Schattenblick →INFOPOOL →PARLAMENT → FAKTEN

PRESSEKONFERENZ/799: Regierungspressekonferenz vom 30. Mai 2014 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Im Wortlaut
Mitschrift der Pressekonferenz - Freitag, 30. Mai 2014
Regierungspressekonferenz vom 30. Mai 2014

Themen: Termine der Bundeskanzlerin (Empfang des georgischen Ministerpräsidenten, 14. Jahreskonferenz des Rates für Nachhaltige Entwicklung, Auszeichnung der Sieger des Wettbewerbs "startsocial", Kabinettssitzung, Regierungserklärung vor dem Deutschen Bundestag, G7-Gipfel in Brüssel, Gedenkfeier zum 70. Jahrestag der Landung der alliierten Truppen in der Normandie, Reise zu informellen Gesprächen nach Schweden), Briefing zum G7-Gipfel, geplante Attraktivitätsoffensive des BMVg, Zahl der syrischen Flüchtlinge in Deutschland, Medienberichte über Entscheidung des Generalbundesanwalts zur Aufnahme von Ermittlungen in Bezug auf die NSA, Rente mit 63, Berichterstattung über Zwangsarbeit von politischen Gefangenen bei der DDR-Reichsbahn, Auftauchen von an die USA exportierten Handfeuerwaffen in Kolumbien, Eurasische Wirtschaftsunion

Sprecher: SRS Streiter, Gerhartz (BMVg), Neymanns (BMI), Malachowski (BMJV), Küchen (BMAS), Strater (BMVI)



Vorsitzender Wefers eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt SRS Streiter sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

SRS Streiter: Die Termine der nächsten Woche: Wie bereits angekündigt, wird die Bundeskanzlerin am Montag, also am 2. Juni, um 12 Uhr den georgischen Ministerpräsidenten Irakli Garibaschwili mit militärischen Ehren im Kanzleramt empfangen. Es wird einen Meinungsaustausch geben - natürlich zu bilateralen Fragen und zu Fragen der Region der Ukraine nach den Präsidentschaftswahlen. Gegen 13.15 Uhr wird es eine gemeinsame Pressekonferenz geben.

Im Anschluss wird die Bundeskanzlerin an der 14. Jahreskonferenz des Rates für Nachhaltige Entwicklung im Berliner Congress Centrum teilnehmen. Sie wird dort ab 14.30 Uhr eine Rede halten. Themenschwerpunkte werden aktuelle internationale, europäische und nationale Themen mit Bezug zu einer langfristig angelegten, nachhaltigen Entwicklung sein. Auch wird sie die Bedeutung von Nachhaltigkeit als Maßstab für die Regierungspolitik hervorheben.

Am Dienstag wird es ein Briefing zum bevorstehenden G7-Gipfel geben, der am 4. und 5. Juni in Brüssel stattfinden wird, und zwar um 11 Uhr. Dann werden Staatssekretär Steffen Seibert, Ministerialdirektor Lars-Hendrik Röller und Ministerialdirektor Christoph Heusgen Sie informieren.

Am Dienstag wird die Bundeskanzlerin um 11.30 Uhr die Sieger des Wettbewerbs "startsocial" auszeichnen. Die Bundeskanzlerin ist Schirmherrin dieses Wettbewerbs. Sieben Wettbewerbsteilnehmer erhalten für die hervorragende Umsetzung sozialer Projekte ein Preisgeld in Höhe von jeweils 5.000 Euro. Einer der Preisträger erhält einen Sonderpreis der Bundeskanzlerin. Die Preisverleihung wird um 11.30 Uhr im Bundeskanzleramt stattfinden.

Am Mittwoch wird, wie üblich, um 9.30 Uhr das Kabinett tagen.

Um 13 Uhr wird die Bundeskanzlerin dann vor dem Deutschen Bundestag eine Regierungserklärung abgeben, zum einen mit einem Rückblick auf das informelle Treffen der EU-Staats- und Regierungschefs von Beginn dieser Woche, andererseits mit einer Vorschau auf den G7-Gipfel, der im Anschluss in Brüssel stattfinden wird.

Zu diesem G7-Treffen wird die Kanzlerin am späten Nachmittag abreisen. Der Gipfel wird in Brüssel im Justus-Lipsius-Gebäude stattfinden. Er wird um 20 Uhr mit einem Arbeitsabendessen zum Thema Außenpolitik beginnen. Am Donnerstagmorgen um 9.30 Uhr wird dann die erste Arbeitssitzung zur Lage der Weltwirtschaft beginnen. Nach dem traditionellen Familienfoto wird sich gegen 11 Uhr die zweite Arbeitssitzung zu den Themen Energie und Klima anschließen. Nach einem Arbeitsmittagessen zum Thema Entwicklung wird Ihnen die Bundeskanzlerin ab etwa 14.15 Uhr in einer Pressekonferenz Rede und Antwort stehen.

Das Briefing dazu wird, wie gesagt, am Dienstag um 11 Uhr hier in der Bundespressekonferenz stattfinden.

Wie Sie wissen, wird dann am 6. Juni die offizielle Gedenkfeier zum 70. Jahrestag der Landung der alliierten Truppen in der Normandie stattfinden. Die Bundeskanzlerin wird daran auf Einladung des französischen Staatspräsidenten François Hollande teilnehmen. Im Anschluss an ein Mittagessen der geladenen Staats- und Regierungschefs wird von 15 Uhr bis 16.15 Uhr die offizielle Gedenkfeier am Strand von Ouistreham stattfinden; das ist ca. 15 km nordöstlich von Caen.

Vorgesehen ist unter anderem eine Ansprache des französischen Präsidenten. Geplant ist zudem, dass sowohl bei dem Mittagessen als auch bei der Gedenkfeier Veteranen des Zweiten Weltkriegs anwesend sein sollen. Auch deutsche Weltkriegsveteranen und deutsche Soldaten, die für ihren Afghanistan-Einsatz mit der Gefechtsmedaille ausgezeichnet wurden, werden daran teilnehmen.

Nach der Gedenkfeier wird Bundeskanzlerin Merkel den Soldatenfriedhof in der nahe gelegenen Gemeinde Ranville besuchen, wo die Überreste von über 2.000 Soldaten, darunter auch über 300 Deutschen, ruhen. Die Bundeskanzlerin wird dort einen Kranz niederlegen.

Jetzt gibt es noch einen kurzen Ausblick auf die darauf folgende Woche, nämlich auf Montag und Dienstag, den 9. und 10. Juni. Die Bundeskanzlerin wird von Montag auf Dienstag, also am Pfingstmontag, auf Einladung des schwedischen Ministerpräsidenten Fredrik Reinfeldt zu informellen Gesprächen nach Schweden reisen. Neben der Bundeskanzlerin werden auch der britische Premierminister Cameron und der niederländische Ministerpräsident Rutte an den Gesprächen im Gästehaus der schwedischen Regierung in Harpsund in Schweden teilnehmen.

Ziel dieses informellen Treffens zwei Wochen nach den Wahlen zum Europäischen Parlament und zwei Wochen vor dem Europäischen Rat vom 26. und 27. Juni ist ein intensiver Gedankenaustausch über künftige zentrale Aufgaben der Europäischen Union. Auch aktuelle außenpolitische Themen wie die Lage in der Ukraine könnten eine Rolle spielen. Eine Begegnung mit der Presse ist zum Abschluss des Treffens am Vormittag des 10. Juni vorgesehen. - Das waren die Termine in der kommenden Woche und noch am Montag und Dienstag der darauf folgenden Woche.

Gerhartz: Wie Sie wahrscheinlich der Berichterstattung in der Ausgabe der "Bild"-Zeitung von heute Morgen entnehmen konnten, wurde darin auf unsere Attraktivitätsagenda, die wir nächste Woche veröffentlichen wollten, abgehoben, scheinbar mit einem dieser Redaktion vorliegenden Entwurf. Ich kann hier jetzt keine Inhalte kommentieren, aber möchte Ihnen hiermit ankündigen, dass Sie davon ausgehen können, dass wir zeitnah nach dem Ende dieser Regierungspressekonferenz zu diesem Thema eine umfangreiche Pressemitteilung mit den Inhalten der Attraktivitätsoffensive des BMVg herausgeben werden.

Frage: Herr Gerhartz, wollen Sie sagen, dass eine Aktion von Frau von der Leyen als Verteidigungsministerin zum ersten Mal sozusagen entgegen ihrem eigenen Willen in der "Bild"-Zeitung propagiert wurde? Das würde mich überraschen. Was für ein Gedankengang steckt dahinter?

Die zweite Frage in diesem Zusammenhang: Können Sie noch einmal sagen, auf welchen Vorarbeiten von Herrn de Maizière die jetzt amtierende Verteidigungsministerin bei der Attraktivitätssteigerung für die Truppe und in den Kasernen aufgebaut hat? Hat sie also sozusagen nur einen grünen Haken darunter gemacht, oder musste sie bei null anfangen?

Gerhartz: Zu dem ersten Teil Ihrer Frage: Da ich nicht den Willen und die Absicht dieser Redaktion kenne, kann ich auch nicht erklären, ob das dem Willen und der Absicht der Ministerin entspricht.

Zusatzfrage: Hat sie es also auch nicht befördert? Das hat man ja häufig, dass man sich dann inoffiziell mit Herrn Anda oder der "Bild"-Zeitung in Verbindung setzt und dann eine Geschichte platziert. War dass in diesem Falle ausnahmsweise nicht der Fall?

Gerhartz: Ich finde, ich habe zu dieser Sache alles gesagt, was es aus meiner Sicht zu sagen gibt.

Zum zweiten Teil Ihrer Frage: Die Attraktivitätsagenda - es wurde von uns ja auch schon mehrmals veröffentlicht, dass wir seit Januar daran arbeiten - fußt aber natürlich, und das kann auch nicht anders sein, auf der Neuausrichtung der Bundeswehr. Wenn Sie so wollen: Natürlich, und das hat unsere Ministerin auch immer wieder betont, ist diese Bundeswehrreform auch Teil dieser Agenda; sonst könnten wir sie gar nicht umsetzen. Wir wollen keine Reform in der Reform. Das heißt, die Reform ist auch so abzuschließen. Damit kann man letztlich auch bei der Attraktivitätsagenda auf das Sockelmodell des Vorgängers zur Neuausrichtung der Bundeswehr setzen.

Zusatzfrage: Es sind ja einige Millionen, die in die Kuschelzimmer in den Kasernen investiert werden, mit Flachbildschirmen usw. Woher kommt das Geld? Muss das Frau von der Leyen selbst erwirtschaften, oder ist das genehmigtes, vorhandenes, tatsächliches Geld, das ab sofort fließen kann?

Gerhartz: Grundsätzlich bleibe ich bei meiner Linie: Ich werde die Inhalte nicht kommentieren, da wir sie ja erst später veröffentlichen werden. Ich weiß eben auch nicht, was der "Bild"-Zeitung vorliegt.

Zu dem finanziellen Rahmen: Wir haben immer wieder betont, dass wir mit den Maßnahmen außerhalb des Artikelgesetzes, das ja im Koalitionsvertrag verankert worden ist, innerhalb unseres Plafonds des Haushalts des BMVg bleiben werden.

Zuruf: Das heißt auf Deutsch, es gibt kein zusätzliches Attraktivitätsgeld von Schäuble.

Gerhartz: Ich habe gesagt, die untergesetzlichen Maßnahmen bewegen sich im Rahmen des Plafonds. Über das Artikelgesetz ist zu einer späteren Zeit zu entscheiden.

Zusatzfrage: Wahrscheinlich bin ich der Einzige, der es nicht versteht. Nehmen wir einmal eine Summe von x Millionen an, die das Ding kostet. Woher kommt das Geld? Steht das Geld jetzt schon im Haushalt zur Verfügung, oder muss darüber noch einen Gesprächsprozess in Gang gesetzt werden?

Gerhartz: Ich will es noch einmal zu erklären versuchen: Nehmen wir einmal das Ding; das ist die Agenda. Die Agenda besteht aus zwei Teilen. Der eine sind die Maßnahmen - nennen wir sie einmal untergesetzliche Maßnahmen -, die jetzt zunächst als Agenda beschlossen werden und hinsichtlich derer es auch in absehbarer Zeit eine Veröffentlichung durch uns geben wird. Der zweite Schritt in dieser Attraktivitätsagenda ist ein sogenanntes Artikelgesetz. Das ist natürlich noch mit den Ressorts abzustimmen. Ich kann hier auch keine Aussagen zu den möglichen finanziellen Linien treffen. Zum ersten Teil dieser Agenda kann ich das schon, und das haben wir auch immer wieder gesagt, nämlich dass das im Rahmen unseres Plafonds des Verteidigungshaushalts abzuwickeln ist.

Frage: Zum G7-Gipfel: Herr Streiter, es gibt das Gerücht, Herr Putin werde nach Brüssel kommen. Hat die Bundesregierung irgendetwas in dieser Art gehört?

SRS Streiter: Ich habe, glaube ich, ausdrücklich von einem G7-Treffen gesprochen.

Zusatz: Er kann ja als Gast kommen.

SRS Streiter: Damit ist die Frage schon beantwortet.

Frage: Ich habe eine Frage an das Innenministerium und eine Frage an das Außenministerium. An das Innenministerium: Können Sie noch einmal aufschlüsseln, wie es jetzt tatsächlich um die Zahl der syrischen Flüchtlinge in Deutschland steht?

An das Außenministerium: Können Sie die Rechnung von Herrn Steinmeier bitte noch einmal erklären? Wie kommt er auf die Zahl von insgesamt 30.000? Bezieht er sich bei den 10.000 auf diese von Bund und Ländern eventuell demnächst zu beschließenden 10.000? Bezieht er diese Programme der Bundesländer dabei mit ein?

Neymanns: Die Zahlen hinsichtlich der syrischen Flüchtlinge kann ich Ihnen gerne nennen: Bislang sind nahezu 40.000 syrische Staatsbürger seit 2011 nach Deutschland gereist. Es gibt zwei Bundesprogramme; die sind bekannt. Das eine, die Aufnahmeanordnung vom 30. Mai, umfasst 5.000 Syrer und logischerweise Syrerinnen, und die zweite Aufnahmeanordnung stammt vom 23. Dezember 2012. Das erste Kontingent von 5.000 Syrern, also das aus der ersten Aufnahmeanordnung, ist ausgeschöpft. Im Rahmen des zweiten Programmes sind 400 Personen bereits eingereist. Zwei Drittel der Personen, die über das zweite Programm hierhin kommen sollen, sind identifiziert und bereiten die Einreise jetzt vor.

Über diese 10.000 aus dem Bundesprogramm hinaus gibt es Länderprogramme von 15 Ländern. Darüber sind 4.500 Visa erteilt worden.

Schäfer: Die Zahlen, die der Kollege aus dem BMI genannt hat, sind auch aus unserer Sicht absolut zutreffend. Ich glaube, man muss - das macht die Rechnerei und die Zählerei etwas schwierig - unterscheiden, und so hat es der Kollege ja gerade auch gesagt, nämlich zwischen der Zahl der erteilten Visa und der Zahl der tatsächlich eingereisten Personen. Da gibt es nämlich einen Unterschied, zumindest im Zeitablauf.

In der Tat hat der Außenminister gestern auf Beratungen über eine mögliche Ausweitung von Kontingenten hingewiesen, die derzeit zwischen der Bundesregierung und den Bundesländern laufen. Dazu sind noch keine Entscheidungen getroffen worden; die Beratungen laufen. Der Minister hat sich heute Morgen in einem Flüchtlingslager bei Beirut im Libanon dazu geäußert und gesagt, er wünsche sich angesichts der Eindrücke, die er und seine Delegation in diesem Flüchtlingslager gewonnen hätten, dass es in absehbarer Zeit Entscheidungen über eine weitere Aufnahme syrischer Flüchtlinge in Deutschland gäbe.

Zusatzfrage: Aber wie kommt er dann auf insgesamt 30.000?

Schäfer: Das mit den Zahlen ist, wie gesagt, furchtbar kompliziert. Wenn man unter all das, was der Kollege aus dem Innenministerium gerade beschrieben hat, einen Strich zieht - mit den Fragezeichen, die es hinsichtlich der Differenz zwischen der Zahl der erteilten Visa einerseits und der Zahl der tatsächlichen Einreisen andererseits gibt - und wenn man dann noch die einigermaßen hohe, fünfstellige Zahl von syrischen Staatsangehörigen hinzurechnet, die in den letzten drei Jahren, also während des laufenden Bürgerkriegs, in Deutschland als Asylbewerber Aufnahme gefunden haben und auch nicht abgeschoben werden, dann kommt man insgesamt auf eine Zahl, die sich zwischen 30.000 und 40.000 Personen bewegt.

Neymanns: Ich würde gerne noch zu dem, was Herr Schäfer gesagt hat, etwas ergänzen.

In der Tat verhandeln wir gerade mit den Ländern, wie es weitergeht, ob es ein drittes Programm gibt. Es ist zu erwarten, dass bei der kommenden Sommer-Innenministerkonferenz, die am 12. und 13. Juni stattfindet, dazu eine Entscheidung getroffen werden wird. Über die Höhe etc. kann ich derzeit nichts sagen.

Frage: Vielleicht habe ich es nur nicht verstanden. Können Sie noch einmal sagen, wie viele eingereiste Personen insgesamt in Deutschland sind und wie viele erteilte Visa es zusammengerechnet gibt?

Neymanns: Das kann ich so aufgeschlüsselt nicht sagen. Ich kann Ihnen sagen, dass nahezu 40.000 Syrer seit 2011 eingereist sind. Einige Visa sind erteilt worden, die sicherlich über die Zahl hinausgehen. Wie viele es sind, kann ich nicht genau aufschlüsseln. Die Zahl von 40.000 Eingereisten ist ja durchaus beeindruckend, wenn man einmal den europäischen Vergleich sieht.

Ich kann ergänzend sagen, dass wir sehr viel vor Ort unterstützen. Insgesamt betrug Deutschlands Unterstützung in der Syrien-Krise seit 2012 ungefähr 520 Millionen Euro, davon 290 Millionen Euro humanitäre Hilfe vor Ort, strukturbildende Übergangshilfe, bilaterale Unterstützung, die aus dem BMZ kommt, mit einem Volumen von 163,9 Millionen Euro. Man muss darauf hinweisen, dass die Bundesregierung über diese Zahlen der Flüchtlinge hinaus, die wir in Deutschland aufnehmen, sehr viel vor Ort macht, um die Situation vor Ort zu verbessern.

Frage: Herr Schäfer, wenn ich es richtig gelesen habe, hat der Minister von einer Hilfe von 100 Millionen Euro gesprochen, die bisher geflossen sind. Jetzt haben wir gerade die Zahl 500 Millionen Euro gehört, ich hatte auch schon 350 Millionen Euro gehört. Können Sie das auch noch einmal aufklären? Danke!

Schäfer: Die Zahlen, die Ihnen gerade das Innenministerium genannt hat, sind zutreffend. Die Summe über den gesamten Zeitraum der Auseinandersetzungen, über die wir reden, beläuft sich auf deutlich über 500 Millionen Euro. Darin sind etwas weniger als 300 Millionen Euro aus dem Haushalt des Auswärtigen Amtes für humanitäre Hilfe enthalten. Diese Mittel umfassen Unterstützung für die Flüchtlinge, die in Syrien vertrieben worden sind, aber auch für die Flüchtlinge, die sich in den Nachbarregionen um Syrien herum aufhalten, insbesondere im Libanon und in Jordanien. Darüber hinaus gibt es erhebliche Mittel aus der sogenannten strukturbildenden Übergangshilfe, die aus dem BMZ gekommen sind. Diese Mittel werden über multilaterale oder bilaterale Kanäle verteilt und umgesetzt. Da sind VN-Organisationen am Werk, da sind auch jede Menge deutsche Hilfsorganisationen im Einsatz, die mit den Mitteln, die die Bundesregierung zur Verfügung gestellt hat, das Beste tun, um diesem grausamen Schicksal der vielen Millionen Flüchtlinge irgendwie Hilfe entgegenzusetzen.

Zusatzfrage: Eines verstehe ich noch nicht so ganz: Die Not ist ja groß, was auch unstrittig ist. Warum nimmt Deutschland nicht mehr Flüchtlinge auf? Die Frage richtet sich an das Innenministerium. Allein der Libanon hat eine Million Flüchtlinge bei vier Millionen Einwohnern aufgenommen. Gut, das ist eine andere geografische Lage. Aber Deutschland - ich sage es jetzt einmal so - tut sich ein bisschen schwer. Woran liegt das? Sind das bürokratische Hürden? Finanzielle Hürden können es ja offenbar nicht sein.

Neymanns: Die Aussage möchte ich so ungerne stehenlassen. Wir engagieren uns, wie Herr Schäfer, glaube ich, eindrucksvoll geschildert hat, sehr in der Region. Es gibt 40.000 syrische Einreisende, davon 10.000 perspektivisch über die beiden Bundesprogramme, wenn das zweite Programm voll ist. Wir haben über die Länderprograme dann, wie gesagt, 4.500 erteilte Visa, also auch eine nennenswerte Zahl. Gerade im europäischen Vergleich sind wir sehr gut, wobei ich Ihnen die Vergleichszahlen erst im Nachgang übermitteln kann. Ich habe sie nicht dabei. Deutschland wird seiner Verantwortung durchaus gerecht. Wir verhandeln, wie auch schon dargestellt, gerade mit den Ländern über ein neues drittes Aufnahmeprogramm. Auch darüber - ich muss mich wiederholen - ist die Entscheidung für den 12. und 13. Juni geplant und dann wird sie sicherlich auch getroffen werden.

Schäfer: Die humanitäre Katastrophe in Syrien sprengt alle Dimensionen. Das, was wir dort an menschlichen Schicksalen erleben, ist nicht mehr weit entfernt von einem zweistelligen Millionenbetrag von Menschen, die unter diesem Bürgerkrieg massiv leiden; einmal ganz abgesehen von den wahrscheinlich inzwischen 170.000 Toten. Dass das die internationale Gemeinschaft vor Herausforderungen finanzieller Natur, logistischer Natur, auch im Hinblick auf die Aufnahme stellt, darf niemanden überraschen. Ich bin der festen Überzeugung, dass die Bundesregierung ihrer Verantwortung bislang gerecht geworden ist. Mehr als eine halbe Milliarde Euro spricht eine deutliche Sprache. Es gibt kein Land und keine Krise, die jemals in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland so viel humanitäre Hilfe in wenigen Jahren auf sich gezogen hat, wie das in Syrien der Fall ist.

Sie haben Recht, Herr Lange, wenn Sie sagen, dass das nicht ausreichen mag. Das ist der Bundesregierung bewusst. Wir werden selbstverständlich aus dem laufenden Haushalt unsere Unterstützungsmaßnahmen fortsetzen und, wo immer möglich, auch ausbauen. Das gilt auch für die Verantwortung, die Deutschland bei der Aufnahme von Flüchtlingen hat. Der Kollege aus dem BMI hat das geschildert. Wir haben überhaupt keinen Grund, uns in irgendeiner Art und Weise zu verstecken, gerade im Vergleich zu unseren europäischen Partnern. Wir werden auch weiter unserer Verantwortung gerecht werden.

Im Übrigen werden wir weiter daran arbeiten - das ist auch einer der Gründe, warum Außenminister Steinmeier sich derzeit in der Region aufhält - , nach Ansätzen dafür zu suchen, dass bezüglich der eigentlichen Ursache für diese humanitäre Katastrophe, nämlich der Bürgerkrieg in Syrien, Ansatzpunkte gefunden werden, um irgendwie zumindest im Kleinen und später auch im Größeren dabei Erfolg zu haben, die Dimension der Gewalt zurückzunehmen, sodass die Leute eben nicht mehr um Leib und Leben fürchten, das Land oder ihre Heimat verlassen müssen. Dafür steht die Bundesregierung und dafür setzt sich auch der Außenminister wirklich mit aller Kraft sein.

Frage: Herr Schäfer, verstehe ich es richtig, dass die Initiative für dieses dritte Programm von der Bundesregierung und nicht von den Ländern ausgeht? Es klang bei Ihnen ein bisschen, als wenn die Länder noch überzeugt werden müssten.

Meine zweite Frage: Ihr Minister hat ja gestern nach Agenturberichten davon gesprochen, die Bundesregierung habe bereits entschieden, dass 10.000 weitere Flüchtlinge aufgenommen werden sollen. Darf man das so verstehen, dass zumindest die Position der Bundesregierung klar ist, dass das also ihre Position ist, mit der sie in die Verhandlungen mit den Ländern geht?

Schäfer: Ich habe für das Auswärtige Amt überhaupt keine Kritik an der Haltung der Bundesländer zu üben. Ganz im Gegenteil. Auch die Bundesländer zeigen ein hohes Maß an Bereitschaft, sich dieser humanitären Katastrophe zuzuwenden.

Im Übrigen ist ja auch so, dass, wenn es ein Aufnahmeprogramm des Bundes geben sollte, diese Menschen irgendwo untergebracht werden müssen. Ich wüsste nicht, dass es auf deutschem Boden ein Hoheitsgebiet gibt, das nicht irgendeinem Bundesland zugehörig wäre. Insofern gilt auch für die Aufnahmekontingente des Bundes, dass selbstverständlich die Länder tatkräftig mitwirken. Alle tragen dazu bei, dass Deutschland international und den Menschen gegenüber seiner Verantwortung gerecht werden kann.

Der Außenminister hat heute Morgen noch einmal bei seinem Besuch in einem Flüchtlingslager für syrische Flüchtlinge in der Nähe von Beirut deutlich zum Ausdruck gebracht, dass es aus seiner Sicht ein richtiges Signal wäre, wenn der Bund und die Länder sich in Kürze darauf einigen würden, die Kontingente zu erhöhen.

Zusatzfrage: Wie kommt die Zahl 10.000 zustande?

Schäfer: Ich glaube, es macht jetzt keinen Sinn, vorweg über Zahlen zu spekulieren. Das sollten wir, glaube ich, den Verhandlungen, die zurzeit laufen, überlassen.

Frage: Eine Frage an das Bundesjustizministerium. Wie geht Ihr Haus mit Appellen an den Minister um, im Fall Snowden auf den Generalbundesanwalt einzuwirken, um Ermittlungen zu starten?

Malachowski: Bislang hat der Generalbundesanwalt seine Entscheidung in dem Fall noch nicht bekanntgegeben. Diese Entscheidung werden wir abwarten. Sie soll nach seiner Aussage auch mit einer Begründung versehen werden, die wir prüfen und auswerten werden. Zum jetzigen Zeitpunkt, also heute, ist es noch zu früh, sich dazu zu positionieren.

Zusatzfrage: Das heißt, Sie schließen auch nicht aus, dass dieser Fall eintreten könnte?

Malachowski: Welcher Fall genau?

Zusatz: Dass Ihr Haus den Generalbundesanwalt zu etwas veranlasst, was er eigentlich nicht will.

Malachowski: Zu diesem Zeitpunkt kann ich das noch nicht bewerten. Wir müssen einfach abwarten, welche Entscheidung in Karlsruhe gefällt wird.

Zusatzfrage: Können Sie noch einmal sagen, welchen Ermessensspielraum Herr Range hat, wie sich also die rechtliche Gefechtslage aus Ihrer Sicht darstellt? Welchen Ermessensspielraum hat Herr Range, um Ermittlungen einzuleiten oder Ermittlungen auch nicht einzuleiten?

Malachowski: Herr Range prüft das Vorliegen der Straftat der geheimdienstlichen Agententätigkeit nach 99 StGB. Sie müssten sich an den GBA wenden, ob dort Ermittlungen aufgenommen werden. Wie das dort konkret geprüft wird, kann ich von hier aus nicht beurteilen.

Zusatzfrage: Unter welchen Umständen kann Herr Range denn Ihrer rechtlichen Einschätzung nach auf Ermittlungen verzichten, auch wenn die eigentlich geboten wären?

Malachowski: Die Formulierung "wenn sie eigentlich geboten wären" verstehe ich nicht so ganz. Wenn sie eigentlich geboten wären, würde ich davon ausgehen, dass Herr Range ein Ermittlungsverfahren anstrebt. Der konkrete Sachverhalt ist Herrn Range beziehungsweise dem Generalbundesanwalt als prüfender Stelle natürlich bekannter als er uns das ist. Deswegen kann ich das hier nicht kommentieren. Wir müssen einfach die Entscheidung des Generalbundesanwalts abwarten.

Zusatzfrage: Den Verweis auf öffentliche Interessen halten Sie dann eigentlich nicht für stichhaltig? Sie sagen: Da gilt eigentlich allein die Sachlage.

Malachowski: Das würde ich so sagen. Wir haben bislang immer gesagt, dass der Generalbundesanwalt in seiner Einschätzung frei ist und dass sie allein nach Gesetzeslage gefällt wird.

Frage: Ich habe Fragen zur Rente mit 63 an das Arbeitsministerium. Die "Süddeutsche Zeitung" berichtet heute, dass es zusätzliche Berechtigte für die abschlagsfreie Rente aus dem Kreis freiwillig Versicherter geben wird. Ich wüsste gerne, ob das richtig ist, wie sich das finanziell auswirkt und woher das Geld dafür kommt.

Küchen: Erst einmal vielen Dank für die Frage, da ich die Gelegenheit habe, das ein bisschen zu erläutern.

Sie haben Recht: Das geht auf Antworten unseres Hauses an den Abgeordneten Kurth zurück. Die 40.000 - das muss ich betonen - ist die maximale Obergrenze der Begünstigten. Das ist diese Einigung für die freiwillig Versicherten, die Sie vielleicht vom 19. Mai noch in Erinnerung haben. Es geht häufig um Handwerker, die früher pflichtversichert waren, sich dann selbstständig gemacht haben, es dann aber vorgezogen haben, Beiträge weiterzubezahlen. Dabei muss man betonen, dass es häufig darum ging, den Erwerbsminderungsschutz aufrechtzuerhalten.

Daraus leitet sich ab, dass sie insgesamt eigentlich keine hohen Rentenansprüche zu erwarten haben. Aber dieser Erwerbsminderungsschutz ist eben eine besondere Leistung. Man muss ganz klar sagen: Von den 40.000, die potentiell profitieren könnten, sind nicht notwendigerweise alle daran interessiert, diese Regelung auch so in Anspruch zu nehmen. Sie haben einfach immer nur einen Mindestbeitrag gezahlt. Das sage ich, um das ein bisschen erklären.

Was die Kostenwirkung angeht, können wir die Rechnung, die Herr Kurth dort aufgemacht hat, nicht nachvollziehen. Wir gehen im ersten Jahr - und auch nur, wenn man davon ausgeht, dass quasi alle, von denen wir ausgehen, sprich die 40.000, diese Regelung so für sich nutzen - von zusätzlichen Kosten von 150 Millionen Euro aus. Jetzt kann man das noch einmal auf vier Jahre strecken. Dann gibt es eine gewisse Häufung über die nächsten Jahre. Aber die eine Milliarde Euro ist zu hoch gegriffen; das muss man klar sagen.

Zur Finanzierung kann ich momentan schlicht noch nichts sagen. Die Information liegt mir noch nicht vor und müsste ich nachreichen.

Frage: Ich hätte eine Frage an das Verkehrsministerium. Es gab einen Bericht des Magazins "Report Mainz", demzufolge bei der Reichsbahn der DDR politische Gefangene zur Zwangsarbeit gezwungen worden seien. Leitet sich aus Sicht des Ministeriums daraus irgendeine Handlungsnotwendigkeit in der Gegenwart ab, was die Deutsche Bahn AG heute angeht?

Strater: Ich habe den Beitrag gestern auch gesehen. Man muss sagen, dass dort auf eine Forschungsstudie Bezug genommen wird, die bisher unveröffentlicht ist. Auf der Internetseite des ARD-Magazins habe ich gelesen, dass die Studie am 16. Juni veröffentlicht werden soll. Man muss das zunächst einmal abwarten. Diese Studie liegt uns nicht vor. Erkenntnisse zu diesem speziell dort angesprochenen Sachverhalt haben wir momentan auch nicht.

Natürlich begrüßen wir jede Form der wissenschaftlichen, zeitgeschichtlichen Aufarbeitung des DDR-Unrechts. Man muss sich aber die Forschungsergebnisse im Einzelnen ansehen, um jetzt Stellung dazu zu nehmen, was sich daraus ableitet. Das ist aus der Lamäng jetzt sicher noch verfrüht.

Frage: Ich hätte eine Frage an das Wirtschaftsministerium, und zwar gibt es einen Bericht, dass Pistolen aus deutscher Produktion nach Kolumbien geliefert worden seien, und zwar über den Umweg über die USA. Der Export war in die USA genehmigt worden, nun sind die Waffen offenbar weitergeliefert worden. Meine Frage an Ihr Haus: Reicht eigentlich dieses Endverbleibszertifikat aus oder muss man das möglicherweise in irgendeiner Form verschärfen? Das ist ja die Begründung dafür, dass seinerzeit dieser Export genehmigt worden ist.

Dünow: Vielen Dank für die Frage. Ich habe zu dem ganzen Komplex in der letzten Regierungspressekonferenz schon kurz Stellung genommen.

Das zuständige Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) ist von uns beauftragt worden, den Sachverhalt lückenlos aufzuklären. Es ist vollkommen klar: Die sogenannte Endverbleibserklärung, die jeder Exporteur von Rüstungsgütern abgeben muss, ist ein wirklich tragendes Element der ganzen Rüstungsexportkontrollpolitik. Es wäre jetzt aber definitiv zu früh, darüber zu spekulieren, welche Konsequenzen man aus diesem Einzelfall ziehen kann. Das muss erst einmal aufgeklärt werden, und dann werden wir weitersehen.

Zusatzfrage: Aber nach Kolumbien direkt hätten Sie eine Lieferung nie und immer genehmigt. Verstehe ich das richtig?

Dünow: Ja, das verstehen Sie richtig.

Zusatzfrage: Wissen Sie denn, um wie viele Waffen es sich handelt?

Dünow: Nein. Wir haben von diesem Fall vorgestern Abend durch die Berichterstattung des NDR erfahren, wenn ich das richtig im Kopf habe. Das müssen wir jetzt erst einmal aufklären. Sobald wir mehr wissen, werden wir darüber unterrichten.

Frage: Ich hätte gerne die Bundesregierung nach einer Bewertung zur Eurasischen Wirtschaftsunion gefragt, die gestern offiziell ins Leben gerufen wurde. Dass sie kommt, hatte sich ja nun schon angedeutet. Der Zeitpunkt kam aber ein wenig überraschend. Ist das nach Einschätzung der Bundesregierung etwas, was sich als Gegenwicht zur Europäischen Union entwickeln kann, oder ist das mehr eine strategische Entscheidung Putins? Wie bewerten Sie das?

SRS Streiter: Wenn Sie mich gefragt haben sollten, würde ich Ihnen darauf antworten, dass wir das zur Kenntnis genommen haben und dass es jedem Land freisteht, über eine Zukunft und damit beispielsweise die wirtschaftliche Assoziierung mit anderen Ländern zu entscheiden. Wichtig ist, dass derartige Entscheidungen ohne äußeren Druck fallen.

Das ist das, was ich Ihnen dazu sagen kann. Ich weiß nicht, ob Herr Schäfer noch mehr dazu sagen kann.

Schäfer: Herr Streiter spricht mir aus der Seele. Es ist das Recht der drei teilnehmenden Staaten, sich enger zusammenzuschließen. Dieses Recht machen wir niemandem streitig. Für uns ist es wichtig, dass die internationalen Regeln für den globalen Handels- und Investitionsverkehr, etwa bei der WTO, dabei eingehalten werden. Das verlangen zu Recht auch andere von uns in der Europäischen Union. Ansonsten ist es das gute Recht jeden Staates, sich wirtschaftlich, politisch oder in anderer Weise enger zusammenzuschließen.

Zu Ihrer prospektiven Frage, ob das einmal zu einer Europäischen Union des eurasischen Raums werden kann, können Sie jetzt nicht wirklich eine definitive Antwort erwarten. Ein großer deutscher Fußballer würde dazu sagen: Schaun mer mal!

*

Quelle:
Mitschrift der Pressekonferenz vom 30. Mai 2014
http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2014/05/2014-05-30-regpk.html;jsessionid=1C715ACB90BAA8BFB7C6996FAEBF5D56.s4t1
Presse- und Informationsamt der Bundesregierung
Dorotheenstr. 84, 10117 Berlin
Telefon: 030 18 272-0, Fax: 030 18 10 272-0
E-Mail: internetpost@bpa.bund.de
Internet: www.bundesregierung.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 2. Juni 2014