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PRESSEKONFERENZ/991: Kanzlerin Merkel und der französische Präsident Hollande, 19.05.2015 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Im Wortlaut
Mitschrift der Pressekonferenz in Berlin - Dienstag, 19. Mai 2015
Pressekonferenz von Bundeskanzlerin Merkel und dem französischen Präsidenten Hollande

(Die Ausschrift des fremdsprachlichen Teils erfolgte anhand der Simultanübersetzung)


BK'in Merkel: Meine Damen und Herren, ich freue mich, dass ich heute François Hollande, den französischen Präsidenten, wieder bei uns in Berlin begrüßen kann.

Ausgangspunkt ist die Petersberger Klimakonferenz, bei der der französische Präsident zu Gast war. Wir haben dort gemeinsam unsere Überzeugung zum Ausdruck gebracht, dass wir ein ambitioniertes, ein verbindliches Klimaabkommen auf der Konferenz in Paris verabschieden wollen. Ich habe für die deutsche Bundesregierung deutlich gemacht, dass wir sowohl national als auch im europäischen Rahmen als auch in unserer Eigenschaft als G7-Präsidentschaft alles tun werden, um diese Konferenz zu einem Erfolg zu machen. Ich glaube, es gibt dafür eine große Dringlichkeit. Es war auch eine gute Gelegenheit, heute zu den Vertretern der verschiedenen Länder zu sprechen.

Frankreich hat ein sehr ambitioniertes Programm für diese Konferenz. Ich hoffe, dass wir schon in der Diskussion unter den Industriestaaten bei dem G7-Treffen, aber auch mit den Teilnehmern aus Afrika beim Outreach-Treffen einige Aspekte der Klimakonferenz benennen können. Dabei geht es vor allen Dingen um die Ziele, aber auch um die Finanzierung. Denn ohne eine Unterstützung der Entwicklungsländer wird es zu keinem anspruchsvollen Abschluss kommen. Ich habe heute noch einmal deutlich gemacht, dass wir von deutscher Seite aus alles tun werden, um Frankreich bei der Ausrichtung dieser Konferenz zu unterstützen.

Wir haben dann beim Mittagessen die gesamte Agenda der Themen besprochen, die im Augenblick zu diskutieren sind. Hier stand einmal die Vorbereitung des Gipfels der Östlichen Partnerschaft im Vordergrund. Wir haben uns über den Stand der Umsetzung der Minsker Vereinbarungen ausgetauscht, weil wir jeweils beide Kontakte sowohl zum russischen Präsidenten als auch zum ukrainischen Präsidenten hatten. Den ukrainischen Präsidenten werden wir ja auch in Riga bei dem Gipfeltreffen der Östlichen Partnerschaft sehen.

Wir haben die volle gemeinsame Überzeugung, dass alles daran gesetzt werden muss, um diesen Plan von Minsk zu implementieren. Wir sehen keine andere Version und Variante, um voranzukommen. Wir sehen, dass es zum Teil mühselig und ein schwieriger Prozess in kleinen Schritten ist. Es gibt aber auch kleine Erfolge, so zum Beispiel, dass jetzt Arbeitsgruppen eingerichtet wurden, in denen die einzelnen politischen Themen besprochen werden.

Wir haben dann über die jüngsten Vorschläge der Europäischen Kommission im Zusammenhang mit der Migrations- und Flüchtlingspolitik gesprochen sowie über die Anstrengungen im Anschluss an unseren Sonderrat, den wir als Staats- und Regierungschefs hatten. Ich glaube, das, was besser gelungen ist, ist, dass die humanitären Anstrengungen im Mittelmeer gesteigert werden konnten. Deutschland ist auch mit dabei, wenn es darum geht, Flüchtlinge aus Seenot zu retten.

Wir sind gemeinsam der Überzeugung, dass eine Bekämpfung der Menschenhändler und der Schmuggler notwendig ist. Allerdings kann das nur auf der Basis des eindeutigen internationalen Rechts geschehen, das heißt, wir brauchen eine UN-Sicherheitsratsresolution. Hieran arbeitet die Außenbeauftragte der Europäischen Union. Wir sind aber hier von einer Lösung noch ein ganzes Stück weit entfernt.

Wir stimmen darin überein, dass es darum geht, Fluchtursachen zu bekämpfen. Deutschland und Frankreich haben sich deshalb auf dem Europäischen Rat dafür eingesetzt, dass es ein Treffen mit den besonders betroffenen Ländern der Afrikanischen Union geben wird, das in der zweiten Jahreshälfte stattfinden wird. Hier werden wir uns gemeinsam sehr engagieren.

Wir haben darüber gesprochen, dass wir die Gespräche mit unserem britischen Kollegen nach der Wahl aufnehmen werden und dass wir in diesem Zusammenhang eine sehr enge Abstimmung suchen, wie übrigens auch in den Fragen der Vorschläge der Kommission zur Migrations- und Flüchtlingspolitik. Hier sollen die beiden Innenminister gemeinsame Vorstellungen entwickeln. Wir sind uns einig, dass wir angesichts der Notwendigkeiten, denen wir gegenüberstehen, über Dublin hinausgehen müssen. Es gibt noch viele Fragen im Detail zu klären. Ich glaube, die Innenminister können hier an einer gemeinsamen deutsch-französischen Position arbeiten.

Das waren im Wesentlichen die Themen, die ich jetzt hier gerne erwähnen möchte. Noch einmal herzlich willkommen, François. Es ist gut, dass wir die Möglichkeit hatten, miteinander zu sprechen.

P Hollande: Liebe Bundeskanzlerin, liebe Angela, ich bin wieder einmal nach Berlin gekommen, und zwar wegen einer Sache, die uns eint. Es geht darum, dass wir der Klimakonferenz Ende des Jahres in Paris zu einem Erfolg verhelfen. Ich möchte der Bundeskanzlerin ganz herzlich dafür danken, dass sie den Petersberger Klimadialog ins Leben gerufen und mich eingeladen hat, damit ich heute diese Konferenz zum Klimadialog beende.

Es ist ein Appell zur Mobilisierung, damit wir bis Ende des Jahres keine Zeit verlieren. Wir haben noch 200 Tage vor uns. Das kann viel erscheinen, ist aber sehr wenig. Wir müssen alle Länder mitnehmen. Die entwickelten Länder müssen beispielhaft vorangehen, insbesondere indem sie ihre Beiträge in Bezug auf die Reduktion der Treibhausgase öffentlich machen. Die Schwellenländer müssen ebenfalls mitziehen. Sie müssen wissen, dass es im Interesse aller ist, dass es ein umfassendes, ein verbindliches, ein differenziertes Abkommen gibt. Zu erwähnen sind natürlich auch die Entwicklungsländer, die begleitet werden müssen.

Darum geht es bei der Finanzierung, über die wir - die Bundeskanzlerin und ich - uns Gedanken gemacht haben. Wir wollten die Ersten sein, die unseren Beitrag zum Green Fund leisten. Deutschland und Frankreich haben diesen Beitrag in gleicher Höhe geleistet. Wir wollen, dass zahlreiche Länder diesem Prozess beitreten, damit der Fonds so stark wie möglich kapitalisiert wird, damit wir ab 2020 über die notwendige Finanzmasse verfügen können, um die Wende zu schaffen.

Wir haben beide betont, dass sich alle Akteure - die öffentlichen wie die privaten Akteure - in gleicher Weise in diesem Prozess engagieren. Diese Woche wird in Paris der Gipfel der Unternehmen für das Klima stattfinden. Ich werde auch dort gegenüber den Wirtschaftsakteuren genau das Gleiche sagen, was ich hier gesagt habe. Sie gehören dazu; sie werden Investitionen leisten; sie werden finanzieren. Es wird weiterhin Sitzungen von Volksvertretern aus der ganzen Welt geben. Im Juli wird in Lyon eine Sitzung der Gebietskörperschaften stattfinden. Es gibt auch einen Termin, der uns ermöglichen wird, weiterzukommen. Dabei zähle ich sehr auf die Kanzlerin, denn es geht bei diesem Termin um den Termin, der in Deutschland stattfinden wird, nämlich die G7-Sitzung. Die Bundeskanzlerin wird den Vorsitz führen und ein großer Teil unserer Arbeit wird diesem Thema der Vorbereitung der Pariser Konferenz gewidmet werden.

Die Weltbank, der IWF werden präsent sein, und auf Einladung der Kanzlerin werden alle Kontinente vertreten sein, so auch der afrikanische Kontinent. Wir brauchen Afrika. Afrika muss begleitet werden, Afrika muss auch im Hinblick auf den Abschluss dieses Klimaabkommens beruhigt werden.

Wir haben die Gelegenheit dieses sehr reichhaltigen Programms heute Morgen auch genutzt, um aktuelle Themen anzusprechen. Wir sprechen aber dauernd miteinander. Wir sprechen ständig über diese Themen, insbesondere natürlich über die Ukraine. Wir haben uns gemäß der Abkommen von Minsk verpflichtet, darauf zu achten, dass sie umgesetzt werden. Die Bundeskanzlerin hat Herrn Putin getroffen, ich selbst habe den Premierminister der Ukraine gesprochen. Wir haben immer wieder die gleiche Sprache, nämlich Einhaltung des Abkommens von Minsk. Das sagen wir ihnen immer. Wir sagen es mit der gleichen Entschlossenheit immer allen Teilnehmern, denn das ist die Vorbedingung für eine friedliche Lösung.

In Riga werden wir die gleiche Sprache sprechen. Wir werden wiederum sagen und unseren Willen zum Ausdruck bringen, dass natürlich die Ukraine das Assoziierungsabkommen umsetzen kann. Aber wir wollen natürlich auch, dass die Minsker Vereinbarung umgesetzt wird und dass es insbesondere im Osten der Ukraine keine Verzögerungen mehr gibt. Wir wollen natürlich auch und in erster Linie an den Osten der Ukraine denken.

Wir haben weitere Themen angesprochen, zum Beispiel Wirtschaftsthemen, aber auch Themen, die mit der Tragödie zusammenhängen, die sich jeden Tag vor unseren Augen im Mittelmeer abspielt. Auch dort haben wir die gleiche Position - eine andere Position dazu kann man gar nicht haben -, nämlich Hilfe für die verzweifelten Menschen auf dem Meer zu leisten, die das Meer in Schiffen überqueren, die jederzeit untergehen können. Aus diesem Grunde haben wir beide noch einmal die Verdreifachung der Finanzmittel begrüßt, die im Rahmen von Frontex nunmehr vorgenommen wird. Wir haben gemeinsam den Willen, Flüchtlinge aufzunehmen. Wenn diesen Menschen zunächst einmal geholfen worden ist, muss man sie aufnehmen. Man muss eine Unterscheidung zwischen denen treffen, die aus wirtschaftlichen Gründen Flüchtlinge sind und die nicht in Europa bleiben können, und denjenigen, die als Asylbewerber bleiben können und die einen Flüchtlingsstatus erhalten können.

Frankreich und Deutschland unternehmen hier große und umfassende Anstrengungen. Ich möchte noch einmal daran erinnern, dass hauptsächlich vier, fünf Länder die Flüchtlinge aufnehmen. Fast 70 Prozent von ihnen werden von vier, fünf Ländern aufgenommen. Wir haben den festen Willen, dafür zu sorgen, dass wir zu einer Aufteilung unter Einhaltung des Asylrechtes kommen. Das ist ein Prinzip, das in Europa anerkannt wird und das europäischen Regeln unterliegt, auch wenn es hier und da - auch in Frankreich - den Willen gibt, dass wir die Verfahren in einem Gesetz beschleunigen wollen.

Wir haben im Übrigen auch die Frage des Vereinigten Königreichs angesprochen. David Cameron wird Ende des Monats in unseren beiden Ländern sein, und wir werden mit ihm gemeinsam daran arbeiten, dass die europäischen Grundsätze eingehalten werden und dass dafür Antworten gefunden werden.

Ich möchte noch einmal betonen, was die Kraft der Beziehungen zwischen Deutschland und Frankreich ausmacht, und zwar auch bei Fragen, die dringlich geregelt werden müssen - wir haben zum Beispiel mit den Innenministern unserer beiden Länder gesprochen, gerade was die Flüchtlinge und die Migranten angeht. Es ist bei diesen Fragen immer wieder wichtig, dass Deutschland und Frankreich mit einer Stimme sprechen. Das gilt auch heute, wenn es darum geht, zu einem guten Klimaabkommen in Paris zu finden.

Frage: Zu der Flüchtlingsfrage, die Sie gerade angesprochen haben: Frankreich hat über seinen Premierminister Valls die Idee von Quoten für Europa zurückgewiesen. Sie selbst, Herr Präsident, haben gerade die Möglichkeit einer Verteilung angesprochen. Wie muss man das jetzt verstehen? Ist Frankreich gegen eine Quotenregelung oder nicht?

Können Sie nach Ihrem Treffen jetzt sagen, dass Sie eine präzise Haltung, eine gemeinsame Haltung zu dieser Frage haben?

P Hollande: Wir müssen die Dinge klären. Es geht nicht darum - und das steht außer Frage -, dass es Quoten für Migranten gibt; denn wir haben Regeln, wir haben Grenzkontrollen und wir haben eine Politik, um die Migration zu beschränken. Die Menschen, die zu uns kommen, weil sie meinen, dass Europa ein Kontinent des Wohlergehens ist, wo sie Arbeit finden können, müssen dann, wenn sie von den europäischen Ländern und den Unternehmen nicht aufgenommen werden können, zurückgeführt werden; das ist die Regel. Wir können also nicht von Quoten sprechen, es gibt keine Quoten für diese Migranten.

Es gibt daneben aber die Frage der Flüchtlinge, für die das Asylrecht angewandt wird. Dafür gibt es keine Quoten, denn man kann ja nicht das Asyl in Form von Quoten zugestehen. Es gibt einfach Menschen, denen das Asylrecht zusteht, und andere, denen es nicht zusteht. Man kann zu einer Person nicht sagen: Andere sind schon vor dir Asylbewerber gewesen, jetzt ist die Quote erfüllt, und jetzt kannst du nicht mehr das Asylrecht genießen, weil die Quote schon erfüllt ist. Sprich, diesen Begriff lehnen wir ab, denn er ist gegen unsere Grundsätze gerichtet.

Wenn jetzt aber Flüchtlinge immer wieder in die gleichen Länder kommen - ich habe die Länder genannt: Deutschland, Schweden und dann auch Frankreich, wenn auch vielleicht etwas weniger -, dann müssen wir dafür sorgen, dass auch andere Länder Flüchtlinge aufnehmen und ihren Anteil wahrnehmen. Das nennen wir Verteilung.

BK'in Merkel: In diesem Sinne haben wir auch den Ausgangspunkt gewählt, dass wir unsere Innenminister bitten, über diese Frage der Verteilung auf der Basis der Kommissionsvorschläge zu sprechen. Da gibt es viele Fragen zu klären. In diesem Sinne werden die beiden auch sprechen, und dann geht es eben auch um die Frage: Was machen wir mit denen, die keinen Asylanspruch genießen? Ich bin ganz optimistisch, dass wir hier in absehbarer Zeit zu einer gemeinsamen deutsch-französischen Position kommen können.

Frage: Herr Staatspräsident, es steht der Verdacht im Raum, dass der Bundesnachrichtendienst im Auftrag der NSA möglicherweise auch französische - ich sage es jetzt einmal neutral - Stellen abgehört haben könnte. Haben Sie darüber mit der Bundeskanzlerin gesprochen? Konnte sie mögliche Fragen dazu zu Ihrer Zufriedenheit beantworten?

Frau Bundeskanzlerin, Sie haben gerade mit dem französischen Präsidenten eine relativ breite Agenda auch außenpolitischer Themen aufgeworfen, bei denen es sicherlich nicht unwichtig ist, wenn auch Ihre Koalition zu Hause Stabilität ausstrahlt; zum Beispiel kommt es insbesondere beim Klimathema ja auch darauf an, dass Sie im Einvernehmen mit Ihrem Wirtschaftsminister und Vizekanzler sind. Nun ist zuletzt durch Äußerungen aus dem Koalitionsausschuss, aus internen Runden oder wegen Zweifeln an Ihrem Rückgrat gegenüber den Amerikanern, oder auch umgekehrt, weil Sie sich nicht so richtig hinter die Kohleabgabe-Pläne gestellt haben, der Eindruck entstanden, dass dieses Verhältnis nicht so ganz in Ordnung ist. Ist die Zusammenarbeit zwischen Ihnen und Ihrem Vizekanzler so vertrauensvoll, dass sie den kommenden politischen Herausforderungen gewachsen ist?

BK'in Merkel: Diese Frage kann ich mit einem schlichten Ja beantworten.

P Hollande: Ich bin versucht, die gleiche Antwort zu geben und Ja zu sagen - beziehungsweise auf Französisch eben "Oui" -, was die Aktivitäten angeht, die Sie angesprochen haben. In der Vergangenheit hat mir die Kanzlerin schon gesagt, dass es Untersuchungen zu dieser Vergangenheit gibt, und ich habe vollstes Vertrauen, dass die Gremien, die diese Untersuchungen durchführen werden, die Tatsachen ans Licht bringen werden. Was die Zusammenarbeit im Bereich der Aufklärung angeht - gerade zu den Zeiten, in denen wir es mit großer Bedrohung zu tun haben -, so ist dies eine wunderbare Zusammenarbeit, die ebenfalls auf dem Vertrauen beruht.

BK'in Merkel: Letzteres will ich auch noch einmal unterstreichen. Wir müssen immer im Auge haben - das ist unsere gemeinsame Überzeugung und dazu sind wir auch in zu vielen Krisenherden der Welt tätig, und wir sehen auch die gleichen Bedrohungen; ich erinnere noch einmal, dass unser Jahr gemeinsam mit einem sehr traurigen Ereignis begann, als es die Morde bei Charlie Hebdo gab -: Wir brauchen Nachrichtendienste und wir brauchen eine enge Kooperation zwischen diesen Diensten. Da es auch um globale Herausforderungen geht ist das auch notwendig. Das wollte ich auch von deutscher Seite noch einmal bestätigen.

Frage: Zu einem Thema, das Sie beide angeht: Frau Merkel, Ihre französische Botschafterin wurde von der Erziehungsministerin empfangen. Sie haben sich ausgetauscht über das Deutsch-Lernen in Frankreich. Hat der Präsident Sie da beruhigen können?

Herr Präsident, über die Frage der Reform der Collèges hinaus: Heute gibt es ja im Erziehungsbereich einen großen Streik. Wie, glauben Sie, können Sie aus dieser Krise im Bereich der Erziehung und Ausbildung herauskommen?

BK'in Merkel: Wir haben uns darüber ausgetauscht und auch die Außenminister haben darüber gesprochen. Wir sind der festen Überzeugung, dass das Erlernen der gegenseitigen Sprache - sowohl des Französischen in Deutschland als auch des Deutschen in Frankreich - ein wesentlicher Punkt ist. Das haben wir auch zum Jubiläum des Élysée-Vertrages noch einmal deutlich gemacht. Der französische Präsident hat mir die Vielzahl von Möglichkeiten aufgeführt, in Frankreich Deutsch zu lernen; gerade auch in den Grenzregionen spielt das eine ganz wichtige Rolle. Wir werden auch von deutscher Seite einiges tun, um auch das Interesse an der französischen Sprache aufrechtzuerhalten; denn auch diese Seite ist manchmal nicht ganz so einfach zu lösen, auch da müssen wir arbeiten.

P Hollande: Wenn eine Reform begonnen wird, dann stößt sie immer wieder überall auf Fragen, und zwar auch - und das ist völlig legitim - bei unseren deutschen Freunden, wenn es darum geht, dass in Frankreich Deutsch gelernt wird. In einer Reform muss man erklären, man muss erläutern; man muss die Wirklichkeit darstellen, man muss die Tatsachen darstellen. Die Reform wird umgesetzt, und über die Reform hinaus - 2016 - wird es mehr junge Menschen geben, die Deutsch lernen als heute; mehr junge Franzosen werden Deutsch lernen als heute. Wenn sie Deutsch als erste Fremdsprache wählen, dann geschieht das in der ersten Klasse der weiterführenden Schule; wenn sie Deutsch als zweite Fremdsprache wählen, dann geschieht das ab dem zweiten Mittelschuljahr. Die jungen Leute beziehungsweise die Kinder, die schon Deutsch gewählt haben - und da gibt es eine ganze Reihe, zum Beispiel in den Grenzregionen, die Deutsch als erste Fremdsprache gewählt haben -, werden Englisch ab der sechsten Klasse hinzunehmen können, denn wir möchten diese Zweisprachigkeit, also das Erlernen von Englisch und Deutsch, fördern. Ich glaube, diese Tatsachen wurden erläutert, und nachdem diese Tatsachen erläutert worden sind, haben sich die Dinge geklärt - umso mehr, als ich hinzugefügt habe, dass zum neuen Schuljahr jetzt schon mehr Deutschlehrer eingestellt werden, als es in der Vergangenheit der Fall war; mehrere hundert Deutschlehrer mehr werden eingestellt.

Die Regierung hat einen Vertreter, einen Verbindungsmann aus dem Ministerium benannt, damit wir sämtliche Informationen miteinander teilen können und damit auch alle Etappen, alle Phasen durchlaufen können. Ich wünsche mir, dass mehr Deutsche auch Französisch lernen - eine schöne Sprache im Übrigen. Auch das gehört in den Verantwortungsbereich der Länder; ich kann also nicht die Kanzlerin bitten, dafür zu sorgen. Ich kann mich aber an alle Länderverantwortlichen wenden und sie bitten, mehr Französischlehrer einzustellen, damit mehr deutsche Kinder Französisch lernen können und so auch auf dieser Seite Französisch gestärkt wird.

Aber mein Ziel ist es, dass wir mehr junge Menschen haben, die Deutsch sprechen können, und dass wir Kinder durch diese Schulreform besser vorbereiten. Ich glaube, die Lehrer in Frankreich brauchen eine solche Reform. Wenn es Fragen gibt, sind diese Fragen natürlich legitim, aber die Reform wird kommen, und zwar eine Reform, die es ermöglichen wird, dass alle Erfolg in der Schule haben - denn das ist ja der Grundsatz in der Schule - und dass wir auf der anderen Seite Exzellenz schaffen. Wir wollen nicht, dass wir, indem wir den Kindern einen Schulerfolg ermöglichen, dann gleichzeitig Exzellenz streichen. Nein, Exzellenz darf nicht verringert werden, sondern es muss eine geteilte Exzellenz sein. Das ist der Geist, der hinter dieser Reform des Collège steckt. Ich glaube, die Lehrer, die ein sehr hartes, aber ein tolles Metier haben und die einen wunderbaren Beruf haben, sollten das im Kopf behalten, wenn sie an die Reform denken.

Frage: Ich habe eine Frage an beide, sowohl an den Präsidenten als auch die Bundeskanzlerin. Sie haben gesagt, dass Sie über eine ganze Reihe von Themen und Problemfällen gesprochen haben. Einen Problemfall haben Sie nicht erwähnt, nämlich Griechenland. Deswegen hätte ich ganz gerne gewusst, ob und wie stark Sie wegen der ständigen Verzögerungen bei den Verhandlungen in Bezug darauf besorgt sind, dass Griechenland möglicherweise das Geld ausgeht, bevor man ein Rettungspaket beschließen kann. Werden Sie in Riga gemeinsam auf den griechischen Ministerpräsidenten einwirken, um noch einen Abschluss zu erreichen?

Frau Bundeskanzlerin, erlauben Sie eine Nachfrage, weil ich bei dem knappen Ja auf die Frage von Herrn Fried nicht verstanden habe, ob Sie Gabriels Kohleabgabe für ältere Kohlekraftwerke eigentlich unterstützen oder nicht?

BK'in Merkel: Um mit dem Zweiten zu beginnen: Wir brauchen eine glaubwürdige Erfüllung unseres 40-Prozent-Ziels, und ich glaube, dass das Instrument der Abgabe eine Möglichkeit ist. Das wird zurzeit diskutiert. Der Wirtschaftsminister diskutiert es selbst mit den entsprechenden Unternehmen, aber auch mit den betroffenen Bundesländern. Wir stehen über diese Diskussion in einem sehr engen Austausch, und ich bin ganz zuversichtlich, dass wir zum Schluss eine gemeinsame Lösung finden werden. Aber der Prozess ist nicht beendet; das hat er auch immer wieder deutlich gemacht. Wir wollen ja das gemeinsame Ziel erreichen: Wir wollen nicht Arbeitsplätze gefährden, und wir wollen gleichzeitig - das haben wir ja heute auch mit unserem Engagement für die Klimakonferenz deutlich gemacht - in Deutschland unsere nationalen Ziele erfüllen können.

Der zweite Punkt betraf Griechenland. Wir haben darüber gesprochen, dass wir beim Gipfel der Östlichen Partnerschaft den Kollegen aus Griechenland, Alexis Tsipras, treffen werden. Wir werden dann sehen, ob sich Gesprächsmöglichkeiten ergeben werden. Die Gespräche müssen sicherlich eher beschleunigt werden, als dass sie zu schnell ablaufen. Wir wünschen uns, dass in den entscheidenden Gremien und gerade in der sogenannten Brüssel-Gruppe jetzt doch deutliche Fortschritte gemacht werden. Denn die Abmachung vom Februar besagt ja, dass bis Ende Mai ein Programm stehen soll. Das ist auch notwendig, weil die Verlängerung dann ja Ende Juni auch auslaufen wird. Wir alle sind sehr daran interessiert, dass wir diese Ziele, die sich die Euro-Finanzminister im Februar vorgenommen haben, auch bis Ende Mai erreichen können. Wenn wir mit ihm sprechen werden, dann werden wir das dort sicherlich zur Sprache bringen.

P Hollande: Ja, damit haben wir uns beschäftigt. Die Finanzminister unserer Länder, aber auch die Finanzminister der Eurogruppe haben mit Griechenland über mehrere Wochen hinweg einen Dialog geführt. Wie die Bundeskanzlerin gesagt hat, müssen wir die Dinge beschleunigen; denn das Datum Ende Mai nähert sich schnell. Griechenland hat einen Finanzbedarf, der jetzt auch nicht mehr warten kann. Da müssen Finanzmittel gefunden werden. Wir werden die Gelegenheit haben - wir machen das ja ständig -, mit Herrn Tsipras zu reden. Wir werden auch in Riga mit ihm darüber sprechen. Auch dort werden wir wieder mit einer Stimme sprechen. Wir werden sagen, dass Griechenland in der Eurozone bleiben soll, dass wir das wollen, dass wir aber auch eine Lösung finden wollen, eine tragfähige, langfristige Lösung, damit wir nicht immer diese Unsicherheit haben. Ich glaube, das liegt im Interesse aller, Griechenlands und der Europäischen Union. Das ist der Geist, der uns heute leitet und der uns sicherlich auch in den nächsten Tagen noch leiten wird. Die Termine rücken näher. Ende Mai ist nah. Wir müssen alles dafür tun, dass bis Ende Mai Lösungen auf dem Tisch liegen. - Danke schön!

Dienstag, 19. Mai 2015

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Quelle:
Regierungspressekonferenz vom 19. Mai 2015
http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2015/05/2015-05-19-pk-merkel-hollande.html;jsessionid=7A0A950A6084D023A00380AB53EF75E4.s2t1
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veröffentlicht im Schattenblick zum 21. Mai 2015

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