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PRESSEKONFERENZ/884: Kanzlerin Merkel und der kolumbianische Präsident Santos, 5.11.2014 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Im Wortlaut
Mitschrift Pressekonferenz im Bundeskanzleramt - Mittwoch, 5. November 2014
Pressekonferenz von BK'in Merkel und dem kolumbianischen Präsidenten Santos

Sprecher: Bundeskanzlerin Angela Merkel, Präsident Juan Manuel Santos

(Die Ausschrift des fremdsprachlichen Teils erfolgte anhand der Simultanübersetzung)



BK'in Merkel: Meine Damen und Herren, ich freue mich, heute wieder einmal den Staatspräsidenten Kolumbiens, Herrn Santos, bei uns zu Besuch zu haben und heiße ihn in Berlin ganz herzlich willkommen.

Staatspräsident Santos ist vor Kurzem wiedergewählt worden - ich gratuliere dazu nachträglich. Wir haben heute in dem Gespräch beschlossen, unsere sehr gute bilaterale Kooperation weiterzuführen. Wir sind in einer sehr vertrauensvollen, freundschaftlichen und verlässlichen Partnerschaft, und wir haben heute über die aktuelle Situation vor allem in Kolumbien und über unsere bilateralen Beziehungen gesprochen.

Die aktuelle Situation in Kolumbien ist ja dadurch gekennzeichnet, dass der Präsident einen sehr mutigen Friedensprozess initiiert hat, der im Augenblick in einer entscheidenden Phase ist. Deutschland hat Kolumbien seiner vollen Unterstützung für diesen Friedensprozess bezüglich der FARC und anderer Gruppen versichert. Wir begrüßen, dass der Präsident nicht nur über die aktuellen Friedensverhandlungen berichtet hat, sondern auch Gedanken hat, wie der Prozess danach weitergehen soll, damit die ökonomische Entwicklung der Rebellengruppen, die Integration und die Versöhnung auch wirklich vorangehen können. Das setzt eine intensive Zusammenarbeit auch mit Freunden und Partnern auf der Welt voraus.

Wir haben identifiziert, dass die deutsche Entwicklungszusammenarbeit hier ein sehr wichtiger Punkt sein kann. Wir befinden uns mit Kolumbien seit Jahren in verschiedenen Beratungsprozessen in einer sehr intensiven Kooperation, und wir haben auch bei der finanziellen Zusammenarbeit langfristige Kredite vergeben, die es ermöglichen, die Entwicklung von bestimmten Projekten voranzutreiben.

Hinzu kommt eine sehr enge Zusammenarbeit im Bereich der Biodiversität und des Klimaschutzes, die gerade angesichts des großen Reichtums an Biodiversität in Kolumbien, aber auch angesichts der Notwendigkeit, gerade die ländlichen Räume gut zu entwickeln, von besonderer Bedeutung ist. Wir werden hierzu auch in Peru gemeinsame Projekte vorstellen können, zum Beispiel in Zusammenarbeit von Deutschland, Norwegen und Kolumbien.

Im Dezember werden die spezifischen Verhandlungen zur Entwicklungszusammenarbeit fortgesetzt. Ich denke, die Schwerpunkte, die wir heute identifiziert haben, werden dort auch Bestand haben.

Hinzu tritt eine sehr intensive Kooperation im Bereich der Wissenschaft, der Forschung und der Studenten. Wir haben 2.200 kolumbianische Studenten in Deutschland. Wir haben einen gemeinsamen Fonds, den Alexander-von-Humboldt-Fonds, der von Kolumbien auch aktiv unterstützt wird. Wir haben sehr viele Stipendiaten aus dem Deutschen Akademischen Austauschdienst. Wir haben außerdem verabredet, dass Max-Planck-Gesellschaft und Fraunhofer-Gesellschaft noch intensiver mit Kolumbien zusammenarbeiten werden. Des Weiteren haben wir miteinander beredet, dass gerade auch das Thema der beruflichen Ausbildung weiter ein Schwerpunkt zwischen Kolumbien und Deutschland sein sollte und sich auch in der Entwicklungszusammenarbeit widerspiegeln sollte.

Wir haben dann darüber geredet, inwieweit auch Europa einen Beitrag leisten kann, um Kolumbien hier hilfreich zu sein. Ich denke, dass es vor allen Dingen im kolumbianischen Interesse ist, dass die Mitgliedstaaten der Europäischen Union in einem Gesamtansatz Kolumbien helfen und nicht jedes Land einzeln das macht, was es gerade kann. So werden wir auch in Europa gucken, wie wir das besser koordinieren können.

Wir haben dann natürlich noch über die internationale Lage gesprochen, und zwar sowohl mit Blick auf Lateinamerika als auch mit Blick auf den Kampf gegen die Terrororganisation "Islamischer Staat". Wir sind sehr dankbar, dass Kolumbien auch ein aktiver Partner ist, zum Beispiel bei der Pirateriebekämpfung in der Mission ATALANTA durch Zurverfügungstellung einer Fregatte. Wir wollen diese internationale Kooperation in all den Bereichen stärken, in denen dies möglich ist.

Noch einmal herzlichen Dank für den Besuch in Berlin. Ich denke, die Weichen für eine weitere intensive Zusammenarbeit sind gestellt. Wir wünschen Ihnen, Ihrer Regierung und Ihrem Volk wirkliche Fortschritte bei den schwierigen Verhandlungen. Nach Jahrzenten großer Konflikte wäre es eine gute Botschaft für die Menschen in Kolumbien, wenn wirklicher Frieden einziehen könnte.

P Santos: Vielen Dank, Frau Bundeskanzlerin Merkel. Wir danken Ihnen ganz herzlich für diesen herzlichen Empfang, den Sie uns bereitet haben. Ich möchte die Gelegenheit nutzen, einen sehr liebevollen Gruß an das deutsche Volk zu senden.

Wie die Bundeskanzlerin schon gesagt hat, hatten wir ein Gespräch über verschiedene Themen. Das erste Thema waren die bilateralen Beziehungen, die zweifelsohne vielleicht gerade in der besten Phase sind. Es gibt eine Kooperation in sehr vielen Bereichen. Das Freihandelsabkommen zwischen Europa und Kolumbien ist bereits voll in Kraft. Wir arbeiten in spezifischen Sektoren zusammen, die uns sehr interessieren, so zum Beispiel im Bildungssektor, im Bereich der Berufsausbildung, im ökologischen Sektor und beim Schutz unseres Amazonasgebiets. Aus diesem Grunde schätzen wir ganz besonders die Beziehungen, die wir mit Deutschland pflegen.

Ich hatte die Gelegenheit, etwas detaillierter Frau Bundeskanzlerin den Friedensprozess zu erklären, wie er sich entwickelt hat, was wir vereinbart haben, was wir noch vereinbaren müssen, die schwierigen Themen, die noch vor uns liegen und wo noch Entscheidungen ausstehen, aber auch die Auswirkungen für Kolumbien, für die Region und die ganze Welt, wenn wir Frieden in Kolumbien erreichen. Das sind Auswirkungen, die über unsere Grenzen hinausgehen und die mit Themen zu tun haben, die hier in Deutschland von großer Wichtigkeit sind, wie zum Beispiel die Bekämpfung des Drogenhandels oder die Bekämpfung des Klimawandels.

Es gibt keinen Zweifel, dass der Frieden in Kolumbien einen großen positiven Gewinn in diesen beiden Bereichen für beide Seiten darstellen würde. Deswegen haben wir die Aufmerksamkeit Deutschlands und der ganzen Welt. Ich danke sehr für die Unterstützung, die Bundeskanzlerin Merkel für diesen Prozess zugesichert hat. Es ist eine Unterstützung, die gerade jetzt sehr wichtig ist, weil wir in die schwierigste Phase der Verhandlungen eintreten, wo die Unterstützung durch die internationale Staatengemeinschaft und durch Länder wie Deutschland eine Legitimität für die Entscheidungen darstellen würde, die wir dort treffen.

Dieser Besuch hatte nicht zum Ziel, spezifische Ressourcen zu erbitten, sondern es ist insgesamt ein günstiges Ambiente, um den Entwicklungen vorzugreifen. Nicht nur bei der Beendigung des Konflikts, sondern auch dem Entwurf und der Gestaltung des Post-Konflikts kann uns Deutschland ganz besonders unterstützen. Wenn es ein Land gibt, dass es versteht, Versöhnung herzustellen, den Wiederaufbau zu schaffen, dann ist es Deutschland. In dieser Woche werden die Feierlichkeiten zum 25. Jahrestag des Mauerfalls begangen. Es ist eine Art Symbol der Einheit, der Versöhnung und des Wiederaufbaus. Deswegen ist die Erfahrung, die Deutschland uns übermitteln kann, von ganz großer Bedeutung für uns.

Auch konnten wir über die positiven Auswirkungen für den Umweltbereich sprechen. Für Europa ist das sehr wichtig. Vor einigen Tagen hat Europa Entscheidungen bezüglich der Verringerung der Treibhausgasemissionen getroffen. Kolumbien kann sehr dazu beitragen, dieses Ziel zu erreichen. Wir sind ein Land mit einem großen Waldreichtum, und ich habe der Bundeskanzlerin gesagt, wie wir uns vorstellen, dass die Guerreros, die jetzt Menschen kidnappen, damit beginnen, Kohlendioxid zu kidnappen, nämlich durch den Schutz der tropischen Wälder. Das wäre eine sehr positive Auswirkung des Friedens, und auch dabei kann Deutschland eine besonders wichtige Rolle spielen.

Schließlich haben wir auch über die kolumbianische Wirtschaft gesprochen, die glücklicherweise eine sehr positive Phase durchläuft. Wir konsolidieren die Pazifik-Allianz, in der Deutschland bereits einen Beobachterstatus innehat. Es gibt Chancen, den Handel mit der Region noch weiter auszubauen und die Verbindungen zu stärken.

Ich habe Frau Bundeskanzlerin Merkel auch die Unterstützung Kolumbiens bei der Bekämpfung des Terrorismus zugesichert. Wir sind ganz entschlossen und klar dabei, alles abzulehnen, was in dieser Region der Welt beispielsweise in Bezug auf IS passiert. In diesem Bereich können Sie auch mit unserer vollen Unterstützung rechnen, denn wir sind und waren Opfer des Terrorismus und wissen, was das darstellt und was das kostet.

Vielen Dank, Frau Bundeskanzlerin, für diesen großzügigen Empfang. Wir hoffen, dass wir weiterhin auf Ihre Unterstützung zählen dürfen.

Frage: Frau Bundeskanzlerin, wie Sie wissen, verfolgt die Regierung von Präsident Santos seit zwei Jahren einen Friedensprozess. Die Leute werden sagen: Das dauert ja ziemlich lange! - Was ist die klare Botschaft als Vertreterin eines Landes, das sehr viel von Versöhnung versteht? Welche Botschaft möchten Sie an die FARC, an die ELN und auch an diejenigen aussenden, die sich dem Friedensprozess in Kolumbien entgegenstellen?

BK'in Merkel: Zuerst einmal ist der Prozess natürlich ein Prozess, der von der kolumbianischen Regierung geführt wird, und die Verhandlungen sind dort zu verantworten. Ich wünsche diesem Prozess Erfolg, weil ich glaube, dass Gespräche die beste Grundlage sind, um zu einem Erfolg zu kommen. Wenn man sieht, wie viele Opfer es schon gegeben hat, auch unschuldige Opfer, dann ist das auf jeden Fall aller Mühen wert.

Was Zeitabläufe anbelangt, so sind wir durchaus erfahren darin, dass manche Dinge sehr lange dauern können. Zwei Jahre sind für einen Konflikt, der 50 Jahre geht, keine lange Zeit, um ihn zu überwinden. Deshalb kann ich nur dazu raten, natürlich mit Nachdruck, mit aller Mühe in Bezug auf das Tempo, aber auch mit Gründlichkeit, damit man hinterher nicht Enttäuschungen erlebt, den Weg weiter fortzusetzen, die Punkte alle einzeln abzuarbeiten, zu sagen, dass alles erst vereinbart ist, wenn man über alles eine Einigung erzielt hat, und dann schon heute die Vorkehrungen dafür zu treffen, wie es danach weitergehen wird. Aber nach zwei Jahren darf man auf gar keinen Fall sagen, das habe nun schon zu lange gedauert, sondern das sind komplizierte Dinge, und viele Jahrzehnte des Kampfes kann man, wie gesagt, nicht über Nacht überwinden.

Frage: Ich habe zwei Fragen, eine an den kolumbianischen Staatspräsidenten. Herr Präsident, Sie haben die Bekämpfung des Drogenhandels selbst als wichtige Aufgabe angesprochen. In der vergangenen Woche wurden mehrere kolumbianische Polizeibeamte festgenommen. Die sollten einen Schmuggel von Kokain mit einem Marktwert von fast 700 Millionen nach Deutschland befördern. Wie wichtig ist Deutschland, an diesem Beispiel gemessen, als Absatzmarkt für die Drogenkriminalität? Was können beide Regierungen tun, um den Kampf zu intensivieren?

Frau Bundeskanzlerin, ich habe eine Frage an Sie, sozusagen auf den inneren Frieden des Landes bezogen: Der Vizekanzler nennt den viertägigen Warnstreik der GDL einen Missbrauch des Streikrechts. Teilen Sie diese Auffassung?

P Santos: Der Kampf gegen den Drogenhandel ist ein Kampf, der auf der ganzen Welt geführt werden muss. Alle Länder müssen dabei zusammenarbeiten. Kolumbien war vielleicht das Land, das den höchsten Preis für diesen Krieg gegen die Drogen bezahlt hat, der vor über 40 Jahren in den Vereinten Nationen erklärt wurde. Wir kämpfen weiterhin gegen den Drogenhandel. Die Mafias, welche diesen Drogenhandel verwalten, versuchen natürlich als erstes, die Personen zu korrumpieren, die gegen sie kämpfen. Das Beispiel, dass wir in der letzten Woche in Kolumbien gesehen haben, ist ein Beispiel dafür. Aber gleichzeitig ist es auch ein Beispiel für die Entschlossenheit der kolumbianischen Regierung, diese Mafias zu verfolgen. In Kolumbien sind die großen Kartelle nicht mehr da; sie sind verschwunden. Die großen Drogenchefs sind alle entweder im Gefängnis oder im Grab. Aber das Geschäft geht weiter, und wir müssen weiterhin mit allen Ländern zusammenarbeiten. Im Kampf gegen diese Geißel der Gesellschaft, die so viel Schaden für mein Land und für die Jugend der ganzen Welt anrichtet, war und ist Deutschland ein Partnerland.

BK'in Merkel: Die Tarifpartnerschaft in Deutschland ist ja ein sehr hohes Gut, und sie hat auch die Aufgabe, befriedend zu wirken. Streiks sind eine Möglichkeit der tariflichen Auseinandersetzung, aber es gibt auch immer die Verantwortung dafür, dass sie verhältnismäßig zu sein haben. Über die Verhältnismäßigkeit und die Wahrung der Verhältnismäßigkeit kann letztlich nur ein Gericht entscheiden, aber es gibt eine Gesamtverantwortung. Gerade hier, im Bereich der Daseinsvorsorge, in dem es um Millionen von Bürgerinnen und Bürgern geht, die zur Arbeit beziehungsweise nach Hause kommen müssen und die ihre Familien transportieren müssen, und in dem es um die Zukunft der Wirtschaft geht, ist natürlich von allen Beteiligten auch im Rahmen der Tarifpartnerschaft ein hohes Maß an Verantwortung notwendig.

Es gibt ja in den tarifvertraglichen Auseinandersetzungen zum Beispiel auch Möglichkeiten der Schlichtung, wenn beide Partner zustimmen. Natürlich wäre es wünschenswert, wenn Wege gesucht werden, die die Verhältnismäßigkeit möglichst gut wahren. Deshalb kann ich nur an das Verantwortungsbewusstsein appellieren, hier Lösungen zu finden, die bei aller Wahrung des Rechts auf Streik auch für uns als Land insgesamt einen möglichst geringen Schaden haben.

Frage: Frau Bundeskanzlerin, was können Sie dem kolumbianischen Volk oder denen am Verhandlungstisch sagen, damit diese Verhandlungen Erfolg haben?

Zweitens geht es mir um die spezifische Unterstützung durch Deutschland im Rahmen eines Fonds für Projekte im Post-Konflikt in den nächsten Monaten.

BK'in Merkel: Wir haben erst einmal eine neue Programmhilfe vereinbart. Ab sofort stehen jährlich 75 Millionen Euro bis 2016 zur Verfügung, um diesen Friedensprozess auch in all seinen Facetten zu begleiten. Wir werden weiter im Gespräch bleiben, wie ich sagte, und dann auch immer versuchen, adäquat zu reagieren, um Kolumbien zu helfen.

Was kann ich den Verhandlungspartnern sagen? Ich kann nichts anderes als das sagen, was man allen Verhandlungspartnern sagen kann: Kompromisse sind oft schmerzhaft, aber das Ergebnis von Kompromissen kann für alle etwas qualitativ Besseres sein. Ich glaube, das kolumbianische Volk ist durch schwere Jahrzehnte gegangen. Jetzt gibt es eine Hoffnung darauf, dass solche Verhandlungen beendet werden können. Man darf nie erwarten - - - Wir müssen innerhalb der Europäischen Union natürlich auch sehr oft Konflikte managen. Wir müssen Kompromisse finden. Wenn man einen Kompromiss eingeht, dann ist das, wie gesagt, schwer, aber hinterher stellt sich oft heraus, dass es sich lohnt. Ich finde, der Präsident hat auch schon sehr viel Kraft auf die Frage der Zeit nach dem Konflikt verwendet, sodass ich glaube, dass man jetzt alle Kraft auf eine Lösung setzen sollte.

Frage: Ich habe eine Nachfrage an den Präsidenten zu Ihrer Bemerkung zu dem Freihandelsabkommen zwischen der EU und Kolumbien. Im Moment wird hier in Deutschland gerade sehr intensiv über ein Freihandelsabkommen mit den USA diskutiert. Können Sie uns sagen, ob Sie gute Erfahrungen gemacht haben oder ob Sie gegenüber der EU aufgrund Ihrer Erfahrungen zum Beispiel lieber auf den Investorenschutz verzichtet hätten?

Frau Bundeskanzlerin, eine Frage zum Thema Russland nach den Wahlen in der Ostukraine: Wären Sie angesichts der sich jetzt wieder abzeichnenden Eskalation dafür, dass neue Wirtschaftssanktionen gegen Russland verhängt werden sollten?

P Santos: Ich habe dazu eine ganz klar definierte Position: Ich denke, dass der Freihandel etwas ist, was den Ländern zu wachsen hilft. Die Geschichte hat es bewiesen: Die Länder, die diese Politik verfolgen, sind im Laufe der Zeit schneller als andere gewachsen. Deswegen unterstützen wir die Freihandelsabkommen. Kolumbien hat heute einen privilegierten Zugang zu mehr als 1,4 Milliarden Konsumenten, und das ist eine ganz große Chance für uns. Damit sind wir heute das Land, das in Lateinamerika das größte Wachstum hat. Wir haben die höchsten Investitionsraten und die niedrigste Inflationsrate in Lateinamerika, wir schaffen die meisten Arbeitsplätze in Lateinamerika und wir reduzieren die Armut in Lateinamerika am stärksten, auch die extreme Armut. Zu diesen Ergebnissen hat der Freihandel entscheidend beigetragen.

BK'in Merkel: Ich will von meiner Seite aus auch sagen, dass wir das Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Union, Kolumbien und Peru sehr begrüßen und dass das ein wichtiger Schritt ist. Es gibt im Übrigen seitens der Europäischen Union auch Freihandelsabkommen mit ganz Zentralamerika. Deshalb wollen wir diesen Weg ja auch weitergehen.

Was die Situation in der Ukraine anbelangt, so will ich erstens noch einmal wiederholen, dass die Wahlen, die am Sonntag stattgefunden haben, nicht im Einklang mit dem Minsker Abkommen stehen, insbesondere nicht mit dem Punkt 9 des Minsker Abkommens. Deshalb gibt es natürlich keinerlei Möglichkeit, verhängte Sanktionen jetzt zu erleichtern oder aufzuheben, sondern wir müssen zu dem Minsker Plan zurückkehren und schnellstmöglich einen wirklichen Waffenstillstand schaffen. Es gibt immerhin jeden Tag viele, viele Tote, weit über 300 in den letzten Tagen und Wochen.

Wir sollten uns noch einmal die Listung von bestimmten Persönlichkeiten anschauen, die jetzt aufgrund dieser illegitimen Wahlen in der Ostukraine Verantwortung haben. Ansonsten, glaube ich, sollten wir einfach das, was wir an Sanktionen verhängt haben, beibehalten. Wir würden natürlich auch gerne darüber reden, dass wir sie aufheben könnten, aber diese Situation sehe ich nicht. Sanktionen - das habe ich immer wieder gesagt - sind kein Selbstzweck, und sie werden nur dann verhängt, wenn es notwendig ist.

Jetzt geht es mir aber darum, in den weiteren Gesprächen trotz der sehr schwierigen Situation alles daranzusetzen, auch humanitär alles zu tun, damit die Menschen in Lugansk und Donezk kurz vor dem Winter jetzt in eine Situation versetzt werden, in der sie diesen Winter überhaupt überstehen können. Dort herrscht zum Teil eine tragische Situation, wenn man sich Informationen darüber anschaut, wie die Familien dort leben. Wir werden auch von unserer Seite aus gemeinsam mit der Regierung in Kiew alles daransetzen, dass überhaupt ein Zugang zu diesen Gebieten möglich ist; denn für diejenigen, die seitens Kiews Verantwortung für diese Region tragen, ist ein Zugang zurzeit ja überhaupt nicht möglich. Das hat jetzt für mich als humanitäre Aufgabe die allerhöchste Priorität.

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Quelle:
Mitschrift der Pressekonferenz vom 5. November 2014
http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2014/11/2014-11-05-merkel-santos.html;jsessionid=47D5B781AD0CD5AD04F31632317BD494.s4t1
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veröffentlicht im Schattenblick zum 7. November 2014