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PRESSEKONFERENZ/887: Regierungspressekonferenz vom 10. November 2014 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Im Wortlaut
Mitschrift der Pressekonferenz - Montag, 10. November 2014
Regierungspressekonferenz vom 10. November 2014

Themen: Rückkehr des deutschen Astronauten Alexander Gerst, Lage in der Ostukraine, Sicherheitslücken SSL-Verschlüsselung, IT-Sicherheitsgesetz, abschlagsfreie Rente für langjährig Beschäftigte und Anrechnung von Mutterschutz, Rückbau Atomkraftwerke, Jugendarbeitslosigkeit, Gespräch mit Michail Gorbatschow im Bundeskanzleramt, Volksbefragung in Katalonien, Berichte über Steuersparmodelle für multinationale Konzerne in Luxemburg, Forderungen nach einer Verschärfung des Strafrechts im Zusammenhang mit Gewalt gegen Polizisten, Aktionsprogramm Klimaschutz 2020, G20-Gipfel in Brisbane

Sprecher: StS Seibert, Chebli (AA), Dimroth (BMI), Küchen (BMAS), Modes (BMWi), Kübler (BMUB), Brüning (BMBF), Jäger (BMF), Baer-Henney (BMJV)



Vors. Szent-Iványi eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt StS Seibert sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

StS Seibert: Guten Morgen. Ich möchte zunächst für die Bundesregierung sagen: Alexander Gerst, herzlich willkommen zurück auf der Erde. Als in Berlin heute Nacht viele noch feierten, ist unser deutscher Astronaut Gerst mit seinem russischen Kollegen Maxim Surajew und dem Amerikaner Reid Wiseman nach fast sechs Monaten wohlbehalten auf die Erde zurückgekehrt. Wir beglückwünschen Alexander Gerst. Wir beglückwünschen auch die Europäische Raumfahrtbehörde ESA zu diesem großen wissenschaftlichen Erfolg seiner Mission, der auch ein Erfolg für die internationale Zusammenarbeit im Dienste der Weltraumforschung ist.

Es waren sechs Monate in der Raumstation ISS und fast 2.500 Erdumrundungen in dieser Zeit. Bei diesen 2.500 Erdumrunden hat Alexander Gerst viele wissenschaftliche Experimente in der Schwerelosigkeit auf den Gebieten Materialforschung, Medizin und Biologie durchgeführt, aber sein Einsatz ging sicherlich über die reine naturwissenschaftliche Arbeit hinaus. Er hat auf Facebook und Twitter fast täglich über seine Arbeit, seine Eindrücke berichtet. Er hat auch vor seiner Rückkehr noch Zeit gefunden, mit einem wunderbaren Blick aus dem All auf Berlin die vielen Feiernden hier in Deutschland zu grüßen. Er hat mit Sicherheit durch seinen Einsatz, seine Begeisterung, auch seine Mitteilungsbereitschaft die Raumfahrt und ihren Nutzen sehr vielen Menschen nahegebracht. Dafür gebührt ihm Dank und Respekt.

Frage : Ich würde gern das Außenministerium und auch Sie, Herr Seibert, nach dem aktuellen Informationsstand in Bezug auf die Ukraine fragen. Ich würde gern wissen, wie Sie die Entwicklung, besonders am Wochenende, hinsichtlich der Berichte über Truppenbewegungen, Austausch und Ähnliches einschätzen.

Chebli: Wir beobachten die in der Ostukraine bestehende Lage der vergangenen Tage, vor allem auch des Wochenendes, mit großer Sorge. Die Meldungen über Truppenbewegungen, die es in den Medien über das Wochenende gegeben hat, sind aus unserer Sicht schwer zu verifizieren. Es gibt Meldungen, wonach vonseiten der Separatisten wieder verstärkt Material in das Kampfgebiet gebracht wurde. Belastbare eigene Erkenntnisse haben wir dazu nicht. Klar scheint, dass sich die Kampfhandlungen rund um Donezk in den letzten Tagen wieder verstärkt haben. Ich weiß nicht, ob Sie das verfolgt haben. Der Minister ist in Kasachstan und hat heute in einer Pressekonferenz Stellung zur Frage bezogen, wie er die Lage in der Ukraine einschätzt. Er hat gesagt: Wir müssen Acht geben, dass wir nicht in den Zustand militärischer Auseinandersetzung zurückfallen, den wir schon für überwunden geglaubt haben. Es ist, wie Sie sich erinnern können, gar nicht so lange her, dass wir in der Ukraine kurz vor einer kriegerischen Auseinandersetzung standen. Unser Anliegen muss sein, zu verhindern, dass sich die Situation so sehr verschärft, dass wir kurz davor stehen, wieder in eine solche Lage zu kommen.

Der Minister hat dazu aufgerufen, dass sich die Konfliktparteien, insbesondere die Separatisten und Russland, wieder auf den Boden der Minsker Vereinbarung begeben; denn die Minsker Vereinbarung ist aus unserer Sicht der einzig richtige Rahmen, in dem wir es schaffen könnten, zu einer Deeskalation in der Ostukraine zu kommen. Wir sind mit den Partnern engstens im Gespräch. Der Minister trifft heute Abend Frau Mogherini und wird mit ihr auch über die weiteren Vermittlungsbemühungen der Europäischen Union und unserer Seite beraten.

Zusatzfrage: Herr Seibert, gab es über das Wochenende irgendwelche telefonischen Kontakte der Kanzlerin mit jemandem vonseiten der Akteure?

StS Seibert: Die Kanzlerin hatte am Freitag mit dem ukrainischen Präsidenten Poroschenko telefoniert. Darüber hatten wir kurz berichtet. Weitere Kontakte gab es am Wochenende nicht.

Frage: Die Frage geht an Herrn Seibert und an das BMI. Nachdem der "Spiegel" zum Thema BND und SSL-Schwachstellen sowie BSI/SSL-Schwachstellen berichtet hat, interessiert mich, ob es in der Bundesregierung eine gemeinsame Auffassung dazu gibt, wie mit solchen Schwachstellen, die am Ende all diejenigen betreffen, die Transportverschlüsselungen im Netz benutzen, umgegangen wird, und wenn solche Schwachstellen eingekauft werden, ob diese Schwachstellen dann auch den Herstellern gemeldet werden, um gegebenenfalls diese Schwachstellen zu schließen. Ich möchte wissen, ob es eine generelle Policy gibt und wie der Umgang mit der Problematik ist.

StS Seibert: Haben Sie jetzt nach der "strategischen Initiative Technik" des BND gefragt, über die berichtet wurde?

Zusatzfrage: Das ist ein Teil davon, geht aber auch darüber hinaus. Es geht um die Frage der "strategischen Initiative Technik" des BND und um Sicherheitslücken, um das BSI und die Sicherheitslücken sowie um die Frage des Umgangs damit und ob es Ihrerseits eine generelle Policy gibt.

StS Seibert: Danke. Ich kann Ihnen dazu Folgendes sagen: Es trifft zu, dass der BND plant, seine vorhandene technische Basis zu stärken. Diese sogenannte "strategische Initiative Technik" SIT beinhaltet mehrere Maßnahmenpakete. Diese reichen vom Aufbau eines Systems zur Früherkennung von Cyberangriffen bis hin zum besseren Schutz für das eigene im Ausland operativ eingesetzte Personal. Das zentrale Element dieser "strategischen Initiative Technik" ist der Aufbau eines Frühwarnsystems, das Deutschland zum ersten Mal in die Lage versetzen wird, Angriffe auf die deutsche IT-Infrastruktur zu erkennen, bevor diese Angriffe wirksam werden und bevor diese Angriffe Schaden anrichten können.

Außerdem ist es Absicht, die Abhängigkeit von ausländischen Herstellern und Lieferanten weiter zu vermindern und damit einen aktiven Beitrag zur Förderung der deutschen Spitzenforschung und Hochtechnologie zu leisten. Ich kann Ihnen weitere Details über das Programm, die natürlich der Geheimhaltung unterliegen, hier nicht offen legen. Das ist das, was ich dazu sagen kann.

Die Bundesregierung hält - das kann ich gern hinzufügen - diese mit der "strategischen Initiative Technik" eingeleitete Modernisierung für notwendig. Nur mit Hilfe dieser genannten technischen Innovationen kann der BND in Zukunft seinen gesetzlichen Auftrag effektiv erfüllen und auch international zur Zusammenarbeit fähig bleiben.

Dimroth: Ich kann ergänzen, dass sich in Bezug auf die konkret von Ihnen genannte Berichterstattung aus dem Artikel zutreffend ergibt, dass inzwischen die Zusammenarbeit mit diesem französischen Unternehmen auch BSI-seitig nicht mehr stattfindet. Es ist völlig klar geworden, dass das BSI solche Erkenntnisse ausschließlich zur Erfüllung der ihm gesetzlich zugewiesenen Aufgaben genutzt hat, das heißt in dem Fall vor allem zum Schutz der Sicherheit der Regierungsnetze, nicht aber zur Weitergabe an Dritte.

Grundsätzlich lässt sich, wenn Sie nach einer strategischen Ausrichtung fragen, sagen, dass sich diese für das BSI auch aus dem gesetzlichen Rahmen ergibt. Es gibt zwei Aufgaben, die das BSI vor allem wahrnehmen muss: Das eine ist im Kern der Schutz der Sicherheit der Regierungsnetze. Das andere ist, auch insgesamt einen validen Beitrag zur IT-Sicherheit zu leisten. Dafür gibt es Vorschriften im BSI-Gesetz sowohl für das erste wie für das zweite. Im zweiten Bereich geht es beispielsweise auch um die Frage, unter welchen Voraussetzungen bestimmte Erkenntnisse über Schwachstellen zu veröffentlichen sind.

Das bringt mich zum Thema IT-Sicherheitsgesetz. Auch dazu wird es, zumindest dem Entwurfsstand nach, klarstellende Regelungen im Gesetz geben. Es wird noch deutlicher, wann und unter welchen Voraussetzungen das BSI an die Öffentlichkeit gehen kann, um auch selbst generierte Erkenntnisse - das ist in dieser Deutlichkeit in dem Entwurf anders als bisher - an Dritte weitergeben zu können, was Schwachstellen anbetrifft.

Zusatzfrage: Das heißt, bei dem, was zum Beispiel das BSI von dieser französischen Firma Vupen eingekauft hat, ist es nicht so gewesen, dass bislang diese Erkenntnisse an die entsprechenden Standardisierer im Bereich SSL weitergegeben wurden?

Dimroth: Ich müsste im BSI nachfragen oder Sie bitten, dort nachzufragen. Darüber können wir im Anschluss gern kurz sprechen. Die einzelnen operativen Abläufe des BSI kann ich Ihnen hier nicht nennen. Was ich Ihnen sagen kann, ist, dass grundsätzlich diese Erkenntnisse dazu genutzt wurden, um die gesetzlich zugewiesene Aufgabe, in dem Fall die Sicherheit der Regierungsnetze, zu gewährleisten. Wir können darüber gern im Nachgang kurz sprechen und uns über das weitere Verfahren einig werden.

Frage : Stimmt die genannte Größenordnung von 300 Millionen Euro für das Jahr 2020 beziehungsweise 28 Millionen Euro für das nächste Jahr? Sind es zusätzliche Gelder, die beantragt wurden, oder sind die Mittel schon in die gängigen Haushalteentwürfe eingearbeitet?

StS Seibert: Was den Bundesnachrichtendienst betrifft, so ist die Höhe seines Gesamtetats im Bundeshaushalt veranschlagt und für jedermann einsehbar. Über Details des Wirtschaftsplans des BND kann ich hier nicht berichten. Das unterliegt der Geheimhaltung.

Frage: Ich habe eine Frage an das Arbeitsministerium. Es geht um die Rente mit 63 und um den Mutterschutz. Ist es so, dass der Mutterschutz dabei tatsächlich nicht berücksichtigt wird, also diese sechs Wochen bei der Rente mit 63 nicht anerkannt werden? Falls es so ist, wollen Sie das ändern?

Küchen: Vielen Dank für die Frage. Zunächst einmal muss ich sagen, dass diese spezielle Konstellation oder Konstruktion, die Sie ansprechen, nicht neu ist. Diese Ausgestaltung gab es auch bei der Rente für besonders langjährig Versicherte, die schon früher eingeführt wurde. Es ist jetzt nichts Spezifisches für die Rente mit 63.

Die Anzahl derjenigen, bei denen es, wenn sie 63 Jahre alt sind, wirklich auf den einen gegebenenfalls fehlenden Monat pro Geburt und Kind ankommt, dürfte sehr überschaubar sein. Wir haben noch keine Zahlen dazu. Aber es dürfte ein zahlenmäßig sehr begrenzter Personenkreis sein.

Die Absicht, die die Bundesregierung mit der Rente für besonders langjährig Versicherte verfolgt, ist, denjenigen einen früheren abschlagsfreieren Rentenbeginn zu ermöglichen, die lange eingezahlt haben, also durch jahrzehntelange Beschäftigung, selbständige Tätigkeiten, Pflegearbeit und Kindererziehung. Sie haben ihren Beitrag zur Stabilisierung der Gesetzlichen Rentenversicherung geleistet. Dieser Absicht widerspräche es, beitragsfreie Zeiten - dazu zählt auch der Mutterschutz, also die Zeit vor der Geburt - auf die 45-jährige Wartezeit anzurechnen. Wegen dieses aber erkennbar engen Zusammenhangs von Mutterschutz und Kindererziehung, wird die Bundesregierung prüfen, ob eine Änderung des geltenden Rechts jetzt angezeigt ist oder nicht.

Frage: Ich habe eine Frage an das Umweltministerium und an das Wirtschaftsministerium. Im Sommer hieß es, dass Sie mit den Betreibern der Atomkraftwerke noch einmal über die Rückstellungen sprechen wollen, auch über die Kosten, die notwendig sind, wenn die Kraftwerke zurückgebaut werden. Ich möchte erfahren: Gab es solche Gespräche? Wenn ja, mit welchen Ergebnissen? Wie ist der Stand der Dinge?

Modes: Es gibt dazu eine Vereinbarung im Koalitionsvertrag. Mein Stand ist, dass es bisher noch keine konkreten Gespräche dazu gab, aber ich werde mich auf jeden Fall nochmals erkundigen. Falls es einen neuen Stand gibt, kann ich das gern nachreichen.

Kübler: Ich schließe mich dem an.

Zusatzfrage: Ich habe noch eine Frage an Sie beide. Es geht um die Rückbaukosten und um den Bundesrat, der gesagt hat, Sie sollten sich nochmals anschauen, wie die Kalkulationen dazu sind. Ist das, was von den Unternehmen zurückgestellt wird, realistisch? Reicht das aus, um die Kraftwerke zurückzubauen? Können Sie Angaben machen, mit welchen Rückbaukosten Sie insgesamt rechnen?

Modes: Ich muss die Frage nach den Kosten für den Rückbau an das BMUB verweisen.

Kübler: Dazu habe ich keinen neuen Sachstand. Ich werde mich gern erkundigen.

Zusatzfrage: Die Länder hatten auch gesagt, dass die Rückstellungen, die es gibt, in einen öffentlich-rechtlichen Fonds überführt werden sollten. Wie ist die Haltung in Ihren Häusern dazu?

Modes: Wir haben, als die Diskussion aufkam, immer deutlich gemacht, dass die Verantwortung für die Übernahme der Kosten bei den Unternehmen liegt. Gespräche, für die sie Verantwortung wahrnehmen können, wie es im Koalitionsvertrag formuliert ist, wird es geben. Prinzipiell liegt die Verantwortung zur Übernahme der Kosten bei den Unternehmen.

Zusatzfrage: Ich hatte noch die Frage, ob das Ganze in einen Fonds überführt werden sollte.

Modes: Wir hatten dazu keinen konkreten Vorschlag. Wenn es einen Vorschlag geben würde, würden wir uns diesen ansehen, darüber sprechen und diskutieren. Ich kann aus dem Stegreif leider nichts dazu sagen. Das müsste man prüfen.

Kübler: Ich möchte noch anschließen: Das Umweltministerium steht nach wie vor zu dem, was unsere Ministerin schon vor Wochen gesagt hat. Die Betreiber der Atomkraftwerke sind für den Restbetrieb, den Rückbau, die Zwischenlagerung und die Endlagerung verantwortlich, auch kostenmäßig. Wie das organisiert wird, ob über einen Fonds oder anders, dazu gibt es meines Erachtens im Moment keinen neuen Stand.

Frage: Ich habe zwei Fragen, und zwar an das Arbeitsministerium und an das Bildungsministerium.

Es gibt heute Zahlen vom DGB. Daraus geht hervor, dass 300.000 jugendliche Bewerber ohne Arbeitsplatz seien. Diese Zahlen unterscheiden sich sehr stark von den Zahlen der Bundesagentur für Arbeit. Wie interpretieren Sie diese Zahlen? Die Frage ist: Gibt es genügend Ausbildungsplätze?

An das Bildungsministerium habe ich noch die Frage: Liegt es vor allem an den berufsbegleitenden Maßnahmen, dass die Zahlen so differieren? Gibt es dazu irgendwelche Erkenntnisse?

Brüning: Vorweg kann ich sagen: Sie wissen, dass die duale Berufsausbildung ein sehr elementares Element des deutschen Bildungssystems ist. Dessen Stärkung beziehungsweise das Anliegen, viele Jugendliche in eine passende Ausbildung zu bringen, ist der Bundesregierung besonders wichtig. Die Zahlen, die hierzu der DGB nennt, können wir allerdings nicht nachvollziehen. Wir arbeiten mit den offiziellen Zahlen vom BA. Ende Oktober sind die letzten Statistiken herausgekommen. Diese sind allerdings vorläufig. Erst Mitte Dezember wird es die letzten Zahlen geben, die vom Bundesinstitut für Berufsbildung zu den neu abgeschlossenen Ausbildungsverträgen nachgeliefert werden.

Zu dem bisher angesprochenen Stichtag sagt die BA-Statistik, dass in Deutschland rund 21.000 unversorgte Bewerber vorhanden seien. Hier stimmt die Zahl vom DGB. Allerdings muss man auch hinzufügen, dass dieser Zahl rund 37.000 unbesetzte Berufsausbildungsstellen gegenüberstehen. Von daher ist also vor allem dieses bekannte Matching-Problem eine wichtige Aufgabe, die angegangen werden muss.

Um noch einmal auf das sogenannte fünfte Quartal einzugehen, also die letzten Zahlen im Dezember: Dafür ist auch noch mit einer weiteren, höheren Zahl von Nachvermittlungen zu rechnen.

Küchen: Dem habe ich von unserer Seite aus jetzt nicht mehr so wahnsinnig viel hinzuzufügen. Ich muss dazu allerdings auch sagen, dass ich die Zahlen in der Kürze der Zeit heute noch nicht überprüfen konnte. Gleichwohl ist es natürlich ganz wichtig, dass man auch denen, die zunächst einmal nicht so gute Grundvoraussetzungen mitbringen, eine Chance auf eine Ausbildung ermöglicht. Daran arbeitet die Bundesregierung. Ich nenne einmal die Stichworte "Allianz für Ausbildung" und "Weiterentwicklung des Ausbildungspaktes". Da sind die Vorarbeiten am Laufen und gut unterwegs.

Frage: Ich habe eine Frage zu dem Termin am heutigen Abend, Herr Seibert, wenn Herr Gorbatschow ins Kanzleramt kommen wird. Werden wir etwas über das Gespräch, den Gesprächsverlauf und die Themen, die im Mittelpunkt stehen, erfahren?

Zweite Frage: Wie bewertet die Bundesregierung denn die Tatsache, dass dieser Mann, den Sie ja als großen Staatsmann für seine Verdienste ehren, gleichzeitig in seiner Analyse zu so schweren Vorwürfen gegen den Westen kommt, Stichwort Triumphalismus?

StS Seibert: Zunächst einmal ist das heute ein vertrauliches Gespräch im Bundeskanzleramt, bei dem keine Presseunterrichtung vorgesehen ist. Zum anderen kommt Michail Gorbatschow als eine Person der Zeitgeschichte zu diesem Gespräch ins Bundeskanzleramt. Auch wenn es möglicherweise Bewertungsunterschiede zwischen der Bundeskanzlerin und ihm in der Frage der Ukraine-Krise gibt, ist er eine Person der Zeitgeschichte. Wir in Deutschland haben seine Verdienste in der Zeit von Glasnost und Perestroika sowie seine Verdienste um die Beendigung des Kalten Kriegs und eine friedliche Erlangung der deutschen Einheit nicht vergessen. Es ist, denke ich, an diesem Wochenende auch sehr klar geworden, dass das weder von der Politik noch von den Bürgern von Berlin vergessen worden ist. Er hat ja gestern einen sehr warmen Beifall am Brandenburger Tor bekommen.

Zu dem, was derzeit in der Ukraine geschieht, ist die Haltung der Bundeskanzlerin und der gesamten Bundesregierung ja bekannt. Wir tragen sie hier regelmäßig vor. Diese Positionen sind sicherlich auch Herrn Gorbatschow bekannt. Es ist gut möglich, dass das heute auch in dem Gespräch zur Sprache kommen wird.

Zusatzfrage: Aber es ging ja nicht nur um die Ukraine. Es geht um die Politik des Westens insgesamt nach der Beendigung des Kalten Kriegs. Gorbatschow wirft dem Westen praktisch vor, eine Monopolfunktion angestrebt oder missbraucht zu haben. Sind das Dinge, die der Bundeskanzlerin zu denken geben?

StS Seibert: Sagen wir zuerst einmal ganz klar: Die Staaten Ost- und Mitteleuropas waren und sind in der Wahl ihrer Bündnispartner frei und souverän. Es stand ihnen frei, nach Auflösung des Warschauer Pakts die Mitgliedschaft in der Nato anzustreben. Von der Tatsache, dass nach dem Ende des Kommunismus zahlreiche Staaten Ost- und Mitteleuropas ihre freie Entscheidung für Demokratie, für Marktwirtschaft, für Rechtstaatlichkeit und für eine feste Einbindung in europäische und transatlantische Entscheidungsstrukturen getroffen haben, hat auch Russland profitiert, und zwar durch wachsenden wirtschaftlichen Austausch und durch politische Stabilität. Die Nato ist ja weiterhin bereit, auch mit Russland konstruktiv zu kooperieren. Man muss daran erinnern, dass es nicht die Nato war, die in jüngster Zeit das Völkerrecht gebrochen hat, sondern Russland, und zwar durch die illegale Annexion der Krim, durch die aktive Destabilisierung der Ostukraine sowie durch den Verstoß gegen seine Verpflichtungen aus dem Budapester Memorandum.

Frage: Herr Seibert, Herr Gorbatschow hat auch davor gewarnt, dass die Welt vor einem neuen Kalten Krieg stehe. Teilt die Bundeskanzlerin diese Analyse?

StS Seibert: Wir tun alles, um in der Ukraine den Weg zu Freiheit und einer friedlichen Stabilisierung der Lage zu unterstützen, in der die Menschen in der gesamten Ukraine ihrem Leben ohne Angst vor permanenter Eskalation, Krieg und wirtschaftlicher Not nachgehen können. Das ist seit Langem die Haltung der Bundesregierung. Aber wir benennen Unrecht eben auch als solches. Wir benennen es ganz klar, wenn das internationale Recht gebrochen wird, und wir sind darin nicht allein, sondern wir tun das gemeinsam mit unseren europäischen und transatlantischen Partnern.

Zusatzfrage: Ich stelle noch einmal meine Frage: Steht die Welt vor einem neuen Kalten Krieg?

StS Seibert: Die Welt hat in der Ukraine eine schwere Krise zu lösen. Deutschland bemüht sich - die Kanzlerin und der Außenminister bemühen sich - , an der Lösung dieser Krise auf der Basis der territorialen Integrität und Souveränität der Ukraine zu arbeiten.

Frage: Herr Seibert, aber findet es die Kanzlerin nicht beunruhigend, dass selbst jemand wie Gorbatschow, dessen Verdienste ja ganz unumstritten sind, in dieser ganzen Ukraine-Frage so eine Linie vertritt? Macht es nicht sozusagen wenig Mut, was eine Verständigung mit Russland angeht, wenn selbst solche Leute Verständnis für Putin haben?

StS Seibert: Ich will dem Gespräch, das die Kanzlerin heute mit Herrn Gorbatschow führen wird und bei dem sicherlich auch diese Thematik zur Sprache kommen wird, nicht vorgreifen. Die Bundeskanzlerin steht, wie Sie wissen, in einem ziemlich regelmäßigen Kontakt mit der aktuellen russischen Führung, mit Präsident Putin, und vertritt dabei die Haltung der Bundesregierung sowie die Haltung der europäischen und transatlantischen Partner.

Wie gesagt, noch einmal auf den Ausgangspunkt zurückkehrend: Der heutige Besuch von Michail Gorbatschow im Kanzleramt ist der Besuch einer unangefochtenen Person der Zeitgeschichte, von jemandem, der sehr große Verdienste in diesen Jahren 1989 und 1990 hat, den Jahren der friedlichen Revolution und der Erlangung der deutschen Einheit. Das ist der Anlass des Besuches. Wie das Gespräch verlaufen wird, werden wir sehen.

Frage: Ich möchte Herrn Seibert nach der Volksbefragung in Katalonien fragen. Der katalanische Ministerpräsident hat um Hilfe der internationalen Gemeinschaft gebeten. Würde Deutschland dazu beitragen?

StS Seibert: Ich kann eigentlich nur noch einmal auf das zurückgreifen, was die Bundeskanzlerin schon im August gesagt hat, als sie an der Seite von Mariano Rajoy in Santiago de Compostela eine Pressekonferenz gegeben hat. Da wurde auch nach der Situation in Katalonien gefragt. Sie hat ganz klar gesagt, und das ist auch heute unsere Haltung: Das ist eine innere Angelegenheit, und über diese Frage muss in Spanien befunden werden. Sie hat bei aller Zurückhaltung, die eine ausländische Regierungschefin üben muss, hinzugefügt, dass ihr alles, was Präsident Rajoy dazu gesagt hat, überzeugend und logisch erschien.

Frage: Ich wollte zum Thema "Steuersparabsprachen mit Unternehmen in Luxemburg" nachfragen. Aus der SPD kommt der Ruf nach einem unabhängigen Sonderermittler, um dieses Problem anzugehen. Ist das eine Position, hinter der sich die Bundesregierung versammeln kann?

StS Seibert: Die Europäische Kommission hat ja schon vor geraumer Zeit Ermittlungen aufgenommen. Die sollen jetzt, wie die neue Wettbewerbskommissarin sagte, noch intensiviert werden. Die Bundesregierung hat volles Vertrauen darin, dass die Europäische Kommission diese Aufklärungsarbeit gründlich und engagiert betreibt.

Zusatzfrage: Also gibt es keine Grundlage für Forderungen nach einem Sonderermittler, der unabhängig von der Kommission ist?

StS Seibert: Es ist jetzt erst einmal Sache der Kommission, wie sie ihre Aufklärungs- und Ermittlungsarbeit organisieren will. Wir haben, wie gesagt, volles Vertrauen darin, dass sie es so machen wird, dass das gründlich und engagiert aufgeklärt werden wird.

Frage: Herr Jäger, auch in Deutschland gibt es eine Debatte darüber, wie wir die Steuerfahndung organisieren. Es gibt auch immer wieder die Forderung, dass der Bund dabei eine größere Rolle spielen solle, also nach einer zentralen Steuerfahndung in Bundeshand. Werden Sie das vorantreiben? Ist der Bund dafür, dass man die Steuerfahndung in Deutschland stärker zentralisiert?

Jäger: Sie haben recht: Das ist, wie die Dinge liegen, ein Thema, das man als ein mögliches Thema im Rahmen der Bund-Länder-Gespräche umrissen hat. Unser erster Eindruck ist aber, dass die Bereitschaft der Länder hier nicht sehr weitgehend ist. Das heißt, wir sprechen im Augenblick mit den Ländern über Möglichkeiten einer verstärkten Zusammenarbeit im Bereich der Steuern. Das bezieht sich aber im Augenblick vorrangig auf die Frage, wie wir zu einer besseren Zusammenarbeit bei der IT in der Steuerverwaltung kommen.

Frage : Ich habe eine Frage an das Innen- und auch das Justizministerium. Es geht um das Thema "Gewalt gegen Polizisten". Das ist jetzt gerade wegen der Hooligan-Proteste beziehungsweise -Krawalle noch einmal besonders aktuell geworden. Der hessische Innenminister hat heute Morgen gefordert, man solle doch das Strafrecht verschärfen. Wie steht die Bundesregierung dazu?

Baer-Henney: 113, der da einschlägig ist, ist ja erst vor kurzer Zeit verschärft worden. Es wird natürlich immer geprüft, ob das noch den Anforderungen genügt. Diesbezüglich kann ich Ihnen noch keine konkreten Vorhaben nennen. Aber festzuhalten ist schon, dass das eigentlich erst kürzlich verschärft worden ist und dass man sich Einwände natürlich immer wieder anschaut.

Dimroth: Ich kann dazu nur allgemein sagen, dass auch der Bundesinnenminister schon mehrfach beklagt hat und seine Besorgnis darüber zum Ausdruck gebracht hat, dass tatsächlich vor allem die Qualität der Gewalt derjenigen, die da in der Verantwortung stehen, gegenüber Polizistinnen und Polizisten, aber auch gegenüber anderen Vollzugsbeamten Anlass zur Sorge gibt. Den jetzt tatsächlich erneut aus Hessen vorgebrachten Vorschlag kann ich hier abschließend noch nicht kommentieren. Dazu gibt es auch noch keine abschließende Meinung. Ganz grundsätzlich ist es aber selbstverständlich ein Anliegen des Bundesinnenministers, möglichst alles dafür zu tun, dass die Sicherheit derjenigen, die für uns alle Verantwortung übernehmen, eben ein möglichst hohes Maß hat. Dazu, ob, um dieses Ziel zu erreichen, tatsächlich eine strafrechtliche Änderung angezeigt ist oder nicht, gibt es noch keine abschließende Position.

Zusatzfrage : Der Minister sagt im aktuellen Interview mit dem Magazin der Gewerkschaft der Polizei ja auch, dass im Koalitionsvertrag vereinbart sei, dass man Polizisten und Einsatzkräfte besser schützen will. Woran denken Sie denn, wenn Sie nicht an 113 oder vielleicht auch nicht an einen neuen 115 oder so denken?

Dimroth: Dass wir nicht daran denken, hatte ich nicht gesagt. Ich habe nur gesagt: Es gibt noch keine abschließende Position dazu, die ich Ihnen heute mitteilen könnte. Aber es gibt selbstverständlich darüber hinaus eine Reihe von Maßnahmen. Das fängt an mit der Ausstattung. Das endet - das ist dem Bundesinnenminister immer wichtig, und das hat er auch mehrfach zum Ausdruck gebracht - bei der Erkenntnis, dass das letztlich auch eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist, die mit Respekt vor der Aufgabe derjenigen, die da sozusagen in der ersten Linie stehen, zu tun hat. Das sind eben aber nicht nur Polizisten, sondern das sind auch Rettungskräfte oder Mitarbeiter in der Bundesagentur für Arbeit, die sich tagtäglich mit Aggressionen und Übergriffen auseinandersetzen müssen. Der Bundesinnenminister hat immer wieder angemahnt, dass es sich hierbei um eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe handelt, für die man auch gesamtgesellschaftlich nach Lösungen suchen muss, jedenfalls als Teil eines möglichen Lösungsansatzes, der sich sicherlich nicht darauf beschränken kann, dass man das Strafrecht verschärft.

Noch einmal gesagt: Dazu, ob das eine zusätzliche Komponente ist, kann ich Ihnen hier keine abschließende Position mitteilen. Aber dass es eine Reihe von anderen Ansätzen gibt, sich dieses Problems zu nähern, ist, glaube ich, deutlich.

Frage: Ich hätte eine Frage an das Umweltministerium. Mich würde interessieren, ob es richtig ist, dass Ihre Ministerin Anfang Dezember den nationalen Energieplan vorlegen wird. Welche Rolle werden dabei steuerliche Anreize für die energetische Gebäudesanierung spielen?

Kübler: Das, was Sie ansprechen, ist das Aktionsprogramm Klimaschutz. Inwieweit steuerliche Anreize und auch weitere Aspekte dieses Klimaschutzprogramms darin stehen werden, wird zurzeit noch innerhalb der Bundesregierung abgestimmt. Das Gebäudesanierungsprogramm selbst ist im Zuge des Ressortneuzuschnitts zum Bundeswirtschaftsministerium gewandert.

Zusatzfrage: Dann gebe ich die Frage doch gleich weiter!

Modes: Vonseiten des BMWi wird Anfang Dezember der nationale Aktionsplan Energieeffizienz im Kabinett sein; das ist der gleiche Kabinettstermin. Inhaltlich kann ich dazu leider auch (nichts sagen). Die Abstimmungen bezüglich der Inhalte laufen innerhalb der Bundesregierung. Aber Gebäude werden natürlich ein wichtiger Bestandteil sein.

Zusatzfrage: Ich habe noch eine Frage an das Umweltministerium. Ihre Ministerin soll sich auch dafür stark gemacht haben, Kohlekraftwerke vorzeitig abzuschalten. Ist das eine Ente, oder können Sie das bestätigen?

Kübler: Die Ministerin hat beim Ban-Ki-Moon-Gipfel und anschließend bei der Vorstellung des IPCC-Berichts am vergangenen Montag dargestellt, dass der Abbau von Kohlekraftwerkkapazitäten ein vorrangiges Ziel darstellt, um die Klimaziele der Bundesregierung zu erreichen. Darüber, inwiefern im Rahmen des Aktionsprogramms Klimaschutz auch dieser Aspekt Berücksichtigung findet, gibt es im Moment Abstimmungen innerhalb der Bundesregierung.

Berichte vom Wochenende darüber, dass es innerhalb der Ressorts Differenzen gibt, die das Aktionsprogramm Klimaschutz gegebenenfalls zeitlich aufschieben, haben das Wirtschaftsministerium und wir am Wochenende dementiert; das kann ich hier auch wieder tun. Es geht nicht mehr darum, ob das Aktionsprogramm Klimaschutz in Kraft tritt, sondern nur noch um die Frage, wie es in Kraft tritt, also mit welchen Aspekten. An dem Ziel, eine Reduzierung um 40 Prozent bis 2020 zu erreichen, halten wir nach wie vor fest, und zwar die Bundesregierung, nicht nur das Bundesumweltministerium.

Frage: Herr Kübler, Vattenfall erwägt ja, das Braunkohleengagement in der Lausitz zurückzufahren und es vielleicht ganz aufzugeben. Wären das Pläne, die Sie unter Umweltschutzgesichtspunkten begrüßen würden?

Kübler: Zu unternehmerischen Entscheidungen äußern wir uns zwar nicht, aber grundsätzlich ist eine Rückführung von Kohlekraftwerken unter den eben genannten Gesichtspunkten, die auch unsere Ministerin schon erwähnt hat, natürlich zu begrüßen.

Frage: Ich habe eine kurze Frage an das Finanzministerium. Der Finanzstabilitätsrat hat heute Morgen einen Vorschlag veröffentlicht, der dann in Brisbane beschlossen werden soll, und zwar über ein größeres Sicherheitspolster, das die großen Banken in Zukunft unterhalten sollen. Da wird ein Prozentsatz von 16 Prozent bis 20 Prozent genannt. Ist das eine Größenordnung, die man vonseiten der Bundesregierung für ausreichend hält, oder würde man sich dafür mehr wünschen?

Jäger: Herr Heller, Sie beziehen sich auf eine Diskussion, die seit einer geraumen Zeit andauert. Wir beschäftigen uns hier mit der Frage, welche Kernkapitalquote große internationale Banken, die systemrelevant sind, vorzuweisen haben. Die genannte Zahl befindet sich in der Tat in der Diskussion. Ich will dem hier im Einzelnen, was die Ergebnisse dieser Diskussion des FSB angeht, nicht vorgreifen. Wir werden hier direkt im Anschluss an diese Pressekonferenz ein Hintergrundbriefing zu den Themen des G20-Gipfels in Brisbane durchführen, und ich denke, dass wir Einzelheiten dazu den Kollegen überlassen sollten.

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Quelle:
Mitschrift der Pressekonferenz vom 10. November 2014
http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2014/11/2014-11-10-regpk.html;jsessionid=12C07C637CFDDE4922E1907C40EBDEBB.s3t2
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veröffentlicht im Schattenblick zum 12. November 2014