Schattenblick →INFOPOOL →PARLAMENT → FAKTEN

PRESSEKONFERENZ/864: Regierungspressekonferenz vom 24. September 2014 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Im Wortlaut
Mitschrift der Pressekonferenz - Mittwoch, 24. September 2014
Regierungspressekonferenz vom 24. September 2014

Themen: Kabinettssitzung (Jahresbericht zum Stand der Deutschen Einheit, Gesetz zur strafbefreienden Selbstanzeige im Steuerrecht, Elektromobilitätsgesetz), lebenslange Haftstrafe für Ilham Tohti, Antrittsbesuch des neuen finnischen Ministerpräsidenten, Entführung von zwei Deutschen auf den Philippinen, Vorgehen gegen die Terrororganisation "Islamischer Staat", europäisch-kanadisches Freihandelsabkommen, Verlängerung des Vertrags des Mautbetreibers Toll Collect, Streiks beim Versandhändler Amazon, Diskussion um Reform der Fragestunde im Deutschen Bundestag

Sprecher: SRS'in Wirtz, Chebli (AA), Roth (BMVg), Dimroth (BMI), Braams (BMWi), Strater (BMVI), Westhoff (BMAS)



Vors. Detjen eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt SRS'IN WIRTZ sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

SRS'in Wirtz: Meine Damen und Herren, wir bleiben bei der Choreografie des Mittwochs mit einem Bericht aus dem Kabinett:

Im Kabinett wurde heute der Jahresbericht zum Stand der Deutschen Einheit 2014 beschlossen. Die Beauftragte der Bundesregierung für die neuen Bundesländer, Frau Gleicke, hat Ihnen hier ja eben auch schon einige Eckpunkte angekündigt beziehungsweise sie besprochen. Insofern von mir nur einige kurze Anmerkungen dazu: Zum einen greift der Bericht zum 25-jährigen Jubiläum der friedlichen Revolution ganz ausdrücklich die Würdigung des Mutes und der Entschlossenheit vieler Menschen auf, die sich für Freiheit und Demokratie in der DDR eingesetzt haben.

Der Jahresbericht zeigt außerdem, dass 25 Jahre nach dem Mauerfall die Lebensqualität zwischen den neuen und den alten Ländern weitgehend angeglichen ist. Die Infrastruktur ist modernisiert, und die ostdeutsche Wirtschaft steht auf einem soliden Fundament. Seit Anfang der 90er-Jahre ist die Wirtschaftskraft in Ostdeutschland beachtlich gewachsen. Das Bruttoinlandsprodukt hat sich in dieser Zeit mehr als verdoppelt. Die Arbeitslosenquote ist heute auf dem niedrigsten Stand seit 1991, und auch die Haushaltslage der ostdeutschen Länder hat sich in den letzten Jahren weiter verbessert, was allerdings nicht heißt, dass weitere Anstrengungen nicht nötig wären, um die Lebensverhältnisse weiter anzugleichen. Vor diesem Hintergrund - Sie wissen das - laufen auch die Verhandlungen über die Bund-Länder-Finanzbeziehungen für die Zeit nach 2019. In diesem Zusammenhang wird es auch weiterhin um die Unterstützung strukturschwacher Regionen gehen, um eben gleichwertige Lebensverhältnisse in der gesamten Bundesrepublik herzustellen.

Ein weiteres Thema im Kabinett waren die Regelungen zur strafbefreienden Selbstanzeige im Steuerrecht. Ganz klar ist, dass Steuerhinterziehung ganz selbstverständlich strafbar bleibt und dass es sich bei Steuerhinterziehung um schweres Unrecht zulasten der Allgemeinheit handelt. Nichtsdestotrotz will die Bundesregierung den Weg zurück in die Steuerehrlichkeit nicht ganz verbauen. Die Hürden für diesen Rückweg sind praktisch allerdings erheblich höher. Heute wurde im Kabinett in diesem Zusammenhang ein Gesetz beschlossen, das die Regelungen der strafbefreienden Selbstanzeige verschärft. Ebenso verschärft werden die Regeln, nach denen von einer Strafverfolgung ganz abgesehen werden kann.

Grundlage sind die Eckpunkte, die von Bund und Ländern gemeinsam beschlossen wurden, und zwar auf der Finanzministerkonferenz am 9. Mai dieses Jahres. Wesentliche Maßnahmen sind: Die Grenze, bis zu der eine Steuerhinterziehung bei einer Selbstanzeige straffrei bleibt, wird halbiert. Das heißt, sie wird von 50.000 Euro auf 25.000 Euro abgesenkt. Bei darüber liegenden Beträgen wird von der Strafverfolgung nur dann abgesehen, wenn ein entsprechender Zuschlag bezahlt wird. Da gibt es eine Staffelung. Je nach Hinterziehungsvolumen gestaltet sich dann auch der entsprechende Zuschlag: Bei einem Hinterziehungsvolumen von mehr als 25.000 Euro beträgt der Zuschlag 10 Prozent der hinterzogenen Summen, bei 100.000 Euro sprechen wir von einem Zuschlag von 15 Prozent, und bei mehr als 1 Million Euro liegt der Zuschlag bei 20 Prozent.

Daneben soll die Strafverfolgungsverjährung in allen Fällen auf zehn Jahre ausgedehnt werden. Das heißt: Der Steuerhinterzieher muss künftig für die vergangenen zehn Jahre reinen Tisch machen und die hinterzogenen Steuern für diese Jahre nachzahlen, um dann von der Straffreiheit profitieren zu können.

Das Kabinett hat darüber hinaus über die Elektromobilität gesprochen. Dabei geht es um einen Gesetzentwurf mit dem Ziel, elektrischen Fahrzeugen im Straßenverkehr Vorteile einzuräumen und so die Elektromobilität auf deutschen Straßen zu fördern. Das sogenannte EmoG, also das Elektromobilitätsgesetz, schafft nun die Möglichkeit, besondere Parkplätze an Ladestationen für Elektrofahrzeuge zu reservieren und Parkgebühren zu reduzieren oder gar zu erlassen. Außerdem ist die Möglichkeit vorgesehen, Straßen und Wege für Elektromobile zu öffnen, die für andere Fahrzeuge beschränkt sind, und zwar aus Lärmschutzgründen oder um Abgase zu vermeiden. - So weit mein Bericht aus dem Kabinett.

Ich habe noch eine Ankündigung zu machen und einen Termin zu nennen. Zum einen geht es um den Fall der lebenslänglichen Haftstrafe für Ilham Tohti. Die Bundesregierung zeigt sich bestürzt über das harte Urteil gegen den uigurisch-stämmigen Wirtschaftsprofessor Ilham Tohti durch ein Gericht im westchinesischen Urumqi. Tohti - Sie werden es gelesen haben - wurde gestern unter dem Vorwurf des Separatismus zu einer lebenslangen Haftstrafe und dem Entzug seines gesamten Vermögens verurteilt. Dieses Urteil ist besonders erschütternd, weil Tohti zu den moderaten Kräften in China gehört, die sich für bessere Entwicklungschancen von Uiguren und für den Dialog mit der Mehrheitsbevölkerung der Han-Chinesen einsetzen.

Zum Schluss noch eine Terminankündigung, und zwar für den nächsten Montag, weshalb ich das schon heute sage: Am nächsten Montag wird der neue finnische Ministerpräsident Alexander Stubb zu einem Antrittsbesuch ins Bundeskanzleramt kommen. Es wird, wie immer, militärische Ehren geben. Für 16.45 Uhr ist eine gemeinsame Pressebegegnung angedacht.

Frage: Für Oktober, glaube ich, stehen deutsch-chinesische Regierungskonsultationen bevor. Wird das Urteil dabei irgendeine Rolle spielen? Wird man das anbringen? Wie wird es im Rechtsstaatdialog mit China weitergehen, wenn man ihn jetzt mittlerweile zehn Jahre lang geführt hat und es immer noch zu solchen Willkürurteilen kommt? Dann muss man doch vielleicht von deutscher Seite aus irgendwann sagen "Das hat alles nicht so viel Sinn ergeben".

SRS'in Wirtz: Sie wissen, dass die Bundesregierung bei vielen verschiedenen Gelegenheiten - nicht nur die Bundeskanzlerin, sondern auch andere Mitglieder des Kabinetts - im Gespräch mit chinesischen Regierungsvertretern immer wieder deutlich macht, dass diese Menschenrechtsvergehen von der deutschen Bundesregierung nicht akzeptiert werden.

In Bezug auf den Dialog ist es so, dass die Bundesregierung auf dem Standpunkt steht, dass es besser ist, im Dialog zu bleiben, als einen solchen Dialog aufzukündigen und dann keine Möglichkeit mehr zu haben, auch solche Fragen anzusprechen.

Zusatzfrage: Kann ich das so interpretieren, dass diese Frage auch bei den deutsch-chinesischen Konsultationen im Oktober von deutscher Seite aus angesprochen werden wird?

SRS'in Wirtz: Sie können davon ausgehen, dass die Bundesregierung diese Fragen bei vielen verschiedenen Gelegenheiten anspricht. Aber ich kann Ihnen jetzt keinen detaillierten Sprechzettel darüber vorlegen, was genau bei diesen Gesprächen angesprochen werden wird. Aber Sie können davon ausgehen, dass sich die Bundesregierung nicht scheut, diese Fragen anzusprechen.

Frage: Es gibt eine Twitter-Meldung von einem sogenannten Herrn Abu Sayyaf, wonach auf den Philippinen zwei Deutsche gefangen gehalten werden und exekutiert werden sollen. Können Sie dazu etwas sagen? Können Sie das bestätigen?

SRS'in Wirtz: Frau Chebli!

Chebli: Sie haben die Meldung vernommen. Eines möchte ich an dieser Stelle sagen: Drohungen sind für uns kein geeignetes Mittel, um Einfluss auf unsere Syrien- oder Irak-Politik zu nehmen. Die Bundesregierung hat im Auswärtigen Amt einen Krisenstab eingerichtet, und wir werden unsere Bemühungen selbstverständlich fortsetzen, um eine Freilassung herbeizuführen.

Zusatzfrage: Es wird ja auch gesagt, dass die Deutschen schon seit April gefangen gehalten werden. Können Sie das bestätigen? Seit wann bestehen die Kontakte?

Chebli: Ich kann, wie es auch bei sonstigen Entführungen der Fall ist, zu dem Einzelfall und zu den einzelnen Details an dieser Stelle natürlich keine Details nennen. Prinzipiell, glaube ich, ist die wichtigste Nachricht, die man in diesem Fall senden sollte und die wir auch senden wollen, dass wir diese Drohungen nicht als geeignetes Mittel ansehen und dass sich deshalb an unserer Politik in Syrien und im Irak auch nichts ändern wird.

Frage: Sie sagten eben, Sie hätten die Meldungen zur Kenntnis genommen. Haben Sie denn eigene Kontakte oder eigene Erkenntnisse?

Chebli: Auch hier gilt das, was ich gesagt habe, und ich kann es nur unterstreichen: Wir haben einen Krisenstab, der sich mit dem Fall befasst und der sich natürlich exzessiv mit der Frage auseinandersetzen wird, wie man zu einer Freilassung der Entführten kommen kann. Aber ich kann zu den Details an dieser Stelle nichts sagen.

Frage: Ich habe eine Frage, die dann doch damit zusammenhängt, zumindest am Rande: Steht das Vorgehen der Amerikaner und der arabischen Verbündeten nach Ansicht der Bundesregierung im Einklang mit dem Völkerrecht?

SRS'in Wirtz: Zunächst einmal, denke ich, lässt sich so eine Frage nach der völkerrechtlichen Legitimation aus Sicht der Bundesregierung jetzt nicht abschließend beurteilen, zumal wir, um eine wirklich völkerrechtlich abschließende Bewertung vornehmen zu können, sicherlich auch alle Einzelheiten dieses Vorgehens kennen müssten.

Vielleicht kann ich allgemein etwas sagen: Im Mittelpunkt dieser Frage steht Artikel 51 der UN-Charta. In Artikel 51 der UN-Charta ist ein Selbstverteidigungsrecht niedergelegt. Dieses Selbstverteidigungsrecht gilt grundsätzlich auch, wenn eine bewaffnete, nicht-staatliche Gruppe aus einem Nachbarland einen bewaffneten Angriff gegen einen Staat ausführt. Das heißt, in einem solchen Fall kann sich ein Staat dann auch auf dieses Selbstverteidigungsrecht berufen, dies zumal, wenn die Regierung des Nachbarlandes, von dem aus der Angriff durch die bewaffnete, nicht-staatliche Gruppe erfolgt, nicht im Stande oder aber nicht willens ist, sich selbst wirksam gegen diese Gruppe zur Wehr zu setzen.

Das alles, kann ich Ihnen, wie gesagt, allgemein sagen. Aber die völkerrechtliche Bewertung muss man letztlich natürlich erst vornehmen, wenn alle Einzelheiten dieses Vorgehens vorliegen.

Frage: In den Medien kursieren Gerüchte darüber, dass Deutschland der PKK Waffen liefere. Könnten sich das Verteidigungsministerium und die Bundesregierung dazu äußern?

Roth: Es ist so, dass wir angekündigt haben, heute die ersten Waffenlieferungen in den Irak auf dem Weg zu bringen. Wir haben uns natürlich mit der kurdischen Autonomieregierung und der irakischen Zentralregierung in Bagdad abgesprochen. Es ist klar, dass diese Waffen an die Peschmerga gehen, das heißt, die kurdischen Kämpfer der Autonomieregion.

Zusatzfrage: Also nicht der PKK?

Roth: Das, was ich gesagt habe, steht. Das wird auch mit einer sogenannten Endverbleibserklärung sichergestellt.

Frage: Es geht um die Waffenlieferungen, die heute von Leipzig aus starten sollten. Es heißt, es gebe Probleme mit der niederländischen Maschine. Können Sie kurz über den aktuellen Stand berichten? Wie weit wird sich das verzögern? Welchen Defekt hat die Maschine denn überhaupt?

Roth: Das ist richtig: Die Niederländer haben dankenswerterweise einen Transport der Waffen angeboten. Dafür sind wir sehr dankbar. Diese Maschine steht jetzt in Leipzig und hat einen technischen Defekt. Die Niederländer arbeiten daran, diesen technischen Defekt so schnell wie möglich zu beheben. Wir gehen davon aus, dass diese Maschine jetzt zeitnah wieder instand gesetzt werden wird und dann auch den Flug in den Irak antreten kann.

Frage: Zu dem Gesamtkomplex: Man ist ja fast froh, das ist keine deutsche Transportmaschine ist, die kaputt gegangen ist, sondern dass es diesmal um die Niederländer ging. Aber meine Frage ist eigentlich eine andere: Gibt es eigentlich ein Bemühen der deutschen Regierung oder des Bundesaußenministers, der gerade in New York ist, das Thema noch einmal in den UN-Sicherheitsrat zu bringen? Versucht man also, ein gemeinsames Auftreten in Bezug auf den Irak und Syrien zu veranlassen?

Chebli: Ich meine, unsere Haltung zum Sicherheitsrat hat der Minister ja mehrfach unterstrichen. Es wäre natürlich politisch wünschenswert, wenn man eine Sicherheitsratsresolution und eine Entscheidung des Sicherheitsrats hinbekäme. Die Geschichte des Syrien-Konflikts zeigt uns aber, dass es in diesem Kontext kompliziert, schwierig und langwierig ist, im Sicherheitsrat überhaupt voranzukommen - Sie kennen die Großwetterlage. Grundsätzlich gilt: Ein Mandat des Sicherheitsrats ist nicht erforderlich. Die Grundlagen hat Frau Wirtz ja schon erläutert. Es wäre gut, wenn wir eine Situation hätten, in der der Sicherheitsrat in der Lage wäre, eine Entscheidung zu treffen. Dem ist aber leider nicht so.

Frage: Was den Irak und die dortigen Kurden betrifft, ist es mir klar: Es handelt sich um einen Selbstverteidigungskrieg. Aber ist auch die Intervention der Amerikaner und der anderen Willigen als Selbstverteidigungskrieg zu erklären? Ist diese Intervention also nach Ansicht der Bundesregierung durch den Artikel 51 der UN-Charta zu rechtfertigen?

SRS'in Wirtz: Zunächst einmal habe ich eben darauf hingewiesen, dass die Einzelheiten dieses Vorgehens auch der deutschen Bundesregierung vorliegen müssen, damit man das abschließend völkerrechtlich einordnen kann. Ich habe Ihnen eben erläutert, wie ein solches Vorgehen nach der Rechtsvorschrift in Artikel 51 der UN-Charta im Allgemeinen einzuordnen ist.

Zusatzfrage: Dann frage ich noch einmal ganz allgemein nach: Unterstützt die deutsche Regierung das Vorgehen der Amerikaner und der arabischen Verbündeten im Nordwesten Syriens?

SRS'in Wirtz: Wenn es jetzt auch immer wieder um die Frage der völkerrechtlichen Legitimation geht, kann ich noch einmal ausführen, dass die USA ja genau so argumentieren, wie ich das eben ausgeführt habe, und sich praktisch auf diesen Artikel 51 und auch auf das Schreiben der irakischen Regierung vom 20. September dieses Jahres beziehen. Diese Argumentation der Amerikaner - so viel kann ich für die Bundesregierung sagen - erscheint auch nicht grundsätzlich falsch.

Frage: Es gibt Berichte, Präsident Obama strebe eine Resolution an, mit der alle Staaten verpflichtet werden sollen, die Ausreise von ISIS-Sympathisanten zu verhindern oder sie bei Wiedereinreise zu bestrafen und/oder ihnen gegebenenfalls auch die Staatsbürgerschaft zu entziehen.

Erstens: Kann die Bundesregierung eine solche Resolution unterstützen, sieht sie sich in der Lage, diese Bedingungen oder Anforderungen zu erfüllen?

Zweitens: Gibt es in der Bundesregierung Überlegungen - es gab irgendwo mal entsprechende Hinweise -, am Staatsbürgerschaftsrecht zu arbeiten, und zwar dergestalt, dass man Leuten, die für ausländische Armeen kämpfen, die Staatsbürgerschaft entziehen kann?

Chebli: Zu der Resolution, von der Sie sprechen: Noch steht sie nicht. Wir wissen ja nicht, was Teil dieser Resolution an, von daher kann ich dazu jetzt nichts sagen.

Zur Frage des Staatsbürgerschaftsrechts würde ich gern an das BMI verweisen.

Dimroth: Wie Sie wissen, ist derzeit eine Reihe von Dingen in der Diskussion, wenn man sich der Frage nähert, ob und gegebenenfalls was man gesetzgeberisch tun muss, um die Aus- und auch die Wiedereinreise von sogenannten "foreign fighters" in die Region Syrien und Irak zu verhindern. Das ist hier auch schon mehrfach Gegenstand der Diskussion gewesen. Dazu gehört auch die Frage, ob der Entzug der Staatsangehörigkeit eine mögliche Maßnahme ist, die in dieses Portfolio fällt. Die Prüfungen, die dazu stattfinden, sind nicht abgeschlossen, sodass ich Ihnen hier keine abschließende Position des Bundesministeriums des Innern dazu mitteilen kann.

Mitteilen kann ich Ihnen aber, dass wir in Anbetracht der Größe des Problems selbstverständlich Maßnahmen prüfen - und zwar einen bunten Strauß von Maßnahmen. Wenn ich das richtig sehe, zielt die Resolution - jedenfalls im Entwurf - insbesondere auch darauf, den internationalen Informationsaustausch zu stärken. Das ist ja eine der Grundthesen, die wir sozusagen gebetsmühlenartig wiederholen, weil wir fest davon überzeugt sind, dass das jedenfalls einer der Schlüssel ist, um dieses Problems Herr zu werden. Insofern würden wir das auch unterstützen. Es ist aber so, wie die Kollegin des AA es gerade gesagt hat: Das ist ein Entwurf, sodass es jetzt sicherlich nicht an der Zeit ist, dazu endgültig und im Einzelnen Stellung zu nehmen.

Zusatzfrage: Frau Chebli, Herr Dimroth kennt immerhin schon den Entwurf, während Sie gerade gesagt haben, Sie wüssten noch gar nicht, was da drinstehen solle. Würde die Bundesregierung ein solches Ansinnen der USA denn prinzipiell unterstützen?

Chebli: Ein Entwurf ist noch nicht der letzte Stand, und an einem Entwurf kann sich vieles ändern. Ich habe damit - um das vielleicht klar zu machen - nicht gesagt, dass ich den Entwurf nicht kenne.

Letztendlich möchte ich aber das unterstreichen, was der Kollege Dimroth gesagt hat: Der Minister hat gesagt: Beim Kampf gegen ISIS brauchen wir eine politische Einbettung in eine Gesamtstrategie. Militärische Mittel sind richtig und wichtig, sie sind aber nicht die einzigen Mittel. Es geht um vier Punkte, die der Minister mehrfach erwähnt hat und die ich auch in diesem Raum unterstrichen habe. In einem dieser Punkte geht es um Kämpfer und Geld. Hier spielen vor allem die arabischen Staaten eine zentrale Rolle; sie haben sich ja bereiterklärt, gemeinsam mit den Amerikanern und 40 anderen Nationen an einer Seite zu stehen, um ISIS den Kampf anzusagen.

Wir haben also ganz klar den Punkt gemacht: Beim Kampf gegen ISIS geht es ganz zentral auch um den Zufluss von Geldern, und wenn das in der Resolution eine Rolle spielen sollte, dann würde man die natürlich auch unterstützen. Prinzipiell und grundsätzlich gilt aber: Solange wir die Resolution in ihrer endgültigen Form nicht kennen, können wir dazu nichts sagen, außer dass die Frage in Punkt 4 - Kämpfer und Geld stoppen - ein zentraler Element eines groß angelegten politischen Ansatzes im Kampf gegen ISIS ist.

Frage: Eine Frage an das Wirtschaftsministerium: Sie haben am Montag Gutachten vorgestellt, unter anderem eines zu Investitionsschutzklauseln in CETA, und sind dabei zu dem Schluss gekommen, dass das Schutzniveau mit den Klauseln geringer ist als mit dem, was das deutsche Recht bietet. Sie haben danach gesagt, damit könne Deutschland leben. Später ist diese Meldung zurückgenommen worden. Was ist denn da der Stand? Können Sie damit leben oder nicht?

Braams: Vielen Dank für die Frage. Wir haben unsere Positionierung zu CETA ja mehrfach deutlich gemacht, auch hier in der Bundespressekonferenz. Um es noch einmal ganz deutlich zu machen: Wir haben zwei grundsätzliche Positionen, die auch Gegenstand dieser Gutachten waren. Die erste Position ist: Wir sehen CETA als gemischtes Abkommen. Das hat ein Gutachten auch unterstützt. Die zweite Position ist: Wir sehen das so, dass Investitionsschutzabkommen unter Staaten mit belastbaren Rechtsordnungen nicht notwendig sind. Auch dazu hat das zweite Gutachten ja Stellung genommen. Das ist die Position, und an der hat sich auch nichts geändert.

Zusatzfrage: Gilt der Satz "Damit kann Deutschland leben" denn noch, oder gilt der nicht mehr?

Braams: Wir haben den Satz in diesem Kontext ja noch relativiert. In dem Gutachten wird dargestellt, dass die Investitionsschutzklauseln keinen Anlass zu großer Sorge geben. Wir sehen es aber eben so, dass der Zweck von Investitionsschutzabkommen eigentlich ein anderer ist und dass das zwischen Staaten mit belastbaren Rechtsordnungen aus unserer Sicht nicht erforderlich ist.

Zusatzfrage: Sie hatten auch gesagt, das solle in Europa noch einmal in die Parlamente gehen, bevor man endgültig zustimmt. Auch in der Partei des Wirtschaftsministers wird ja viel darüber diskutiert. Können Sie vielleicht klarstellen, ob Sie das Thema Investitionsschutzklauseln dabei noch einmal angehen wollen und ob Sie da konkret noch etwas verändern wollen? Oder sagen Sie: Nein, das lassen wir so?

Braams: Das Ganze ist ja noch ein Prozess. Es gibt noch ungeklärte Fragen, insbesondere die Frage des gemischten Abkommens. Insofern wurde auch in der Gutachtenvorstellung deutlich, dass wir, nachdem der technisch rechtsförmig geprüfte Text vorgelegt werden muss, weiterhin unsere Position in den Prozess einbringen werden und dann die Diskussion in Kommission und Rat erst beginnen muss. Das ist keine kurzfristige Sache, sondern das wird ein sehr langfristiger Prozess sein, der sich mindestens bis weit in das nächste Jahr hinein erstrecken wird. Wir werden zu den genannten Punkten weiterhin unsere Position vertreten und vortragen.

Zusatz: Ob Ja oder Nein habe ich jetzt noch nicht ganz verstanden, aber bei der Nachfrage wird die Antwort nicht anders ausfallen.

Braams: Genau.

Frage: Eine Frage an das Verkehrsministerium zum Thema Toll Collect. Sind die Verhandlungen denn jetzt mit Daimler und Telekom zur Verlängerung des Vertrags abgeschlossen?

Strater: Ich kann es ganz kurz machen: Nein.

Frage: Eine Lernfrage zu diesem Thema. Kann das Bundesverkehrsministerium eine mögliche Verlängerung oder eine wie auch immer geartete weitere Vertragsgestaltung mit Toll Collect alleine entscheiden oder ist dafür die Zustimmung des Bundesfinanzministeriums oder möglicherweise sogar des ganzen Kabinetts erforderlich?

Strater: Wie sich das juristisch oder sozusagen verfahrensformal darstellt, kann ich nicht sagen. Natürlich ist das eine Entscheidung, die man eng abstimmen muss, auch innerhalb der Bundesregierung. Noch einmal: Es gibt keine Entscheidungen, die ad hoc abzustimmen sind. Die Verhandlungen laufen noch, Entscheidungen müssen noch getroffen werden.

Frage: Eine Frage an das Arbeitsministerium zu den Amazon-Streiks. Gibt es eine Reaktion der Bundesregierung dazu? Der DGB erklärt, dass das deutsche Tarifrecht nicht erfüllt würde.

Westhoff: Ich bin nicht in der Position, ein Urteil darüber abgeben zu können, ob das stichhaltig ist oder ob das nicht stimmt. Das müsste geprüft werden. Der Ort, wo das geprüft werden müsste, ist sicherlich nicht die Bundespressekonferenz, sondern das wären die Gerichte. Das müsste man von Gewerkschaftsseite dort vortragen und auch begründen.

Wenn das auch Bestandteil der Frage gewesen sein sollte: Zu Streiks insgesamt, zu den Auseinandersetzungen bei Amazon selber werden wir uns natürlich hier nicht als Partei verhalten, einmischen oder Ratschläge geben. Ich bitte um Nachsicht, dass das im Bereich der Tarifvertragsparteien - der Arbeitgeber, der Arbeitnehmer - und der Unternehmen selbst liegt.

Frage: Frau Wirtz, im Bundestag wird darüber geredet, ob man die Fragestunde während der Plenarsitzungen reformieren sollte und unter anderem geht es um die besondere Frage, ob die Bundeskanzlerin regelmäßiger persönlich zugegen und auf direkte Fragen der Parlamentarier Antwort geben sollte. Ist das eine Idee, die die Bundeskanzlerin sozusagen als Betroffene dieser Diskussion unterstützt? Findet sie das gut? Würde sie gerne in einen intensiveren Dialog mit den Parlamentariern treten oder teilt sie die Auffassung des Parlamentarischen Geschäftsführers der Unionsfraktion, dass das eher sozusagen eine Klamauk-Veranstaltung würde, dass das der Würde des Amtes nicht gerecht würde, weil sie dort nach Umgehungsstraßen oder dergleichen befragt werden könnte?

SRS'in Wirtz: Zunächst einmal ist es so, dass die Kanzlerin durchaus immer wieder im Dialog mit den Parlamentieren steht und auch häufig in Regierungserklärungen erläutert, wie sie sich ihre Regierungsvorhaben vorstellt und diese auch entsprechend kommuniziert. Auch sonst gibt es immer wieder Gelegenheit, mit Parlamentariern zu sprechen.

Ansonsten ist das, was Sie ansprechen, zunächst einmal eine Angelegenheit des Parlaments, die im parlamentarischen Raum geklärt werden muss. Insofern ist das sicherlich erst dann eine Frage für eine Stellungnahme der Bundeskanzlerin, wenn diese Frage erst einmal im parlamentarischen Raum entschieden ist.

Zusatzfrage: Abgesehen davon, dass ich felsenfest davon überzeugt bin, dass sich die Parlamentarier - zumindest die aus der Unionsfraktion, die darüber verhandeln -, mit der Bundeskanzlerin rückkoppeln und das nicht ohne sie tun werden, wäre die Frage, welche Haltung sie in diesen Gesprächen mit ihrer eigenen Fraktion zu diesem Thema hat.

Zweitens grundsätzlich eine Frage. Sie sagten, sie stehe in einem Dialog mit dem Parlament, gebe dort Regierungenklärungen ab oder halte Reden in einem anderen Format. Dieses Format des Fragens und Antwortens wird ja mit dem verglichen, was wir hier machen, wenn die Bundeskanzlerin zu Gast ist. Eine Prozedur dieser Art gibt es bisher nicht im Parlament. Ist das etwas, was die Bundeskanzlerin sich vorstellen kann, was sie unter Umständen sogar persönlich für sich als ein gutes Format betrachten würde?

SRS'in Wirtz: Ich habe Ihre Frage schon verstanden. Nur ist es so, dass ich im Moment nur sagen kann, dass diese Frage erst einmal im Parlament mit den Vertretern aller Fraktionen - insofern auch selbstverständlich mit den Vertretern der Unionsfraktion - diskutiert und dann auch beschlossen werden muss. Wenn diese Frage dort abschließend geklärt ist, wird es so sein, dass die Bundeskanzlerin sich entsprechend verhält. Aber Ihnen das jetzt vorab zu sagen - - Da müssten Sie im Zweifel in der Fraktion nachfragen, weil die Bundeskanzlerin durchaus auch in verschiedenen Rollen unterwegs ist.

Zusatz: In diesem Fall wäre sie in der Fragestunde als Bundeskanzlerin unterwegs.

SRS'in Wirtz: Noch einmal: Zunächst einmal muss es im parlamentarischen Raum entschieden werden.

Zusatzfrage: Wenn Sie sagen, wenn das Parlament verhandelt und sich entschieden hat, dann würde sich die Bundeskanzlerin verhalten, dann heißt das, sie würde sich dann sozusagen zu dieser Frage - - -

SRS'in Wirtz: Dann haben wir eine neue Sachlage. Nur kann ich mich im Moment nicht dazu verhalten, wie die Bundeskanzlerin dazu steht, weil die abschließende Frage zunächst einmal im parlamentarischen Raum gefällt werden muss, ob das Parlament sich überhaupt darauf einigen kann und ob Einigkeit darüber besteht, dass man dieses Instrumentarium einführen will. Insofern führt diese Frage ein gewisses "Wenn" mit sich und ich kann ich diese Frage jetzt, in diesem Stadium der parlamentarischen Debatte, noch nicht beantworten.

Zusatzfrage: Fürchtet die Bundeskanzlerin dieses Format?

SRS'in Wirtz: Nein.

Roth: Ich hätte noch eine Ergänzung zu machen. Ich möchte noch einmal auf Ihre Frage zurückkommen, an wen wir die Waffen in den Irak liefern. Um es hier deutlich zu machen und keine Interpretationen zuzulassen: Unsere Haltung zur PKK ist klar, und wir liefern keine Waffen an die PKK.

*

Quelle:
Mitschrift der Pressekonferenz vom 24. September 2014
http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2014/09/2014-09-24-regpk.html;jsessionid=E327F5C5711C2DE580CE470B362292B5.s2t1
Presse- und Informationsamt der Bundesregierung
Dorotheenstr. 84, 10117 Berlin
Telefon: 030 18 272-0, Fax: 030 18 10 272-0
E-Mail: internetpost@bpa.bund.de
Internet: www.bundesregierung.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 26. September 2014