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PRESSEKONFERENZ/1073: Regierungspressekonferenz vom 28. September 2015 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Im Wortlaut
Mitschrift der Pressekonferenz - Montag, 28. September 2015
Regierungspressekonferenz vom 28. September 2015

Themen: Plagiatsvorwürfe gegen die Bundesverteidigungsministerin, Lage in Syrien, Normandie-Format zur Ukraine, Glyphosat, Regionalwahl in Katalonien, Angriffe der Taliban auf Kundus, Asyl- und Flüchtlingspolitik, Ukraine, Ermittlungen gegen den Automobilkonzern VW wegen manipulierter Abgaswerte

Sprecher: Flosdorff (BMVg), StS Seibert, Chebli (AA), Dünow (BMWi), Lenz (BMEL) Plate (BMI), Scholz (BMJV), Westhoff (BMAS), Susteck (BMVI), Stamer (BMUB)


Vorsitzende Maier eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt StS Seibert sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

Frage: Wir wüssten gern, wie der Stand in Bezug auf die Plagiatsvorwürfe gegen die Bundesverteidigungsministerin ist und wie sich die Ministerin dazu stellt. Gibt es eventuell noch eine Stellungnahme von ihr? Für wann rechnen Sie mit Ergebnissen der Universität Hannover?

Flosdorff: Das kann ich relativ kurz machen. Aktuell ist der Stand vom Wochenende. Die Ministerin hat sich ja schon geäußert.

Sie hat Ende August von dritter Seite einen Hinweis erhalten, dass sogenannte Plagiatsjäger in ihrer Dissertation nach Fehlern suchen. Sie hat daraufhin vor rund einem Monat die Medizinische Hochschule Hannover darum gebeten, diese Arbeit erneut auf Fehler zu prüfen. Dieses Verfahren dauert meines Wissens an.

Zu Fristen kann ich Ihnen nichts sagen. Aber dazu kann man sicherlich die Medizinische Hochschule Hannover befragen.

Frage: Herr Staatssekretär, wie hat die Bundeskanzlerin darauf reagiert, dass jetzt schon zum wiederholten Male ein Mitglied ihres Kabinetts unter Plagiatsverdacht steht?

StS Seibert: Ich habe Ihnen dazu keine Reaktion zu berichten. Es gilt das, was der Sprecher des Bundesverteidigungsministeriums gesagt hat. So wird die Aufklärung nun ihren Lauf nehmen.

Zusatzfrage: Hat es in den letzten Tagen einen Kontakt zwischen der Ministerin und der Kanzlerin zu diesem Thema gegeben?

StS Seibert: Das weiß ich nicht. Die Bundeskanzlerin war, wie Sie wissen, bis heute Morgen in New York. Über die verschiedenen Gespräche, die sie mit Ministerinnen und Ministern regelmäßig führt, berichte ich hier nicht.

Frage: Herr Flosdorff, in dem Interview am Wochenende hat die Ministerin sinngemäß gesagt, sie wisse von Aktivisten im Internet, die sich diese Arbeit vorgenommen hätten. Deutet diese Wortwahl darauf hin, dass die Ministerin ideologische Gründe hinter diesem Untersuchungsansatz vermutet?

Flosdorff: Nein.

Frage: Herr Seibert, ich hätte gern eine Reaktion zu den Luftangriffen Frankreichs gegen ISIS in Syrien. Wäre die Bundesregierung gegebenenfalls bereit, sich an solch einer Kampagne zu beteiligen?

StS Seibert: Das Zweite, wonach Sie fragen, steht für die Bundesregierung jetzt nicht zur Debatte. Ansonsten habe ich für die Bundesregierung das Vorgehen Frankreichs nicht zu bewerten.

Frage: Frau Chebli, Herr Schäfer hat am Freitag darum gebeten, einen konkreten Fall für Fragen nach dem Völkerrecht aufzuwerfen. Dieser Fall hat sich gestern ereignet. Mich interessiert, wie die Luftangriffe der französischen Armee in Syrien aus Sicht der Bundesregierung mit dem Völkerrecht vereinbar sind.

Chebli: Der französische Staatspräsident hat die Luftschläge gestern Abend im Rahmen einer Pressekonferenz mit dem nationalen Selbstverteidigungsrecht gegen eine von ISIS gegen Frankreich ausgehende Bedrohung begründet. Die Aufklärungsflüge der vergangenen Woche hätten die entsprechenden Informationen ergeben.

Dazu liegen uns keine näheren Informationen vor. Deshalb ist uns - das hat der Kollege Schäfer vergangene Woche gesagt - keine völkerrechtliche Bewertung möglich. Es bleibt dabei: Das Völkerrecht ist eine komplizierte Materie. Man muss im Einzelnen wissen, wer zu welchem Zeitpunkt unter welchen Konditionen und Rahmenbedingungen welche Aktion vollzieht. Erst dann ist eine völkerrechtliche Bewertung möglich. Diese können wir auf dieser Grundlage nicht vollziehen.

Klar ist: Wir haben großes Verständnis dafür, dass sich Frankreich gegen eine Bedrohung, gegen ISIS, wehrt und dagegen kämpft. Auch wir engagieren uns im Rahmen der internationalen Koalition im Kampf gegen ISIS, gemeinsam mit weiteren Staaten. Insgesamt sind es 60 Staaten. Wir haben uns vor allem damit engagiert, dass wir die Peschmerga mit Waffen unterstüzen. Gegenwärtig - auch das haben wir in diesem Raum schon erwähnt - schauen wir gemeinsam mit dem Verteidigungsministerium, wie wir die Unterstützung noch verstärken können.

Wir haben natürlich ein Interesse daran, dass ISIS der Nährboden entzogen wird und dass sich ISIS nicht noch weiter in der Region ausbreitet. So wird jetzt zum Beispiel auch ein Thema in New York sein, wie die internationale Koalition ihr Engagement und ihren Kampf gegen ISIS weiter intensivieren kann. Sie können sich sicher sein, dass auch Deutschland dort seinen Beitrag zum Beispiel mit der Unterstützung der Peschmerga leisten wird.

Zusatzfrage: Das heißt, wenn ich es richtig verstanden habe, dass auch die Bundesregierung Probleme hat, die völkerrechtliche Legitimität der französischen Angriffe zu sehen.

Chebli: Das ist Ihre Interpretation. Ich habe das gesagt, was ich dazu zu sagen habe. Ich habe gesagt: Das ist eine komplizierte Materie. Uns ist es nicht möglich, auf dieser Grundlage eine völkerrechtliche Bewertung vorzunehmen. Wir haben aber großes Verständnis dafür, dass Frankreich gegen den Terror von ISIS kämpft und sich schützt.

Frage: Sie äußern, dass Sie Verständnis haben. Das wüsste ich gern noch ein bisschen genauer. Halten die Bundesregierung oder das Auswärtige Amt die Luftangriffe, die Frankreich geflogen hat, für zielführend in diesem Konflikt und für etwas, woran man sich, wenn man es für richtig hält, auch beteiligen sollte?

Chebli: Ich habe ja gesagt, wie die Haltung der Bundesregierung dazu ist. Ich habe gesagt, dass es eine gemeinsame Kraftanstrengung ist, zu verhindern, dass ISIS sich weiter ausbreitet, sowohl im Irak als auch in Syrien.

Frankreich fühlt sich durch ISIS bedroht. Frankreich wurde in der Vergangenheit mit Anschlägen konfrontiert, die Sie kennen. Gerade stehen Gespräche im Raum, ob wir unser Engagement in der Unterstützung der Peschmerga erweitern. In welcher Form und wie genau, das ist noch nicht geklärt. Wir sind in Gesprächen.

Das ist im Prinzip das, was ich dazu zu sagen habe.

Der Minister und auch wir haben in diesem Raum darauf aufmerksam gemacht, dass für eine nachhaltige Bekämpfung von ISIS zum einen das Militärische wichtig ist und gebraucht wird. Wir haben in der Vergangenheit gesehen, dass es Fortschritte und Erfolge gegeben hat. Die Tatsache, dass sich ISIS den Irak nicht vollkommen untertan machen konnte, hat auch damit zu tun, dass die Peschmerga in der Lage waren, ISIS zurückzudrängen, auch mit unserer Hilfe. Deshalb bleibt es dabei: Die militärische Komponente, der militärische Kampf gegen ISIS ist wichtig. Daran führt kein Weg vorbei.

Aber um ISIS die Grundlage zu entziehen, um dieser Terrororganisation den Nährboden zu entziehen, um zu verhindern, dass sich ISIS immer mehr junge Menschen anschließen, braucht es auch eine politische Perspektive. Damit kommen wir zum Thema Syrien. Heute laufen auf allen Ebenen Gespräche, wie es uns gelingen kann, den Einstieg in einen politischen Prozess in Syrien in die Wege zu leiten. Denn letztendlich ist die beste Garantie dafür, dass ISIS bekämpft und dass ISIS der Nährboden entzogen wird, den Bürgerkrieg in Syrien zu beenden.

Frage: Meine erste Frage: Frau Chebli, Russland, der Irak und der Iran haben ein Zentrum zum Kampf gegen ISIS gegründet. Wie steht die Bundesregierung dazu?

Die zweite Frage: Was Gespräche mit der Assad-Regierung angeht, hat der Bundesaußenminister gestern gesagt, dass es keine Gespräche geben wird. Wenn Deutschland aber jetzt deeskalierend wirken könnte, weil es gute Beziehungen zu den Ländern in der Region hat, wäre dann die Bundesregierung unter Umständen bereit, auch in direkte politische Gespräche mit der Assad-Regierung einzutreten?

Chebli: Diese Frage haben wir in diesem Raum zur Genüge beantwortet. Ich sehe mich, ehrlich gesagt, nicht in der Lage, das zu ergänzen, was der Minister gestern bei "Berlin direkt" oder im "Bericht aus Berlin" gesagt hat und was Herr Schäfer und ich in den vergangenen Wochen zu diesem Thema gesagt haben.

Ich finde auch - da mag ich mich vielleicht wiederholen -, die ganze Diskussion um Syrien ist zu sehr auf Assad konzentriert. Es geht um viel mehr als nur die Frage, ob wir mit Assad reden, wer mit Assad redet und wer nicht mit Assad redet. Es gibt einen Sonderbeauftragten namens de Mistura. Er redet nicht erst seit gestern mit Assad und den Vertretern des Regimes, sondern schon die ganze Zeit. Es gab bereits vorher Sonderbeauftragte, Lakhdar Brahimi und Kofi Annan, die auch schon mit Vertretern des Regimes gesprochen haben. Wir haben bisher zwei Anläufe, die Genfer Konferenzen, die gescheitert sind, weil es nicht gelungen ist, beide Parteien - die Opposition sowie Assad und sein Regime - an einen Tisch zu bringen, weil sich vor allem das syrische Regime geweigert hat, in konstruktive Gespräche einzutreten, und weil die Lage zwischen Russland und den Amerikanern noch nicht so war, dass man gesehen hat, dass zum Beispiel auch der Iran Teil der Lösung sein müsste.

Das ist, denke ich, jenseits der Frage von Assad jetzt wichtig. Meines Erachtens spielt die Musik deshalb auch eher in New York als hier. Dort findet auf Einladung des amerikanischen Außenministers um acht Uhr Ortszeit ein Treffen statt, an dem die verschiedenen regionalen Akteure teilnehmen sollen und auf dem es darum geht, auszuloten, welche Möglichkeiten bestehen, in einen politischen Prozess in Syrien einzusteigen.

Das war die Antwort auf Ihre zweite Frage.

Auf Ihre erste Frage zu dem ISIS-Zentrum von Russland, dem Irak und dem Iran kann ich Ihnen keine weiteren Details geben. Ich habe es wie Sie gelesen und konnte noch nicht rückkoppeln, was wir darüber wissen. Deswegen kann ich das zu diesem Zeitpunkt auch nicht bewerten.

Frage: Frau Chebli, käme es für die Bundesregierung infrage, dass sich diese beiden Anti-ISIS-Koalitionen zusammentun?

Können Sie den Widerspruch aufklären, dass die Bundesregierung auf der einen Seite sagt, in Syrien kann es keine militärische Lösung geben, aber Sie auf der anderen Seite sagen, die militärische Komponente ist wichtig?

Chebli: Zu der ersten Frage kann ich nichts sagen, weil ich zu diesem ISIS-Zentrum einfach über keine weiteren Informationen verfüge.

Wichtig ist, dass alle gemeinsam an einem Strang ziehen, wenn es um die Bekämpfung von ISIS geht. Wir haben eine internationale Koalition aus 60 Staaten. Die einen beteiligen sich, indem sie Luftangriffe auf ISIS fliegen. Wir beteiligen uns daran, indem wir die Peschmerga mit Waffen unterstützen. Das heißt, alles, was dazu beiträgt, die internationale Koalition zu stärken, und alles, was hilft, dass man beim Kampf gegen ISIS an einem Strang zieht, begrüßen wir und finden wir richtig.

Ihre zweite Frage bezog sich auf einen Widerspruch, den Sie sehen. Ich sehe diesen Widerspruch nicht. Wir haben immer gesagt: Um ISIS zu bekämpfen braucht es mehrere Aspekte. Wir brauchen mehrere Faktoren. Der eine Faktor ist der militärische Kampf. Ohne den militärischen Kampf hätten wir es nicht geschafft, ISIS im Irak zu stoppen.

Der zweite Faktor ist, dass man im Irak natürlich eine stabile und funktionierende Regierung braucht, die es schafft, die Sunniten in dem Land als Teil des Prozesses anzuerkennen, wie es Ministerpräsident Abadi jetzt getan hat. Wenn wir sehen, wer im Irak bei ISIS mitkämpft, stellen wir fest, dass es zum Teil ehemalige Baathisten sind, die ausgeschlossen waren, sich nicht als Teil der Regierung oder als Teil des Staates verstanden haben und in Massen zu ISIS geströmt sind. Das heißt, um da gegenzusteuern, ist es wichtig, dass ein Staat entsteht, in dem sich alle Gruppen, Schiiten und Sunniten, anerkannt und repräsentiert fühlen.

Die Antwort kann daher nie eine allein militärische sein, sondern muss auch eine politische sein. Deshalb sehe ich hierin auch keinen Widerspruch zu dem, was ich gesagt habe.

Frage: Frau Chebli oder auch Herr Flosdorff, da ja Gespräche über eine Ausweitung des Engagements im Raum stehen, frage ich: Ist diese Ausweitung rein quantitativ oder unter Umständen auch qualitativ zu verstehen? Ist neben Waffen- und Materiallieferungen sowie Ausbildungshilfe auch andere Art von Unterstützung der Peschmerga in der Überlegung?

Flosdorff: Alles bleibt im Rahmen des bestehenden Mandates. Es ist also nicht qualitativ, sondern eher quantitativ zu verstehen.

Zusatzfrage: Aber über Zahlen wollen Sie noch nicht reden?

Flosdorff: Genau.

Chebli: Wenn die Zahlen und die Details feststehen, werden wir natürlich auch darüber berichten. So weit sind wir aber noch nicht.

Frage: Mit welchen Erwartungen geht die Bundesregierung in das Treffen diese Woche im Normandie-Format zur Ukraine?

StS Seibert: Wir haben immer gesagt - daran hat sich nichts geändert -, dass der Bezugspunkt für uns der Minsker Prozess bleibt. Es geht darum, diesen Minsker Prozess fortzusetzen und Erfolge auf der schwierigen Wegstrecke zu erzielen. Daran wird intensiv gearbeitet. Es gibt intensive Vorarbeiten. Auch die Bundeskanzlerin hat sich gestern in New York mit dem ukrainischen Staatspräsidenten Petro Poroschenko getroffen.

Ich will dem Treffen in Paris am Freitag nicht vorgreifen. Ich will nur sagen, unser Ziel ist eine politische friedliche Lösung für die Ostukraine, Friede für die Ostukraine und ihre Menschen. Der Minsker Prozess ist der einzige Weg, auf den sich bisher alle Parteien geeinigt haben. Er ist in vielen Details schwierig. Wir sind froh, zu bemerken, dass immerhin der Waffenstillstand seit dem 1. September weitgehend eingehalten wird. Das zeigt übrigens auch, welchen Einfluss Russland auf die Separatisten nehmen kann und in diesem Falle sicherlich genommen hat.

Wir arbeiten weiter an einer friedlichen Lösung. Alle Bezüge sind auf den Minsker Prozess gerichtet.

Zusatzfrage: Nach den Äußerungen von Herrn Gabriel vom Freitag zur Syrienkrise könnte man meinen, dass der Stellenwert der Ukraine für die Bundesrepublik gesunken ist. Würden Sie meine Einschätzung teilen?

StS Seibert: Da erlaube ich mir, zu sagen, dass Sie den Bundeswirtschaftsminister meiner Meinung nach falsch interpretieren. Das ist jedenfalls nicht so. Vielleicht möchte Herr Dünow noch etwas dazu sagen.

Die Tatsache, dass es am Freitag ein weiteres Treffen im Normandie-Format gibt und dass so intensive Vorarbeiten laufen, zeigt ja, dass wir weiterhin das Interesse haben, mit aller Kraft, die wir haben, dazu beizutragen, dass eine friedliche politische Lösung möglich ist.

Das hat mit der Notwendigkeit, auch eine politische Lösung für Syrien zu finden, und mit der Notwendigkeit, dass Russland ein Teil einer solchen Lösung sein sollte, gar nichts zu tun. Die beiden Themen sind nicht in der Weise miteinander verknüpft, wie Sie es andeuten.

Dünow: Ich kann das kurz ergänzen und muss dafür den Bundeswirtschaftsminister gar nicht interpretieren. Es reicht völlig, ihn zu zitieren. Ich zitiere das, was er am Freitag im Bundeswirtschaftsministerium gesagt hat: Wir brauchen ein besseres und anderes Verhältnis zwischen Russland und Europa. Dazu muss man das Minsker Protokoll umsetzen.

Dem ist meines Erachtens nichts mehr hinzuzufügen.

Frage: Ich meine, Herr Gabriel hat noch mehr gesagt. Er hat nämlich auch gesagt, dass es nicht wirklich vorstellbar sei, dass man auf der einen Seite Russland brauche, um die Syrienkrise zu lösen, und auf der anderen Seite gleichzeitig die Sanktionen weiter aufrechterhält. Können Sie darüber Aufklärung schaffen? Wie meint er das?

Im Umkehrschluss kann das ja nur heißen, dass er doch, zumindest indirekt, eine Aufhebung der Sanktionen fordert.

Dünow: Nein, das tut er weder direkt, noch indirekt. Wenn Sie ein Zitat zur Hand haben, das Ihre Vermutung untermauert, wäre ich Ihnen sehr dankbar dafür.

Zusatzfrage: Das heißt, auch der Wirtschaftsminister ist der Meinung, dass die Sanktionen gegen Russland aufrechterhalten bleiben sollen, selbst wenn der Westen Russland gern als Unterstützung bei der Lösung des Syrienkonflikts dabeihätte?

Dünow: Genau so ist es. Er fügt hinzu, wie wohl auch alle anderen Mitglieder der Bundesregierung, dass eine Lösung des Konflikts in Syrien ohne Beteiligung Russlands außerordentlich unwahrscheinlich ist.

StS Seibert: Ich will es noch einmal sagen: Diese beiden Themen sind nicht miteinander zu verknüpfen.

Dass es möglich und sinnvoll ist, mit Russland konstruktiv zusammenzuarbeiten, haben die jüngsten Verhandlungen und der Erfolg der Verhandlungen mit dem Iran gezeigt.

Frage: Genau zu diesem Punkt möchte ich genauer nachfragen. Heißt das, dass Sie überhaupt keine Verbindungen zwischen den Themen Syrien und Ukraine sehen und dass das Thema Syrien definitiv nicht auf der Tagesordnung des Treffens im Normandie-Format stehen wird?

StS Seibert: Das ist ein Gipfel im Normandie-Format: Deutschland, Frankreich, die Ukraine und Russland. Die Probleme und Herausforderungen bei der Umsetzung des Minsker Protokolls geben, denke ich, allen vier genügend Gesprächsthemen für dieses Treffen.

Frage: Herr Seibert, nur weil Sie keine Verbindung sehen, heißt das nicht, dass es keine Verbindung gibt. Was macht die Bundesregierung, wenn Herr Putin sagt, dass die beiden Themen miteinander verbunden werden sollen und es in Syrien nur dann eine Lösung mit Russland geben kann, wenn die Sanktionen aufgehoben werden?

StS Seibert: Ich kann Ihnen hier nur die Überzeugung der Bundesregierung darstellen. Darum bemühe ich mich. Diese Überzeugung ist, dass wir, erstens, eine große Aufgabe vor uns haben, den Minsker Prozess voranzutreiben, um wirkliche Erfolge erzielen zu können, aufbauend auf dem jetzt weitgehend eingehaltenen Waffenstillstand, und dass wir, zweitens, unverknüpft damit natürlich eine politische Lösung des Syrienkonflikts suchen und dass diese ohne Russland nicht möglich ist.

Frage: Wie steht das Landwirtschaftsministerium zu den Vorwürfen gegen das Bundesinstitut für Risikobewertung, es urteile in Sachen Glyphosat zu industriefreundlich?

Lenz: Zum Thema Glyphosat kann ich Ihnen nur sagen, dass wir uns momentan noch in der Phase der Risikobewertung befinden. Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft äußert sich zu den konkreten Vorwürfen nicht. Wenn Sie andere Fragen dazu haben, würde ich Sie bitten, sich an die Pressestelle des Bundesinstituts für Risikobewertung zu wenden.

Frage: Eine Frage an Herrn Seibert. Es geht um die Wahl in Katalonien. Die Separatisten sehen das Votum als Ja zur Abspaltung von Spanien an. Kataloniens Präsident Artur Mas hatte angekündigt, Katalonien bei einem Wahlsieg in 18 Monaten zur Unabhängigkeit zu führen. Madrid und die neue katalonische Regierung müssen nun dringend miteinander verhandeln.

Muss Ihrer Meinung nach auch Europa mit Katalonien verhandeln? Oder bleibt es ein spanisches Thema?

StS Seibert: Die Regionalwahlen in Katalonien sind aus unserer Sicht eine innerspanische Angelegenheit, die ich hier nicht kommentieren möchte. Da Sie Europa ansprechen, erinnere ich gern an eine Aussage der Bundeskanzlerin in der Pressekonferenz gemeinsam mit Ministerpräsident Rajoy vor Kurzem hier in Berlin, als Sie an die EU-Verträge erinnerte, denen wir alle verpflichtet sind. Diese Verträge der Europäischen Union sehen die staatliche Integrität und Souveränität jedes Landes vor und garantieren sie. Deshalb ist es nach unserer Überzeugung wichtig, dass bei all dem, was jetzt passiert, die Rechtsstaatlichkeit eingehalten wird, und zwar sowohl in Bezug auf europäische Verträge, wie auch in Bezug auf nationales Recht, also die spanische Verfassung.

Zusatzfrage: Also bleibt alles, wie es ist? Es gibt keine Änderung der Haltung der Bundesregierung?

StS Seibert: Die Haltung der Bundesregierung ist unverändert.

Frage: Es gibt heute Berichte über massive Angriffe der Taliban auf Kundus. Welche Erkenntnisse haben Sie darüber? Diese Frage richtet sich an den Vertreter des BMVg.

Wie muss man das bewerten? Denn das war ja der Kern des deutschen Engagements in Afghanistan. Das Ziel war Stabilisierung. Muss man es im Nachhinein so sehen, dass genau dieses Ziel überhaupt nicht erreicht wurde und die Opfer im Grunde umsonst gewesen sind?

Flosdorff: Ich habe keine Erkenntnisse, die ich Ihnen dazu mitteilen könnte.

Zusatzfrage: Die Frage nach der Bewertung richtet sich dann an das AA oder Herrn Seibert. Hat eine Stabilisierung der Region stattgefunden? Hat sich der Einsatz dort gelohnt?

Chebli: Natürlich haben auch wir das, was Sie erwähnten, gehört. Wir beobachten die Lage in Afghanistan sehr aufmerksam. Die Sicherheitslage ist seit einigen Wochen angespannt. Es hat immer einmal wieder Anschläge seitens der Taliban gegeben. Aber wir müssen auch sehen, dass es den afghanischen Sicherheitskräften in der Vergangenheit doch immer wieder gelungen ist, zu verhindern, dass weite Landesteile von den Taliban eingenommen werden. Die afghanischen Sicherheitskräfte sind weiterhin grundsätzlich in der Lage, den Aufständischen entgegenzutreten und Großstädte sowie die wichtigsten Verkehrswege, die die Taliban immer wieder zu blockieren versuchen, unter Kontrolle zu halten.

Über die Frage, wie wir jetzt unser Engagement bewerten, hat der Kollege Schäfer, so meine ich, vor einigen Wochen hier bereits ausgeführt. Wir sind mit den Amerikanern im Gespräch. Wir beobachten die Entwicklung gemeinsam mit den Amerikanern und den Nato-Alliierten und werden uns beim Außenministertreffen im Dezember zum weiteren Vorgehen in Afghanistan beraten. Ich kann Ihnen deshalb hier auch keine abschließende Bewertung dazu geben, was passiert, nachdem das Mandat endet. Aber wir sind in sehr intensiven Gesprächen mit den Amerikanern, um gemeinsam zu schauen, wie wir unser Engagement dort weiterhin vollziehen können.

Frage: Herr Seibert, Frau Chebli, sind die 14 Jahre in Afghanistan für die Bundeswehr eigentlich ein Erfolg?

StS Seibert: Ich empfehle Ihnen vielleicht als Einstieg in das Thema die Lektüre des Fortschrittsberichts Afghanistan, der Ende des vergangenen Jahres von der Bundesregierung vorgelegt wurde. Er zieht eine Bilanz unseres gesamten Engagements, das immer mehr als ein rein militärisches Engagement gewesen ist. Das ist ein sehr interessanter Bericht, der natürlich Licht und Schatten aufweist. Wir wissen, wie Frau Chebli es gerade gesagt hat, dass in einigen Situationen noch erhebliche Herausforderungen bestehen, gerade was die Sicherheitslage betrifft. Das betrifft aber auch nicht das ganze Land Afghanistan.

Insofern ist das nicht ganz leicht zu sagen. Aber wer sich mit den Details dessen befasst, was politisch, zivilgesellschaftlich, auf dem Bildungssektor und in einigen Landesteilen auch bei der Herstellung von Sicherheit erreicht worden ist, der wird sicherlich auch Licht sehen.

Zusatzfrage: Ist es geplant, dass die Bundeswehr erst dann abzieht, wenn Sicherheit in allen Landesteilen gegeben ist?

StS Seibert: Wir folgen zunächst einmal den Beschlüssen des Nato-Gipfels, der die Dauer der Folgemission Resolute Support mit Ende 2016 festgelegt hat. Wir wissen auch, dass bis dahin noch zahlreiche unterstützende Maßnahmen notwendig sind. Wie weit dann noch über diesen Zeitpunkt hinaus ein Einsatz oder Maßnahmen erforderlich sein werden, müssen wir dann zu gegebener Zeit mit unseren internationalen Partnern besprechen. Deutschland wird dabei keinen Alleingang unternehmen, sondern wir werden die Lage mit den Partnern zusammen sehr genau analysieren und zu gemeinsamen Beschlüssen kommen.

Frage: Frau Chebli, Sie haben gerade gesagt, die ANSF sind in der Lage, die Großstädte unter Kontrolle zu halten. Die heutigen Meldungen aus Kundus deuten auf das exakte Gegenteil hin. Insofern kann ich Ihre Aussage nicht ganz nachvollziehen.

Noch die Frage an Herrn Seibert: Was ist mit dem Fortschrittsbericht 2015?

Chebli: Ich habe Ihnen ja gesagt, dass die Sicherheitslage angespannt ist. Bisher ist es den afghanischen Sicherheitskräften jedenfalls gelungen, Großstädte unter Kontrolle zu halten.

Ich habe das, was Sie erwähnt haben, heute Morgen ebenfalls in den Medien gelesen. Ich habe dazu keine eigenen Erkenntnisse. Wir wissen es nicht im Detail. Wir haben gelesen, dass die Lage sehr angespannt ist und die Taliban versuchen, verschiedene Großstädte einzunehmen. Ich kann das nicht bestätigen.

Aber in der Vergangenheit - deshalb ist es richtig, was ich gesagt habe - ist es den afghanischen Sicherheitskräften immer wieder gelungen, die Taliban zurückzuschlagen. Was jetzt passiert, wie weit die Taliban gehen und wie sich die Lage gegenwärtig ganz aktuell darstellt, weiß ich nicht. Wir beobachten die Lage aber aufmerksam. Unsere Leute sind sehr nah daran.

StS Seibert: Ich kann Ihnen jetzt aus dem Stand nicht genau sagen, wann der Fortschrittsbericht vorgelegt werden wird. Das ist ja üblicherweise immer gegen Ende des Jahres passiert. Wir haben den ersten im Dezember 2010 und die anderen dann eben in den entsprechenden Abständen vorgelegt, sodass ich annehme, dass es auch erst einmal wieder Ende des Jahres werden muss; aber ich weiß es, ehrlich gesagt, im Moment nicht.

Chebli: Ich weiß es auch nicht. Das können wir aber nachliefern, wenn es dazu ein Datum geben sollte.

Zusatz: Dann würde ich um die Nachlieferung an alle bitten.

Chebli: Gut. Wenn es geht, dann ja.

StS Seibert: Wir tun immer das Mögliche.

Frage: Frau Chebli, verhandelt man gerade noch mit den Taliban?

Chebli: Deutschland verhandelt nicht mit den Taliban.

Zusatzfrage: Aber gibt es westliche Gespräche?

Chebli: Es gab jedenfalls Gespräche zwischen der afghanischen Regierung und den Taliban, die, glaube ich, gerade etwas ins Stocken geraten sind. Die Bundesregierung ist jedenfalls der Meinung, dass es wichtig ist, dass diese Gespräche stattfinden.

Zusatzfrage: Obwohl Taliban-Kämpfer - - -

Chebli: Ich habe dem, was ich gesagt habe, nichts hinzuzufügen.

Frage: Bei meinem Thema geht es um die Gewalt, die es gibt. Das ist eine Frage an das Bundesinnenministerium. Es gab in mehreren Flüchtlingsunterkünften gewalttätige Ausschreitungen - zuletzt in Hessen, in Kassel - und den Vorschlag der Gewerkschaft der Polizei, dass man Christen und Muslime getrennt unterbringen soll. Frage: Was halten Sie davon?

Die Deutsche Polizeigewerkschaft schlägt eine andere Trennung vor, nämlich eine nach Männern und Frauen. Was halten Sie von solchen Ideen?

Plate: Vielen Dank für die Frage. Ich möchte vielleicht zunächst einmal vorwegschicken: Wir beobachten mit erheblicher Sorge, dass es Gewalttätigkeiten gibt. Wir beobachten aber ebenso mit erheblicher Sorge, dass es in der Vergangenheit auch gewalttätige Übergriffe auf Helfer zum Beispiel vom THW gegeben hat, die damit befasst waren, Flüchtlingseinrichtungen aufzubauen und zu ertüchtigen. Beides muss natürlich mit gleicher Aufmerksamkeit und Sorge beobachtet werden. Die Behörden vor Ort tun das Notwendige, um dafür zu sorgen, dass das sozusagen nicht schlimmer wird und dass es möglichst auch aufhört.

Aber wenn ich "Behörden vor Ort" sage, dann gilt das insbesondere auch für die Frage, wie die Unterbringung genau erfolgen soll und wer mit wem oder nicht mit wem untergebracht wird. Wie Sie wissen, ist die Aufgabe der Flüchtlingsunterbringung ja eine Aufgabe der Länder, die der Bund inzwischen ganz massiv unterstützt. Aber in solche Detailfragen wie die, wer nun genau mit wem untergebracht werden soll, die in der Zuständigkeit der Länder liegen, mischt sich der Bund nicht ein. Ich gebe aber einmal zu bedenken, dass es auch sehr, sehr gute Erfahrungen in Lübeck und den umliegenden Orten damit gibt, gerade eine gute Mischung in den Unterkünften herzustellen. Ich glaube also, da gibt es sicherlich nicht den einen Königsweg, der so oder so aussieht, aber es ist natürlich richtig, sich eingehend damit zu befassen, um dann eine maßgeschneiderte Lösung für den fraglichen Standort zu finden.

Zusatz: Ich entnehme dem, dass Sie dazu keine klare Haltung haben und dazu weder Ja noch Nein sagen, sondern sagen, dass die Länder das entscheiden müssen. So habe ich Sie verstanden.

Plate: Ich äußere dazu mangels Zuständigkeit keine klare Haltung.

Zusatzfrage: Können Sie analysieren, woran das liegt? Gibt es eine Ursache, an der man festmachen kann, warum es dort zu Gewalttätigkeiten kommt?

Dann würde ich gerne noch vom Bundesjustizministerium wissen, ob es überhaupt rechtlich möglich ist, Flüchtlinge nach unterschiedlichen Religionen oder unterschiedlichem Geschlecht zu trennen. Würde das gegen grundlegende Regeln verstoßen, weil wir Leute vor dem Gesetz eigentlich alle als gleich ansehen?

Plate: Vielleicht zu dem ersten Teil der Frage, der mich betrifft: Aus Gründen der Seriosität und angesichts der Tatsache, dass es natürlich ganz unterschiedliche Zusammensetzungen von Individuen sind, die hier sozusagen verschiedene Ergebnisse zutage gefördert haben und eben zum Teil zu Gewalt geführt haben, verbietet es sich absolut, hier pauschal zu sagen, das läge natürlich immer an diesem oder jenem Grund. Deswegen können Sie eine solche Äußerung von mir, ehrlich gesagt, nicht erwarten.

Scholz: Ich tue mich jetzt ein bisschen schwer damit, spontan darauf zu reagieren; ich habe diese Frage noch nicht geprüft. Es steht natürlich im Raum, dass das eine unzulässige Diskriminierung sein kann. Aber ich bitte um Verständnis, dass ich Ihnen darauf jetzt keine wirklich verbindliche Antwort geben kann.

Frage: Herr Plate, mich würde in Sachen Flüchtlinge interessieren, wie in den Erstaufnahmeeinrichtungen jetzt, wo die Flüchtlinge ja länger dort bleiben sollen, mehr Platz geschaffen werden soll. Wie wird da ein lebenswerteres Leben geschaffen?

Plate: Auch auf die Gefahr hin, dass ich mich wiederhole: Die Unterbringung von Flüchtlingen und insbesondere die Erstaufnahme ist eine Länderaufgabe. Deswegen werde ich mich weder einmischen noch mich öffentlich dazu äußern, welche Schritte genau zu ergreifen sind, um jetzt mehr Erstaufnahmekapazitäten zu schaffen.

Sie wissen ja, dass der Bund mit der Schaffung von Wartezonen unterstützt. Auch das trägt zur Entlastung von Erstaufnahmeeinrichtungen bei. Es stehen ja auch schon Plätze in erheblichem Umfang - 5.000 Plätze - in Feldkirchen zur Verfügung. In Kürze werden in Erding weitere 5.000 Plätze zur Verfügung stehen, und das wird auch noch nicht das Ende der Bemühungen sein. Aber zu den Details, die in der Zuständigkeit der Länder liegen, würde ich mich deswegen auch auf Ihre Frage hin jetzt nicht öffentlich äußern.

Zusatzfrage: Dann würde mich noch einmal interessieren, wie den Flüchtlingen und Migranten durch eine Streichung der Geldleistungen ein Minimum an gesellschaftlicher Teilhabe garantiert wird.

Plate: Ich weiß jetzt, ehrlich gesagt, nicht genau, an wen sich diese Frage richtet; an mich vermutlich nicht, nehme ich an.

Vorsitzende Maier: An wen richtet sich die Frage?

Zusatz: Ich weiß nicht, wer dafür zuständig ist. Die Geldleistungen werden ja gestrichen. Vielleicht - - -

Plate: Ich fange vielleicht einfach einmal an und sage einen Satz dazu: Es geht offenbar um Änderungen, die im Asylbewerberleistungsgesetz geplant sind. Das ist ein Gesetz, das in der Federführung des BMAS liegt. Die konkreten Änderungen finden sich im Gesetzespaket des BMI. Ich habe darüber eigentlich schon ausführlich gesprochen und wiederhole es gerne noch einmal: Die verfassungsrechtliche Prüfung der Vorschriften, die dort vorgesehen sind, ist von den Verfassungsressorts vorgenommen worden. Wir sind der Überzeugung, dass das verfassungsgemäß ist. Falls der Kollege dazu noch Details beitragen möchte, gerne, aber das ist jedenfalls alles, was vonseiten des BMI gegenwärtig dazu zu sagen ist.

Westhoff: So viel kann ich dem gar nicht hinzufügen. Das ist ja nun ein gesetzliches Vorhaben, das morgen zunächst einmal vom Kabinett verabschiedet werden muss. Erst dann werde ich auch aus formellen Gründen bereit und in der Lage sein, darüber etwas detaillierter Auskunft zu geben. Es ist ja nicht so, dass da pauschal und durch die Bank einmal eben irgendwelche Leistungen gestrichen werden; das ist ja sozusagen nur eine Unterstellung Ihrerseits. Es geht um eine ziemlich klar umrissene und deutliche Neuregelung, die da ins Auge gefasst wird. Wenn die morgen tatsächlich beschlossen werden wird und auch in Gänze und im Detail vorliegen wird, können wir gerne noch einmal darüber reden.

Frage: Ich habe noch eine Nachfrage an das Bundesjustizministerium - ich weiß nicht, wie wir verblieben sind: Können Sie die Antwort auf die Frage nachliefern, ob es mit der Verfassung zusammengeht, nach der Religion und nach Männlein und Weiblein zu trennen? Das wäre schon interessant. Die Gewerkschaft der Polizei diskutiert darüber. Kann man sagen, ob das funktioniert oder nicht?

Andere Frage: Wenn Asylbewerber an solchen Gewalttätigkeiten beteiligt sind, hat das irgendwelche Konsequenzen für die spätere Gewährung eines Aufenthalts? Wird das irgendwo berücksichtigt?

Scholz: Zu der ersten Frage muss ich sagen: Das ist eine hypothetische Fallgestaltung, die Sie jetzt in den Raum werfen. Wir sehen uns, ehrlich gesagt, wie wir das auch sonst nicht machen, nicht in der Lage - es ist auch nicht unsere Aufgabe -, jetzt hypothetische Rechtsfragen zu beantworten. Von daher glaube ich nicht, dass wir da etwas nachliefern können.

Zusatz: Das ist ein Vorschlag, der konkret im Raum steht, aber Sie antworten, wie Sie antworten.

Scholz: Ja, aber ich glaube, Herr Plate hatte schon Ausführungen dazu gemacht, dass das auch in erster Linie die Länder betrifft.

Bei der zweiten Frage kann mir vielleicht das Innenministerium helfen.

Plate: Klar! Ich denke, die zweite Frage richtet sich - jedenfalls der Zuständigkeit nach - wohl auch eher an mich. Es ist einfach so: Die Frage, ob jemand Schutz bekommt oder nicht, hängt vom Schutzbedürfnis ab. Dafür ist also nicht - jedenfalls nicht unmittelbar - von Bedeutung, ob Straftaten begangen werden. Für die Frage, ob Straftaten begangen werden, gibt es ja auch Vorschriften, wie Sie wissen, insbesondere im Strafgesetzbuch. Dann muss es gegebenenfalls ein Strafverfahren geben, das von der Justiz durchzuführen wäre. Je nachdem, wie das ausgeht, muss man dann weiter sehen. Aber alles Weitere ist natürlich, ohne dass Sie mir jetzt einen konkreten Fall nennen können, ehrlich gesagt, auch hypothetisch. Aber ich glaube, das deutet schon an, in welche Richtung man denken muss und wie es dann gegebenenfalls weitergehen kann.

Zusatzfrage: Herr Seibert, hat die Kanzlerin eine Haltung zu der Frage, ob man nach Religion oder Geschlecht trennen sollte?

StS Seibert: Da möchte ich dem, was meine beiden Kollegen gesagt haben, nun wirklich nichts hinzufügen.

Frage: Herr Flosdorff, in Bezug auf das Thema Flüchtlinge hatte ich schon am Freitag nach dem Truppenübungsplatz in Bergen gefragt, der ja neben einer Flüchtlingsunterkunft in Oerbke liegt. Ich habe am Wochenende gehört, dass diese Truppenübungen erst einmal ausgesetzt worden sind. Können Sie das bestätigen?

Flosdorff: Ob die am Wochenende ausgesetzt worden sind oder nicht, kann ich Ihnen nicht bestätigen. Ich kann Ihnen nur davon berichten, dass wir bemüht waren, die Übungen, die wir notwendigerweise durchführen müssen, um die Truppe für die ganzen Einsätze und Verpflichtungen, die wir innerhalb der Nato haben, in Übung zu halten, an die andere Seite des Platzes zu verlegen, sodass sie nicht unmittelbar neben diesen Unterkünften stattfinden. Aber dazu, ob jetzt über das Wochenende hinweg - und, falls ja, aus welchen Gründen - etwas ausgesetzt worden ist, haben mich keine Nachrichten erreicht; dafür bitte ich um Verständnis.

Zusatzfrage: Gibt es denn auch noch andere mögliche Truppenübungsplätze, auf denen das stattfinden könnte, die nicht neben einem Flüchtlingslager liegen?

Flosdorff: Wir haben natürlich eine ganze Reihe von Truppenübungsplätzen, aber wir haben in den vergangenen Wochen all unsere Einrichtungen und Liegenschaften, die wir haben, intensiv darauf überprüft, ob man möglicherweise Flüchtlinge darin unterbringen kann. Wir haben mittlerweile - Stand heute - 61 unterschiedliche Standorte in Deutschland, an denen wir Unterbringungsmöglichkeiten geschaffen haben. Es ist natürlich nicht verwunderlich, dass Kasernen, über die wir verfügen, häufig Liegenschaften sind, die in der Nähe von Truppenübungsplätzen liegen. Insofern bitte ich um Verständnis dafür, dass wir sehr bemüht sind, dort Raum zu schaffen und zu schauen, dass das auch wirklich hervorragende Räumlichkeiten sind. Gerade die Liegenschaften, von denen Sie gerade sprechen, nämlich die in Bergen und Fallingbostel, sind sehr ansprechende und sehr gut geeignete Liegenschaften mit einem hohen und modernen Standard. Dort werden wir auch Flüchtlinge unterbringen, wenn es denn geht.

Frage: Ich muss noch einmal ganz kurz zur Ukraine zurückkommen. Herr Dünow, ein Kollege war so nett, mir noch einmal kurz das Zitat von Herrn Gabriel zu schicken. Das lautet: "Jeder wird so klug sein, zu wissen, dass man nicht auf der einen Seite Sanktionen dauerhaft aufrechterhalten und auf der anderen Seite darum bitten kann, zusammenzuarbeiten." Jetzt ist meine Frage: Hält der Wirtschaftsminister es nicht für möglich, dass man auf der einen Seite Sanktionen aufrechterhalten und auf der anderen Seite darum bitten kann, zusammenzuarbeiten?

Dünow: Ohne dass ich jetzt in eine Detailexegese eintreten will, scheint mir das Wort "dauerhaft" bei Ihnen unterbewertet zu sein. Das ist die Antwort auf Ihre Frage.

Zusatzfrage: Heißt das, er sieht diese Möglichkeit bei einer dauerhaften Verhängung von Sanktionen nicht?

Dünow: Das Interesse der Bundesregierung ist doch ganz klar: Wir wollen, dass die Sanktionen Erfolg haben. Der Erfolg der Sanktionen besteht darin, dass das Minsker Abkommen so schnell wie möglich umfassend eingehalten wird. Über alle weiteren Schritte wird man dann reden können. Gleichzeitig sind sich alle Beteiligten darüber einig, dass eine mittel- und langfristige Lösung der Krise, die es in und um Syrien gibt, ohne aktive Beteiligung Russlands kaum vorstellbar ist.

Frage: Es geht wieder um Flüchtlinge und das, was der Bundespräsident am Wochenende gesagt hat, nämlich dass unsere Aufnahmekapazität begrenzt ist, auch wenn noch nicht ausgehandelt ist, wo diese Grenzen liegen. Meine Frage geht an das Bundesinnenministerium. Ihr Minister hatte ja auch Obergrenzen ins Gespräch gebracht. Sieht er sich durch diese Aussage des Bundespräsidenten in dem, was er da gesagt hat, bestätigt? Gibt es bei Ihnen inzwischen Klarheit darüber, wo so eine Obergrenze denn liegen könnte?

Plate: Zur ersten Frage: Es ist gute Praxis, und daran werde ich auch heute nichts ändern, dass Äußerungen des Bundespräsidenten von hier nicht kommentiert werden. Jede Antwort auf den ersten Teil Ihrer Frage würde aber bedeuten, das zu kommentieren, und deswegen kann ich das in der Sache nicht tun.

Die zweite Frage war, wo man sich eine Obergrenze vorstellt. Darauf kann ich Ihnen, glaube ich, auch nicht die Antwort geben, die Sie gerne hören würden. Im Moment gibt es qua Verfassung ja keine Obergrenze. Dazu hat sich auch der Minister schon mehrfach ausdrücklich bekannt. Er hat aber auch einen Vorschlag für großzügige europäische Kontingente ins Spiel gebracht; das will ich im Einzelnen nicht alles wiederholen. Dieser Vorschlag würde - so hat er das formuliert - möglicherweise irgendwann einer faktischen Obergrenze nahekommen. Es würden dann deutlich weniger Menschen kommen, wenn wirklich Schutzbedürftige die Gelegenheit hätten, über diese Kontingentlösung auf legalem Weg nach Europa zu kommen. Da diese Vorschläge, wenn ich das so salopp ausdrücken darf, nur dann zum Funktionieren gebracht werden können, wenn man das gemeinsam mit allen anderen europäischen Staaten vereinbart, ist es hier für die Nennung irgendeiner ganz konkreten Zahl hinsichtlich der Größe dieser großzügigen Kontingente auch zu früh.

Zusatzfrage: Herr Seibert, wie hat die Kanzlerin denn diese Äußerung des Bundespräsidenten aufgenommen?

StS Seibert: Das ist auch noch einmal ein netter Versuch, aber wie Sie wissen, kommentiere oder interpretiere ich die Aussagen des Bundespräsidenten ebenfalls grundsätzlich nicht.

Für die Bundesregierung und für die Bundeskanzlerin ist klar, und das ist unsere Überzeugung: Deutschland gibt Schutzbedürftigen Schutz, seien sie politisch Verfolgte oder seien sie Kriegsflüchtlinge. Ebenso ist klar, dass wir alle, die zu uns kommen - ob mit einem Bleiberecht oder nicht -, menschenwürdig behandeln. Es ist auch klar, dass wir allen, die solche Bleibegründe nicht haben, auch deutlich sagen müssen, dass sie hier nicht bleiben können.

Die Bundesregierung steht dazu, dass wir jetzt Signale der Ordnung in den Prozess der Ankunft und Aufnahme von Flüchtlingen hineinbringen. Das tun wir beispielsweise mit den derzeitigen Grenzkontrollen. Das tun wir mit den Beschlüssen, die am vergangenen Donnerstag gemeinsam mit dem Ministerpräsidenten gefallen sind. Das tun wir auch mit den Beschlüssen, die in der vergangenen Woche auf europäischer Ebene getroffen wurden.

Frage: Ich würde gerne zum VW-Skandal kommen: Herr Seibert, warum verzögert die Bundesregierung die Einführung neuer, besserer Abgastests auf EU-Ebene?

StS Seibert: Ich denke, dass Ihnen der Sprecher des Ministeriums darauf besser Antwort geben kann, sei es nun das BMUB oder das BMVI.

Susteck: Das kann ich gerne tun, darauf kann ich Ihnen gerne antworten: Es gibt vonseiten Deutschlands keine Verzögerung. Ich glaube, Herr Streiter hat es am Freitag schon ausgeführt: Seit 2011 wird auf europäischer Ebene unter aktiver Mitwirkung Deutschlands an der Entwicklung des neuen Prüfverfahrens für die Messung der Realemissionen, also dieser "Real Driving Emissions", gearbeitet. Ein Verordnungsvorschlag der Kommission auch bezüglich des Zeitplans der Einführung wird voraussichtlich noch in diesem Jahr vorgelegt werden, und wir erwarten eine schnelle Umsetzung.

Zusatzfrage: Genau darauf wollte ich hinaus: Die EU möchte, dass das 2017 eingeführt wird. Die Bundesregierung kämpfte dafür, dass das erst vier Jahre später passiert. Warum?

Susteck: Ich nehme an, Sie beziehen sich auf ein angebliches Positionspapier der "WELT am SONNTAG", in dem die Zahl 2021 genannt wird. Ich kann Ihnen dazu sagen, dass mir dieses Papier nicht bekannt ist und dass die Zahl 2021 auch keine Zahl der derzeitigen Hausleitung des BMVI ist. Wir erwarten also eine schnelle Umsetzung.

Zusatzfrage: Also 2017?

Susteck: Das wird jetzt im Rahmen dieses Verfahrens zu klären sein. Der Vorschlag dazu kommt, wie gesagt, nicht von uns, sondern von der EU-Kommission. Wir werden uns dafür einsetzen, dieses neue Prüfverfahren dann auch schnell umzusetzen.

Frage: Waren diese Abschalteinrichtungen der Bundesregierung schon bekannt? Falls ja, wie lange waren sie bekannt? Haben Sie auch Tests für diese "devices" durchgesetzt?

Susteck: Das Bundesministerium für Verkehr hat von den Vorwürfen und den in Rede stehenden Manipulationen am vorvergangenen Wochenende erfahren. Davor hatten wir keine Kenntnisse darüber, dass diese Systeme eingesetzt werden.

Wir haben dazu deutlich Stellung genommen und auch unmittelbar gehandelt. Der Bundesverkehrsminister hat direkt im Anschluss daran, als er von diesen Vorwürfen erfahren hat, zu Beginn der vergangenen Woche das Kraftfahrt-Bundesamt angewiesen, die in Rede stehenden VW-Dieselmotoren durch unabhängige Gutachter nachzuprüfen. Damit ist die DEKRA beauftragt worden. Diese Prüfungen laufen.

Außerdem - das dürfte auch bekannt sein - hat unser Haus eine Untersuchungskommission eingesetzt, die gemeinsam mit VW Gespräche führt, auch in Wolfsburg Unterlagen eingesehen hat und versucht, die (Vorgänge um die) in Rede stehenden Fahrzeuge aufzuklären. Auch dazu hat der Bundesverkehrsminister die Öffentlichkeit noch am Freitag darüber informiert, dass wir nach derzeitigem Stand davon ausgehen, dass 2,7 Millionen Fahrzeuge auf dem deutschen Markt betroffen sind. Alle weiteren Details, die diese Kommission zu Tage fördern wird - sie arbeitet nach wie vor -, werden wir zeitnah und unmittelbar mitteilen, wenn wir dazu neue Erkenntnisse haben.

Zusatzfrage: Das war nicht meine Frage. Ich habe nicht gefragt, ob der Bundesregierung die Manipulationen bei VW bekannt waren. Es ging mir um Abschalteinrichtungen, also um "defeat devices".

Susteck: Dem Bundesverkehrsministerium war nicht bekannt, dass es Software-Abschalteinrichtungen gibt, die in Fahrzeugen verwendet werden. Wir haben deutlich gemacht - der Minister hat das auch am Freitag im Bundestag gesagt -, dass die von Volkswagen eingestandenen Manipulationen bei den Emissionen unzulässig und illegal sind und dass wir keine Zweifel daran lassen, dass diese Manipulationen nicht stattfinden dürfen.

Frage: Sie sprachen gerade von 2,7 Millionen Fahrzeugen. Ich glaube, der Minister hatte 2,8 Millionen im Bundestag genannt. War das ein Versprecher?

Susteck: Das war ein Versprecher. Da muss ich mich korrigieren: Es sind 2,8 Millionen.

Zusatzfrage: Das bezieht sich auf die 1,6- und 2,0-Liter-Dieselfahrzeuge. Er hat aber auch im Bundestag angesprochen, dass die 1,2-Liter-Dieselfahrzeuge ebenfalls betroffen sein könnten. Haben Sie jetzt neue Erkenntnisse? Das ist ja jetzt schon vier Tage her.

Zweitens. Beziehen sich die Nachprüfungen des Kraftfahrt-Bundeamtes auch auf diese 1,2-Liter Dieselfahrzeuge?

Susteck: Mir liegen dazu jetzt keine neuen Erkenntnisse vor. Wenn es neue Erkenntnisse gibt, werden wir Sie umgehend darüber informieren. Es werden die in Rede stehenden Fahrzeuge durch das Kraftfahrt-Bundesamt geprüft, und es werden auch Fahrzeuge anderer Hersteller untersucht. Es finden also weiträumige Prüfungen statt.

Zusatzfrage: "In Rede stehend" heißt also auch die 1,2-Liter-Diesel-Fahrzeuge von VW?

Susteck: Es gilt das, was ich gesagt habe.

Frage : Herr Susteck, ich wende mich mit meinen Fragen an Sie, weil es schwer ist, außerhalb dieses Forums irgendwelche Antworten vom BMVI zu bekommen.

Erstens. Ist es richtig, dass die Bundesregierung den Hauptgrund für die überhöhten Stickstoffwerte in 29 deutschen Städten darin sieht, dass "die derzeit in Verkehr kommenden Diesel-Pkw im realen Betrieb viel zu hohe Stickstoffemissionen aufweisen"?

Zweitens. Wie will die Bundesregierung durchsetzen, dass VW sich zu einem verbindlichen Zeitplan für die Behebung des Problems bei den betroffenen Fahrzeugen verpflichtet?

Vorsitzende Maier: Wie viele Fragen sind das?

Zusatz: Insgesamt drei. Ich denke, weil das aktuell ist, wird das vielleicht einige andere Fragen von Kollegen vorwegnehmen.

Drittens. Inzwischen sollen ja auch Audi-Fahrzeuge betroffen sein. Welche Erkenntnisse haben Sie in Ihrem Haus darüber, dass andere Marken betroffen sind?

Susteck: Ich würde zunächst einmal Ihre zweite und Ihre dritte Frage beantworten und zu der ersten Frage gerne an die Kollegin aus dem BMUB verweisen.

Zum konkreten Zeitplan - das ist Ihnen wahrscheinlich bekannt - hat das Kraftfahrt-Bundesamt Volkswagen in einem Brief aufgefordert, einen verbindlichen Maßnahmen- und Zeitplan vorzulegen, aus dem ersichtlich wird, bis wann eine technische Lösung für die betreffenden Fahrzeuge umgesetzt werden kann. Das Kraftfahrt-Bundesamt hat dem Konzern dafür eine Frist bis zum 7. Oktober gesetzt.

Was Ihre Frage nach weiteren Modellen anderer Hersteller im VW-Konzern betrifft, so sind wir, wie gesagt, in Gesprächen mit VW und prüfen darüber hinaus Fahrzeuge, die in Rede stehen, bezüglich der Manipulationen. Wir prüfen aber auch Fahrzeuge anderer Hersteller, und wir prüfen auch Fahrzeuge unterschiedlicher Hersteller unter der Dachmarke VW. Ich kann Ihnen zum derzeitigen Zeitpunkt noch keine Angaben machen, die über das hinausgehen, was der Minister am Freitag bezüglich der in Rede stehenden betroffenen Fahrzeuge gesagt hat.

Stamer: Zu Ihrer ersten Frage kann ich Ihnen eine kurze Auskunft geben. Das, was Sie ansprechen, sind die Luftqualitätswerte beziehungsweise die Überschreitung von Grenzwerten, wie sie in der EU-Luftqualitätsrichtlinie festgelegt sind. Dazu lässt sich sagen, dass an mehr als 60 Prozent der verkehrsnahen Messstellen der Grenzwert für Stickoxide überschritten wird. Mit anderen Worten: Der Verkehr ist maßgeblich daran beteiligt oder ist die Ursache dafür, dass die Grenzwerte überschritten werden.

Zusatzfrage: Sieht die Bundesregierung vor allem die Dieselfahrzeuge als das Hauptproblem an?

Herr Susteck, wenn diese Frist überschritten wird, welche Sanktionen hat dann das Kraftfahrt-Bundesamt gegen VW in der Hand?

Stamer: Die Grenzwerte für Stickstoffoxid werden überschritten. Das liegt auch an den Dieselfahrzeugen. Wir sagen ja auch immer: Der Diesel ist ein effizientes Fahrzeug, aber er muss sauberer werden.

Susteck: Dann würde ich zu Ihrer zweiten Frage nach den Sanktionsmöglichkeiten ergänzen. Das ist eine hypothetische Frage, die sich im Moment nicht stellt. Wie gesagt, die Frist für VW gilt jetzt bis zum 7. Oktober. So, wie wir es aus den Medienberichten nehmen, bereitet man sich seitens des Konzerns offenbar auf eine Rückrufaktion der betroffenen Fahrzeuge vor. Es gilt also jetzt, diese Frist abzuwarten. Wir werden zu gegebener Zeit entscheiden und auch bekannt geben, welche Maßnahmen dann nötig sein werden.

Ich möchte aber auch noch einmal auf das hinweisen, was der Minister sehr deutlich in seiner Rede am vergangenen Freitag gesagt hat: "Klar ist dabei auch, dass alle Verbraucherinteressen voll umfänglich berücksichtigt werden müssen. Das heißt, dass alle Maßnahmen, die der Schadensbehebung dienen, wie auch mögliche Folgeauswirkungen nicht zu Lasten der Kunden gehen dürfen."

Stamer: Vielleicht kann ich das, was ich eben gesagt habe, noch kurz ergänzen. Wir haben aus dieser Erkenntnis ja auch Konsequenzen gezogen. Die Differenz zwischen den im Labor ermittelten Werten und den realen Werten im Straßenverkehr hat dazu geführt, dass sich die Bundesregierung seit Langem dafür einsetzt, dass ein neues Messverfahren eingeführt wird, nämlich das, was hier erwähnt worden ist.

Frage: Herr Seibert, kann man eigentlich noch Dieselfahrzeuge kaufen, ohne gegen die Klimaziele der Kanzlerin zu verstoßen?

StS Seibert: Ich werde hier ganz sicher keine Automobilkaufempfehlungen aussprechen.

Zusatzfrage: Vielleicht an Frau Stamer: Kann man eigentlich aus Sicht Ihres Ministeriums noch mit gutem Gewissen in Deutschland ein Dieselfahrzeug kaufen?

Stamer: Hier werden zwei Sachen nicht klar voneinander getrennt. Es geht hier um zwei technische Verfahren, die nichts miteinander zu tun haben. Einmal gibt es das Messverfahren, mit dem die Schadstoffe ermittelt werden, sowie ein anderes Verfahren, das unabhängig davon ist. Beide technischen Verfahren laufen im Kraftfahrt-Bundesamt. Im Rahmen der Typgenehmigung gibt es die Ermittlung des Kraftstoffverbrauchs und im Zusammenhang damit die Ermittlung der CO2-Emissionen. Die CO2-Emissionen sind in der Tat klimarelevant. Auch hier gibt es eine Diskrepanz zwischen den Werten für den Kraftstoffverbrauch, die im jetzigen Testzyklus festgelegt werden, und den realen Werten.

Auch hieraus haben wir die Konsequenz gezogen. Die Bundesregierung setzt sich seit Langem - bereits seit 2009 - dafür ein, dass ein neuer Testzyklus eingeführt wird, der sich WLTP nennt. Darüber laufen die Verhandlungen seit 2009 auf internationaler Ebene, und die Gespräche sind so gut wie abgeschlossen. Die Bundesregierung setzt sich dafür ein, dass dieser neue Testzyklus, von dem wir erwarten, dass er realistischere Werte für den Kraftstoffverbrauch ermittelt, schnellstmöglich - das heißt ab 2017 - in der EU eingeführt wird.

Zusatzfrage: Frau Stamer, Sie haben gerade die Diskrepanz angesprochen. Darauf hat meine Frage beruht. Kann man in Deutschland noch mit bestem Gewissen Dieselfahrzeuge kaufen?

Stamer: Ich kann nur sagen: Das Dieselfahrzeug ist im Prinzip ein effizientes Fahrzeug. Aber der Diesel muss sauberer werden. Die Fahrzeuge müssen aus Umweltsicht sauber sein.

Zuruf: Das sind sie im Moment nicht?

Stamer: Ich kann nur auf das verweisen, was ich gerade gesagt habe. Dabei belasse ich es.

Frage: Eine weitere Frage zum Thema "defeat devices". Haben Sie oder hat eine andere Behörde vor dem VW-Skandal Tests durchgesetzt, um diese Abschalteinrichtungen zu entdecken?

Susteck: Ich habe Ihnen den Sachstand zu dieser Frage geschildert. Ich habe dem jetzt nichts hinzuzufügen.

Frage: Ich komme auf das Thema Flüchtlinge zurück. Herr Seibert, die Kritik an der Kanzlerin nimmt ja auch in den eigenen Reihen zu. Klaus-Peter Willsch hatte am Wochenende in der "BamS" gesagt, es könne nicht nur Wohlfühlsprech geben. Herr Linnemann, der auch für die Wirtschaftsleute in der Union spricht, sagt, es gebe sehr wohl Obergrenzen. Was sagt die Kanzlerin ihren Kritikern aus den eigenen Reihen?

StS Seibert: Ich habe Ihnen vor 15 Minuten ziemlich genau gesagt, was die Antwort auf Ihre Frage ist; ich würde das ungern noch einmal wiederholen. Das ist das Bekenntnis, dass Schutzbedürftige in diesem Land Schutz genießen, dass jeder, der kommt, menschenwürdig behandelt wird, dass es aber auch ganz klar ist, dass derjenige, der ohne Schutzgründe, also ohne politische Verfolgung und ohne einen Bürgerkriegs- oder Kriegsflüchtling zu sein, hierherkommt, keine Bleibegründe hat, auch wieder wird gehen müssen, dass er hier keinen dauerhaften Aufenthalt haben kann. Wenn Sie in die Beschlüsse des vergangenen Donnerstags schauen, dann werden Sie klare Beschlüsse in Richtung besserer, schnellerer Integration finden und auch klare Beschlüsse, die das ausdrücken, was ich hier gerade gesagt habe.

Montag, 28. September 2015

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Quelle:
Regierungspressekonferenz vom 28. September 2015
http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2015/09/2015-09-28-regpk.html;jsessionid=D9BBB24E10CE164A440ED246793A4934.s2t1
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veröffentlicht im Schattenblick zum 30. September 2015

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