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PRESSEKONFERENZ/794: Regierungspressekonferenz vom 19. Mai 2014 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Im Wortlaut
Mitschrift der Pressekonferenz - Montag, 19. Mai 2014
Regierungspressekonferenz vom 19. Mai 2014

Themen: Glückwunsch der Bundeskanzlerin an den designierten indischen Ministerpräsidenten Narendra Modi zu seinem Wahlsieg, mögliche Neubesetzung des Postens des Rüstungsstaatssekretärs im BMVg, Medienberichte über eine sogenannte Drohnenofferte an die Bundesverteidigungsministerin, Verbindlichkeit von Vorabentscheidungen bei Rüstungsexporten, Besuch des türkischen Ministerpräsidenten in Köln, Rentenreform, Atomprogramm des Iran, Lage in der Ukraine, Europawahlen, Korruptionsvorwürfe gegenüber ehemaligen Bundestagsabgeordneten im Zusammenhang mit einem Rüstungsgeschäft, Kritik an den Verhandlungen der EU-Kommission über ein Freihandelsabkommen mit den USA

Sprecher: StS Seibert, Gerhartz (BMVg), Modes (BMWi), Dimroth (BMI), Ehrentraut (BMAS), Schäfer (AA)



Vorsitzender Detjen eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt StS Seibert sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

StS Seibert: Guten Tag! Ich wollte Sie darüber informieren, dass die Bundeskanzlerin soeben telefonisch mit dem designierten indischen Ministerpräsidenten Narendra Modi gesprochen hat. Sie hat ihm ihren Glückwunsch zu einem sehr beeindruckenden Wahlsieg und zu einem beeindruckenden Mandat, das die indischen Wähler ihm und seiner Partei gegeben haben, ausgesprochen. Die Bundesregierung freut sich auf die Fortsetzung der sehr engen Zusammenarbeit zwischen unseren beiden Ländern. Die Bundeskanzlerin hat Herrn Modi nach Deutschland eingeladen. Das wollte ich Ihnen nur kurz kundtun.

Gerhartz: Zunächst möchte ich ganz kurz etwas zu den Berichten vom Wochenende zu einer Besetzung des sogenannten Rüstungsstaatssekretärspostens im BMVg sagen. Es wurde berichtet, dass dem Kabinett hierzu in Kürze eine Personalie vorgeschlagen werden würde. Das ist reine Spekulation. Es gibt hierzu keine geplante Kabinettsbefassung. Grundsätzlich gibt es zur Nachbesetzung dieses für die Rüstung zuständigen Rüstungsstaatssekretärspostens auch überhaupt gar keine Entscheidung. Das dazu.

Dann zum Thema Drohnen: Ebenfalls gab es einige Artikel darüber, dass der Verteidigungsministerin eine sogenannte Drohnenofferte überreicht worden wäre, und zwar letzten Donnerstag. Dazu ist zunächst anzumerken, dass unsere Ministerin letzten Donnerstag beim KFOR-Truppenbesuch im Kosovo war. Ich habe sie selbst dorthin begleitet, und das wäre mir, glaube ich, aufgefallen. Dem ist also nicht so. Man hat ihr nicht dort und auch nicht im BMVg eine solche Offerte überreicht.

Um hier Spekulationen vorzubeugen: Die Ministerin hat letzten Mittwoch eine ca. zehnköpfige Delegation des BDSV - das ist der Bundesverband der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie -, also hochrangige Vertreter dieser Industrie, empfangen. Auch dabei wurde ebenfalls nicht über eine solche Drohnenofferte - ich nenne sie jetzt einmal so - gesprochen.

Was es allerdings gibt, ist ein Vorschlag von drei europäischen Rüstungskonzernen zu einer gemeinsamen Definitionsphase für ein unbemanntes Luftfahrzeug, also nicht ein Angebot für ein bestimmtes Produkt, sondern ein Angebot für eine gemeinsame Definitionsphase, die man auch als Studie bezeichnen könnte. Dieser Vorschlag wurde letzten Freitag auf Fachebene im BMVg eingereicht und bezieht sich auf eine altbekannte Initiative der europäischen Industrie aus dem Herbst letzten Jahres. Das wurde also im Herbst letzten Jahres bereits in ähnlicher Art und Weise eingereicht und jetzt, am letzten Freitag, noch einmal auf der entsprechenden Fachebene. Das kann ich bestätigen; das gibt es.

Frage: Herr Seibert, ich habe eine kurze Nachfrage zu dem Telefonat mit dem designierten Ministerpräsidenten: Hat Frau Merkel nach dieser Wahl auch mit dem von ihr, glaube ich, persönlich sehr geschätzten Vorgänger, der jetzt herausgewählt wurde, Herrn Singh, gesprochen?

StS Seibert: Nein, ein solches Telefongespräch hat es seit der Wahl noch nicht gegeben.

Frage: Zu den Drohnen hätte ich ganz gerne einmal etwas gewusst, damit da keine falschen Interpretationen aufkommen: Bezieht sich dieses Angebot für eine Studie, das jetzt eingereicht wurde, allein auf eine Aufklärungsdrohne, oder hat das auch Komponenten einer Studie für eine wie auch immer geartete Kampfdrohne?

Gerhartz: (Beginn ohne Mikrophon; akustisch unverständlich) Es wird MALE 2020 genannt. Das heißt, wir schauen hier in die Zukunft.

In dieser Definitionsphase geht es primär um eine reine Aufklärungsdrohne und in einer weiteren Betrachtung eben auch um Bewaffnungsoptionen. Das ist aber, wie gesagt, ein Vorschlag hinsichtlich einer Definitionsphase vonseiten der Industrie. Für uns ist primär die Aufklärungsdrohne wichtig, wobei wir diesbezüglich jetzt natürlich keinen Entscheidungsdruck haben. In Afghanistan haben wir ja die Drohne "Heron 1" im Einsatz, und die wird auch noch bis 2015 dort bleiben können. Wir haben optional auch immer die Möglichkeit, diesen Vertrag zu verlängern, sodass wir diese wichtige Fähigkeit der Aufklärung durch eine Drohne in Afghanistan auch erhalten werden.

Frage: Herr Gerhartz, Sie sagten ja, in ähnlicher Weise sei Ihnen das bereits im Herbst offeriert worden. Wenn Sie diese Offerte schon seit einem halben Jahr vorliegen haben, haben Sie die denn schon einmal bewertet? Sind Sie also schon zu einem Schluss gekommen? Halten Sie das für ein gutes, nachdenkenswertes Angebot, oder kommt das für Sie nicht weiter infrage? Haben Sie es in die Schublade gelegt?

Gerhartz: Gute Frage! Ich möchte gerne noch einmal kurz auf den Koalitionsvertrag zurückkommen. Darin sind ja zwei Linien angelegt, zum einen die Entwicklung einer solchen Technologie auf europäischer Ebene. Das ist ja letztlich auch die Basis dieses Vorschlags, eben gegebenenfalls europäisch so eine Entwicklung anzustreben. Die andere Linie ist die, dass eben vor der Entscheidung über die Drohne eine breite gesellschaftliche Debatte hinsichtlich einer Bewaffnung zu führen ist. Man hat vor, diese Debatte im Sommer im Parlament zu führen.

Zur ersten Linie: Diese Bestrebungen, uns im europäischen Rahmen Gedanken hinsichtlich gemeinsamer Forderungen zu machen, sind nicht neu für uns. Von daher war dieser Vorschlag, der jetzt von drei Rüstungskonzernen offeriert worden ist, eher eine Ergänzung. Wir befinden uns mit Frankreich hierüber schon seit Jahren in einer, wie man das auch bezeichnen könnte, gemeinsamen Definitionsphase, indem wir hier gemeinsam Forderungen für eine zukünftige Entwicklungslösung besprechen und diskutieren und uns dann auf einen Weg einigen.

Zusatzfrage: Begrüßen Sie das nun, oder nehmen Sie das zur Kenntnis? Gibt es also irgendeine Bewertung von Ihrer Seite?

Gerhartz: Ich kann jetzt, weil der Vorschlag ja in konkreterer Weise erst am letzten Freitag eingereicht worden ist, jetzt noch keine Bewertung dieser Offerte vornehmen. Wir haben sie erst jetzt in dem Umfang vorliegen, dass überhaupt eine Bewertung möglich ist.

Grundsätzlich - das wollte ich vorhin mit dieser Linie ausdrücken - ist es natürlich zu begrüßen, dass wir hier mit den Industrien, aber auch mit anderen Ländern an einen Tisch gehen, uns Gedanken über zukünftige Lösungen machen und unsere Forderungen abstimmen. Ich denke, dass es zum einen im Interesse der Streitkräfte liegt, dass wir hier etwas haben, das interoperabel ist und Anforderungen an die Fähigkeiten erfüllt, aber dass es zum anderen auch im Interesse ist, dass hier möglichst wirtschaftlich eine gemeinsame Entscheidung gefällt wird.

Frage: Ich habe jetzt immer noch nicht ganz verstanden, wie Sie mit diesem Vorschlag umgehen. Werden Sie den jetzt prüfen und denen dann eine Antwort geben, oder bleibt es jetzt sozusagen im Rahmen allgemeiner Betrachtungen, ob man so ein Ding irgendwann brauchen wird oder nicht? Das ist die eine Frage.

Die zweite Frage ist: In welcher Weise steht das in Beziehung zu den bisherigen Projekten? Wenn ich mich recht erinnere, gibt es ja noch irgendeine Prüfungsphase, in der eben die Ersatzlösung für den "Euro Hawk" gefunden werden soll. Steht das eine sozusagen mit dem anderen in irgendeiner Verbindung?

Dritte Frage: In welcher Phase befindet sich derzeit diese Prüfung der Rüstungsvorhaben in Ihrem Rüstungsboard, die von Ihrer Ministerin ja sozusagen als bisher nicht vollständig oder befriedigend angesehen wurde?

Gerhartz: Lassen Sie mich versuchen, die Linien noch einmal auseinanderzuziehen, wobei sie natürlich auch ineinander übergehend sind.

Zuerst einmal, mit dem zweiten Teil Ihrer Frage anfangend, zum mittleren Teil, der Frage nach dem "Euro Hawk": Ich denke, wenn wir hier über diese - nennen wir sie noch einmal so - Drohnenofferte und diesen Vorschlag hinsichtlich einer gemeinsamen Definitionsphase sprechen, dann hat das mit der Technik des "Euro Hawk" oder mit einem möglichen signalerfassenden Luftfahrzeug, wofür der "Euro Hawk" ja eine Lösung wäre, nichts zu tun. Das müssen wir davon trennen. Das geht ja schon aus der Überschrift MALE hervor. Es geht also um ein in "medium altitude", also mittlerer Höhe, fliegendes System, nicht um die Fähigkeit signalerfassender Aufklärung mit dem "Euro Hawk".

Zum ersten Teil der Frage: Ja, wir prüfen das. Grundsätzlich sehen wir das - das wollte ich damit vorhin zum Ausdruck bringen - aber auch in keiner Weise von der Art und Weise abweichen, in der wir jetzt schon seit Jahren vorgehen. Im Grunde genommen sind wir mit Frankreich - nennen wir es eine Definitionsphase oder Studie oder Forderungsphase - schon seit längerer Zeit in diesem Prozess. Jetzt kommt mit Alenia Aermacchi noch eine italienische Firma hinzu. Wir werden das prüfen. Wir werden auch mit unseren Partnern, die zu diesen einzelnen Mutterindustrien, wie ich sie jetzt einmal nenne, gehören, in den Dialog eintreten. Aber ich kann nichts dazu sagen, in welche Richtung wir dabei gehen werden, was der "outcome" sein wird und auf welcher Zeitlinie wir uns letztlich bewegen.

Das bringt mich dann zum letzten Teil Ihrer Frage. Hierbei ging es konkret um die Überbrückungslösung. Das heißt, wir haben ja die jetzige Zwischenlösung "Heron 1", wie vorhin schon ausgeführt, in Afghanistan im Einsatz. Hierbei haben wir auch überhaupt keinen Zeitdruck. Wir können das verlängern, solange wir das in Afghanistan benötigen. Das erfüllt auch die Forderungen an die Fähigkeiten, die wir dort benötigen. In den Projektsteckbriefen der Rüstung ging es dann eben um die weitere Entwicklung, hierbei insbesondere dann auch um die Überbrückungslösung. Das wird sich jetzt im Laufe des Jahres entscheiden. Es ist richtig, wie Sie schon sagten, dass die von der Ministerin zunächst aufgrund fehlender Transparenz abgelehnt wurde. Wir wollen uns Experten für eine Beratung und Überprüfung ins Haus holen. Ich denke, etwa im Laufe des Junis beziehungsweise bis Ende Juni müsste dann auch feststehen, welche Firma beziehungsweise welcher Konzern das machen würde. Dann werden sich die weiteren Zeitlinien daraus ergeben.

Zusatzfrage: Ich habe noch eine Nachfrage zum "Euro Hawk" und zur Überbrückungslösung. Wenn ich es richtig in Erinnerung habe, dann ist ja dabei als eine Möglichkeit auch eine Drohne mittlerer Flughöhe im Gespräch, nicht nur eine HALE, sondern auch eine MALE.

Gerhartz: Stimmt, das ist korrekt. Ich würde das aber dennoch von dieser Offerte und dieser Fähigkeitsbetrachtung trennen, weil eben die Fähigkeit dahinter steht. Ja, es könnte sein, dass sich dieselben Plattformen ergeben. Da aber die Fähigkeiten, die dahinter stehen und die damit zu erfüllen sind, ganz andere wären, möchte ich "Euro Hawk", auch wenn das als ein MALE-System vielleicht auch eine mögliche Lösung wäre, doch inhaltlich von dieser Offerte trennen.

Frage: Ich hätte eine Frage an Frau Modes beziehungsweise Herrn Dimroth. Es geht um die Verbindlichkeit von Vorabentscheidungen bei Rüstungsexporten. Herr Gabriel, Frau Modes, sagte in der "Bild am Sonntag", die von ihm bewilligten Rüstungsexporte seien Entscheidungen der Vorgängerregierungen gewesen, die er nicht mehr habe rückgängig machen können. Herr Dimroth, Ihr Minister hat in Karlsruhe am 15. April genau das Gegenteil gesagt, nämlich dass die Zusagen bei Vorabanfragen gerade nicht verbindlich seien und es jeder neuen Regierung freistehe, die Entscheidungen über Rüstungsexporte noch einmal neu zu treffen, wenn die richtige Entscheidung dann ansteht. Könnten Sie diesen Widerspruch bitte einmal aufklären?

Modes: Das ist kein Widerspruch. Das, was Herr de Maizière vor dem Bundesgerichtshof gesagt hat, gilt und ist zutreffend. Die Aussage des Ministers bezieht sich auf einen anderen Sachverhalt. Am Freitag ging ja die Antwort auf eine Kleine Anfrage von Herrn van Aken heraus. Dabei geht es um die Zahl der genehmigten Rüstungsexporte von Januar bis April 2014. Darin haben wir gesagt, dass der weit überwiegende Teil der erteilten Genehmigungen für die Ausfuhren in die aufgeführten Drittländer auf Entscheidungen der jeweiligen Bundesregierungen aus den vergangenen Jahren zurückzuführen ist. Die größte Einzelposition einer erteilten Exportgenehmigung mit einem Volumen von 191 Millionen Euro betrifft Singapur. Hierbei handelt es sich um eine Bundeswehrabgabe, die auf Basis eines bereits abgeschlossenen, völkerrechtlichen Vertrags zwischen Deutschland und Singapur erfolgt ist. Das heißt, es handelt sich hierbei nicht um eine Voranfrage.

Zusatzfrage: Gilt das auch für die anderen Bewilligungen, die in diesem Zeitraum erteilt wurden?

Modes: Das sind die Informationen, die mir vorliegen und die ich Ihnen im Moment mitteilen kann. Sie wissen, dass sich das BMWi im Allgemeinen für eine größere Transparenz einsetzt. Allerdings ist das jetzt eine von der bisherigen Praxis abweichende Praxis, da wir bereits im Vorfeld des Rüstungsexportberichts über die Zahlen informieren. Mehrere Ausschüsse des Deutschen Bundestags werden nun aufgrund der beschlossenen erhöhten Transparenzvereinbarung zeitnah über die abschließenden Genehmigungsentscheidungen des Bundessicherheitsrats und seines Vorbereitungsausschusses informiert werden. Hierfür muss allerdings noch die Geschäftsordnung des Bundessicherheitsrats angepasst werden. Deswegen kann ich jetzt nicht weitere Details zu den Entscheidungen von Januar bis April 2014 nennen.

Zusatzfrage: Frau Modes, könnten Sie trotzdem noch einmal in Ihrem Haus nachfragen, ob in dem Restvolumen neben dem Singapur-Geschäft auch andere Geschäfte dabei gewesen sind, die Herr Gabriel bewilligt hat und für die bisher nur aufgrund von Voranfragen eine Zustimmung erteilt worden war?

Modes: Ja, ich kann gerne nachfragen. Wenn wir Ihnen dazu etwas mitteilen können, dann kann ich das nachreichen.

Dimroth: Es wurde ja gerade zutreffend ausgeführt, dass sich der Bundeswirtschaftsminister hierbei auf einen sehr spezifischen Sachverhalt bezogen hat, nämlich auf einen solchen, dem eine völkerrechtlich und vertraglich eingegangene Verbindung zugrunde lag. Dass darin rechtlich ein Unterschied zu der Entscheidung über Voranfragen zu sehen ist, spricht für sich. Insofern sehe ich auch keinen Widerspruch zu dem, was der Bundesinnenminister in Karlsruhe gesagt hat. Auch das steht.

Frage: Herr Seibert, parteiübergreifend ist Herr Erdogan aufgefordert worden, seinen Wahlkampfauftritt oder seinen Auftritt am Samstag in Köln abzusagen. Heute Morgen hat der CSU-Generalsekretär das noch einmal sehr apodiktisch als völlig inakzeptabel bezeichnet. Deswegen hätte ich gerne gewusst, ob die Bundesregierung Herrn Erdogan als Bundesregierung nahe gelegt hat oder nahe legen wird, diese Rede in Köln abzusagen.

StS Seibert: Das ist ja nicht der erste Auftritt des türkischen Ministerpräsidenten in Deutschland. So etwas hat es sowohl in Köln als auch in Berlin schon in der Vergangenheit gegeben. Wie bei den vorherigen Auftritten gilt, dass bei einem solchen Auftritt beziehungsweise einer solchen Rede vor sowohl türkischen als auch deutschen Staatsbürgern natürlich große Sensibilität walten muss, damit ein solcher Auftritt auch tatsächlich dem guten Zusammenleben hier dient und nicht das Gegenteil herbeiführt. Die Bundesregierung geht also davon aus, dass sich Ministerpräsident Erdogan mit Verantwortungsbewusstsein und Sensibilität dieses Auftritts widmen wird.

Zusatzfrage: Heißt das, der türkische Ministerpräsident wird von der Bundesregierung nicht aufgefordert?

Zweite Frage: Haben Sie denn bei den von Ihnen erwähnten Auftritten gute Erfahrungen hinsichtlich der Sensibilität gemacht?

StS Seibert: Die Erwartung, dass sensibel und verantwortungsvoll mit solchen Auftritten hier in Deutschland umgegangen wird, hat jedes Mal gegolten und gilt diesmal insbesondere, weil Sie ja auch wissen, dass dieser Auftritt jetzt zu einem Zeitpunkt vor wichtigen Wahlen in Deutschland und Europa und nach sehr kontroversen Ereignissen in der türkischen Innenpolitik kommt, der tatsächlich sehr speziell ist und auch sehr belastet ist. Darauf hat ja beispielsweise und richtigerweise auch Frau Özoguz hingewiesen. Das bringt mich wieder genau zu der Erwartung, dass sich der türkische Ministerpräsident der besonderen Verantwortung dessen, in diesem Augenblick in Köln aufzutreten, auch bewusst ist.

Zusatzfrage: Ich muss noch einmal präzise nachfragen: Schließt sich die Bundesregierung der Forderung der CSU also nicht an?

StS Seibert: Ich denke, dass ich es jetzt klar gesagt habe: Wir erwarten ein sensibles, verantwortungsbewusstes Auftreten, damit die Veranstaltung mit Ministerpräsident Erdogan am Ende tatsächlich zum guten Zusammenleben der Menschen hier in Deutschland beiträgt. Auch der Außenminister hat sich, glaube ich, heute schon in diesem Sinne dazu geäußert. Also gibt es dazu eine einheitliche Haltung der Bundesregierung.

Frage: Ich habe eine Frage an das Arbeitsministerium. Es gibt heute im "Focus" einen Bericht zur Rente mit 63 und dazu, dass von der EU-Kommission eine offizielle Rüge drohe, weil diese Rente mit 63 dem Euro-Plus-Pakt widerspreche. Was sagt das Arbeitsministerium dazu?

Ehrentraut: Wir wissen davon nichts. Wir kennen diesen "Focus"-Bericht vom Wochenende. Man muss dazu sagen: Das sind Spekulationen, die ich an dieser Stelle leider nicht kommentieren kann.

Frage: Die Frage bezieht sich nicht konkret auf die EU-Komponente, sondern auf die Rente mit 63. Herr Seibert, ist die Bundeskanzlerin eigentlich offen für eine Flexi-Rente, die jetzt ja aus Unionskreisen vorgeschlagen wurde? Sieht sie es genauso, dass man eine Art rollende Stichtagsregelung einführen muss, um einer Frühverrentungswelle entgegenzuwirken?

StS Seibert: Die Rentenmaßnahmen befinden sich im parlamentarischen Verfahren. Sie wissen, dass es darüber jetzt intensive letzte Gespräche gibt. Ich werde hier für die Bundesregierung nicht auf Einzelheiten eingehen. Warten Sie es noch ab, weil das jetzt tatsächlich zwischen den Parlamentariern und den Fraktionen geregelt wird!

Zusatzfrage: Wird sie darüber heute noch mit dem Vizekanzler und Bundeswirtschaftsminister reden?

StS Seibert: Da das Rentenpaket mit seinen verschiedenen Maßnahmen ein großes Projekt dieser Bundesregierung in der Anfangsphase dieser Legislaturperiode ist, können Sie davon ausgehen, dass die Bundeskanzlerin, der Vizekanzler und die involvierten Minister darüber sehr intensiv geredet haben.

Frage: Noch eine Frage zu dem Besuch von Herrn Erdogan. Begrüßt die Bundesregierung grundsätzlich, dass sich Herr Erdogan hier an seine türkischen Landsleute wendet?

Zweitens. Es wurde eben schon gefragt, und Sie haben ein bisschen ausweichend geantwortet. Er hat hier ja schon mehrere Reden gehalten, unter anderem hat er Assimilation als "Verbrechen" bezeichnet. Waren die bisherigen Reden so, dass sie dem gemeinsamen Ziel dienten, dass Türken und Deutsche besser zusammenleben?

StS Seibert: Auf den Punkt der Assimilation sind wir damals ja sehr klar eingegangen. Assimilation hat nichts mit der in diesem Land verfolgten Integrationspolitik zu tun. Die Gefahr besteht nicht, die Absicht besteht seitens der deutschen Politik nicht. Insofern haben wir diesen Punkt sehr schnell gemeinsam abhaken können.

Ich glaube, es lohnt sich, sich die einzelnen Reden, die der Ministerpräsident der Türkei hier gehalten hat, durchzulesen; ich will sie hier nicht analysieren. Für uns gilt: Der türkische Ministerpräsident, der Ministerpräsident eines Landes, das uns ein wirklich enger und wichtiger Partner ist, ist in Deutschland willkommen. Der Auftritt kommt zu einer sehr schwierigen, man könnte auch sagen belasteten Zeit. Die Gründe dafür habe ich genannt. Umso mehr gilt die Erwartung, dass der türkische Ministerpräsident seiner Verantwortung für Sensibilität auch gerecht wird.

Frage: Herr Schäfer, die vierte Verhandlungsrunde der E3+3 mit dem Iran verlief ohne ein greifbares Ergebnis. Wo hat es dieses Mal gehakt? Wie bewerten Sie generell die letzte Gesprächsrunde?

Schäfer: Es gab gar nicht die Erwartung, und zwar von keiner Seite, dass diese Verhandlungsrunde bereits konkrete Ergebnisse ergeben sollte, sondern es ging darum, konkret in Verhandlungen über spezifische Vereinbarungen einzusteigen. Wir haben noch im Juni und auch im Juli Gelegenheit, die Zeit zu nutzen, zu Ergebnissen zu kommen. Das, was bisher in den ersten vier Monaten und auch ausdrücklich in der letzten Woche in Wien geschehen ist, waren konstruktive, substanzielle und intensive Gespräche. Das wird im kommenden Monat fortgesetzt. Alle Beteiligten wissen, woran sie sind, wo die Verhandlungspositionen der Verhandlungspartner stehen und welche Hindernisse und Schwierigkeiten noch überwunden werden müssen. Wir sind noch nicht am Ende der Verhandlungen, schon gar nicht bei konkreten Ergebnissen. Aber dafür ist auch noch genügend Zeit.

Zusatzfrage: Bleibt es bei dem Ziel 28. Juli? Ist das noch realistisch?

Schäfer: Ja, es bleibt natürlich dabei. So ist es im November in Genf beim Abschluss der Vereinbarung besprochen und geklärt worden. Das ist sozusagen die Deadline, die wir uns gemeinsam gesetzt haben, bis zu der wir ein Ergebnis haben möchten.

Frage: Eine Frage an das Auswärtige Amt zum Thema Ukraine. Herr Ischinger, der für die runden Tische mitverantwortlich ist, hat heute im Deutschlandfunk gesagt, dass er glaubt, dass in weniger als zehn Prozent der Ukraine nicht gewählt werden kann. Ich hätte gerne vom Auswärtigen Amt gewusst, ob Sie diese Einschätzung teilen und ob Sie generell das Gefühl haben, dass es in den letzten Tagen eher eine Deeskalation im Osten der Ukraine gegeben hat.

Schäfer: Ich werde mich hier nicht auf Zahlen einlassen. Ich nehme auch nicht an, dass Herr Ischinger die Zahl zehn Prozent so gemeint hat, dass er das auf den Wähler genau hin definiert hat. Dafür ist die Lage im Osten der Ukraine einfach noch viel zu unsicher. Das lässt sich letztlich, glaube ich, nicht seriös vorhersagen.

Richtig ist, dass es Gemeinden, Ortschaften und auch Städte wie etwa Slawjansk gibt, in denen es aus jetziger Sicht nicht recht vorstellbar ist, dass dort Wahlen stattfinden können, weil aufständische Separatisten dort die faktische Hoheitsgewalt ausüben und bereits angekündigt haben, dass sie es nicht zulassen werden, dass dort ukrainische Präsidentschaftswahlen stattfinden.

Ebenso scheint ausgeschlossen, dass es am kommenden Sonntag Wahlen auf der Krim geben kann. Auch das ist aus unserer Sicht Teil des ukrainischen Hoheitsgebietes. Gleichwohl ist es wegen der faktischen Lage wohl ein Ding der Unmöglichkeit, Wahlurnen auf der Krim aufzustellen. Die Gesprächspartner des Außenministers aus der ukrainischen Führung haben ihm in der letzten Woche allerdings versichert, dass sie sich darum bemühen werden, dass diejenigen ukrainischen Staatsangehörigen, die sich auf der Krim aufhalten, Gelegenheit bekommen, in der Nähe der Krim ihre Stimme abzugeben, wenn sie das tun möchten. Alles darüber hinaus - insbesondere die schwierige Lage in den Gebieten Donezk und Lugansk - ist, glaube ich, jetzt seriös nicht vorherzusagen.

Klar ist, dass es die OSZE-Wahlbeobachtungsmission sein wird, der nach Abschluss der Wahlen am Sonntag, nach Abschluss des ersten Wahlgangs der Präsidentschaftswahlen ein Urteil dazu obliegt, ob diese Wahlen den Willen des ukrainischen Volkes angemessen widerspiegeln und ob diese Wahlen europäischen Standards entsprochen haben. Dabei wird dann natürlich auch eine Rolle spielen, wie viele ukrainische Staatsangehörige genau wo und unter welchen Umständen nicht in der Lage gewesen sind, ihre Stimme abzugeben.

Ich kann eigentlich nur alle dazu auffordern, sich jetzt nicht in wilden Spekulationen zu ergehen, sondern das den Experten zu überlassen, die wirklich wissen, was sie tun, weil sie bereits seit Jahrzehnten damit beschäftigt sind, diese Art von Situationen zu bewältigen und auch vernünftig zu beurteilen.

Vielleicht noch eine Information zu der OSZE-Wahlbeobachtungsmission: Ich hatte an dieser Stelle schon vor einiger Zeit gesagt, dass sich 100 Langzeitbeobachter der OSZE, darunter acht Deutsche, seit Längerem im Land befinden. Der Rest, also die 900 Kurzzeitbeobachter, die im Auftrag der OSZE die erste Runden der Präsidentschaftswahlen beobachten sollen, wird morgen oder übermorgen in der Ukraine eintreffen und dann im ganzen Land verteilt. Gemeinsam mit vielen anderen, die auch ins Land kommen, um diese Wahlen zu beobachten, haben sie, so glauben wir, die Möglichkeit, sich vor Ort mit eigenen Augen und Ohren ein wirklich objektives Bild von der Lage zu machen und deshalb auch ein vernünftiges, auf konkreter Faktenlage beruhendes Urteil über den Verlauf der Wahlen Anfang nächster Woche abzugeben.

Zusatzfrage: Sehen Sie in den letzten Tagen eine Entwicklung zu einer Deeskalation?

Schäfer: Die Lage ist weiter schwierig. Wir haben vernommen, dass der russische Präsident angekündigt hat, diejenigen russischen Truppen, die sich an der ukrainisch-russischen Grenze befinden, in ihre Kasernen zurückzuberufen. Wenn sich das als korrekt und nachprüfbar herausstellen sollte, wäre das aus unserer Sicht ein Schritt der Deeskalation, den man nur begrüßen kann.

Ansonsten bleibt es dabei, dass die Lage schwierig ist. Die beiden runden Tische, die in den letzten Tagen stattgefunden haben, sind aus unserer Sicht ein gutes Zeichen. Es ist, anders als das mancherorts von Ihren Kollegen und Kolleginnen vermerkt worden ist, überhaupt nie geplant gewesen, dass diese runden Tische bereits konkrete Ergebnisse ergeben sollen, sondern sie sollen symbolhaft zum Ausdruck bringen, dass zwischen Kiew und der ukrainischen Führung in Kiew und allen Regionen des Landes ein Dialog und ein Gespräch stattfindet. Das ist schon in Kiew gelungen, aber das ist beim runden Tisch am Samstag in Charkiw noch besser gelungen. Unter den vielen Teilnehmern dieses runden Tisches gab es zahlreiche Vertreter des Ostens, im Übrigen auch Oppositionelle. Soweit wir wissen, ist geplant, dass es bereits in den nächsten Tagen eine weitere Runde des runden Tisches geben soll. Das ist absolut in unserem Sinne.

Ich möchte ausdrücklich die Bemühungen von Wolfgang Ischinger als Beauftragten der OSZE, der sich um den nationalen Dialog und die runden Tische kümmert, würdigen und loben. Wir sind auf einem ganz guten Weg. Aber es ist jetzt zu früh, in irgendeiner Weise Entwarnung zu geben oder bereits Erfolge zu feiern, sondern es ist ein langer Prozess, der uns bevorsteht. Mit den beiden runden Tischen, die stattgefunden haben, ist ein guter Anfang gemacht.

StS Seibert: Wenn ich das Stichwort "runder Tisch" kurz aufgreifen darf: Ich möchte es auch nachdrücklich für die Bundesregierung begrüßen, dass der Prozess in Charkiw fortgesetzt worden ist und weiter fortgesetzt werden wird. Damit ist ein nationaler Dialog begonnen. Nur aus einem solchen Dialog wird sich tatsächlich im Gespräch ein friedlicher Ausweg aus der Krise finden lassen.

Diese Kritik, die auch Kollege Schäfer angesprochen hat, die Gespräche am runden Tisch seien ergebnislos verlaufen, geht wirklich fehl. Runde Tische sind kein Entscheidungsgremium. Runde Tische sind dazu da, dass das Spektrum der Meinungen, die Vielfalt der Meinungen in der Öffentlichkeit Gehör bekommen. Das leistet dieser runde Tisch. Das fließt dann in die Entscheidungen der dafür demokratisch befugten Institutionen ein.

Es ist im Übrigen bemerkenswert, dass die Teilnehmer - seien sie aus Politik, Gewerkschaften, Kirche, Zivilgesellschaft, seien sie aus dem Osten, Süden oder Westen des Landes - allesamt die territoriale Integrität der Ukraine nicht infrage gestellt haben, auch diejenigen aus der Ostukraine nicht. Das wichtige Thema, das dort immer wieder in allen Facetten besprochen wird, ist die Dezentralisierung. Es ist also zumindest ein hoffnungsvolles Zeichen, dass dieser Prozess nun die zweite Station hinter sich hat und sich eine dritte vornimmt.

Frage: Ich habe eine Frage zu Sanktionen. Herr Gabriel hat in dem Interview auch gesagt, dass Deutschland in Erwägung ziehen würde, weitere Sanktionen zu unterstützen, mitzutragen, wenn die Präsidentschaftswahlen scheitern. Welche Sanktionen schweben Ihnen genau vor?

Modes: Ich kann nur noch einmal wiederholen, was er am Sonntag in dem Interview gesagt hat:

"Europa wird nicht einfach zuschauen, wenn die Abstimmung von außen gestört wird. Dann würden wir auch über weitere Sanktionen reden müssen."

Dazu, wie sie konkret im Detail aussehen würden, kann ich im Moment nichts sagen.

Zusatzfrage: Frage an die Bundesregierung: Wird da nicht ein Konsens schwierig? Andere Mitgliedstaaten sind ein bisschen zurückhaltender, was Sanktionen angeht.

StS Seibert: Die Sanktionen der ersten und zweiten Stufe sind allesamt im Kreis der 28 europäischen Mitgliedstaaten beraten worden, im Übrigen auch mit den transatlantischen Partnern. Da ist es möglich gewesen, Einigkeit herzustellen. Diese Einigkeit Europas und der transatlantischen Partnerschaft wird auch immer wieder gesucht werden; sie hat nämlich in dieser Krise durchaus einen hohen Wert an sich. Das heißt, das ist hier nicht der Ort und auch nicht die Zeit, um über mögliche kommenden Sanktionen zu spekulieren. Aber gehen Sie davon aus, dass wir sie in der EU und mit den transatlantischen Partnern besprechen werden und dass wir auch dann wieder mit einer Stimme sprechen werden.

Grundsätzliche Bemerkung: Die Bundesregierung hat kein Interesse an Sanktionen um der Sanktionen Willen. Wir wollen erreichen, dass es den Einstieg in eine friedliche Lösung gibt. Dafür ist der Prozess der runden Tische wichtig. Dafür ist eine legitimierende Präsidentschaftswahl am 25. Mai noch wichtiger. Sanktionen sind kein Selbstzweck. Aber jeder soll wissen, dass Deutschland, Europa, die transatlantische Partnerschaft dazu bereit und in der Lage sind.

Schäfer: Gerade weil Sie angedeutet haben, dass es schwierig oder gar unmöglich werden könnte, innerhalb der Europäischen Union Einigung herzustellen: Diese Art von - ich weiß nicht, wie man es ausdrücken soll - Schwanengesang auf die europäische Außenpolitik haben wir auch in der Ukraine-Krise in den letzten Monaten häufiger vernommen. Es ist richtig, dass es innerhalb der Europäischen Union ganz unterschiedliche Perspektiven für die Rolle Russlands und vielleicht die Perzeption des Verhältnisses zur Russischen Föderation gibt. Da gibt es die baltischen Staaten, die mehrere Generationen lang Teil der Sowjetunion gewesen sind. Da gibt es zahlreiche mittel- und osteuropäischen Staaten, die in der gleichen Zeit Angehörige des Warschauer Pakts gewesen sind. Da gibt es ein geteiltes Land Deutschland, das durch die Folgen des Kriegs im Kalten Krieg zweigeteilt gewesen ist. Da gibt es andere Länder im Westen und im Süden Europas, die wegen der geografischen Distanz, eben wegen der Zeitläufe der Geschichte ein anderes Bild bezüglich ihrer Beziehungen zu Russland haben.

Dennoch ist es in den letzten Monaten gelungen, gleichzeitig geschlossen und entschlossen aufzutreten, und zwar mit einer Stimme. Dabei ist es ganz normal - genau wie im politischen Geschäft innerhalb eines Staates, auch innerhalb Europas -, dass die Partner von unterschiedlichen Positionen her argumentieren und auch unterschiedliche Vorstellungen haben. Entscheidend ist das, was hinten rauskommt. Das sind Entscheidungen gewesen, die, wie gesagt, gleichzeitig geschlossen und entschlossen gewesen sind. Das wird auch weiter so sein, und das ist auch das klare Ziel der Bundesregierung.

Frage: Herr Schäfer, wenn ich das aufgreifen darf: Sie sagten, entscheidend sei das, was hinten rauskomme. Bezogen auf den 25. Mai würde mich interessieren, wie die Bundesregierung feststellen können wird, dass das Ergebnis sozusagen legitim ist, dass es sozusagen korrekt und den übergroßen Willen der Bevölkerung spiegelt. Sie haben am Anfang Ihres Statements gesagt, wie schwierig es in einigen Teilen der Ukraine ist, faktisch diese Wahlen durchzuführen. Wie wird das ablaufen? Wer wird der Bundesregierung am Sonntag sagen, dass ein legitimer neuer Präsident gewählt worden ist oder dass wesentliche Teile der Bevölkerung gar nicht in der Lage gewesen sind, an dieser Wahl teilzunehmen? Können Sie das vielleicht erläutern?

Schäfer: Ich habe versucht, das zu erläutern. Ich erläutere es gerne noch einmal.

Wir maßen uns nicht an, ein eigenes Urteil darüber zu fällen, sozusagen aus dem fernen Berlin, 1.500 Kilometer von Kiew entfernt, zu sagen: Das war gut oder schlecht, Daumen rauf oder Daumen runter. - So funktioniert das nicht, sondern wir machen das auf der Grundlage von konkreten, im ganzen Land erhobenen, objektivierbaren Informationen über die Vorbereitung der Wahlen - das machen die Langzeitbeobachter der OSZE - und den Verlauf der Wahlen am Sonntag, was insgesamt 1.000 Beobachter der OSZE machen, die dafür bestens ausgebildet sind und die das seit vielen Jahren sehr erfolgreich tun. Wir werden uns in Geduld und in aller Ruhe am Sonntag, vielleicht am Montag, womöglich auch am Dienstag hier in Berlin hinsetzen und werden abwarten, welche Beobachtungen das OSZE-Wahlbeobachtungsteam gemacht hat und welches Urteil dieses Team in der Folge der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen treffen wird. Das ist für uns ein ganz entscheidendes Indiz, ein Gradmesser dafür, ob die Wahlen in der Ukraine nach europäischen Standards abgelaufen sind.

Zusatzfrage: Eine Nachfrage im Zusammenhang mit dem Gabriel-Interview: Wenn man davon ausgeht, dass Russland eine bedeutende Rolle bei der möglicherweise Nicht-Abhaltung der Wahlen in einigen Teilen des Ostens des Landes spielt, müsste man ja im umgekehrten Fall Russland erst einmal nachweisen, dass es dort tatsächlich eine bedeutende Rolle gespielt hat, um diese Wahlen nicht in weiten Teilen des Ostens zustande kommen zu lassen, um dann möglicherweise weitere Sanktionen zu diskutieren. Können Sie mir dabei helfen, diese Schwierigkeiten aufzulösen? Es geht also um die Frage weiterer Sanktionen im Zusammenhang mit den Äußerungen, die Herr Gabriel gemacht hat. Will er nicht zulassen, dass diese Wahlen nicht zustande kommen?

Schäfer: Ich glaube, es macht jetzt überhaupt keinen Sinn, über hypothetische Verläufe zu sprechen. Ich fürchte, ich muss Sie darauf verweisen, dass wir Anfang nächster Woche eine Situation haben werden, in der wir einen objektivierbaren Blick auf den Verlauf der Wahlen richten können und uns auf dieser Grundlage selbst ein Urteil darüber bilden können, in welcher Weise die Wahlen verlaufen sind und wer dazu beigetragen hat, dass sie besser oder schlechter verlaufen sind. Ihnen bereits jetzt, hier und heute, hypothetische Diskussionsprozesse aufzuzeigen, macht, glaube ich, keinen Sinn.

Die Bundesregierung konzentriert sich jetzt darauf, der OSZE und in concreto Herrn Ischinger den Rücken zu stärken bei seinen Bemühungen, den runden Tisch voranzutreiben. Wir setzen darauf und verbinden damit auch die Hoffnung, dass das einen positiven Beitrag für einen guten Verlauf der Wahlen bringen kann. Das ist das, womit wir uns zurzeit beschäftigen.

Frage: Eine Frage zu demselben Thema an Herrn Seibert: Wie geht die Bundeskanzlerin eigentlich mit der Tatsache um, dass diese beiden wichtigen Wahlen, also die Europawahlen und die Wahlen in der Ukraine, am selben Tag stattfinden? Hat eine der beiden Wahlen für die Kanzlerin eine bestimmte Priorität?

Wie geht es nach den Wahlen eigentlich weiter? Ich glaube, am 27. Mai ist das Spitzentreffen der EU-Regierungschefs. Wird da die Bewertung dieser Wahl die Priorität haben oder werden da die Schlussfolgerungen aus der Europawahl, was die Besetzung der EU-Kommission angeht, die Priorität haben?

StS Seibert: Ich glaube, Sie können sowohl der Bundeskanzlerin als auch den anderen europäischen Regierungschefs zutrauen, dass sie sich beiden Wahlen in ihrer jeweiligen Bedeutung widmen werden. Es ist doch selbstverständlich, dass die Europawahl, die Wahl zum Europäischen Parlament, für uns 28 Mitgliedsländer für die nächsten fünf Jahre eine enorme Bedeutung hat. So stellt es die Bundeskanzlerin doch auch bei ihren zahlreichen Wahlkampfauftritten derzeit dar.

Zweitens. Wir haben hier oft genug über die große Bedeutung gesprochen, die der Präsidentschaftswahl in der Ukraine zukommt. Es finden nun einmal beide Wahlen an einem Tag statt. Insofern gehe ich davon aus, dass bei dem Treffen der Staats- und Regierungschefs der EU in Brüssel zwei Tage später beides eine wichtige Rolle spielen wird. Prioritäten verbieten sich da, das ist doch klar.

Vorsitzender Detjen: Kann man - um das noch einmal aufzugreifen - außer dem Datum des Treffens in Brüssel sonst schon etwas zur Agenda der nächsten Tage nach der Wahl sagen?

StS Seibert: Nein. Was die Europawahl betrifft, kennen Sie das Verfahren gemäß Lissabon-Vertrag, wonach der Europäische Rat, die Staats- und Regierungschefs, im Lichte des Ergebnisses der Europawahl dem Europäischen Parlament einen Personalvorschlag machen müssen. Dem werden ausführliche Konsultationen vorausgehen, und das alles beginnt in der Woche danach. Sowohl die Bundeskanzlerin als auch Präsident Hollande haben ja kürzlich in Stralsund über die zu erwartenden Zeitabläufe gesprochen. Man kann nicht damit rechnen, dass innerhalb von 48 Stunden schon Entscheidungen gefällt sind; vielmehr wird ein längerer Konsultationsprozess folgen, wie er auch vorgesehen ist. Außerdem muss es eine Bildung des neuen Europäischen Parlaments geben, eine Konstituierung usw. Schon das weist darauf hin, dass es eine Wochen ist.

Zusatzfrage: Was Sie eben bezüglich des längeren Prozesses sagten, bezog sich auf die EU-Kommission, richtig?

StS Seibert: Ja.

Zusatzfrage: Wie sieht das denn bei den Sanktionen aus? Fällt eine Entscheidung über die Frage "Härtere Sanktionen - ja oder nein?" denn an diesem Tag, oder ist das auch ein längerer Konsultationsprozess?

StS Seibert: Ich plädiere sehr stark dafür - und ich glaube, das ist die Haltung der ganzen Bundesregierung -, dass wir jetzt erst einmal darauf hinarbeiten, mit den Möglichkeiten, die wir haben, die die EU hat, die wir über die OSZE haben, zu einer gelingenden Präsidentschaftswahl in der Ukraine beizutragen. Das ist das, worauf wir uns im Moment konzentrieren. Die ganzen Wenn-dann-Fragen werde ich leider bis danach verschieben. Die Bundesregierung arbeitet jetzt auf allen Ebenen daran, dass diese Wahl gelingen kann und dass sie tatsächlich den stabilisierenden Effekt, den beruhigenden Effekt, den legitimierenden Effekt hat, den wir uns von ihr versprechen.

Frage: Eine Frage an den Regierungssprecher: Die "Süddeutsche Zeitung" berichtet heute, dass bei einem Rüstungsgeschäft über den Verkauf von Leopard-Panzern an Griechenland zwei deutsche Politiker - frühere Bundestagsabgeordnete - über 5 Millionen Euro kassiert hätten. Diese Politiker hatten kein Regierungsamt bekleidet, aber es wäre das erste Mal, dass deutsche Politiker in einen solchen Korruptionsfall verwickelt sind. Wie bewertet die Bundesregierung diesen Vorgang?

StS Seibert: Ich kenne auch nur den Zeitungsbericht. Wenn da etwas dran ist, ist das eine Sache, die die Justiz aufklären muss, und dann nimmt der Rechtsstaat seinen Lauf.

Zusatzfrage: Vielleicht auch an das Wirtschaftsministerium: Gibt es eine politische Bewertung zu diesem Vorgang? Nimmt das Ansehen Deutschlands dadurch Schaden und werden solche Rüstungsgeschäfte dadurch in der Zukunft erschwert?

Modes: Ich kann Ihnen dazu auch nicht mehr sagen. Wir haben die Berichte gelesen. So etwas muss aufgeklärt werden. Aber dazu, wie das im weiteren Verlauf aussieht, kann ich Ihnen im Moment nichts sagen. Das ist jetzt erst einmal Sache der Justiz.

Frage: Ich möchte noch einmal auf die Ukraine-Krise zurückkommen, aber in einem anderen Aspekt, und eine Frage an den Sprecher der Verteidigungsministerin richten: Im heutigen "Spiegel" wird auch darüber berichtet, dass es innerhalb der Nato und EU eine Debatte über die Verteidigungsfähigkeit der Nato insbesondere bei einer Bedrohung des Baltikums gibt. Der CDU-Politiker Elmar Brok wird da zitiert, dass die Nato in einem solchen Falle eigentlich gar nicht verteidigungsfähig sei. Wie nimmt Ihre Ministerin diese Debatte wahr? Ist das eine Debatte, die jetzt angesichts der Krise geführt werden muss, oder ist das eine Debatte, die Sie eher ablehnt? Was denkt Ihre Ministerin darüber?

Gerhartz: Unsere Ministerin hat sich hierzu am Wochenende im Rahmen eines Interviews geäußert. Ich möchte das noch einmal zitieren:

"Die Nato ist stark und verlässlich. Wir können auf jede Entwicklung angemessen reagieren. Deshalb sollte man über weitere Maßnahmen, die die Allianz derzeit intern diskutiert, jetzt nicht öffentlich spekulieren. Säbelrasseln ist nicht das richtige Signal."

Das war die Äußerung unserer Ministerin dazu. Lassen Sie mich das noch im Weiteren ausführen:

Die kurzfristigen Maßnahmen, die die Nato jetzt für die östlichen Mitgliedstaaten zur Rückversicherung getroffen beziehungsweise beschlossen hat - ich weiß ja, auf welchen Bericht Sie sich beziehen; ich habe ihn natürlich auch gesehen, auch mit der kleinen Visualisierung dieser Rückversicherungsmaßnahmen -, sollten wir auf keinen Fall verwechseln mit den Möglichkeiten und Fähigkeiten des Nato-Bündnisses als solchem. Hier sollte man also das eine mit dem anderen nicht verwechseln. Ich denke, die Beratung und Diskussion über mittel- und langfristige Maßnahmen, die derzeit stattfindet, ist ein interner Prozess. Hierzu stehen im Sommer - ich glaube, am 3. und 4. Juni - zunächst das Verteidigungsministertreffen und im Herbst dann auch das Treffen der Staats- und Regierungschefs bei der Nato an. Diese Prozesse sollte man hier auch abwarten.

Zusatzfrage: Die Ministerin sieht also auch keinen Anlass, bei der Reform der Bundeswehr jetzt andere Akzente zu setzen, die sich im Zusammenhang mit dieser Krise vielleicht für die Streitkräfte ergeben?

Gerhartz: Ich habe das hier an anderer Stelle vor einigen Wochen schon einmal gesagt und auch erklärt. Lassen Sie mich mit diesem Beispiel beginnen: Hätten wir die Bundeswehr in dieser Reform auf ein Szenario wie Afghanistan hin ausgerichtet - also auf ein asymmetrisches Szenario, eine sogenannte "Counterinsurgency Operation", eine klassische Stabilisierungsoperation -, dann hätten wir nicht das Motto "Breite vor Tiefe" und damit auch die Fähigkeiten "Breite vor Tiefe" in dieser Reform ansetzen müssen. Ich denke, die Bundeswehr ist hier sehr breit, mit einem breiten Fähigkeitsspektrum aufgestellt, und wir sehen hier keinen Anlass, die Reform noch einmal neu aufzuziehen und die Fähigkeiten anders zu definieren.

Frage: Herr Seibert, es hat in den letzten Tagen heftige Kritik an der EU-Kommission gegeben, wie sie die Verhandlungen zum Freihandelsabkommen beziehungsweise Wirtschaftsabkommen mit den USA führt. Teilen Sie die Kritik vor allem an der Heimlichkeit? Gibt es da also Defizite an der Art und Weise, wie die EU-Kommission die Verhandlungen führt? Empfindet die Bundesregierung es als unglücklich, dass auch in der Woche vor der Europawahl mit den USA verhandelt wird?

StS Seibert: Ich glaube, die Heimlichkeit ist einer der Mythen, die über diese Verhandlung gerne genährt werden, die aber wirklich genauer Überprüfung nicht standhalten. Es gibt ja vielerlei Transparenzmaßnahmen im Zusammenhang mit diesen Verhandlungen, und die wird es auch in Zukunft geben. Wir wissen ja auch, dass wir hier nicht von einer Sache von ein paar Monaten ausgehen, sondern dass wir uns auf längere Verhandlungen einstellen. Insofern kann ich nur allgemein sagen, dass dies ein Projekt ist, das der Bundesregierung sehr wichtig bleibt. Es wird tatsächlich von der EU-Kommission stellvertretend für Europa verhandelt. Es ist uns völlig klar, dass Transparenz, dass Information der Bürger wichtig ist. Die werden wir auch leisten und die leisten wir auch. Es ist deswegen aber nicht jeder sehr stereotyp gemachte Vorwurf gegen diese Verhandlungen zutreffend.

Zusatzfrage: Also keine Kritik an der EU-Kommission?

StS Seibert: Jedenfalls nicht an dem Punkt, den Sie jetzt angesprochen haben. Die EU-Kommission ist in vielerlei Hinsicht auf diese Kritiken, die in der Welt sind, eingegangen, hat sich also tatsächlich auch um Transparenz bemüht. So muss es auch weitergehen, denn am Ende müssen wir in jedem der 28 europäischen Mitgliedstaaten natürlich auch die Bevölkerung davon überzeugen, dass dieses Freihandelsabkommen das richtige ist, dass es jedem Bürger - - dass es hilft, dass es keine Standards senkt, sondern im Gegenteil Standards sichert. Das alles ist uns wichtig, neben dem zu erwartenden wirtschaftlichen Bonus im Sinne von Arbeitsplätzen und Wirtschaftskraft, den wir daraus ziehen wollen.

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Quelle:
Mitschrift der Pressekonferenz vom 19. Mai 2014
http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2014/05/2014-05-19-regpk.html
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veröffentlicht im Schattenblick zum 21. Mai 2014