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PRESSEKONFERENZ/791: Regierungspressekonferenz vom 12. Mai 2014 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Im Wortlaut
Mitschrift der Pressekonferenz - Montag, 12. Mai 2014
Regierungspressekonferenz vom 12. Mai 2014

Themen: Lage in der Ukraine, Vorschläge zu einer Atomstiftung, Berlin/Bonn-Gesetz, Unternehmensbeteiligung des Bundes an der Deutsche Telekom AG, Treffen der Bundeskanzlerin und des Ökumenischen Patriarchen Bartholomaios in Berlin, Neuregelung des Aufenthaltsrechts, Bericht von Amnesty International über weltweite Folter, Reform des europäischen Wettbewerbsrechts, möglicher Einstieg von Siemens bei Alstom, gestiegene Zahl der Kindergeldanträge von Saisonarbeitern, Fracking, "Review 2014 - Außenpolitik Weiter Denken"

Sprecher: StS Seibert, Schäfer (AA), Alemany (BMWi), Schroeren (BMUB), Kothé (BMF), Dimroth (BMI), Rülke (BMJV)



Vorsitzende Sirleschtov eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt StS Seibert sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

StS Seibert: Guten Morgen! Ich möchte Ihnen im Namen der Bundesregierung zu der Situation in der Ukraine Folgendes sagen: Die Bundesregierung bedauert, dass separatistische Gruppierungen in der Ostukraine in einigen Regionen sogenannte Referenden über die Zukunft dieser Regionen durchgeführt haben. Diese Referenden verstoßen eindeutig gegen die Verfassung der Ukraine. Sie wurden unter Umständen durchgeführt, die eine reguläre Abstimmung in keiner Weise erlauben. Eine solche Abstimmung kann und wird die internationale Gemeinschaft deswegen auch nicht akzeptieren. Die Parallele zum Referendum auf der Krim, das ja dann zur völkerrechtswidrigen Annexion führt, liegt auf der Hand.

Die Lage im Osten der Ukraine ist sehr angespannt. Beinahe jeden Tag sterben dort Menschen. Wir benötigen also Schritte zur Deeskalation. Schritte zur Deeskalation waren diese Referenden mit Sicherheit nicht; das Gegenteil ist der Fall.

Die Bundesregierung setzt sich für den Weg ein, der in der Genfer Vereinbarung und auch von der OSZE vorgezeichnet worden ist. Das heißt zum einen konkret ein Ende der Besetzung öffentlicher Gebäude und das Niederlegen der Waffen. Dies würde es der ukrainischen Führung erlauben, das Vorgehen gegen die Separatisten einzustellen. Das heißt zum anderen vor allem einen nationalen Dialog in der Ukraine unter Beteiligung der OSZE, um über die wichtigen Themen wie Dezentralisierung, Verfassungsfragen und Elemente von Verfassungsreformen zu diskutieren.

Wir begrüßen sehr, dass die Vorbereitung dieser runden Tische jetzt konkret angelaufen ist und dass bereits am Mittwoch ein erster runder Tisch abgehalten werden soll.

Entscheidend für eine Stabilisierung in der Ukraine sind die Präsidentschaftswahlen am 25. Mai. Wir erwarten insbesondere auch von Russland, dass es seinen bedeutenden Einfluss nutzt, damit diese Stabilisierung möglich wird.

Ich weise Sie noch auf die Stralsunder Erklärung der Bundeskanzlerin und des französischen Präsidenten vom Samstag hin, aus der diese Punkte sehr klar hervorgingen.

Schäfer: Ich möchte zweierlei ergänzen. Das Erste, das ich gerne ergänzen möchte, ist, dass der Schweizer Bundesratspräsident und amtierende OSZE-Vorsitzende - dies läuft zurzeit schon über die Agenturen - soeben im Rat der Außenminister der Europäischen Union gesprochen und dabei unter anderem erklärt hat, dass für die OSZE der ehemalige deutsche Spitzendiplomat Wolfgang Ischinger der Komoderator eines nationalen runden Tisches sein soll. Davon hat Herr Seibert gerade gesprochen.

Ab übermorgen, so plant es die OSZE, soll in Kiew ein nationaler Dialog mit einem runden Tisch beginnen. Dabei wird es einen ukrainischen Vorsitzenden und einen Vorsitzenden geben, der vonseiten der OSZE benannt worden ist. Das ist Wolfgang Ischinger. Dies begrüßen wir ganz ausdrücklich. Herr Ischinger ist ein wirklich erfahrener Spitzendiplomat Deutschlands, der weltweit hohes Ansehen genießt. Wir wünschen ihm und den anderen, die sich um diesen runden Tisch und den nationalen Dialog kümmern, viel Erfolg bei ihrer wirklich schwierigen und herausfordernden Aufgabe.

Das Zweite, das ich Ihnen sagen möchte, ist Folgendes: Der Minister hat bereits heute Morgen in Brüssel gesagt, dass er beabsichtigt, morgen erneut in die Ukraine zu reisen. Er wird unter anderem in Kiew Gespräche mit den Vertretern der ukrainischen Regierung führen. Das Ziel dieser Reise liegt auf der Hand: Es geht darum, die Bemühungen der OSZE, die Bemühungen um einen nationalen Dialog, die Bemühungen um einen Einstieg in wirkliche Gespräche über eine gute Zukunft der Ukraine und die Anstrengungen, die Wahlen am 25. Mai vernünftig hinzubekommen, zu befördern. Er wird dafür in Kiew eine Reihe von Gesprächen führen und, so ist der Plan, auch weiter in den Osten der Ukraine reisen.

Morgen Abend wird er von der Ukraine nach Paris weiterfliegen. Er ist von der französischen Regierung eingeladen worden, am Mittwochmorgen in der Kabinettssitzung der französischen Regierung gemeinsam mit seinem französischen Amtskollegen Fabius zum Thema Ukraine zu sprechen und andere wichtige außenpolitische Fragen zu erörtern. Dazu gehören natürlich auch die bald, nämlich in zwei Wochen, anstehenden Europawahlen. - Vielen Dank.

Frage: Trotz allem konnte man bei dieser sogenannten Volksabstimmung schon sehen, dass es eine sehr hohe Beteiligung gab. Man sah Schlangen vor den Wahllokalen. Die Menschen sind ja nicht mit Waffengewalt hingetrieben worden. Dies ist offenbar eine Willensbekundung der dort lebenden Bevölkerung gewesen, wie auch immer man sie bewerten mag.

Wie bewertet die Bundesregierung den dort erklärten Willen der Bevölkerung? Wie ordnet sie ihn ein? Wie denkt sie, muss man damit für die Zukunft umgehen? Bestärkt das diejenigen, die sagen, die Ukraine müsse sich einer föderalen Struktur zuwenden?

StS Seibert: Ich habe Ihnen gerade die Bewertung dieser sogenannten Referenden durch die Bundesregierung hoffentlich einigermaßen klar mitgeteilt. Ich warne davor, aus Fernsehbildern und einzelnen Berichten aus verschiedenen Orten einen Schluss zu ziehen. Eine auf diese Art und Weise durchgeführte nicht rechtmäßige und gegen die Verfassung verstoßende Abstimmung kann den Volkswillen mit Sicherheit nicht darstellen, schon gar nicht in einer Weise, in der die internationale Gemeinschaft es akzeptiert.

Frage: Herr Seibert, bewertet die Bundesregierung die Situation nach den gestrigen sogenannten Referenden als einen weiteren Schritt zur Spaltung des Landes?

Die zweite Frage, wenn Sie erlauben, ist: Wird die Bundesregierung die Wahlen am 25. Mai und die Ergebnisse akzeptieren, wenn die Wahlen in der Ostukraine nicht stattfinden?

StS Seibert: Wir tun mit unseren internationalen Partnern, mit der OSZE und mit allen, die in dieser Sache guten Willens sind, alles dafür, dass die Wahl am 25. Mai so stattfinden kann, dass alle Bürger in der Ukraine die Möglichkeit haben, sich demokratisch an diesem Prozess zu beteiligen. Das ist der Fokus unserer Arbeit. Dafür setzen sich der Außenminister und die Bundeskanzlerin intensiv ein. Dafür stehen wir in engem Kontakt mit der OSZE. So ist es ja in Genf besprochen worden.

Schäfer: Vielleicht nur ein paar Details zum Ablauf der Wahlen, die Ihnen belegen sollen, aus welchen Gründen wir das, was da in der Oblast Donezk und auch in der Oblast Lugansk, geschehen ist, in keiner Weise akzeptieren können. Die Wahlfälschungen und sonstigen Unzulänglichkeiten bei der Durchführung dieser Wahlen sind so offensichtlich, dass sich im Grunde jede weitere Kommentierung erübrigt.

Erstens gab es überhaupt keine Wahlbeobachtung. Zweitens haben sie in keiner Weise irgendwelchen internationalen Standards entsprochen, geschweige denn den europäischen Standards, die wir zum Beispiel in der OSZE hochhalten und an denen wir auch die Präsidentschaftswahlen am 25. Mai messen werden. Es gab überhaupt keine Wählerverzeichnisse. Es gibt glaubwürdige Berichte darüber - auch in heutigen deutschen Zeitungen -, dass zahlreiche Bewohner der fraglichen Gebiete gleich mehrfach abgestimmt haben. Ich habe heute in einer großen deutschen Zeitung gelesen, dass es jemanden gegeben hat, der gleich achtmal abgestimmt hat. Es gibt Berichte von kopierten Wahlscheinen. Vielerorts waren überhaupt keine Wahlkabinen vorhanden. Es gibt glaubwürdige Berichte darüber, dass den Bürgern dabei zugeschaut wurde, in welcher Weise sie abgestimmt haben, im Zweifel mit Druck der dort die Herrschaft ausübenden Separatisten. Auch soll es viele Wahllokale gegeben haben, die überhaupt nicht geöffnet werden konnten, sodass wiederum andere Bürger überhaupt nicht die Möglichkeit hatten, ihren politischen Willen in irgendeiner Weise zum Ausdruck zu bringen.

Frage: In dieser Krise wird sehr viel telefoniert, auch zwischen der Bundeskanzlerin und dem russischen Präsidenten. Vielleicht ist es einmal an der Zeit, dass die Bundeskanzlerin Frau Merkel persönlich nach Moskau fährt, um das Gespräch persönlich zu vertiefen, damit sich die Krise vielleicht entschärft. Wird das überlegt? Gibt es dafür Pläne?

Vom Auswärtigen Amt würde ich gerne wissen, wer genau an dem runden Tisch in Kiew vertreten sein wird.

StS Seibert: In dieser Krise hat es von Anbeginn an sehr intensive Gesprächskontakte zwischen der Bundesregierung und der russischen Führung gegeben, persönlich zwischen der Bundeskanzlerin und Präsident Putin, aber natürlich auch zwischen Außenminister Steinmeier und seinem Kollegen Herrn Lawrow. Der Gesprächskanal ist immer offen gewesen. Es ist unser Grundsatz, dass wir auch in schwierigen Zeiten gesprächs- und dialogbereit sind. Das weiß die russische Führung. Sicherlich wird es zu weiteren Gesprächen kommen. Daran hat es bisher nicht gemangelt.

Zusatzfrage: Es gibt schon einen Unterschied zwischen dem Telefonieren, dem Einander-Verstehen in deutscher und russischer Sprache und der persönlichen Begegnung Auge in Auge. Gerade Deutschland hat da eine sehr lange Tradition. In der Vergangenheit hat es immer eine sehr gute Verständigung zwischen dem Bundeskanzler und dem russischen Staatsoberhaupt gegeben, zum Beispiel zwischen Bundeskanzler Kohl und Gorbatschow seinerzeit noch in der Sowjetunion. Damals gab es eine sehr gute Verständigung, damit Probleme aus dem Weg geräumt werden konnten. Könnte eine persönliche Begegnung in dieser Krise nicht noch mehr zur Entschärfung beitragen als nur ein Telefonat?

StS Seibert: Die Gesprächskontakte sind sehr intensiv, wie ich es Ihnen schon beschrieben habe. Ich nehme Ihren Vorschlag entgegen. Aber wie gesagt: Wir haben hier schon mehrfach dargestellt, dass es an Gesprächsbereitschaft nie gemangelt hat und auch weiterhin nicht mangeln wird.

Zusatzfrage: Gibt es konkrete Pläne für eine Reise nach Moskau?

StS Seibert: Nein.

Zusatzfrage: Warum nicht, wenn ich fragen darf?

StS Seibert: Ich glaube, dass wir diesen Themenkomplex jetzt einigermaßen erschöpfend beantwortet haben.

Schäfer: Die Vorbereitungen dieser runden Tische laufen auf vollen Touren. Deshalb ist es jetzt und gerade vonseiten der Bundesregierung nicht richtig, Ihnen im Detail durchzubuchstabieren, welche konkreten Pläne es da gibt. Ich würde Sie bitten, noch ein ganz klein wenig abzuwarten.

Sie hatten konkret gefragt, wer Teilnehmer dieser runden Tische sein wird. Namen möchte ich Ihnen nicht nennen. Aber es liegt auf der Hand - dies hat der Vorsitzende der OSZE gerade im Rat der Außenminister gesagt -, dass es darum geht, führende Vertreter der nationalen Kiewer Führung, des ukrainischen Parlaments und der Regionen zusammenzubringen. Das sind diejenigen, die miteinander besprechen müssen, wohin der Weg einer Zukunft der Ukraine gehen kann, zum Beispiel mit Blick auf die Verfassungsreform, zum Beispiel mit Blick auf die politischen Prioritäten eines neuen Präsidenten, der dann am 25. Mai gewählt werden würde.

Herr Burkhalter hat, wie gesagt, vor etwa einer Stunde im Rat der Außenminister verkündet, dass es einen Kovorsitz von zwei Persönlichkeiten geben wird, nämlich eine hochrangige Persönlichkeit aus der Ukraine und Wolfgang Ischinger für die OSZE.

Frage: Herr Schäfer, wird der Bundesaußenminister bei seiner Weiterreise in die Ostukraine auch mit Vertretern der prorussischen Separatisten sprechen oder sich mit ihnen treffen?

Schäfer: Nein.

Frage: Herr Seibert, was sagt die Bundesregierung zu den Berichten über den Einsatz amerikanischer Söldner in der Ukraine?

StS Seibert: Wie Sie wissen, kommentiere ich Berichterstattungen, die auf angebliche geheimdienstliche Quellen zurückgehen, ganz grundsätzlich nicht. Für so etwas gibt es das zuständige Bundestagsgremium. Dem kann über so etwas - jetzt ganz grundsätzlich ausgedrückt - Bericht erstattet werden. Ich kann mich hierzu nicht äußern.

Frage: Herr Schäfer, wird der Außenminister auch von Herrn Fabius in der Ukraine begleitet? Fahren sie dann gemeinsam für die Kabinettssitzung nach Paris zurück?

Schäfer: Nein. Herr Fabius wird Herrn Außenminister Steinmeier nicht begleiten. Wo sich Herr Fabius in dieser Zeit aufhält, kann ich Ihnen nicht sagen.

Frage: Herr Schäfer, steht überhaupt fest, dass Herr Steinmeier in den Osten fährt? In Bezug auf den runden Tisch sagten Sie, daran nähmen Vertreter der Regionen teil. Heißt das, dass auch Vertreter der Ostukraine daran teilnehmen werden?

Schäfer: Natürlich. Ohne Vertreter des Ostens und des Südens der Ukraine macht es ja keinen Sinn.

Zu Ihrer ersten Frage: Die Reiseplanungen laufen auf vollen Touren. Stand jetzt und vorbehaltlich von weiteren Entwicklungen, die vielleicht Einfluss auf die Sicherheitslage haben können: Ja, die Reise wird auch in den Osten beziehungsweise in den Süden der Ukraine weitergehen.

Frage: Ich habe ein, zwei Fragen an Frau Alemany und Herrn Schroeren zum Thema Atomstiftung. Ich kenne die Stellungnahmen vom Wochenende, würde aber trotzdem gerne noch einmal Folgendes wissen: Sehen Sie eine gewisse Chance, durch die Einrichtung einer Atomstiftung, der dann die Atomkraftwerke gehören usw., höhere Einnahmen zu erzielen als die möglichen Kosten, die durch den Abbau der Atomkraftwerke und die Endlagerung entstehen könnten?

Alemany: Sie haben schon mitbekommen, was wir am Wochenende gesagt haben. Der Vorschlag ist uns nicht bekannt. Deswegen können wir ihn auch nicht kommentieren.

Ansonsten hat sich bislang - dies kann ich aus der Sicht des BMWi für unsere Zuständigkeit, für die Stilllegungen und zu den Rückstellungen an sich sagen - das System der Rückstellungen bewährt.

Schroeren: Lieber Herr Koch, es macht keinen Sinn, über etwas zu spekulieren, wozu es im Moment keinen Anlass gibt. Ich kann nur das wiederholen, was wir als Bundesumweltministerium schon am Wochenende dazu erklärt haben: Uns ist ein solcher Vorschlag nicht bekannt. Mit uns hat es in dieser Angelegenheit auch keinerlei Kontakt gegeben mit dem Ziel, die Atomsparte der deutschen Energieversorger auf die Bundesregierung oder auf öffentlich-rechtliche Instanzen zu übertragen.

Wir gehen weiterhin davon aus, dass die Betreiber der Atomkraftwerke in Deutschland die volle Verantwortung für den Betrieb während der Restlaufzeit und für alle Schritte der Entsorgung tragen. Da gilt das, was wir in der Umweltpolitik als Verursacherprinzip bezeichnen. Die uneingeschränkte Verantwortung für den sicheren Betrieb der Atomkraftwerke, auch die volle Kostenverantwortung liegt bei den Betreibern.

Zusatzfrage: Dieses Thema steht ja schon seit mehreren Jahren auf der Tagesordnung. Vor Jahren gab es einmal einen ähnlichen Vorschlag der Investmentbank Lazard, in dem auch Zahlen enthalten waren. Von daher gehe ich davon aus, dass sich die Ministerien Gedanken darüber gemacht haben, wie plausibel diese Zahlen sind. Von daher noch einmal der Versuch: Betriebswirtschaftlich betrachtet würde der Staat, die öffentliche Hand möglicherweise 50 oder 60 Milliarden Euro als Vermögen in einer solchen Stiftung erhalten, die eingesetzt werden könnten, um die Kosten des Rückbaus und der Entsorgung abzudecken. Das Ganze kann auf den ersten Blick auch aus Staatssicht betriebswirtschaftlich sinnvoll erscheinen. Diese Zahlen sind ja kein Geheimnis. Die gibt es ja, sie liegen auf dem Tisch.

Schroeren: Herr Koch, ich kenne diese Zahlen nicht. Ich darf Sie daran erinnern, dass es die Aufgabe unseres Hauses ist, für Reaktorsicherheit zu sorgen. Wir sind nicht für Betriebskalkulationen und Betriebswirtschaft zuständig.

Alemany: Ich kann zu dem betriebswirtschaftlichen Punkt noch hinzufügen, dass die Rückstellung nach handelsrechtlichen Grundsätzen festgelegt wird. Sie wird, wie auch alle anderen, durch unabhängige Wirtschaftsprüfer und auch durch die Finanzverwaltung auf ihre Richtigkeit hin überprüft. Wir schließen uns deren Aussagen an, dass wir davon ausgehen können, dass die derzeitigen Rückstellungen in einer angemessenen Höhe bestehen. Zum Stand Dezember 2013 machte dies rund 36 Milliarden Euro aus.

Frage: Herr Schroeren, zumindest die eine Hälfte des Vorschlags, nämlich die Rückstellungen in einen öffentlichen Fonds zu überführen, ist ja in Ihrem Hause durchaus diskutiert worden. Ihr neuer Abteilungsleiter, Herr Cloosters, hat gerade bei der Jahrestagung Kerntechnik indirekt gefordert, man müsse dafür sorgen, dass dieses Geld auch zur Verfügung steht, wenn es gebraucht wird, also gegen Insolvenzen von Stromkonzernen vorzugehen. Wenn Sie schon sagen, Sie seien an der Übernahme der Atomkraftwerke nicht interessiert: Wie ist denn der Stand der Dinge bezüglich der Übernahme der Rückstellungen?

Schroeren: Wenn Sie die Rede von Herrn Cloosters genau verfolgt haben, dann werden Sie sehen, dass das, was Sie gerade geschildert haben, nicht zutrifft. Herr Cloosters hat darauf verwiesen, dass für uns entscheidend ist, dass die Rückstellungen, die steuerlich begünstigt waren, verfügbar sind, sobald sie benötigt werden.

Zusatz: Da kann man herauslesen, dass sie es im Moment nicht sind.

Schroeren: Das muss man daraus nicht lesen - das ist zumindest nicht unsere Auffassung -, jedenfalls nicht zwingend. Über ein Modell haben wir auch nicht gesprochen.

Frage: Ich habe in dieser Angelegenheit eine Frage an Herrn Seibert. Nachdem die beiden zuständigen Ministerien von solchen Überlegungen nichts wissen: Gab es aus dem Kanzleramt entsprechende Initiativen?

StS Seibert: Ich kann mich nur dem anschließen, was die beiden Kollegen aus den Ressorts gesagt haben. Es gibt weder Verhandlungen noch Beschlüsse zu diesem Thema.

Frage: Zu Letzterem: Die Konzerne selbst haben gegenüber Agenturen erklärt, dass es Gespräche mit der Bundesregierung darüber gebe. Sie haben gerade gesagt, dass es diese Gespräche nicht gibt. Wird da auf der einen Seite gelogen, oder gibt es vielleicht in den Ressorts Gespräche?

Das Wirtschaftsministerium sagt, das System der Rückstellungen habe sich bewährt. Wissen Sie, wo das Geld zurzeit angelegt ist, ob es sicher ist und ob es verfügbar ist?

Alemany: Diese Frage kann ich gerne beantworten. Der Vorschlag liegt uns, wie gesagt, nicht vor.

Zur Haftungsmasse: Rückstellungen sind zunächst einmal von Rücklagen abzugrenzen. Rücklagen sind, wie Sie wissen, für die Zukunft frei verfügbare Vermögenswerte von Unternehmen. Hinter Rückstellungen steht die gesamte Vermögensmasse der betreffenden Unternehmen. Das heißt, als Haftungsmasse steht das gesamte Betriebsvermögen dahinter. Die jährliche Bilanzierung stellt eine kontinuierliche, den tatsächlichen Gegebenheiten folgende Überprüfung durch Wirtschaftsprüfer sicher.

Zusatzfrage: Dann bleibt noch die Frage an das Umweltministerium, weil gesagt wurde, es würden Gespräche mit der Bundesregierung geführt: Werden mit Ihrem Haus Gespräche geführt?

Schroeren: Nein. Ich habe es bereits gesagt: Mit uns ist bisher nicht darüber gesprochen worden. Wir selbst haben auch keine Gesprächsinitiative mit diesem Ziel gestartet.

Ich kann allerdings ergänzen: Die Koalition hat ja in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart, dass es Gespräche mit den Betreibern über die Umsetzung ihrer rechtlichen Verpflichtung zur Übernahme der Kosten, die mit dem Rückbau von Atomkraftwerken verbunden sind, geben soll.

Frage: Herr Seibert, teilt die Bundeskanzlerin die am Wochenende geäußerte ablehnende Ansicht von Frau Hendricks zu diesem Thema? Können Sie ausschließen, dass ein Befugter der Bundesregierung mit den Betreibern von Atomkraftwerken im entsprechenden Sinne verhandelt, inoffiziell geredet hat?

StS Seibert: Ich wiederhole die Aussage, die ich vorhin hier gemacht habe: Bislang gab es weder Verhandlungen noch Beschlüsse zu dem Stiftungsmodell, über das wir sprechen. Ansonsten haben die beiden Ressorts das ausgedrückt, was für die Bundesregierung dazu zu sagen ist.

Zusatzfrage: Das heißt, es ist auszuschließen, dass irgendein Befugter der Bundesregierung mit der Energiewirtschaft dazu gesprochen hat, und die Bundeskanzlerin teilt ausdrücklich die Ansicht von Frau Hendricks zu diesem Thema?

StS Seibert: Der jetzt wieder ins Spiel gebrachte Stiftungsvorschlag ist ja nicht neu. Er geistert - dies wurde in Ihren Fragen klar - schon seit einiger Zeit durch den Raum. Ich wiederhole den Satz, den ich hier schon zweimal gesagt habe, nicht ein drittes Mal. Aber er steht.

Frage: Das Bild, das Sie malen, ist ja, dass das Interesse der Stromversorger, die da irgendwelche Gespräche führen möchten, eigentlich nur sei, mögliche Risiken wegzudrücken. In dem Gerichtsurteil in Hamburg und München, wurden, wenn ich das richtig sehe, Milliardenzahlungen an die Versorger festgeschrieben, die ja geleistet werden müssen. Ist es denn jetzt also wirklich so, dass Sie sagen "Das interessiert uns alles gar nicht" und überhaupt keinerlei Eigeninteresse haben?

Zweite Frage: Mit wie vielen Milliarden rechnen Sie denn für den Abriss und Rückbau eines Atomkraftwerks, wenn Sie sagen, das sei angemessen?

Drittens: Wie lange zieht sich diese ganze Aktion denn hin? Aus allen möglichen Unternehmen hört man, die Behörden - es sind zugegebenermaßen Landesbehörden, aber das müsste Sie ja trotzdem interessieren - seien personell vollkommen überfordert. Jegliche Anträge, die ja für alles gestellt werden müssen, lägen dort auf Halde und würde nicht bearbeitet werden. Das klingt ja eher danach, als ob sich der Rückbau nach dem Abschalten 2020 beziehungsweise 2022 bis in das Jahr 2050 hinziehen wird.

Alemany: Für den Rückbau müsste ich jetzt an den zuständigen Kollegen verweisen.

Schroeren: Zu den Kosten für den Rückbau eines Atomkraftwerks: Das lässt sich nicht pauschal beziffern. Ich kann Ihnen jetzt auch nicht ad hoc eine Summe nennen, die erforderlich wäre, um ein Atomkraftwerk zurückzubauen. Sicher ist, dass es nicht billig ist und dass das ein Prozess ist, der sich über Jahrzehnte hinziehen kann, weil die Prozeduren, die damit verbunden sind - die Entsorgung und die Freigabe von radioaktiv kontaminiertem Material -, natürlich sehr sorgfältig bearbeitet werden müssen. Es gibt unterschiedlich stark belastete Teile in einem solchen Reaktorgebäude. Dazu kann ich Ihnen also keine - - -

Zusatzfrage: Aber wieso können die dann sagen, dass die Mittel, die zurückgestellt sind, angemessen sind? Wenn Sie die Summe nicht bemessen können, dann kann man doch nicht sagen, das sei angemessen.

Schroeren: Es bliebe einer Überprüfung vorbehalten, einzuschätzen, ob die bisher zurückgestellten Mittel ausreichen, um die noch in Betrieb befindlichen Atomkraftwerke zurückzubauen, und zwar zu dem Zeitpunkt, zu dem sie ihren Betrieb einstellen. Dazu kann ich jetzt ad hoc, wie gesagt, keine Aussage treffen.

Sie hatten in Ihrer Frage aber auch die Frage ins Spiel gebracht, ob der personelle Stand in den Genehmigungsbehörden ausreicht. Wenn ein Atomkraftwerksbetreiber seine Anlage stilllegt, dann muss er dafür eine Genehmigung beantragen, die dann von den Landesatomaufsichten bearbeitet und letzten Endes auch genehmigt wird. Mir ist nicht bekannt, dass der Personalbestand in den Landesatomaufsichten nicht ausreicht. Dazu kann ich keine Aussage treffen.

Zusatzfrage: Die Ursprungsabschaltgenehmigung ist auch nicht das Problem. Nur bedarf es ja für jeden tatsächlichen Schritt, das Ganze zurückzubauen, auch jedes Mal einer Genehmigung. In dieser Hinsicht versichern zumindest die Unternehmen, dass diese folgenden Genehmigungen, die dann ja wichtig sind, damit wirklich etwas passiert und man nicht nur den Stecker herausgezogen hat, einfach nicht kommen, weil die Behörden gnadenlos überfordert sind.

Schroeren: Das müsste für den Einzelfall substantiiert werden. Dass sich die Bearbeitung von Anträgen verzögert, kann ja auch eine andere Ursache haben. Das kann zum Beispiel auch die Ursache haben, dass die Antragsunterlagen schlecht, unvollständig oder in anderer Weise zu beanstanden sind. Dann muss nachgefordert werden, und das kostet dann Zeit.

Frage: Da es sich um Geld handelt, würde ich gerne die Antwort von Frau Kothé hören, was sie von diesem Deal "Rechtsanspruch gegen Stiftung" hält.

Vielleicht eine Frage an die drei Ministerien: Sind Sie für solche Gespräche offen, oder ist die Tür zu?

Kothé: Ich glaube, dass da zwischen zwei Dingen ein Zusammenhang hergestellt worden ist, der so aus unserer Sicht nicht sachgerecht ist. Wie Sie wissen, sind Klagen gegen die Kernbrennstoffsteuer anhängig, und es sind jetzt vom Finanzgericht Hamburg einstweilig Entscheidungen im einstweiligen Rechtsschutz ergangen. Wenn es darum geht, dass wir dieses Geld zurückzahlen müssen, sind wir in der Sache und an sich aber also der Auffassung, dass die Einwände ungerechtfertigt sind, dass wir hier auch obsiegen werden und dass dieses Geld dann also auch wieder in den Bundeshaushalt zurückfließen wird. Von daher ist dieser Zusammenhang für uns im Augenblick auch irrelevant.

Schroeren: Für unser Haus kann ich noch einmal auf Folgendes verweisen: Die Koalitionsvereinbarung sieht ja vor, dass Gespräche über die Umsetzung der rechtlichen Verpflichtung der Atomkraftwerksbetreiber und zur Sicherstellung beziehungsweise Verfügbarkeit ihrer Rückstellungen geführt werden.

Alemany: Dem habe ich nichts hinzuzufügen.

Frage: Herr Seibert, Sie haben gesagt, es gebe weder Verhandlungen noch Gespräche der Bundesregierung zu diesem Stiftungsmodell. Nun gibt es ja noch eine dritte Kategorie, nämlich Informationen. Sind Sie denn einmal darüber informiert worden, oder haben Sie - Sie haben ja gesagt "Die Gerüchte wabern seit geraumer Zeit" - das auch nur aus der Presse erfahren? Sind Sie also irgendwann einmal informiert worden?

StS Seibert: Um es noch einmal ganz präzise oder konkret zu sagen: Ich habe gesagt, dass es weder Verhandlungen noch Beschlüsse gibt. Das haben wir dann damit jetzt dreimal gesagt und es hoffentlich auch geklärt.

Zuruf: Ich hatte nach Informationen gefragt.

StS Seibert: Genau, aber Sie hatten mich falsch zitiert, wenn ich das sagen darf. Deshalb, dachte ich, sagen wir lieber noch einmal richtig: Es gibt weder Verhandlungen noch Beschlüsse. Ich habe vorhin lediglich gesagt, dass dieser Vorschlag eines Stiftungsmodells nicht neu ist. Er ist aus den Medien bekannt, und zwar seit geraumer Zeit. Er wird immer wieder ins Spiel gebracht und hat sicherlich auch schon einmal in der Vergangenheit in Gesprächen eine Rolle gespielt. Aber über das konkrete Stiftungsmodell gibt es, noch einmal gesagt, keine Verhandlungen und keine Beschlüsse; ich glaube, das ist sehr klar dargestellt worden.

Wir haben hier in Deutschland doch das klare Ziel, den Restbetrieb der Kernkraftwerke sicher abzuwickeln. Wir haben das klare Ziel, dass das ohne Einschränkungen garantiert sein muss, dass auch die Entsorgung finanziell zu sichern ist und dass wir für die Beschäftigten sozialverträgliche Lösungen brauchen. Darauf werden wir sicherlich immer wieder auch im Gespräch mit den Kernkraftwerksbetreibern zurückkommen, wie es - Herr Schroeren hat es gerade gesagt - der Koalitionsvertrag vorsieht. Über einzelne Gespräche auf Arbeitsebene bin ich nicht informiert.

Zusatzfrage: Aber meine Frage war ja, ob es Informationen gibt. Sind Sie einmal von den Betreibern informiert worden, oder kennen Sie das alles auch nur aus den Medien? Sie stellen es so dar, dass Sie das nur aus den Medien kennen, aber sagen, es gebe weder Verhandlungen noch Beschlüsse. Sind Sie einmal irgendwann von dieser Seite informiert worden?

StS Seibert: Das kann ich Ihnen an dieser Stelle einfach nicht sagen. Ich weiß es nicht.

Frage: Herr Schroeren, ist denn das Kanzleramt, also beispielsweise der Kanzleramtsminister, in irgendeiner Form befugt, Informationen in dieser Sache entgegenzunehmen, oder wären das andere Ressorts?

Zweite Frage, auch an Sie, Herr Schroeren: Was würde eigentlich passieren, wenn RWE insolvent werden würde? Würde das in irgendeiner Form den Bund ins Gespräch bringen?

Schroeren: Habe ich es jetzt richtig verstanden, dass Sie mich nach den Kompetenzen des Kanzleramts fragen?

Zusatzfrage: Ja; vielleicht sind Sie ja auskunftswillig. Oder kann der Kanzleramtsminister sprechen, mit wem er will, ohne dass er das beispielsweise der Ministerin für Umwelt mitteilt?

Schroeren: Wenn Sie dazu mehr wissen wollen, empfehle ich einen Blick in die Geschäftsordnung der Bundesregierung.

Zusatzfrage: Heißt das, er kann alles?

Schroeren: Das weiß ich nicht. Ich kenne sie nicht auswendig, und ich trage sie auch nicht unter dem Arm. Aber das war ein nett gemeinter Hinweis zu Ihrer Information.

Was hatten Sie noch gefragt?

Zusatz: Insolvenz von RWE.

Schroeren: Ich könnte Ihnen jetzt sagen: Für die Frage der Rückstellungen und für die Betrachtung dieses Themas sind wir als Umweltministerium ja gar nicht zuständig. Insofern beschäftigt uns das jetzt nicht in der Weise, dass ich Ihnen dazu eine Antwort geben könnte.

Zusatzfrage: Darf ich die Frage dann pflichtgemäß einfach an Frau Alemany weiterreichen?

Alemany: Gerne, Herr Wonka. Aber ich glaube, Sie können sich die Antwort schon vorstellen: Das ist eine Konjunktivfrage nach dem Risiko einer Gesamtinsolvenz des Gesamtkonzerns RWE. Die ist so abstrakt, dass ich mich dazu nicht äußern kann.

Frage: Herr Schroeren, der Rückbau eines Atomkraftwerks - in Greifswald, wenn ich es richtig im Kopf habe - läuft ja. Gibt es eventuell eine Größenordnung in Bezug darauf, was dieser Rückbau bisher gekostet hat, die Sie kennen?

Frau Alemany, ich habe Sie vorhin so verstanden, dass diese Rückstellungen im Dezember 2013 quasi noch einmal geprüft worden sind. Dann muss dem ja irgendetwas zugrundegelegt worden sein, wenn man zu dem Ergebnis kommt, dass sie angemessen seien. Vielleicht könnten Sie das noch einmal erläutern.

Schroeren: Herr Borchers, es gibt im Moment mehr als ein Atomkraftwerk, das zurück gebaut wird, zum Beispiel die Atomkraftwerke Obrigheim, Greifswald und Jülich; ich glaube, das sind die entsprechenden. Ich kann Ihnen, leider Gottes, jetzt ad hoc zu den Kosten nichts sagen; es tut mir leid.

Zusatzfrage: Könnten Sie das vielleicht eruieren?

Schroeren: Das kann ich tun.

Alemany: Zu Ihrer Frage an mich: Ich habe mich dabei auf meine aktuellsten Zahlen bezogen. Die sind aus dem Dezember 2013. Die stehen auch als Antwort auf Kleine Anfragen auf unserer Homepage, wenn Sie dort danach suchen möchten. Das ist nach den einzelnen Milliardenbeträgen aufgeschlüsselt, die die Konzerne jeweils zurückgestellt haben. Die werden aber auch auf deren jeweiligen Internetseiten und in ihren Geschäftsberichten jedem zur Verfügung gestellt. So gesehen ist das immer aktuell.

Der Grund, weshalb wir darauf kommen, dass wir das als ausreichend ansehen, ist das, was ich schon am Anfang deutlich zu machen versucht habe, nämlich dass sich die Rückstellungen einfach nach handelsrechtlichen Grundsätzen richten und diese immer wieder und konstant von unabhängigen Wirtschaftsprüfern und der Finanzverwaltung auf ihre Richtigkeit und Validität überprüft werden. Diesen Aussagen folgen wir dann als Bundesregierung. Das heißt, unabhängig davon, ob wir Ihnen jetzt eine Zahl oder die Kosten eines einzelnen Rückbaus hier in der Regierungspressekonferenz nennen können, gibt es eine Finanzverwaltung und Wirtschaftsprüfer, die sich das immer genau im Einzelnen anschauen und uns dann sagen, ob das angemessen und geeignet ist oder nicht.

Frage: Ich habe noch einmal eine Frage an Herrn Seibert, weil Sie den Kollegen gerade noch einmal Ihre Formulierung "Keine Verhandlungen oder Beschlüsse" so eingeschärft haben. Ich habe das Gefühl, da wird eine semantische Goldwaage aufgebaut. Muss ich mir das etwa so vorstellen, dass man Gespräche geführt hat, aber keine Verhandlungen geführt und auch keine Beschlüsse gefasst hat? Heißt das also, es gibt Gespräche, zumal Sie auch gerade sagten, dass Sie nicht über jedes einzelne Gespräch, das da geführt wird, informiert seien?

StS Seibert: Ich werde nur gerne korrekt zitiert. Deswegen habe ich das einfach nach zweimaliger Wiederholung noch ein drittes Mal gesagt. Ich glaube, dass es auch eine sehr klare Aussage gibt. Wenn Sie alles, was die Ressorts und ich hier gesagt haben, zusammennehmen, dann ist das Bild doch sehr klar.

Frage : Herr Dimroth, ich weiß nicht genau, ob Sie der richtige Ansprechpartner sind, aber das "Handelsblatt" meldet heute, dass Ihr Minister im Juni bekannt geben werde, dass demnächst sämtliche politisch bedeutsamen Arbeitsplätze der Bundesregierung, die sich noch in Bonn befinden, nach Berlin verlegt werden. Ist das zutreffend? Was bedeutet das eigentlich? Gibt es dazu einen Kabinettsbeschluss? Berührt das das Bonn-Berlin-Gesetz? Sind das größere Größenordnungen? Was heißt das?

Dimroth: Das ist nicht zutreffend, da etwas unspezifisch zitiert. Der Bundesminister des Inneren hat für seinen Geschäftsbereich eine Entscheidung getroffen, die ungefähr der Linie folgt, die Sie gerade skizziert haben, nämlich die kernministeriellen Aufgaben, die derzeit noch in Bonn wahrgenommen werden - also der Abteilungen Sport, KM und Migration - , nach Berlin zu verlagern. Selbstverständlich betrifft diese Entscheidung nicht die Organisationshoheit der anderen Ressorts oder Bundesministerien. Insofern ist das Zitat so, wie Sie gerade berichtet haben, deutlich zu offen. Ich habe das auch gelesen, und das ist nicht zutreffend. Die Entscheidung, die getroffen wurde, betrifft allein das Bundesministerium des Inneren und dort eben die genannten Abteilungen, die zu dem derzeit skizzierten oder derzeit in Aussicht genommenen Datum, nämlich dem Frühjahr des nächsten Jahres, im Rahmen des Einzugs in den Neubau nach Berlin kommen sollen; das ist richtig. Das ist eine Entscheidung im Rahmen der Organisationshoheit des Bundesministers auf dem Fuße des Bonn-Berlin-Gesetzes.

Zusatzfrage: Darf ich die Frage dann vielleicht auch an die anderen Häuser weitergeben? Gibt es vergleichbare Planungen in anderen Häusern? Gibt es vergleichbare Planungen insbesondere in den Häusern, die ihren Hauptsitz in Bonn haben? Gibt es dazu eine aktuelle Diskussion oder Abstimmung im Rahmen des Kabinetts?

StS Seibert: Vielleicht darf ich, bevor sich die Kollegen aus den Häusern melden, nur noch einmal als Überschrift über das Ganze die Formulierung aus dem Koalitionsvertrag zitieren, zu dem wir in dieser Bundesregierung natürlich stehen. Die heißt: Wir stehen zum Bonn-Berlin-Gesetz. Bonn bleibt das zweite bundespolitische Zentrum, Punkt. Das ist vielleicht die Überschrift, unter der man das alles betrachten sollte.

Zusatzfrage: Deswegen frage ich ja.

StS Seibert: Genau, und deswegen sage ich es ja.

Frage: Frau Kothé, von Ihrem Minister stammt die Auskunft "Kein Gesetz ist für die Ewigkeit". Herr Seibert, das gilt aber offenbar nicht für das Bonn-Berlin-Gesetz. Gilt das Bonn-Berlin-Gesetz für die Ewigkeit?

StS Seibert: Ich glaube, bei kaum etwas, das wir hier besprechen, können wir Aussagen für die Ewigkeit treffen. Wir sprechen darüber, was die Arbeit dieser Bundesregierung leitet, und die Arbeit der Bundesregierung wird gerade in diesem Punkt von der sehr klaren Aussage des Koalitionsvertrags geleitet. Die habe ich zitiert.

Zusatzfrage: Gilt das Bonn-Berlin-Gesetz also nicht für die Ewigkeit?

StS Seibert: Sind Sie ehrlich in der Lage, die Ewigkeit zu greifen? Ich nicht! Aber Sie möglicherweise schon; damit muss man rechnen.

Frage : Nur der Vollständigkeit halber: Basiert dieser "Handelsblatt"-Geschichte also auf Informationen, die die Fluggesellschaft Air Berlin betreffen, weil deren Geschäft irgendwie dadurch beeinträchtigt sein könnte, dass die zahlreichen Flüge, deren Tickets die Bundesregierung Millionen kosten, (nicht mehr stattfinden)? Ist diese ganze Fluggesellschaftsmeldung, wenn es sich jetzt um wenige Abteilungsleiter oder Abteilungsstäbe aus dem Innenministerium handelt, dann offensichtlich Blödsinn, oder gibt es Bestrebungen seitens der Bundesregierung, einen bestehenden Rahmenvertrag oder dergleichen mit Air Berlin zu kündigen, was dann tatsächlich Flüge in größeren Größenordnungen betrifft, die es diese Nachricht wert machen würden, berichtet zu werden?

Dimroth: Zu der letzten Teilfrage ist mir jedenfalls nichts bekannt. Mich hat die Berichterstattung dazu mit diesem Spin, ehrlich gesagt, auch etwas überrascht, denn wie Sie richtig sagen, bewegt sich die Entscheidung jedenfalls im BMI in einem recht überschaubaren Größenrahmen, und selbstverständlich bleibt auch der zweite Dienstsitz das Bundesministerium des Inneren in Bonn, wie es das Bonn-Berlin-Gesetz eben vorsieht, wenn vielleicht auch nicht für die Ewigkeit, aber sicherlich und jedenfalls für den Moment. Da gibt es auch derzeit keine Änderungspläne, denn, wie gesagt, das Gesetz sieht das so vor, und das soll so bleiben. Das kann ich für das BMI sagen. Die Größenordnung ist überschaubar.

Inwieweit es jetzt wirklich nennenswerte Bezüge zu dem Geschäftsmodell von Air Berlin gibt, erschließt sich mir nicht.

Frage: Jetzt beruft sich diese Berichterstattung auf den Teilungskostenbericht, und dabei scheint es ja nicht nur um eine Handvoll von Posten zu gehen, die schon in der letzten Zeit von Bonn nach Berlin gegangen sind. Haben Sie dazu Zahlen vorliegen?

Dimroth: Nein. Aktuell kann ich Ihnen hier heute nur Rede und Antwort zu dem stehen, was letzte Woche entschieden wurde. Es gibt eben die genannte Entscheidung, die betroffenen Bereiche aus Bonn nach Berlin umziehen zu lassen. In die umgekehrte Richtung soll auch eine überschaubare Zahl von Funktionen von Berlin nach Bonn übertragen werden, sodass sich aber dennoch im Saldo sozusagen eine negative Differenz für den Standort Bonn ergibt. Bonn bleibt aber, wie es das Gesetz vorsieht, selbstverständlich zweiter Dienstsitz des BMI.

Frage: Ich habe eine Frage zur Telekom an das Finanzministerium: Der Bundesrechnungshof empfiehlt, die Staatsbeteiligung an der Telekom zu verringern; schließlich sei das Telefonieren nicht mehr Teil der Daseinsvorsorge. Gibt es solche Pläne, den Anteil zu verringern? Können Sie vielleicht etwas zur mittel- oder langfristigen Perspektive oder Strategie sagen, die die Bundesregierung mit dieser Staatsbeteiligung verfolgt?

Kothé: Herr Sobolewski, bei solchen Fragen sind wir immer sehr schmallippig. Ich kann Ihnen nur sagen: Wir planen im Moment keine Verringerung unserer Beteiligung.

Frage: Ich habe eine Frage an Herrn Seibert. Am Mittwoch oder Donnerstag wird der Ökumenische Patriarch Bartholomaios Berlin besuchen und Frau Merkel treffen. Gibt es einen Pressetermin? Was ist die Agenda dieses Treffens?

Herr Schäfer, in der Türkei möchten viele Regierungsvertreter die Hagia Sophia in ein islamisches Haus verwandeln. Was ist die politische Position der Bundesregierung dazu? Ist das vielleicht ein Gesprächsthema zwischen Patriarch Bartholomaios und Frau Merkel?

StS Seibert: Erst einmal: Das Treffen ist am Mittwoch um 12.15 Uhr im Bundeskanzleramt. Der Ökumenische Patriarch ist vom 10. bis 19. Mai zu einem Pastoralbesuch in Deutschland. Er wird im Rahmen dieses Besuches auch den Bundespräsidenten und den Bundestagspräsidenten treffen und die Städte Stuttgart, Esslingen, Frankfurt am Main, Bonn, München und eben Berlin besuchen. Er hatte im Übrigen 1993, vor 21 Jahren, auch als erster ökumenischer Patriarch überhaupt Deutschland besucht und war auch damals mit Bundeskanzlerin, Bundespräsident und Bundestagspräsidentin zusammengetroffen.

Das Gespräch mit der Bundeskanzlerin ist nicht presseöffentlich. Ich hatte es am Freitag schon gesagt: Es wird um Themen der Ökumene, es wird um ökologische Themen gehen, die offensichtlich dem Patriarchen auch sehr wichtig sind, um Themen der Nachhaltigkeit und um das Priesterseminar Halki. Das ist das, was ich Ihnen im Voraus sagen kann.

Schäfer: Ich kenne die Nachricht über die Haltung der türkischen Regierung zu Ihrer Frage nicht. Deshalb werde ich mich jetzt auch einer Darstellung der Haltung der Bundesregierung enthalten.

Frage: Eine Frage an das Innenministerium: Wie beurteilen Sie die doch sehr scharfe Kritik der Integrationsbeauftragten an den Plänen für das neue Aufenthaltsrecht? Herr Staatssekretär, vielleicht können Sie auch einen Ton dazu sagen?

Dimroth: Als zweites Paket in Umsetzung dessen, was im Koalitionsvertrag im Bereich Ausländerrecht vereinbart wurde, liegt ein Gesetzentwurf aus dem Innenministerium vor. Dieser befindet sich derzeit in der Ressortabstimmung. Insofern bitte ich um Nachsicht, dass ich hier zu Einzelheiten und insbesondere zu einzelnen Stimmen zu diesem Gesetzentwurf weiter keine Stellung nehmen möchte.

Zusatzfrage: Aber das ist ja jetzt nicht irgendeine Stimme, die da erschallt, sondern die Stimme der Integrationsbeauftragten der Bundesregierung. Ich finde, darüber können Sie nicht einfach so hinweggehen.

Dimroth: Der Bundesinnenminister hat am vergangenen Freitag den Gesetzentwurf in seinen groben Zügen dargelegt. Jetzt befinden wir uns im Rahmen der Ressortabstimmung. Selbstverständlich werden im Rahmen der Ressortabstimmung alle relevanten Stimmen Gehör finden, so auch die von Ihnen gerade zitierte.

StS Seibert: Ich kann auch kurz etwas dazu sagen, es wird aber sehr dem ähneln, was der Kollege aus dem Innenministerium gesagt hat. Grundsätzlich hatten wir im Koalitionsvertrag vereinbart, diese Bereiche - Bleiberecht, Aufenthaltsbeendigung - neu zu regeln. Deswegen ist zu begrüßen, dass das Bundesinnenministerium dazu jetzt einen Gesetzentwurf vorlegt. Dieser Gesetzentwurf ist in der Ressortabstimmung, die der internen Willensbildung in der Bundesregierung dient. Ressortabstimmung heißt auch, dass selbstverständlich jede sachlich begründete Anregung, jede sachlich begründete Kritik miteinander diskutiert und aufgenommen wird. Das ist Ressortabstimmung, und solange dieser interne Prozess läuft, werde ich das als Regierungssprecher auch nicht weiter kommentieren.

Zusatzfrage : Finden Sie es denn erstaunlich oder vielleicht auch kritikwürdig, wenn sich eine der Hauptbeteiligten an diesem internen Willensbildungsprozess über ein Zeitungsinterview zu Wort meldet?

StS Seibert: Nein, ich möchte mich dazu gar nicht äußern. Ein Gesetzentwurf ist nicht fertig, bis er durch die Ressortabstimmung gegangen ist. Da wird mit allen, die daran sachlich begründet beteiligt sind - natürlich auch der Integrationsstaatsministerin -, gesprochen werden. Ich denke, diesen Prozess warten wir jetzt in Ruhe ab.

Frage: Eine Frage an das Justizministerium; Hintergrund ist ein Bericht von Amnesty International zur weltweiten Folter, der heute - unserer Zeit nachts - offiziell vorgestellt wird. Es gibt ja seit Längerem von Amnesty und auch von anderen Organisationen Kritik an der Bundesregierung oder an Deutschland, dass hierzulange zu wenig für die Folterprävention getan werde. Die Bundesstelle in Wiesbaden, so die Kritik, sei hoffnungslos unterbesetzt und unterfinanziert. Gibt es im Bundesjustizministerium Pläne, das zu ändern, sieht man da Handlungsbedarf?

Rülke: Zunächst einmal liegt mir der Bericht jetzt noch nicht vor, ich kann ihn also auch nicht konkret kommentieren. Wenn der Bericht vorliegt, werden wir uns sicherlich nicht nur den Bericht, sondern auch das Thema - möglicherweise auch anlässlich dieses Berichts - noch einmal konkret anschauen und das Thema prüfen.

Zusatzfrage: Bislang gibt es keine konkreten Pläne, die Bundesstelle in Wiesbaden finanziell oder personell besser auszustatten?

Rülke: Ich kann Ihnen leider im Moment nicht mehr sagen, als ich gerade angedeutet habe. Wir gucken uns den Bericht an, nehmen das Thema ernst und werden das prüfen.

Frage: Eine Frage an Herrn Seibert und Frau Alemany: Herr Seibert, Frau Merkel hat sich letzte Woche auf einer CDU-Veranstaltung für eine Reform des europäischen Wettbewerbsrechts ausgesprochen, da es in manchen Sektoren schwierig für die Unternehmen werde, sich im Wettbewerb zum Beispiel mit chinesischen Unternehmen durchzusetzen. Soll dieses Thema auch ein Teil des Mandates für die nächste Europäische Kommission werden?

Frau Alemany, steht auch der Wirtschaftsminister hinter solchen Gedanken, ist er auch für eine Neuauflage des europäischen Wettbewerbsrechts?

StS Seibert: Dahinter steht ja das große Thema der Wettbewerbsfähigkeit, und zwar der europäischen Wettbewerbsfähigkeit im globalen Konzert. Dieses Thema ist für die Bundeskanzlerin - das wissen Sie aus vielen ihrer Reden - ein zentrales Thema. Sie wissen, dass wir auf diesem Kontinent, auf Europa, Arbeitsplätze brauchen, Zukunftsindustrien brauchen, Chancen für junge Menschen brauchen, ein zentrales Thema. Insofern bin ich überzeugt, dass das Thema der Wettbewerbsfähigkeit auch eines sein wird, das für die nächste Europäische Kommission ein sehr zentrales sein wird. Darauf wird die Bundeskanzlerin sicherlich hinarbeiten. Dabei ist zu bedenken - das war ihr Hinweis in dieser Rede, die Sie zitieren -, dass man auch große Akteure braucht, die in der Lage sind, es tatsächlich mit den großen Akteuren auf der anderen Seite des Atlantiks oder in Asien aufzunehmen.

Alemany: Ich kann das eigentlich nur unterstreichen. Sie wissen ja, dass das Ziel des BMWi immer und stets ist, die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Unternehmen zu fördern.

Frage: Ich habe eine Frage zu Siemens/Alstom an Frau Alemany und Herrn Seibert: Da war ja bisher immer die Sprachregelung, dass das eine unternehmerische Entscheidung sein wird, in die sich die Bundesregierung nicht einmischt. Letzte Woche gab es das Treffen zwischen Herrn Gabriel und seinem französischen Amtskollegen, und die Bundeskanzlerin hatte sich in Stralsund zu diesem Thema noch einmal dahingehend geäußert, dass die Bundesregierung es wohlwollend begleiten würde, wenn da irgendetwas zustande käme, was von Vorteil wäre. Können Sie noch einmal ganz kurz erläutern, welche Rolle die Bundesregierung bei diesen Siemens-Alstom-Verhandlungen genau spielt? Das ist mir nicht ganz klar.

StS Seibert: Ich denke, Sie haben die Äußerungen der Bundeskanzlerin in Stralsund schon sehr präzise zitiert. Sie hat sich dort in der Pressekonferenz mit dem französischen Staatspräsidenten ja dazu geäußert und hat - ich mache das jetzt aus dem Kopf - im Wesentlichen gesagt, dass das natürlich eine unternehmerische Entscheidung ist und dass sich die Bundesregierung in eine solche unternehmerische Entscheidung nicht hineindrängt. Gleichzeitig hat sie gesagt: Jetzt muss erst einmal gesehen werden, ob Siemens ein Angebot vorlegt, und sollte es zu einer Zusammenarbeit kommen, dann wäre das etwas - ich zitiere weiter die Bundeskanzlerin, aber aus dem Kopf; deswegen müssen Sie es nachlesen -, was man als Bundesregierung auch positiv begleiten könnte. Der wichtige Kernsatz ist aber: Dies ist eine unternehmerische Entscheidung und keine Entscheidung der Bundesregierung. Insofern hat sich nichts geändert.

Zusatzfrage: Was heißt denn "wohlwollend begleiten" genau? Können Sie noch einmal mit anderen Worten erklären, was das heißt?

StS Seibert: Nein, jetzt würde ich einfach erst einmal dabei bleiben, dass wir einmal schauen, ob es zu einem Angebot kommt und ob das Gremium von Alstom dieses Angebot annimmt oder sich für ein anderes entscheidet. Dann können wir weiterreden.

Frage: Die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" meldet einen sprunghaften Anstieg der Kindergeldanträge, die von Saisonarbeitern gestellt würden. Meine Frage an das Finanzministerium: Können Sie diese Zahlen bestätigen, wonach Ihr Haus da mit Mehrkosten von einer Milliarden Euro rechnet?

Zum anderen - ich weiß jetzt gar nicht, an wen diese Frage geht -: Ist das eigentlich auch ein Thema für die Staatssekretärsrunde, die nach meiner Erinnerung im März eingerichtet wurde, um den Sozialmissbrauch zu bekämpfen beziehungsweise zu analysieren und Mittel vorzuschlagen, was man dagegen tun könnte?

Kothé: Zunächst einmal gab es im Jahre 2012 ein EuGH-Urteil, das die Bundesrepublik Deutschland verpflichtet hat, (im Ausland lebende) Kinder von in Deutschland unbeschränkt Steuerpflichtigen beim Kindergeld denen gleichzustellen, die hier in Deutschland leben. Das heißt, betroffen sind Beschäftigte, die mehr als die Hälfte des Jahres in Deutschland arbeiten. Das vielleicht einmal vorweggeschickt.

Wir sind verpflichtet, dieses Urteil umzusetzen, und dem sind wir natürlich auch nachgekommen. Dadurch hat sich der Anspruchskreis natürlich etwas ausgeweitet. Die dadurch entstandenen Kosten ab dem Jahr 2012 liegen bei 200 Millionen Euro im Jahr. Die Zahl, die heute in der Presse war, kam also dadurch zustande, dass die Kosten einfach über einen längeren Zeitraum aufaddiert wurden. Jährlich sind es 200 Millionen Euro. Die haben wir natürlich auch in unserer Finanzplanung beziehungsweise im Haushalt berücksichtigt.

Vorsitzende Sirleschtov: Zum zweiten Teil der Frage hat sich das BMI für zuständig erklärt.

Dimroth: Für teilzuständig erklärt, genau. Der Staatssekretärsausschuss, den wir gemeinsam mit dem BMAS federführend betreuen, hat diese Thematik in seinem Zwischenbericht angerissen und wird sich dazu auch in seinem Abschlussbericht verhalten, der im Laufe des Juni zu erwarten ist. Inhaltlich kann man dem hier aber nicht vorgreifen.

Frage BORCHERS: Frau Kothé, habe ich es richtig verstanden, dass das 200 Millionen Euro jährlich sind?

Kothé: Jährliche Mehrausgaben gegenüber vor diesem Urteil, ja.

Zusatzfrage: Ist für Sie die Aufsummierung auf eine Milliarde Euro - und dann wird ja noch genannt, bis Ende des Jahrzehnts seien es zwei Milliarden Euro - nachvollziehbar?

Kothé: Wenn man das mit fünf multipliziert, ist das relativ einfach nachvollziehbar; das ist hier ja passiert. Das deckt sich also mit den 200 Millionen Euro, die ich als jährlichen Betrag angegeben habe.

Zusatzfrage: Wenn ich das richtig verstanden habe, bezieht sich das "mal fünf" darauf, dass die das von 2008 bis 2011 nachbeantragen können?

Kothé: Genau.

Zusatzfrage: Wissen Sie denn definitiv, dass die Anträge tatsächlich auch in dieser Höhe zustande gekommen sind?

Kothé: Das kann rückwirkend für drei Jahre beantragt werden, deshalb hatten wir rückwirkend für 2008 bis 2011 Mehrausgaben von 400 Millionen Euro. Seit 2012 ist es also, umgerechnet auf die Jahreszahlen, etwas angestiegen.

Zusatzfrage: Dann wäre ich jetzt bei 600 Millionen Euro.

Kothé: Nein, die 400 Millionen Euro beziehen sich auf die ersten drei Jahre. Die Zahl in der Zeitung ist ja eine Prognose, wie sich die Zahl bis Ende des Jahrzehnts entwickeln wird. Ich habe Ihnen jetzt nur die Zahl für die rückwirkenden Ausgaben, die seit dem Urteil noch geltend gemacht worden sind, nachgeliefert.

Zusatzfrage: Kommen wir denn jetzt bis Jahresende auf eine Milliarde Euro oder nicht?

Kothé: Die Zahlen, mit denen wir operieren, sind natürlich eine Prognose. Wir gehen jetzt von 200 Millionen Euro jährlich aus. Wenn Sie das bis zum Ende des Jahrzehnts hochrechnen, deckt sich das also weitestgehend.

Frage: Ist dieser Anstieg denn überraschend gekommen oder war damit zu rechnen? Denn es heißt ja auch, dass die Familienkasse dieser vielen Anträge gar nicht Herr werde.

Kothé: Es gab das Urteil, das dann in Deutschland umzusetzen ist. Die Bundesregierung hat reagiert. Diese Fälle werden an zwei Stellen zentral bearbeitet. Wenn man mit Stellen im Ausland, in anderen EU-Mitgliedstaaten in Kontakt treten muss, dann ist das im Einzelfall vielleicht etwas schwieriger und dauert auch länger. Bei dem Umstellungsprozess gab es Verzögerungen. Aber es ist reagiert worden. Auch das Personal ist aufgestockt worden. Um an dieser Stelle präzise zu sein: Es sind Mittel bereitgestellt worden, um das Personal aufzustocken.

Frage: Nur um das noch einmal konkret zu machen: Die Mittel für das zusätzliche Personal belaufen sich also auf 3,3 Millionen Euro, wie es berichtet wurde? So soll es jedenfalls in der Antwort des Staatssekretärs des Finanzministeriums stehen.

Kothé: Ja.

Frage: Ich habe eine Frage an das Bundesumweltministerium und an das Bundeswirtschaftsministerium zum Thema Fracking. Ich habe es so verstanden, dass die Umweltministerkonferenz eine sehr restriktive Gesetzesänderung beim Fracking vorsieht, sowohl beim Bergbaurecht als auch beim Wasserrecht. Jetzt überrascht mich eine Meldung aus der "Süddeutschen Zeitung", wonach das Bundeswirtschaftsministerium bei diesem Thema einen anderen Kurs fährt und das Fracking doch eher erleichtern will, möglicherweise auch im Hinblick auf die neue Thematik der Versorgungssicherheit mit Energie und Gas. Ist das Vorgehen zwischen den beiden Häusern abgestimmt, oder überraschen Sie sich da wechselseitig?

Alemany: Es ist schön, dass Sie nachfragen. Das gibt mir die Gelegenheit, den Bericht klarzustellen. Natürlich gibt es hierzu keine neue Haltung der Bundesregierung. Die Position der Bundesregierung ist unverändert, wie es auch im Koalitionsvertrag klar zum Ausdruck gebracht wurde: Der Schutz von Trinkwasser und Gesundheit hat absoluten Vorrang. Das gilt natürlich unverändert weiter. Im Übrigen haben wir eine sehr enge Zusammenarbeit mit dem BMU; das muss ich nicht extra hinzufügen.

Zusatz: Das war ja schon immer so.

Alemany: Genau.

Schäfer: Ich möchte Ihnen noch etwas mitteilen: Bereits am Tag seines Amtsantritts am 17. Dezember hat Außenminister Steinmeier angekündigt, dass er die deutsche Außenpolitik und auch die Arbeit des Auswärtigen Amtes einer kritischen Selbstüberprüfung zu unterziehen gedenkt. Das Projekt ist jetzt ziemlich weit gediehen. Es nennt sich "Review 2014 - Außenpolitik Weiter Denken" und soll Gelegenheit für eine möglichst breit angelegte Diskussion über die deutsche Außen- und Sicherheitspolitik bieten. Aus der Sicht von Herrn Steinmeier geht es darum, dies in einem offenen, transparenten und möglichst partizipativen Prozess unter Einschluss von Parlament, Wissenschaft, Zivilgesellschaft und breiter Öffentlichkeit geschehen zu lassen.

Im Mittelpunkt dieses Review-Prozesses stehen Fragen wie etwa: Welche Schwerpunkte und Prioritäten sollte Deutschland in seiner Außenpolitik setzen? Was sind die außenpolitischen Themen der Zukunft? Für welche Werte stehen wir? Welche Interessen vertreten wir?

Im Zusammenhang mit diesem Projekt würde ich Ihnen jetzt gerne ankündigen, dass wir heute, vielleicht in diesen Minuten, eine neue Website, nämlich www.review2014.de, ans Netz gehen lassen werden. Parallel gibt es die Möglichkeit, in einem Blog und auch in einem Twitter-Kanal an den Debatten teilzuhaben, die wir gerne mit der Öffentlichkeit führen möchten. Auf dieser neuen Website legen bereits zahlreiche Experten und Persönlichkeiten aus Deutschland und der Welt ihre Sicht auf die deutsche Außenpolitik dar. Dazu gehört Volker Perthes. Dazu gehört der Leiter der SWP. Dazu gehört Michael Wolffsohn. Dazu gehören Kofi Annan, Timothy Garton Ash und zahlreiche andere Persönlichkeiten, die auch öffentlich bekannt sind.

Wir würden uns freuen, wenn dies auch auf Ihr Interesse stoßen würde und auch Sie sich aktiv an diesem Review-Prozess beteiligen würden.

*

Quelle:
Mitschrift der Pressekonferenz vom 12. Mai 2014
http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2014/05/2014-05-12-regpk.html;jsessionid=B090F99076E4AF429F91EC0B8D7BCE85.s2t1
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veröffentlicht im Schattenblick zum 14. Mai 2014