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PRESSEKONFERENZ/789: Regierungspressekonferenz vom 9. Mai 2014 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Im Wortlaut
Mitschrift der Pressekonferenz - Freitag, 9. Mai 2014
Regierungspressekonferenz vom 9. Mai 2014

Themen: Lage in Nigeria, Übernahme des Amts des Direktors des Office for Democratic Institutions and Human Rights durch Michael Georg Link, Termine der Bundeskanzlerin (Gespräch mit dem geschäftsführenden Vorstand des Deutschen Industrie- und Handelskammertages, Gespräch mit den Chefs von fünf internationalen Wirtschafts- und Finanzorganisationen, Kabinettssitzung, Gespräch mit dem Ökumenischen Patriarchen Bartholomaios, 70. Bankwirtschaftliche Tagung der Volksbanken und Raiffeisenbanken, 17. Ordentlicher Bundesverbandstag des Sozialverbandes VdK), Rüstungsexportbericht 2013, möglicher Einstieg von Siemens bei Alstom, IT-Projekt "Herkules" der Bundeswehr, strafbefreiende Selbstanzeige, mögliche Anhörung von Edward Snowden vor dem NSA-Untersuchungsausschuss, Lage in der Ukraine

Sprecher: StS Seibert, Kübler (BMUB), Modes (BMWi), Schäfer (AA), Gerhartz (BMVg), Kothé (BMF), Müller-Niese (BMI)



Vorsitzender Welty eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt StS Seibert sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

Kübler: Ich bin Andreas Kübler. Ich freue mich, dass ich diese neue Aufgabe im Bundesministerium für Umwelt und Bau übernehmen konnte. Ich war vorher jahrelang beim Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung als Pressesprecher tätig. Ich bin wie unsere Ministerin von Hause aus Historiker. Ich freue mich sehr, hier zu sein. Auf ein konstruktives Miteinander! Danke!

Vorsitzender Welty: Herzlich willkommen!

StS Seibert: Bevor ich zu den Terminen der Bundeskanzlerin für die nächste Woche komme, wollte ich Ihnen kurz namens der Bundesregierung etwas zur Lage in Nigeria sagen. Die Bundesregierung ist entsetzt über das Ausmaß des Terrors durch die Terrororganisation Boko Haram, der Nigeria derzeit heimsucht. Nun dauert die Entführung von mehr als 200 Schülerinnen durch Boko Haram schon mehr als drei Wochen an. Ein weiterer Angriff der Boko Haram in Nordnigeria hat kürzlich Hunderte unschuldige Menschenleben gefordert. Das ist barbarische Gewalt. Das sind barbarische Akte jenseits jeglicher Moralvorstellung, die wir auf das Allerschärfste verurteilen.

Die Bundesregierung steht hinter der inzwischen ja weltweiten Aufforderung "Bring back our girls", also "Bringt unsere Mädchen zurück". Die Bundeskanzlerin hat in einem Schreiben an den nigerianischen Präsidenten Jonathan den Familien, die jetzt um das Leben ihrer Töchter bangen, ihre aufrichtige Anteilnahme ausgesprochen. Sie hat auch den Angehörigen der Opfer der jüngsten Terroranschläge ihr Mitgefühl übermittelt. Dieser menschenverachtende Terror, der ja Menschenleben kostet - gleich, ob sie christlich oder muslimisch sind, und gleich, ob es die Leben von Erwachsenen oder Kindern sind -, ist eine große Gefahr für den inneren Frieden in Nigeria und für die Entwicklung des ganzen Landes. Wo immer Deutschland im Kampf gegen den fundamentalistischen Terror und für die Wahrung der Menschenrechte hilfreich sein kann, wird es das auch sein.

Schäfer: Ich nutze die Gelegenheit, Ihnen Folgendes zu sagen, nämlich dass Außenminister Steinmeier im Namen der Bundesregierung ausdrücklich Michael Georg Link, dem ehemaligen Staatsminister im Auswärtigen Amt, dazu gratuliert, dass er in wenigen Monaten das Amt des Direktors des Office for Democratic Institutions and Human Rights der OSZE, ODIHR, mit Sitz in Warschau übernehmen wird. Herr Link übernimmt ein Amt, dem gerade auch angesichts der aktuellen Krise in der Ukraine große Verantwortung zukommt. Dass mit einem ehemaligen Staatsminister im Auswärtigen Amt nun ein erfahrener deutscher Außenpolitiker an der Spitze dieser wichtigen OSZE-Institution steht, unterstreicht das große deutsche Engagement für den Aufbau von Demokratie und Rechtsstaat in Europa; denn ODIHR leistet unter anderem mit seinen Wahlbeobachtungen unersetzliche Dienste für die Demokratie auf unserem Kontinent. Das sehen wir gerade in diesen Tagen in der Ukraine, wohin ja jetzt bereits Beobachter der OSZE von ODIHR entsandt worden sind, um einen Beitrag dazu zu leisten, dass die dort bald stattfindenden Wahlen möglichst frei und möglichst fair ablaufen können.

StS Seibert: Die Termine der Kanzlerin beginnen am Dienstag, dem 13. Mai. Die Bundeskanzlerin wird um 14 Uhr im Kanzleramt zu einem Gespräch mit dem geschäftsführenden Vorstand des Deutschen Industrie- und Handelskammertages zusammentreffen. Auch Kanzleramtsminister Peter Altmaier wird dabei sein.

Anschließend, immer noch Dienstag, wird die Bundeskanzlerin um 17 Uhr ein Gespräch mit den Chefs der fünf internationalen Wirtschafts- und Finanzorganisationen OECD, Internationaler Währungsfonds, Internationale Arbeitsorganisation, Welthandelsorganisation und Weltbank führen. Sie werden jeweils durch ihre Chefs - Herrn Gurría, Frau Lagarde, Herrn Yong Kim, Herrn Azevêdo und Herrn Ryder - vertreten sein. Sie wissen vielleicht, dass es seit 2007 fast jährlich diese Begegnung der Bundeskanzlerin mit den Chefs der internationalen Wirtschafts- und Finanzorganisationen gibt. Es wird auch dieses Mal um die Lage der Weltwirtschaft und um das gehen, was die internationalen Organisationen tun, um die weltwirtschaftlichen Herausforderungen zu bewältigen. Das letzte dieser Treffen fand im Übrigen im Oktober 2012 statt. Im Anschluss wird es gegen 18.30 Uhr eine gemeinsame Pressekonferenz geben, zu der ich Sie herzlich einlade.

Am Mittwoch, dem 14. Mai, wird zum üblichen Termin, also um 9:30 Uhr, die Kabinettssitzung unter Leitung der Bundeskanzlerin stattfinden.

Anschließend, um 12:15 Uhr, wird sie - ebenfalls im Kanzleramt - den Ökumenischen Patriarchen Bartholomaios zu einem Gespräch empfangen. Er wird vom Metropoliten der griechisch-orthodoxen Metropolie von Deutschland, Herrn Labardakis, begleitet. Das ist ein nicht presseöffentlicher Termin, der sich im Wesentlichen um die Themen der Ökumene, der Ökologie, der Nachhaltigkeit sowie um das Priesterseminar Halki ranken wird. Der Metropolit wird zu einem Pastoralbesuch in Deutschland sein. Er wird übrigens auch mit dem Bundestagspräsidenten und dem Bundespräsidenten zusammentreffen.

Am Mittwoch gegen 15 Uhr wird die Bundeskanzlerin die 70. Bankwirtschaftliche Tagung der Volksbanken und Raiffeisenbanken besuchen und dort eine Rede zur Finanzmarktpolitik, zur zukunftsfesten Ausgestaltung der Wirtschafts- und Währungsunion und zu den finanzpolitischen und wirtschaftspolitischen Herausforderungen halten, die Deutschland in den kommenden Jahren vor sich hat.

Am Donnerstag, dem 15. Mai, folgt dann der 17. Ordentliche Bundesverbandstag des Sozialverbandes VdK. Auch daran wird die Bundeskanzlerin ab 10 Uhr teilnehmen und eine Rede halten. Im Übrigen wird auch die Bundesarbeits- und Bundessozialministerin, Frau Nahles, auf dieser Veranstaltung eine Rede halten. - So weit die Termine!

Frage: Ich habe zunächst eine Frage an das Wirtschaftsministerium. Laut Zahlen aus Ihrem Haus sind die deutschen Kleinwaffenexporte im vergangenen Jahr beziehungsweise die Genehmigungen - 135 Millionen - auf Rekordniveau gestiegen. Ein Großteil davon ging in den arabischen Raum. Dazu habe ich zwei Fragen, zum einen: Wie erklären Sie sich diesen großen Anstieg? Wie bewerten Sie es zweitens politisch, Kleinwaffen nach Saudi-Arabien zu liefern?

Modes: Zunächst einmal kann ich bestätigen, dass es sich um Antworten der Bundesregierung auf Anfragen von Herrn Liebich und Herrn von Aken handelt. Es gab in der Tat in der letzten Legislaturperiode, also von 2012 auf 2013, eine Zunahme von Exportgenehmigungen für Kleinwaffen und Munition in Höhe von 43 Prozent. Die Genehmigungen von Exporten von Kleinwaffen und Teilen an Saudi-Arabien fielen von 2011 - 9,35 Millionen - auf 2012 - 6,54 Millionen - und erhöhten sich 2013 auf 34 Millionen. Die Angaben sind korrekt. Grund für die Erhöhung sind eben Genehmigungen für die Lieferung von Gewehren nach Saudi-Arabien im Rahmen der Umstellung auf das G36. Diese Genehmigungen sind in der letzten Legislaturperiode erfolgt. Mehr kann ich dazu jetzt auch nicht sagen.

Zusatzfrage: Eine Zusatzfrage, vielleicht an Herrn Seibert und Herrn Schäfer: Kleinwaffen sind die Waffen, mit denen weltweit die meisten Menschen getötet werden. Ist ein solches Exportrekordniveau ein Zustand, den die Regierung und das Auswärtige Amt für wünschenswert halten?

Schäfer: Die Bundesregierung verfolgt eine restriktive Rüstungsexportpolitik. Das tut sie auf der Grundlage gemeinsamer europäischer Richtlinien, und das tut sie auf der Grundlage von Regeln, die sich die Bundesregierung schon vor vielen Jahren, nämlich Anfang dieses Jahrtausends, gegeben hat. Diese Regeln - insbesondere im Hinblick auf Transparenz gegenüber dem Deutschen Bundestag und damit auch der deutschen Öffentlichkeit - sind jüngst deutlich verschärft worden. Die Bundesregierung steht dazu, diese Vereinbarungen, die da mit dem Deutschen Bundestag getroffen worden sind, jetzt zügig umzusetzen. Deshalb ist es gut und richtig, dass es in der Öffentlichkeit eine Debatte über diese Fragen gibt.

Grundsätzlich bleibt es aus Sicht des Auswärtigen Amtes absolut bei einer außerordentlich restriktiven Rüstungsexportpolitik, und das gilt ausdrücklich auch für Kleinwaffen.

Frage: Herr Seibert, ist es Beleg einer restriktiven Rüstungsexportpolitik, wenn der Kleinwaffenexport nach Saudi-Arabien und in die Region in der letzten Legislaturperiode, in der Sie ja auch schon als Regierungssprecher sprachen, exorbitant in die Höhe gegangen ist?

StS Seibert: Ich kann hier nur wiederholen, was auch Herr Schäfer gerade gesagt hat: Wir haben Grundsätze für die Frage von Rüstungsexporten. Das sind die Grundsätze aus dem Jahr 2000 - die nationalen Grundsätze, also die Grundsätze der Bundesregierung -, und das ist der gemeinsame Standpunkt, den wir uns im europäischen Kreis der EU-Mitgliedstaaten 2008 gegeben haben. Diese Grundsätze sind für uns geltend, wie sie für Vorgängerregierungen - für die letzte und für die in davor liegenden Legislaturperioden - geltend waren. Vor jeder Exportgenehmigung liegt eine Einzelfallprüfung. Jede Exportgenehmigung kann nur vorgenommen werden, wenn man das Land und die betreffenden Umstände genau betrachtet hat und wenn man Fragen der Menschenrechte und der Einsatzmöglichkeiten betrachtet hat. Das ist das, was diese Bundesregierung und vergangene Bundesregierungen geleitet hat.

Zusatzfrage: Die Frage war, ob es Beleg einer restriktiven Rüstungsexportpolitik ist, wenn sich die Zahl der exportierten Kleinwaffen in eine ganz bestimmte und nicht unkritische Region exorbitant erhöht hat.

StS Seibert: Ich interpretiere hier keine Zahlen, sondern ich sage Ihnen, was die Grundsätze der Bundesregierung sind und waren.

Frage: An Herrn Seibert oder Herrn Schäfer oder vielleicht auch an das Wirtschaftsministerium: Wenn jetzt Kleinwaffen wie das G36 in ein Land wie Saudi-Arabien exportiert werden und die Armee oder die Sicherheitskräfte dort auf dieses Gewehr umstellen, dann wäre es ja vielleicht nicht uninteressant zu erfahren, was mit den Gewehren passiert, die dort bis jetzt eingesetzt worden sind. Ist das ein Kriterium, das bei einer solchen Genehmigung geprüft wird? Steht das sozusagen außerhalb der Beobachtung und der Entscheidungsfindung? Wenn es um die Verbreitung von Kleinwaffen auf der Welt geht, dann geht es nämlich im Zweifelsfall ja auch immer darum, was mit den Waffen passiert, die irgendwo ausgemustert werden.

Modes: Ich denke, die Zuständigkeit dafür würde bei uns liegen. Dazu, muss ich aber sagen, liegen mir im Moment keine Informationen vor. Das muss ich nachreichen. Ich muss einmal mit den Kollegen darüber sprechen, wie das dann im Detail abläuft.

Zusatzfrage: Die Frage, die ich damit noch verbinden würde, ist: Kann man, wenn man einen solchen Export genehmigt, darauf drängen, dass der Kunde beispielsweise die bisherigen Gewehre vernichtet, um die Zahl von Kleinwaffen in der Welt, die möglicherweise schwer zu kontrollieren ist, nicht zu erhöhen?

Modes: Ja.

Vorsitzender Welty: Die Information reichen wir nach.

Schäfer: Vielleicht nur ganz grundsätzlich: Ich bin jetzt genauso wenig wie die Kollegen aus dem Wirtschaftsministerium in der Lage, Ihnen zu sagen, was in diesem konkreten Fall passiert ist. Danach müssten wir uns erst erkundigen. Aber grundsätzlich gilt ja bei dem Export von diesen Produkten, dass es Endverbleibsregelungen gibt, die sicherstellen, dass diejenigen, die diese Waffen bekommen, garantieren und sozusagen vertraglich zusichern müssen, dass diese Waffen nicht weitergereicht werden.

Frage: Herr Schäfer, aber wie wird denn überhaupt kontrollierbar sein, wohin die Waffen, die ausgemustert werden, dann weiter geliefert werden? Das ist doch eine schier unlösbare Kontrollaufgabe.

Schäfer: Ich glaube, dazu sollte vielleicht auch die Kollegin aus dem Wirtschaftsministerium etwas sagen. Die Bundesregierung kümmert sich auch um diese Fragen schon deshalb mit allergrößtem Interesse, weil sozusagen auch die Bilanz im Hinblick auf den Endverbleib bei bestimmten Empfängern für zukünftige Einzelfallentscheidungen über Exporte eine wichtige Rolle spielt. Dabei fließen alle möglichen und verfügbaren Informationen zusammen - solche, die öffentlich verfügbar sind, und auch andere. Ich glaube, Sie können relativ beruhigt sein, dass die Bundesregierung alles tut, was möglich ist, um die Informationen, die man erlangen kann, nicht nur zu bekommen, sondern sie dann auch in Entscheidungen sowie auch zukünftige Entscheidungen einfließen zu lassen.

Zusatzfrage: Haben Sie ein konkretes Beispiel dafür, dass so etwas einmal wirksam geworden ist, also dafür, dass ein Land Waffen von der Bundesrepublik bekommt und nachweisen muss, nachgewiesen hat oder ihm nachgewiesen worden ist, dass es nicht anständig mit dieser Vereinbarung umgegangen ist?

Schäfer: Sie dringen da sehr tief in die Details der Fragen ein. Ich bin sicher, dass es dafür viele Beispiele gibt. Ich denke, die Kollegen im Wirtschaftsministerium sollten einmal schauen, ob wir Ihnen solche Beispiele vielleicht geben und vermitteln können.

Modes: Ich kann mich an ein Beispiel aus Mexiko erinnern. Die Details müsste ich auch noch einmal nachliefern, aber das gab es auf jeden Fall.

Frage: Ich habe jetzt gerade gehört, die Grundsätze seien künftig außerordentlich restriktiv. Heißt das mit anderen Worten, dass es so etwas, was es in der Vergangenheit gab, also dass man Kleinwaffen an Saudi-Arabien liefert, zukünftig nicht mehr geben wird, oder macht man einfach so weiter, dass Sie sagen "Wir haben Grundsätze, und nach diesen Grundsätzen fliegen Exporte dann immer schön weiter nach Saudi-Arabien"? Ich erinnere mich an den Satz von Herrn Gabriel, dass man zwar Schiffe liefert, weil man die nicht so clever gegen die eigene Bevölkerung einsetzen kann, aber sonst nichts. Das widerspricht dem ja offenkundig.

StS Seibert: Die Grundsätze sind restriktiv. Das bezog sich zumindest in meiner Aussage und sicherlich auch bei Herrn Schäfer keineswegs nur auf die Zukunft, sondern das bezog sich auf die Vergangenheit. So ist es nämlich in den beiden Grundsätzen von 2000 und 2008 niedergelegt, die ich erwähnt habe.

Über mögliche künftige Genehmigungen oder nicht zu erteilende Genehmigungen kann ich hier natürlich nicht spekulieren. Das ist eine Einzelfallprüfung.

Modes: Wenn ich das auch noch einmal ergänzen kann: Die Grundsätze sind die gleichen, und das ist immer eine Einzelfallentscheidung. Sie kennen die Aussagen des Ministers, dass er für eine restriktive Rüstungsexportpolitik steht. Aber zu einzelnen Entscheidungen kann ich jetzt natürlich nichts sagen.

Frage: Nur kurz, um sicherzugehen, an das Wirtschaftsministerium: War der derzeit amtierende Bundeswirtschaftsminister an einer dieser Ausfuhrgenehmigungen beteiligt, oder reden Sie hinsichtlich der Zahlen nur über die Hinterlassenschaft von Herrn Brüderle und Herrn Rösler?

Modes: Es geht jetzt hier um die Rüstungsexporte im Jahr 2013, in der letzten Legislaturperiode.

Zusatzfrage: Also nur Rösler?

Modes: In der letzten Legislaturperiode.

Frage: Ich habe eine Frage an das Wirtschaftsministerium. Frau Modes, französische Agenturen melden heute, dass um 14 Uhr der französische Wirtschaftsminister Montebourg mit Herrn Gabriel über den möglichen Einstieg von Siemens bei Alstom sprechen möchte. Mich interessiert zum einen, ob das Treffen stattfindet. Zum Zweiten: Wie ist denn die Haltung der Bundesregierung zu diesem möglichen Geschäft?

Modes: Den Termin kann ich nicht offiziell bestätigen.

Zu der Fusion haben wir uns hier schon geäußert. In erster Linie ist das eine wirtschaftliche Entscheidung, die natürlich auch Chancen für Deutschland mit sich bringen kann. Wir stehen im Gespräch mit den Unternehmen. Aber den Termin von heute kann ich nicht bestätigen.

Zusatzfrage: Heißt das, aus Sicht der Bundesregierung und des Wirtschaftsministeriums ist es erst einmal eine Sache der Unternehmen, sozusagen zusammenzufinden, und man wird sich dann dazu positionieren, oder lässt man jetzt zum Beispiel dem Siemens-Konzern völlig freie Hand, wenn es darum geht, ob er seine komplette Bahntechnik an Frankreich verkauft und im Gegenzug vielleicht sein energiepolitisches Bein stärkt?

Modes: Prinzipiell ist das eine Entscheidung der Unternehmen, aber die Gespräche verlaufen parallel.

Zusatzfrage: Herr Seibert, ist das morgen oder auch schon heute Gegenstand der Gespräche zwischen Frau Merkel und Herrn Hollande?

StS Seibert: Das weiß ich schlicht nicht, das wird sich zeigen. Die Gespräche sind heute und morgen. Es ist genügend Zeit, über eine breite Palette von Themen zu sprechen. Welche Themen dabei sind, kann ich jetzt nicht sagen.

Zusatzfrage: Von deutscher Seite wird das aber nicht angesprochen - wenn, dann käme es von französischer Seite?

StS Seibert: Ich glaube, wir haben hier in diversen Regierungspressekonferenzen die Haltung der deutschen Regierung doch sehr deutlich dargelegt. Eine solche mögliche industrielle Kooperation ist - das entspricht unseren wirtschaftlichen und wirtschaftspolitischen Traditionen - in allererster Linie Sache der beteiligten Unternehmen. Nichtsdestotrotz hält sich die Bundesregierung informiert und ist im Gespräch. Das ist das, was ich dazu sagen kann.

Frage: Ich habe eine Frage an das Verteidigungsministerium mit Blick auf das IT-Projekt "Herkules" der Bundeswehr. Im "Handelsblatt" ist jetzt zu lesen, man sei in Ihrem Haus zu dem Schluss gekommen: Sobald der Vertrag - ich glaube, 2016 - mit der Industrie ausläuft, will man das Projekt als Ministerium alleine weiter betreiben. Stimmt das? Falls ja, wie wird diese Entscheidung begründet?

Gerhartz: Lassen Sie mich zunächst noch einmal betonen, wie wichtig es für uns ist, eine moderne, zukunftsgerichtete IT zu haben - in der Bundeswehr, aber auch speziell für die Bundeswehr als attraktiver Arbeitgeber. Moderne IT für unseren Konzern - wenn ich es einmal so nennen darf - muss eine flexible Lösung sein. Sie muss zukunftsgerichtete Entwicklungen mit einbeziehen und sie muss natürlich auch wirtschaftlich sein. Wir haben eine Wirtschaftlichkeitsprüfung vorgenommen und haben uns verschiedene Lösungsmöglichkeiten angeschaut. Dabei hat sich die Inhouse-Lösung, also dass wir es dann selbst weiter betreiben, als die Lösung herausgestellt, die uns - wie ich es gerade umschrieben habe - zum einen die flexible, moderne, zukunftsgerichtete IT ermöglicht, aber auch die wirtschaftlichste Lösung ist.

Hierzu ist aber noch nichts entschieden. Wir haben diesen Bericht, diese Wirtschaftlichkeitsuntersuchung, dem Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages vorgelegt. So war es damals beim Vertragsabschluss zu "Herkules" auch vereinbart worden. Das wird im Haushaltsausschuss Ende dieses Monats behandelt, und dann wird man im gemeinsamen Dialog die beste Entscheidung fällen.

Zusatzfrage: Im Rahmen Ihrer Überlegungen haben Sie sich bestimmt auch Gedanken darüber gemacht, was für eine Bedeutung das, wenn es so kommt, für den Personalbereich haben könnte. Schon jetzt ist es schwierig, an IT-Techniker heranzukommen; wenn die Industrie aussteigt, dürfte das nicht leichter werden. Haben Sie sich darüber Gedanken gemacht?

Gerhartz: Ja, die Frage, wie wir mit dem Personal umgehen, ist für uns eine ganz wichtige Frage. Wir haben sowohl allen BWI-Gesellschaften als auch speziell dem Personal schon mitgeteilt, dass das zunächst keine Auswirkungen auf die Arbeitsverträge der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der einzelnen Gesellschaften haben wird. Wir sind uns dieser Problematik sehr wohl bewusst, denken aber, dass wir hier auch zu sehr attraktiven Lösungen kommen und dieses Personal auch langfristig an uns binden können.

Frage: Frau Kothé, wird die Bundesregierung beziehungsweise zunächst das Bundesfinanzministerium die Vorschläge der Länder für die strafbefreiende Selbstanzeige eins zu eins umsetzen, und wann soll das in Kraft treten?

Kothé: Die Finanzministerkonferenz läuft ja noch bis morgen. Gegenstand der Beratungen ist nicht nur die inhaltliche Ausgestaltung hinsichtlich der Verschärfung der Selbstanzeige, sondern sind auch die verfahrensmäßigen Aspekte - wer den Gesetzentwurf einbringt usw. Von daher muss man das Ende der Beratungen in Stralsund jetzt einfach abwarten.

Zusatzfrage: Es könnte also sein, dass Sie das dann über den Bundesrat laufen lassen und nicht selbst einen Gesetzentwurf einbringen?

Kothé: Das kann auch über uns, über einen BMF-Gesetzentwurf geschehen, das ist gut möglich. Aber wie gesagt, das ist gerade Gegenstand der Beratungen, da müssen wir noch ein bisschen warten.

Wann das in Kraft tritt, hängt davon ab, wann das Gesetz eingebracht wird und wie das Verfahren läuft. So schnell wie möglich, denke ich.

Frage: An Herrn Schäfer und Frau Müller-Niese zur Snowden-Frage: Wenn der Bundestags-Untersuchungsausschuss jetzt beschließt, Herrn Snowden zu hören und das nach Möglichkeit - vorausgesetzt, Herr Snowden ist daran interessiert - auch in Deutschland zu tun, wie sieht dann der formale Ablauf aus? Wird dann bei Ihnen eine Visumserteilung geprüft und wird bei Ihnen geprüft, ob sie ihn sofort verhaften müssen? Es gibt ja das Gutachten, in dem all diese verschiedenen Aspekte geschildert sind. Was mich eben interessiert, ist: Wenn der Fall eintritt, was würde dann konkret genau passieren?

Schäfer: Ich glaube, solange es das Auswärtige Amt gibt, hat es noch keinen Diplomaten gegeben, der in Deutschland jemanden festgenommen hätte. Ich glaube, alle diese Fragen sind besser da aufgehoben, wo Festnahmen mindestens verantwortet werden können, also beim BMI.

Zusatzfrage: Die Frage an Sie war: Gibt es dann eine Visumserteilung oder die Prüfung derselben? Die Frage an Frau Müller-Niese wäre: Müsste ihn dann beispielsweise die Flughafenpolizei festnehmen?

Schäfer: Ich sehe mich im jetzigen Verfahrensstand noch überhaupt nicht in der Lage, auf spekulative, hypothetische Fragen ebenso spekulative und hypothetische Antworten zu geben. Ich glaube, da, wo Sie gerne Antworten hätten, sind wir lange noch nicht. Ich glaube, es macht jetzt durchaus Sinn, zunächst einmal die Verfahren und Entscheidungen im Untersuchungsausschuss abzuwarten, der ja von der Bundesregierung ein Gutachten bekommen hat, und auf der Grundlage dieser Entscheidungen dann weiterzudenken.

Müller-Niese: Ich habe den Äußerungen von Herrn Schäfer nichts hinzuzufügen. So weit sind wir noch nicht.

Frage: Herr Schäfer, wie bewertet Ihr Ministerium die jüngsten Nukleargespräche in New York, die auf Expertenebene stattfanden?

Nächste Woche fängt ja auch die heikle Phase der Verhandlungen über einen Entwurf zu einem langfristigen Nuklearabkommen mit dem Iran an. Erwarten Sie da schwierige Gespräche, auch vor dem Hintergrund, dass die Gespräche bis jetzt ohne große Komplikationen verliefen?

Schäfer: Wir sind in den letzten Monaten gut vorangekommen. Das schließt ausdrücklich auch die letzten Gespräche auf technischer, auf Beamtenebene, die in New York geführt worden sind.

An die, wie Sie richtig sagen, schwierige und entscheidende Phase, die zweite Hälfte der Gespräche der E3+3 mit Iran, gehen wir jetzt mit der klaren Erwartung, dass es gelingen kann, in der vereinbarten Sechs-Monats-Frist, das heißt, bis Ende Juli, eine Vereinbarung mit dem Iran zu erzielen. Da gibt es noch zahlreiche Hürden zu überwinden, auch unterschiedliche Auffassungen in vielen wichtigen Aspekten der ganzen Fragen um das iranische Nuklearprogramm. Wir glauben aber daran, dass es möglich ist, eine diplomatische, politische Lösung mit dem Iran zu finden, und daran arbeiten wir.

Frage: Eine Frage zur Ukraine an Herrn Schäfer: Bisher hat Herr Steinmeier sehr viel über eine zweite Runde von Genf gesprochen und darauf gehofft. Gibt es schon Überlegungen, was man tun könnte, wenn das nicht auf großes Interesse der anderen Parteien stößt? Falls ja, wie könnte das aussehen?

Schäfer: Wir sind ja weit - und zwar sehr weit - über die Phase von Überlegungen hinaus. Der Schweizer Außenminister und Bundesratsvorsitzende ist in seiner Funktion als OSZE-Vorsitzender vor wenigen Tagen in Moskau gewesen und hat dort mit dem russischen Präsidenten gesprochen. Er hat in der Folge dieses Gespräches sowohl in Russland wie auch bei den anderen drei Parteien der Genfer Vereinbarung vom 17. April einen Vier-Punkte-Plan vorgeschlagen, der mir hier auch vorliegt, der allerdings zurzeit noch kein öffentliches Dokument ist.

Die Bundesregierung und namentlich und ausdrücklich auch der deutsche Außenminister unterstützen die Vorschläge der Schweizer OSZE-Präsidentschaft ausdrücklich und mit allem Nachdruck. Sie entsprechen im Übrigen in allen wesentlichen Teilen den Vorschlägen der Bundesregierung zu einer möglichen Deeskalation der Krise. Da geht es um die gemeinsame klare Haltung der vier Parteien der Genfer Vereinbarung vom 17. April für die Durchführung der Wahlen vom 25. Mai. Da geht es darum, dass alle vier Parteien gemeinsam gegen Gewalt aufrufen. Da geht es darum, dass sich alle vier Parteien dafür einsetzen, dass ein breiter nationaler Dialog in der Ukraine in Gang gesetzt wird, der all die schwierigen Fragen, die sich zwischen Ost und West, Süd und Nord und auch in anderer Weise in der Ukraine stellen, auf den Tisch bringen soll. All das entspricht in toto den Vorstellungen der Bundesregierung.

Die konkreten Vorbereitungen eines breiten nationalen Dialoges laufen, während wir hier miteinander sprechen. Gestern hat sich die Übergangsstaatsführung der Ukraine, haben sich der Übergangspräsident Turtschinow und der Übergangspremierminister Jazenjuk sehr positiv zu der Notwendigkeit eines nationalen Dialoges eingelassen und haben ausdrücklich gesagt, sie seien dabei, einen runden Tisch - auch das ist ja ein wichtiger Begriff, der in den Vorschlägen der Bundesregierung immer wieder zur Sprache gekommen ist - hinzubekommen. Wir sprechen zurzeit mit dem Schweizer Vorsitz der OSZE darüber, in welcher Weise wir so etwas zügig, effizient und möglichst bis zu den Wahlen mit ersten Ergebnissen tatkräftig unterstützen können.

Das ist eben weit mehr als Überlegungen; das ist vielmehr ganz klare, konkrete Arbeit an der Sache, um all die verschiedenen Punkte in dem zu entwirrenden Interessenknäuel, das sich in der Ukraine auftut, aufzugreifen - mit dem Ziel, Wahlen hinzubekommen, die dann eine wirtschaftliche, politische und sicherlich auch soziale Stabilisierung der Ukraine möglichen machen.

Zusatzfrage: Können Sie sagen, wie dieser Dialog - von einem runden Tisch abgesehen - aussehen soll? Wie soll man sich das vorstellen?

Schäfer: Das besteht nach den Vorstellungen des OSZE-Vorsitzes beziehungsweise der OSZE, die wir voll unterstützen, darin, dass sich die OSZE aktiv überall da einbringt, wo es Konflikte gibt. Das kann bedeuten, dass sie Aktivitäten entfaltet, um für eine Entwaffnung von aufständischen Gruppen zu sorgen. Das könnte über die OSZE vermittelte finanzielle und auch sonstige Unterstützung für solche Maßnahmen bedeuten. Das kann bedeuten, dass es zu Konferenzen von Bürgermeistern und Gouverneuren kommt, die sich zusammensetzen, um Interessenkonflikte und Interessengegensätze transparent zu machen und gemeinsam nach einvernehmlichen Lösungen zu suchen. Das kann bedeuten, dass es auf lokaler, auf regionaler und auf nationaler Ebene zu runden Tischen kommt, zu Gesprächen kommt, in denen alle Stakeholder und alle wichtigen Spieler zusammenkommen, um gemeinsam an einer gemeinsamen Zukunft eines einheitlichen ukrainischen Staates zu arbeiten.

StS Seibert: Ich möchte Ihnen im Zusammenhang mit dem Thema Ukraine berichten, dass sich die Bundesregierung Sorgen über die menschenrechtliche Situation auf der Krim macht. Insbesondere Krimtataren berichten von einer repressiven Politik der neuen Machthaber. Wir haben mit Besorgnis gehört, dass dem Führer der Krimtataren, Herrn Dschemilew, bereits mehrfach die Einreise auf die Krim verweigert worden ist. Vor wenigen Tagen hat außerdem die neue Staatsanwältin auf der Krim dem Vorsitzenden des Medschlis - das ist das Exekutivorgan der Krimtataren -, Herrn Tschubarow, vor angeblichen extremistischen Tätigkeiten gewarnt. Das könnte zu einem Verbot des Medschlis führen. Wir appellieren also - und diese Gelegenheit möchte ich hier nutzen - nachdrücklich an die Russische Föderation, dass sie die Rechte dieser Minderheit schützt.

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Quelle:
Mitschrift der Pressekonferenz vom 9. Mai 2014
http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2014/05/2014-05-09-regpk.html
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veröffentlicht im Schattenblick zum 12. Mai 2014