pflicht, diese Fragen zu klären.

Zusatzfrage: Was sagt das Justizministerium dazu?

Scholz: Ich kann dazu zum jetzigen Zeitpunkt auch nichts weiter beitragen. Nach meiner Kenntnis bestehen mögliche Schadenersatzansprüche oder Gewährleistungsansprüche nach deutschem Recht. Mehr kann ich dazu nicht sagen.

Frage: An das Verteidigungsministerium - und gegebenenfalls auch an Herrn Schäfer -: Sie haben ja gestern die Militärische Luftfahrtstrategie 2016 vorgestellt. Im Entwurf vom Dezember war noch die nukleare Teilhabe als vorzuhaltende erforderliche Fähigkeit aufgelistet; jetzt ist sie es nicht mehr. Warum?

Flosdorff: Die Militärische Luftfahrtstrategie ist ein wichtiger Teil des Modernisierungsprozesses der Bundeswehr. Sie enthält klar und transparent, welche Fähigkeiten wir in der Dimension Luft haben, was wir künftig brauchen, welche Anforderungen wir haben. Das ist ein Erklärstück, das für die interessierte Öffentlichkeit gedacht ist, soll aber auch als Orientierungspunkt für die Industrie weit in die Zukunft hinein dienen.

Dass der von Ihnen angesprochene Punkt darin nicht aufgeführt ist, heißt nicht, dass das keine Rolle spielt, sondern hat einfach damit zu tun, dass das ein öffentlich zugängliches Dokument ist und wir es hier mit Informationen zu tun haben, bei denen wir sehr schnell in einen Bereich hineinkommen, der der Geheimhaltung unterliegt.

Zusatzfrage: Das heißt, das ist nicht so zu verstehen, dass es eine Abkehr von der nuklearen Teilhabe ist oder dass das irgendwelche Auswirkungen auf die amerikanischen Atombomben in Deutschland hat?

Ist in dieser Militärischen Luftfahrtstrategie auch enthalten, dass die deutschen Tornados nachts fliegen können?

Flosdorff: Zum ersten Teil: Aus der bloßen Erwähnung, dem bloßen Vorhandensein oder Nichtvorhandensein dieses Tatbestandes in diesem Dokument auf irgendwelche Strategieänderungen zu schließen, wäre sicherlich sehr weit gegriffen. Das ist nicht der Fall.

Zum zweiten Teil: Sie spielen auf die Meldungen an, die es gestern und heute in der Presse gab. Ich nehme das, weil die Interpretationen teilweise wild durcheinander gehen, gern zum Anlass, um Ihnen noch einmal ein paar Fakten darzulegen. Es ist ja praktisch unterstellt worden, deutsche Tornados könnten nachts nicht fliegen. Das ist nicht richtig. In Incirlik haben wir Tornados stationiert - das wissen alle -, mit denen Aufklärungsflüge im Kampf gegen den IS durchgeführt werden. Die Bundeswehr verfügt - grob gesagt - über zwei Sorten von Tornados: Das eine ist die Version A 1, die auf Nachtsichtfähigkeit spezialisiert ist; das andere ist die Version A 3, die auf einen "Link 16"-Datenlink spezialisiert ist. Der "Link 16"-Datenlink ist ein Asset, das man hat, um Sicherheit, Schutz und Kommunikationsfähigkeit für die Soldaten zu erhöhen.

Als wir vor der Frage standen, welche Tornados wir in den Einsatz schicken beziehungsweise welche Tornados in Incirlik stationiert werden sollen, haben wir uns erstens an den Bedarfsanforderungen der Koalition orientiert - es besteht ein sehr großer Bedarf nach gestochen scharfen Bildern, die nur am Tag zu erfliegen sind - und zweitens an der notwendigen Einbindung in das Führungs- und Informationssystem der Koalition. Das heißt, mit "Link 16" können die Piloten im Rundumblick sehen: Wer ist alles neben ihnen in der Luft, Freund oder Feind? Wenn dieses "Link 16"-Tool nicht zur Verfügung steht, dann haben Sie nur einen sehr kleinen Ausschnitt. Das ist gefährlicher für die Piloten, und der Schutz der Piloten geht hier vor.

Ja, es gibt derzeit noch ein Defizit bei den "Link 16"-Tornados, nämlich dass sie keine Nachtsichtfähigkeit haben; das wird aber voraussichtlich im Februar behoben sein. Hat das irgendwelche Auswirkungen auf den Einsatz oder auf die Aufklärungsarbeit der Tornados in Incirlik? Nein. Es hat bisher unter den rund 30 Flügen seit dem 8. Januar keinen einzigen gegeben, in dem irgendwie ein Auftrag gekommen wäre: "Bringt uns Infrarotergebnisse in der Nacht". Auch in der ganzen langen Liste an Aufklärungswünschen aus der Koalition an die deutschen Tornados, die wir vorausschauen können, ist kein einziger solcher Auftrag ersichtlich. Das heißt, die erfüllen dort zu hundert Prozent ihre Aufträge, und es gibt einen sehr großen Bedarf an den Bildern. Auch im Afghanistan-Einsatz - dort haben die Tornados drei Jahre lang Aufklärungsflüge gemacht - hat es keinen einzigen Auftrag gegeben, in der Nacht Bilder zu erfliegen. Im Februar werden die Tornados in der Lage sein, auch in der Nacht Bilder zu erfliegen; aber auch dann wird die Wahrscheinlichkeit, dass ein solcher Auftrag kommt, minimal sein, weil dafür in der Koalition offensichtlich nicht in dem Maße ein Bedarf vorhanden ist wie an Tagaufklärungsbildern. - An dieser Stelle mache ich einen Punkt.

Vorsitzender Leifert: Sie hatten jetzt in einer Wortmeldung einen fliegenden Themenwechsel gehabt. Ich wollte Herrn Schäfer noch Gelegenheit geben, etwas zur nuklearen Teilhabe zu ergänzen, weil er auch angesprochen war.

Schäfer: Das ist lieb, aber nicht nötig.

Vorsitzender Leifert: Dann aber der Kollege noch einmal zu den Tornados.

Frage: Herr Flosdorff, ich möchte es an dieser Stelle einfach gerne verstehen: Das heißt, es gab in der Vergangenheit nicht die Anforderung, aber Sie rüsten das jetzt trotzdem nach?

Flosdorff: Es wird nachgerüstet - es war generell geplant, dass das nachgerüstet wird. Dass es diese beiden Rüstzustände gibt, reicht schon viele Jahre zurück und kam jetzt auch nicht überraschend, wie stellenweise in der Zeitung geschrieben war; vielmehr war die Entscheidung, ob wir die Tornados mit dem "Link 16" schicken oder ob wir die nachtflugfähigen Tornados schicken - die hier in Deutschland auch einsatzfähig zur Verfügung stehen -, eine Entscheidung, die der Sicherheit der Piloten dient. Die "Link 16"-Tornados passen in das dortige Szenario hinein. Wir rüsten sie nach; im Februar wird das zumindest behelfsmäßig so gelöst sein, dass sie auch in der Nacht aufsteigen könnten. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich ein solcher Auftrag ergibt, ist nicht ersichtlich.

Frage: Warum gehört das Fliegen mit Nachtsichtbrille nicht zum Standardprogramm bei der Luftwaffe? Meines Wissens gehört das bei allen anderen Nationen zum Standard.

Sie hatten gerade auch gesagt, dass es Feinde in der Luft gebe. Welche Feinde sind denn das?

Flosdorff: Sie haben Recht, das gehört heutzutage zum Standard. Die meisten - auch die "Eurofighter" der Bundeswehr - nutzen Nachtsichtbrillen; das wird jetzt demnächst irgendwann auf ein Helmsystem umgestellt, das eingeführt wird. Wir haben auch nachtsichtfähige Tornados; es gibt 36, davon 18, die jederzeit - Stand Januar - einsatzbereit wären. Das ist ein Standard, und wir sind auch dabei, das bei denjenigen, die das jetzt noch nicht haben, hochzurüsten beziehungsweise nachzurüsten.

Vorsitzender Leifert: Und die Feinde?

Flosdorff: Bei Piloten - so habe ich mir das erklären lassen - ist das Standard: Sie haben entweder praktisch nur ein Radar nach vorne - dann sehen sie normalerweise nur in einem sehr kleinen Ausschnitt, was sich vor ihnen befindet, oder sie bekommen die Informationen über eine Luftlageaufklärung vom Boden - oder sie haben das "Link 16"-System, in dem alle mit ihnen alliierten Flugfahrzeuge verbunden sind und sich in einem Rundumblick sehen. Wenn dann irgendwelche Luftfahrzeuge auftauchen, die nicht dazugehören, dann wissen sie, dass das keine aus der Koalition sind. Dort werden die Luftfahrzeuge also angezeigt, und das können dann auch welche sein, die nicht zur Koalition gehören.

Frage: Frau Alemany, mich interessiert, wie sich der Bundeswirtschaftsminister den Dialog über den Kohleausstieg vorstellt. Gestern hat er gesagt, er sei skeptisch, was einen ausgefeilten Plan bis 2050 angehe. Gleichzeitig hat er gesagt, es gebe so etwas wie einen runden Tisch. Frau Hendricks vom Umweltministerium hatte gefordert, bis zum Sommer etwas festzuschreiben.

Wie stellt er es sich vor? Wie will man in den Dialog mit der Industrie kommen?

Alemany: Danke für die Frage. - Der Minister hat gestern in einer ausführlichen Rede auf der Handelsblatt-Tagung seinen Gesamtausblick, was die Energiewende 2016, aber auch das EEG 2016 angeht, gegeben. Sie ist im Wortlaut und mit Video auf unserer Homepage abrufbar. Dort können Sie sich gern noch einmal genau anhören, was er sagt.

Die Hauptbotschaft ist, dass es uns um mehr Markt und weniger Staat geht. Er hat noch einmal deutlich gemacht, dass wir bei unseren Vorhaben immer engen Kontakt halten und viele Gespräche mit den Konzernen, aber zum Beispiel auch mit den Ländern führen. Er hat noch einmal deutlich gemacht, dass es einen Ausbaupfad, einen Korridor gibt, den wir einzuhalten versuchen und immer wieder verschiedene Instrumente dazu auf den Weg bringen.

Er hat auch deutlich gemacht, dass wir den Weg zur Dekarbonisierung unserer Wirtschaft bereits eingeleitet haben. Die Ziele der Bundesregierung dabei stehen fest. Jeder kann sie nachlesen. Wir arbeiten sie sukzessive nach unserem Energiezeitplan ab. Jetzt steht das EEG 2016 auf dem Plan. Dabei geht es auch darum, Förderhöhen nicht mehr staatlich festzusetzen, sondern im marktwirtschaftlichen Ausschreibungswettbewerb wettbewerblich zustande kommen zu lassen. Darüber und über diese Themen werden immer Gespräche geführt. Nichts anderes hat er dort deutlich gemacht.

Zusatzfrage: Also ist jetzt kein spezieller runder Tisch zum Ausstieg aus der Kohleverstromung geplant. Kann man Ihre Worte so resümieren?

Alemany: Sie können meine Worte so resümieren, dass des Ministers Wort und seine Rede für sich stehen und keiner Interpretation durch mich bedürfen.

Frage: Mein Thema ist der Kampf gegen IS, auch Syrien. Zwei Fragen dazu an das Außenministerium. Mich interessiert der Stand der Dinge in Hinblick auf die Syrien-Friedenskonferenz, die, meine ich, für Montag ins Auge gefasst war. Ist das inzwischen fix? Wer wird daran beteiligt sein?

Eine zweite Frage. Vonseiten von Amnesty International gab es nun Vorwürfe von Kriegsverbrechen gegen die auch von Deutschland unterstützen Peschmerga. Ist das für die Bundesregierung Anlass, in irgendeiner Weise zu überprüfen, ob man die bisherige Unterstützung so beibehält? Sucht man das Gespräch mit ihnen? Wie reagiert man darauf?

Schäfer: Auf die zweite Frage ein klares Ja. Auch wir haben die Berichte, auf die Sie anspielen, gelesen, auch mit Sorge gelesen. Es ist völlig selbstverständlich, dass wir den Vorwürfen nachgehen und uns bemühen, herauszufinden, ob und was an diesen Vorwürfen dran ist. Das ist völlig selbstverständlich.

Zur ersten Frage. In den Agenturen und Zeitungen findet sich ein Abbild davon, was zurzeit passiert. In der Tat laufen die diplomatischen Bemühungen auf allen Drähten auf Hochtouren, um den vereinbarten Beginn der Gespräche der syrischen Opposition mit der syrischen Regierung am Anfang der kommenden Woche, am 25. Januar, hinzubekommen.

Es ist nicht zu übersehen, dass es dabei noch offene Fragen gibt. Der VN-Sonderbeauftragte de Mistura bemüht sich mit all seiner Energie und mit unserer Unterstützung darum, dass es am Montag losgehen kann. Es gibt in der Tat noch Meinungsverschiedenheiten über die Zusammensetzung der syrischen Opposition.

Der politische Direktor des Auswärtigen Amtes, Herr Michaelis, ist gestern in Moskau gewesen, um insbesondere mit der russischen Regierung noch einmal darüber zu sprechen, wie man offene Fragen noch lösen kann. Ich kann Ihnen noch keinen weißen Rauch und kein endgültiges Ergebnis mitteilen. Ich denke, es könnte so kommen, wie in den letzten Jahren so häufig bei dieser Art von Fragen. Es ist nicht auszuschließen, dass es in letzter Sekunde noch zu einer Einigung kommt, die es möglich macht, dass diese Gespräche am Montag beginnen können. Ich kann Ihnen versichern, dass die Bundesregierung auf allen Kanälen alles tun wird, was uns möglich ist. Der Außenminister führt Gespräche. Herr Michaelis ist, wie gesagt, unterwegs, um mit den wichtigen, entscheidenden Verantwortungsträgern das Gespräch zu suchen, um die offenen Fragen, die es gibt, noch auszuräumen.

Zusatzfrage : Hat Herr Steinmeier vor, gegebenenfalls nach Genf zu fahren?

Schäfer: Wir sind eigentlich ganz froh darüber, dass die Genfer Verhandlungen für den 25. Januar nicht wie ein "diplomatischer Zirkus" angelegt sind, auf dem Dutzende von Außenministern auftreten. So war das - vielleicht erinnern Sie sich - vor genau zwei Jahren in Montreux, als von den Vereinten Nationen schon einmal der Versuch unternommen wurde, die syrische Regierung und die syrische Opposition zusammenzubekommen. Damals in Montreux waren, meine ich, 40 Länder und internationale Organisationen präsent, die alle etwas Kluges zu diesen Verhandlungen zu sagen hatten. Aber die eigentlichen Verhandlungen sind dann sehr schnell im Sande verlaufen.

Hier geht es im Grunde darum, dass die beiden Seiten, die miteinander über eine nationale Übergangsregierung zu sprechen haben, dies tun können und dafür, diplomatisch gesagt, Unterstützung, auf Deutsch gesagt, auch Druck brauchen, um voranzukommen. Die politische Lage dazu ist schwierig. Es kann uns gelingen, diesen Weg zu gehen, wenn die wichtigen Spieler - Russland, der Iran, Saudi-Arabien, andere Golfmonarchien und natürlich auch wir Europäer - von außen unseren Beitrag dazu leisten, dass die Verhandlungen zwischen der syrischen Opposition und der Regierung zu einem Erfolg werden. Das haben wir uns jedenfalls ganz fest vorgenommen.

Frage: Herr Schäfer, zur Oppositionszusammensetzung. Wenn ich es richtig verstehe, wollen die Saudis bestimmte Oppositionsgruppen nicht dabeihaben. Der Iran will andere Oppositionsgruppen nicht dabeihaben. Welche Oppositionsgruppen will die Bundesregierung nicht dabeihaben? Wird es aus Sicht der Bundesregierung auch nur eine gemäßigte Oppositionsgruppe geben, die daran teilnimmt? Wenn ja, welche ist das?

Schäfer: Vielen Dank für die Frage. Es ist nicht das erste Mal, dass Sie Definitionsfragen aufwerfen und versuchen, mich dazu zu bringen, Ihnen zu erläutern, was gemäßigt, nicht gemäßigt, was extremistisch und was islamistisch ist und so weiter. Im Grunde geht es jetzt darum, einen möglichst breiten, repräsentativen Ausschnitt der syrischen Opposition an den Tisch von Genf zu bekommen, der terroristische Gruppierungen ausschließt. Was in Riad Anfang des Monats bereits geschehen ist, war und ist auch aus jetziger Sicht ein wichtiger Schritt in diese Richtung.

Es stimmt - das haben Sie in Ihrer Frage angedeutet -, dass es Gruppierungen gibt, über die Streit besteht, zum Beispiel bestimmte kurdische Gruppierungen, bei denen etwa die Türkei und Russland, vielleicht auch Saudi-Arabien und andere unterschiedliche Auffassungen vertreten. Für uns ist das Entscheidende, dass in den nächsten Tagen eine Zusammensetzung erfolgt, die so repräsentativ wie irgend möglich ist und die wirklich mit all der Autorität dieser Repräsentativität und dieser Legitimität in ganz bestimmt harte und schwierige Verhandlungen mit der syrischen Regierung eintreten kann.

Zusatzfrage: Warum entscheidet eigentlich das Ausland, wer die repräsentativen Oppositionsgruppen in Syrien sein sollen?

Schäfer: Zunächst einmal entscheiden und befinden natürlich die Vertreter der syrischen Opposition selber darüber, wer sie vertritt. Aber wir brauchen uns hier nicht in Naivität zu ergehen. Dass es bestimmte Gruppierungen in Syrien gibt, die auf dem Schlachtfeld Einfluss gewonnen haben und damit faktisch Macht in dem schrecklichen Bürgerkrieg in Syrien ausüben können, hat auch damit zu tun, dass sie Unterstützung vom Ausland erfahren und es damit sozusagen militärische Figuren und politische Figuren innerhalb der syrischen Opposition gibt, die letztlich darauf angewiesen sind, Unterstützung von außen, aus dem Ausland, zu erhalten. Je mehr die internationale Gemeinschaft und je mehr die Staaten des Wiener Prozesses bei der verkündeten Entschlossenheit zusammenhalten, jetzt eine politische Lösung hinzubekommen, die ein Ende des Mordens möglich macht und echte Verhandlungen zwischen Regierung und Opposition auslöst, umso besser ist das für Syrien, für die Region, aber auch für uns alle.

Frage: Herr Schäfer, noch einmal zu dem Stichwort Peschmerga und Amnesty. Ist es das erste Mal, dass die Bundesregierung solche Hinweise bekommt? Ist Amnesty also die einzige Quelle dafür? Hatte die Bundesregierung vorher schon Hinweise auf mögliche Verbrechen dieser Art? Wenn Sie es jetzt überprüfen wollen, wie kann die Bundesregierung das überprüfen?

Schäfer: Mir sind entsprechende Vorwürfe zuvor nicht bekannt gewesen. Damit kann ich aber nicht garantieren, dass es nicht jemanden im Auswärtigen Amt gibt, der bereits zuvor von solchen Vorwürfen gehört hätte. Das kann ich nicht sagen.

Um das zu recherchieren gibt es, denke ich, zwei Achsen, die man verfolgen würde. Die erste ist, das Gespräch mit der kurdischen Regionalregierung und den Vertretern der Peschmerga zu suchen. Dafür haben wir ein Generalkonsulat im Norden des Irak, in der Hauptstadt sozusagen der irakischen Provinz Kurdistan, in Erbil. Unter ganz schwierigen Sicherheitsbedingungen in Bagdad wie auch in Erbil geht es natürlich auch darum, die Quellen, die eine diplomatische oder konsularische Vertretung im Ausland hat, zu nutzen - eigenen Anschein, Gesprächspartner, andere Quellen -, um der Sache auf den Grund gehen zu können.

Frage: Herr Schäfer, für die Waffen, die man den Peschmerga geliefert hat, gibt es eine Endverbleibserklärung. Steht denn darin: "Macht damit keine Kriegsverbrechen! Wenn ihr das macht, dann gebt ihr die Waffen zurück"?

Schäfer: Ich denke, jetzt müssen wir ein kleines bisschen vorsichtig sein, dass wir nicht verschiedene Dinge durcheinanderwerfen.

Das eine ist, dass wir seit dem Herbst des vergangenen Jahres in der Tat militärische Ausrüstungsgegenstände an die Peschmerga in einer außerordentlich dramatischen Situation - ISIS stand wenige Kilometer vor Erbil - geliefert haben und wir in der Tat mit der kurdischen Regionalregierung im Norden des Irak Vereinbarungen darüber getroffen haben, dass diese militärischen Ausrüstungsgegenstände von ihnen im Kampf gegen ISIS verwandt werden können. An dieser Stelle haben wir schon häufiger darüber gesprochen, dass Sie oder andere meinten, Anhaltspunkte dafür zu haben, dass diese militärischen Ausrüstungsgegenstände nicht in einer Weise verwandt worden wären, wie es vereinbart gewesen ist. Solchen Vorwürfen gehen wir selbstverständlich nach, auf die gleiche Art und Weise, wie ich es eben darzustellen versucht habe.

Die andere Frage ist, ob das, was Amnesty International den internationalen Medien heute als eigene Beobachtung gesagt hat, tatsächlich zutrifft. Ich habe zurzeit keine Möglichkeit, darauf mit Ja oder Nein zu antworten, außer dass ich Ihnen sagen kann, dass wir solche Anschuldigungen und solche Kritik selbstverständlich sehr ernst nehmen und uns um Aufklärung bemühen.

Sie unterstellen jetzt etwas, was ich nicht weiß - vielleicht wissen Sie es -, nämlich dass das alles mit Hilfe der Waffen geschehen sei, die von Deutschland geliefert worden sind. Ich kann das nicht ausschließen, aber ich weiß es eben nicht. Deshalb wäre ich dankbar, wenn wir die beiden Fragen, die Sie aufgeworfen haben, nicht miteinander vermengen.

Frage: Österreich hat jetzt gesagt, es macht eine Obergrenze: 37 500 in diesem Jahr, dann ist Schluss. Gibt es jemanden aus diesem Sprecherkreis, der sich berufen fühlt, dazu etwas zu sagen?

StS Seibert: Nein, nicht über das hinaus, was ich vorhin gesagt habe, und nicht auf der Basis dessen, was Sie mir jetzt gerade zurufen.

Frage: Warum fährt die Kanzlerin nicht nach Davos? Gibt es wichtigere Termine als Davos?

StS Seibert: Die Bundeskanzlerin hat vor geraumer Zeit, schon im letzten Jahr, entschieden, dass sie dieses Jahr keine Pläne für eine Reise nach Davos macht, wo sie in den vergangenen Jahren tatsächlich immer einmal wieder war.

Sie können sich den Terminkalender der Bundeskanzlerin, den wir hier auch immer bekanntgeben, anschauen und entscheiden, wie wichtig die Termine sind, die sie wahrnimmt. Heute war es das Kabinett. Freitag kommen die ersten deutsch-türkischen Regierungskonsultationen. So gibt es eine Reihe sehr wichtiger Termine. Aber, wie gesagt, diese Entscheidung ist schon vor geraumer Zeit gefallen. Es gab keine Pläne für dieses Jahr.

Frage: Es geht noch einmal um den Kohleausstieg. Herr Haufe, hält Ihre Ministerin an dem Zeitplan fest, bis zum Sommer ein Paket festzuzurren? In welchem Format, in welchem Forum soll das geschehen, wenn dem so ist?

Haufe: Das Format, das Sie wahrscheinlich ansprechen, ist der Klimaaktionsplan 2050. Dieses Format hat sich nicht nur die Bundesumweltministerin ausgedacht, sondern es ist ein Plan der gesamten Bundesregierung, in dem die weitere Klimapolitik, die weiteren Emissionseinsparungen in vielen Gesellschafts- und Wirtschaftsbereichen diskutiert und dann auch festgelegt werden.

In diesem Zusammenhang möchte die Ministerin auch über den Kohleausstieg diskutieren. Aus unserer Sicht und aus Sicht von Ministerin Hendricks gibt es keinen Widerspruch zu dem, was der Herr Wirtschaftsminister gesagt hat. Sie hat noch einmal betont, dass sie einen Strukturwandel ohne Strukturbrüche möchte. Dafür ist eine rechtzeitige Diskussion mit allen Beteiligten notwendig. Die Ministerin selber wird kommenden Montag in die Lausitz fahren, um dort auch mit den Betriebsräten aus der Braunkohlewirtschaft über diesen Plan, über deren Situation und über alle damit in Zusammenhang stehenden Fragen zu diskutieren.

Frage: Herr Schäfer, zur Reise von Herrn Steinmeier nach Warschau. Welche demokratiegefährdenden Entwicklungen wird der Außenminister in Warschau ansprechen?

Schäfer: Herr Steinmeier hat schon ganz häufig gesagt, dass er sich ganz fest vorgenommen hat, mit den Polen und nicht über die Polen zu reden.

Zusatzfrage : Ja, worüber?

Schäfer: Das sage ich Ihnen ja jetzt. Sie müssten mich nur ausreden lassen.

Das will er morgen tun. Das tut er im Geiste der Freundschaft, der Partnerschaft und der guten Nachbarschaft mit einem Land, das in den - das kann man, denke ich, sagen - vergangenen Jahrhunderten eine Menge schlechter Erfahrungen im Zusammenhang mit Deutschland gemacht hat. Das alles spielt in die Sensibilitäten hinein, die es um das deutsch-polnische oder das polnisch-europäische Verhältnis gibt. Ich denke, es ist ganz wichtig, das bei allem, was geschieht, zu berücksichtigen. Die 25 Jahre des Deutsch-Polnischen Nachbarschaftsvertrags, die wir in diesem Jahr feiern und die durch den Fall der Mauer, durch das Ende des Kalten Krieges, auch durch die polnischen Freiheitsbewegungen der 80er Jahre möglich geworden sind, sind uns ganz wichtig, genauso wie die aktuellen Debatten um und in Europa.

All das, was man in den Medien und in der öffentlichen Debatte zurzeit nachlesen kann, sind ganz sicher Themen, die den Außenminister interessieren und die er in seinen vertrauensvollen Gesprächen mit seinen polnischen Gesprächspartnern und -partnerinnen morgen zur Sprache bringen wird.

Zusatzfrage: Nur zum Verständnis: Demokratiegefährdende Entwicklungen werden also wegen der Historie zwischen Deutschland und Polen nicht angesprochen? Die schlechten Nachrichten oder die schlechten ehrlichen Botschaften müssen von anderen Ländern kommen als von Deutschland?

Schäfer: Ich sage doch gerade, dass all die Themen, über die Sie und Ihre Kolleginnen und Kollegen berichten, ganz bestimmt auch Gegenstand der Gespräche morgen in Polen sein werden. Aber ich denke, es ist besser, sich zunächst erst einmal mit der neuen polnischen Regierung, den neuen Verantwortungsträgern, insbesondere dem neuen Kollegen von Herrn Steinmeier, Herrn Waszczykowski, zusammenzusetzen und mit ihm zu reden.

Was den Umgang mit Fragen der Rechtsstaatlichkeit angeht, so haben Herr Steinmeier und andere Vertreter der Bundesregierung schon gesagt, dass wir denken, dass das, was die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union in den vergangenen Jahren gemeinsam und einstimmig beschlossen haben, nämlich dass es Mechanismen geben soll und kann, mit denen Fragen der Rechtsstaatlichkeit in Europa diskutiert werden können, der richtige Weg ist. Die Kommission hat jetzt gewissermaßen den Ball aufgenommen und einen Dialog mit Polen begonnen. Wir hören von beiden Seiten - von der Kommission und der polnischen Regierung -, dass die Bereitschaft besteht, sich auf einen solchen Dialog offen und konstruktiv einzulassen. Das hat zuletzt gestern im Europäischen Parlament auch die polnische Ministerpräsidentin gesagt. Ich denke, da muss von dieser Seite und sicherlich vonseiten des Außenministers erst einmal kein Senf dazugegeben werden.

Mittwoch, 20. Januar 2016

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Quelle:
Regierungspressekonferenz vom 20. Januar 2016
http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2016/01/2016-01-20-regpk.html
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veröffentlicht im Schattenblick zum 22. Januar 2016

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