Schattenblick →INFOPOOL →PARLAMENT → FAKTEN

PRESSEKONFERENZ/784: Regierungspressekonferenz vom 30. April 2014 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Im Wortlaut
Mitschrift der Pressekonferenz - Mittwoch, 30. April 2014
Regierungspressekonferenz vom 30. April 2014

Themen: Kabinettssitzung (Beteiligung der Bundeswehr an der Operation Atalanta, Asylverfahrensgesetz, Gesetzentwurf zur Verringerung der Abhängigkeit von Ratings, Rentenerhöhung zum 1. Juli 2014, Siebte Verordnung zur Änderung der Verpackungsordnung), Einlassungen des Bundespräsidenten in der Türkei, Situation der OSZE-Beobachter in der Ukraine, Reise der Bundeskanzlerin in die Vereinigten Staaten von Amerika, Transaktionssteuer, Eurofighter, mögliche Pläne für eine Überprüfung der ägyptischen Muslimbruderschaft, Zusammenarbeit von Siemens und Alstom im Energiesektor

Sprecher: StS Seibert, Gerhartz (BMVg), Schäfer (AA), Kothé (BMF), Müller-Niese (BMI), Alemany (BMWi)



Vorsitzender Leifert eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt StS Seibert sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

StS Seibert: Ich trage Ihnen zunächst die Themen und Beschlüsse der Sitzung des Bundeskabinetts vor und beginne mit der Fortsetzung der Beteiligung der Bundeswehr an der EU-geführten Operation Atalanta. Atalanta ist die Operation vor dem Horn von Afrika, vor der Küste Somalias zur Bekämpfung der Piraterie. Es handelt sich um eine ausgesprochen erfolgreiche Mission, wie der erhebliche Rückgang der Zahl der Angriffe der Piraten auf Schiffe und ebenso der Zahl der festgehaltenen Menschen und erst recht der Schiffe zeigt. Im Kampf gegen die Piraten ist eine hohe Erfolgsquote erreicht worden.

Deutschland nimmt seit Dezember 2008 an Atalanta teil. Zurzeit befinden sich im Einsatz die Fregatte Brandenburg, der Betriebsstoffversorger Rhön, ein Seefernaufklärer vom Typ Orion und insgesamt 362 Soldatinnen und Soldaten.

Der Golf von Aden ist durch die durchgängige Anwesenheit von Kriegsschiffen seit 2008 für die Handelsschifffahrt erheblich sicherer geworden. Eine sehr erfreuliche Tatsache ist, dass alle Lieferungen des Welternährungsprogramms an Not leidende Menschen in dieser Region sicher durchgekommen sind.

Dieses Mandat soll bis zum 31. Mai 2015 verlängert werden. Aufgrund der Entwicklung vor Ort kann nach unserer Überzeugung die personelle Obergrenze des Mandats, die zurzeit bei 1.400 Soldaten liegt, auf 1.200 Mann abgesenkt werden. Die Fortsetzung der Beteiligung an der Operation Atalanta unterstreicht noch einmal die deutsche Unterstützung des umfassenden Einsatzes des strategischen Rahmens für das Horn von Afrika. Sie ergänzt sinnvoll unsere Beteiligung, beispielsweise an der Ausbildungsmission EUTM Somalia und an der zivilen Mission EUCap Nestor, die professionelle Küstenwachen in dieser Region aufbauen will.

Der Beschluss steht unter dem Vorbehalt der Zustimmung des Deutschen Bundestages.

Anschließend hat sich die Bundesregierung im Kabinett mit dem Asylverfahrensgesetz befasst. Die Bundesregierung beabsichtigt, die drei Westbalkanstaaten Bosnien-Herzegowina, die ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien und Serbien als sichere Herkunftsstaaten einzustufen und gleichzeitig Asylbewerbern und geduldeten Ausländern hier in Deutschland den Zugang zum Arbeitsmarkt zu erleichtern. Das sind zwei verschiedene Dinge, die aber doch zu einem Bild gehören.

Zunächst zur Einstufung als "sicherer Herkunftsstaat". Das bedeutet, dass kraft Gesetzes vermutet wird, dass in einem solchen Herkunftsstaat keine politische Verfolgung droht. Das heißt, aussichtslose Asylanträge von Angehörigen dieser Staaten können dann schneller bearbeitet werden. Die Zahlen aus den vergangenen Jahren - zuletzt lag die Anerkennungsquote bei unter 1 Prozent - zeigen, dass die aussichtslosen Anträge die absolute Mehrheit ausmachen.

Allerdings, das muss man dazusagen, können Asylbewerber die gesetzliche Vermutung, dass ihnen in ihrem Herkunftsstaat keine politische Verfolgung droht, in ihrem Einzelfall widerlegen. Jeder hat die Chance darzulegen, dass es sich in seinem Einzelfall abweichend von der allgemeinen Lage im Herkunftsland möglicherweise anders verhält und dass er mit Verfolgung rechnen muss.

Des Weiteren - das ist der andere Teil des Beschlusses - ist in dem Gesetzesentwurf vorgesehen, die Wartefrist zu verkürzen, nach der eine Beschäftigung grundsätzlich erlaubt werden kann. Asylbewerber und Ausländer, die eine Duldung besitzen, sollen künftig schon nach drei Monaten arbeiten dürfen. Sie werden also früher die Möglichkeit erhalten, durch Aufnahme einer Beschäftigung ihren Lebensunterhalt selbst zu bestreiten.

Anschließend komme ich zu einem Gesetzentwurf zur Verringerung der Abhängigkeit von Ratings, eingebracht vom Bundesfinanzministerium. Mit diesem Gesetzentwurf will die Bundesregierung erreichen, dass Unternehmen der Finanzbranche künftig weniger abhängig von den Ratings der entsprechenden Agenturen sind. Der Gesetzentwurf dient in erster Linie der Umsetzung einer Europäischen Richtlinie aus dem Jahre 2013.

Die Abhängigkeit - man hat sich auf die Ratingagenturen komplett verlassen - hat in der Vergangenheit zu einer Unterschätzung von Verlustrisiken geführt und damit auch zum Entstehen und zur Verschärfung der Finanzmarktkrise im Herbst 2008 beigetragen. Künftig müssen die betroffenen Unternehmen der Finanzbranche einen übermäßigen Rückgriff auf externe Ratings abbauen. Das heißt, sie müssen in stärkerem Maße auf ihre eigene Einschätzung bei der Bonität von Kreditnehmern, Wertpapieren und sonstigen Ausfallrisiken achten. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht wird auf die Einhaltung dieser Regeln achten und kann Regelverstöße sanktionieren.

Ich komme nun zu einem Beschluss, der über 20 Millionen Rentnerinnen und Rentner in Deutschland betrifft. Zum 1. Juli 2014 steigen die Renten, und zwar in den neuen Bundesländern um 2,53 Prozent, in den alten Bundesländern um 1,67 Prozent. Diese Erhöhung hat das Kabinett heute auf den Weg gebracht.

Die unterschiedliche Erhöhung in den alten und den neuen Ländern ist auf zwei Gründe zurückzuführen. Zum einen hängt das von der Entwicklung der Löhne ab. Die Renten folgen den Löhnen. Diese sind im Westen etwas weniger stark gestiegen als im Osten. Zum anderen hat es mit der Tatsache zu tun, dass im Westen immer noch unterbliebene Rentendämpfungen nachgeholt werden, jetzt zum letzten Mal.

Zur Erinnerung: In den Jahren 2005, 2006 und 2010 sind die Renten nicht gekürzt worden, obwohl das rechnerisch eigentlich geboten gewesen wäre. Diese Dämpfungen werden seit 2011 im Sinne der Generationengerechtigkeit schrittweise nachgeholt. Im Osten ist das bereits abgeschlossen. Mit diesem Schritt wird dies nun auch im Westen vollständig erfolgen.

Erfreulich ist aus Sicht der Bundesregierung, dass die Angleichung des Rentenwerts Ost an den Rentenwert West erneut ein gutes Stück vorankommt. Der Verhältniswert zwischen dem aktuellen Rentenwert in den neuen Ländern und demjenigen im Westen steigt von derzeit 91,5 Prozent auf dann 92,2 Prozent.

Zum Schluss habe ich Ihnen noch die Siebte Verordnung zur Änderung der Verpackungsverordnung vorzustellen. Dabei geht es um eine Änderung der Verpackungsverordnung, mit der die Bundesregierung das Duale System möglichst rasch stabilisieren will, also das System, über das in Deutschland die Verpackungsabfälle entsorgt und verwertet werden.

Diese Neuregelung wird nötig, weil bestimmte Ausnahmen von der Lizenzierungspflicht in einer missbräuchlichen Weise ausgenutzt werden, was dazu führt, dass der Wettbewerb verzerrt wird. Die Entsorgungsunternehmen, die an dem System teilnehmen, sehen ihre wirtschaftliche Existenz durch ein wachsendes Missverhältnis von Einnahmen und Kosten bedroht, insbesondere durch die zunehmende Nutzung sogenannter Schlupflöcher im Bereich von Eigenrücknahmen und sogenannter Branchenlösungen.

Die Bundesregierung will daher die Eigenrücknahme nicht mehr als Ausnahme zulassen. Die Branchenlösung wird unter engen, nachprüfbaren Bedingungen weiter zugelassen. Bestimmte Eigenrücknahmesysteme, wie sie zum Beispiel Fast-Food-Restaurants praktizieren, können in Branchenlösungen überführt werden.

Ziel dieser Änderung ist es, die ökologisch und ökonomisch vorteilhafte flächendeckende haushaltsnahe Entsorgung von Verkaufsverpackungen dauerhaft zu sichern und die Wettbewerbsbedingungen zwischen den Wirtschaftsbeteiligten fair zu gestalten.

Frage: Da der jetzige Koalitionspartner und die frühere Oppositionspartei SPD in der Vergangenheit Probleme mit dem Atalanta-Mandat hatte, habe ich die Frage, ob es außer der Reduzierung der Obergrenze von 1.400 auf 1.200 Soldaten noch eine andere Veränderung in diesem Mandat gab. Oder wurde es ansonsten unverändert fortgeschrieben?

Gerhartz: Die vom Regierungssprecher beschriebene Veränderung, die Absenkung der personellen Obergrenze von bisher 1.400 auf 1.200 Soldaten, ist die einzige Veränderung.

Schäfer: Nicht in Bezug auf das Mandat selber, sondern auf die Pläne, die europäische Mission zumindest potenziell und mittelfristig zu verändern, will ich Ihnen sagen, dass es auch aus Anlass der vorigen Verlängerung des Mandats für Atalanta hier und da Fragen in Deutschland dazu gegeben hat, in welcher Weise man mit Piraterielogistik am Strand umgeht. Dazu kann ich Ihnen sagen, dass die Bundesregierung plant, während der Mandatslaufzeit - sofern der Bundestag das verabschiedet - genau dieses Thema im EU-Rahmen anzusprechen, um zu schauen, ob innerhalb des EU-Rahmens die Möglichkeit besteht, die Fragen, die sich in diesem Zusammenhang stellen, aufzunehmen und das europäische Mandat gegebenenfalls zu verändern.

Zusatzfrage: Herr Schäfer, das führt natürlich zu der Frage, ob ich Sie richtig verstanden habe, dass Veränderung in die Richtung zielt, die Möglichkeit, Piratenlogistik am Strand zu bekämpfen aus dem EU-Mandat herausgenommen werden soll. Ist das der deutsche Ansatz?

Schäfer: Nein, das möchte ich so apodiktisch nicht formuliert wissen. So habe ich es auch nicht gesagt. Es geht darum, im Kreise der Partner zu besprechen, ob sich diese Modifikation des europäischen Mandates, die erst vor wenigen Jahren eingeführt wurde, als sinnvoll und zweckmäßig erwiesen hat und deshalb verlängert werden soll oder nicht.

Zusatzfrage: Die Modifikation ist ja nicht befristet. Insofern verstehe ich nicht, wieso Sie davon sprachen, ob sie verlängert werden soll. Ich verstehe es doch richtig: Zielrichtung der Bundesregierung ist es, diese Modifikation, wie Sie es nennen, aus dem europäischen Mandat wieder herauszunehmen?

Schäfer: Die europäische Mission ist befristet. Wie auch jede andere Mission in Europa hat sie Fristen und muss dann erneut diskutiert werden. Im Rahmen dieser anstehenden Debatte wird sich die Bundesregierung gemeinsam mit ihren europäischen Partnern dieser Frage zuwenden, ohne dass ich Ihnen jetzt sagen möchte, mit welcher Zielrichtung.

Zusatzfrage: Was die Bundesregierung erreichen möchte, wollen Sie hier nicht sagen?

Schäfer: Doch. Ich habe Ihnen gesagt, was sie erreichen möchte: Sie möchte eine Diskussion über den Zweck und die Sinnhaftigkeit erreichen und darüber, ob sich das, was mit der Bekämpfung der Piraterielogistik am Strand erreicht worden ist, in der Praxis als zweckmäßig und funktionsfähig herausgestellt hat.

Frage : Eine Frage zur Abhängigkeit von Ratingagenturen. Ich habe in Erinnerung, dass im Zusammenhang mit der Diskussion über Ratingagenturen eine ganze Zeit lang die Rede davon war, dass es wünschenswert sei, eine unabhängigere europäische Agentur aufzubauen. Ist dieses Projekt vollkommen gestorben? Man hört überhaupt nichts mehr davon. Es scheint "weg" zu sein.

Kothé: Im Augenblick ist mir ein Aufleben dieser Initiative nicht bekannt.

Frage: Herr Seibert, was sagt die Kanzlerin zu den Einlassungen des Bundespräsidenten in der Türkei und vor allem zu der sehr harschen Kritik des türkischen Ministerpräsidenten? Kann ein privilegierter Partner das machen?

StS Seibert: Sie wissen, dass ich grundsätzlich Reden und Äußerungen des Bundespräsidenten hier nicht kommentiere. Das entspricht unserem Verständnis von seiner verfassungsmäßigen Rolle als Staatsoberhaupt.

Zu der Thematik will ich nur sagen: Die Punkte, die der Bundespräsident während seiner Türkeireise benannt hat, sorgen auch die Bundesregierung. Sie hat sich zu ihnen in den vergangenen Wochen und Monaten bereits öffentlich geäußert. Diese Punkte müssen wir entsprechend unseren Werten und Prinzipien ansprechen. An dieser Stelle besteht kein Unterschied zwischen der Einschätzung des Bundespräsidenten und der der Bundesregierung.

Zusatzfrage: Welche Auswirkungen könnte der aktuelle Streit auf das gegenseitige Verhältnis haben, das in letzter Zeit ohnehin etwas angespannt ist?

StS Seibert: Für die Bundesregierung gilt, dass wir enormen Respekt vor der Leistung des türkischen Volkes und dem, was in der Türkei in den vergangenen Jahren aufgebaut worden ist, haben. Ich meine, das ist auch beim Besuch des Bundespräsidenten sehr stark zum Ausdruck gekommen. Wir spüren eine große Nähe zur Türkei, nicht zuletzt, weil Millionen von Menschen in unserem Land mit uns und bei uns leben und zu uns gehören, die ihre Wurzeln in der Türkei haben. Das ist die Basis unserer Partnerschaft und Freundschaft, zu der natürlich auch das offene Wort gehört.

Frage : Eine Frage an das Auswärtige Amt. Herr Schäfer, erwarten Sie eine baldige Freilassung der OSZE-Beobachter in der Ukraine?

Schäfer: Ich will hier für die Bundesregierung beziehungsweise das Auswärtige Amt keine Erwartungen äußern. Die Verhandlungen, die die OSZE derzeit in Slawjansk in enger Abstimmung mit der Bundesregierung und insbesondere mit dem Krisenstab im Auswärtigen Amt führt, sind schwierig. Ein Ergebnis kann ich Ihnen nicht verkünden. Solange das nicht der Fall ist, muss ich es dabei bewenden lassen und bitte um Verständnis dafür.

Zusatzfrage : Dort wird ja die Behauptung erhoben, dass sich die OSZE-Beobachter nicht hätten ausweisen können oder nicht im Besitz eines entsprechenden Papieres gewesen seien. Wie bewerten Sie diese Aussage?

Schäfer: Ich denke, wir haben über die Fragen im Zusammenhang mit der konkreten Mission, wie auch allgemein von Inspektionsreisen unter dem Wiener Dokument der OSZE vorgestern in aller Länge und Breite diskutiert. Auch Ihre Frage, Herr Blank, ist meiner Ansicht nach in extenso am Montag erörtert und jedenfalls aus meiner Sicht angemessen beantwortet worden.

Ansonsten kann ich nur das wiederholen, was ich vorgestern gesagt habe: Wenn die ausländischen Inspektoren wieder in Freiheit sind, dann wird Ihnen - dessen bin ich sicher - auf alle Fragen im Zusammenhang mit den Umständen ihrer Festnahme und ihres Festgehaltenwerdens in Slawjansk und auf viele weitere Fragen ausführlich Auskunft gegeben werden. Hier auf dieser Bank wird das sicherlich sehr offen geschehen. Da derzeit kein Kontakt zu den Offizieren hergestellt werden kann, ist es zurzeit gar nicht möglich, Fragen, die Sie stellen, so zu beantworten, wie sie beantwortet werden sollten, wenn dies möglich wäre.

StS Seibert: Eines möchte ich dazu noch sagen. Wir haben am Montag bereits sehr ausführlich darüber gesprochen, wie Herr Schäfer es gesagt hat. Trotzdem will ich aufgrund Ihrer Frage heute noch einmal ganz klar feststellen: Die Geiselnahme dieser OSZE-Militärbeobachter ist völlig inakzeptabel und ein krimineller Akt. Weder die OSZE noch die ukrainische Regierung noch die Beobachter selbst tragen die Verantwortung dafür. Die Verantwortung tragen ausschließlich diejenigen, die für diese Geiselnahme verantwortlich sind, die Täter. Wir sollten Opfer - das sind die Militärbeobachter - nicht zu Schuldigen machen.

Frage : Hat die Bundesregierung in den letzten 48 Stunden noch einmal den Kontakt zum Altbundeskanzler gesucht, um sich zu erkundigen, inwieweit er sich zu dieser Angelegenheit mit Herrn Putin ausgetauscht hat? Wenn ja, war es weiterführend, was man da erfahren hat?

StS Seibert: Ich kann Ihnen von keinem Kontakt mit Altbundeskanzler Schröder in den letzten zwei Tagen berichten. Altbundeskanzler Schröder hat - das haben wir bereits neulich gesagt - das politische Feld seit Längerem verlassen. Deswegen habe ich auch seine Reise nach Sankt Petersburg nicht zu kommentieren. Ich weiß auch nicht, was der Altbundeskanzler mit Präsident Putin besprochen hat.

Grundsätzlich tut jeder das Richtige, der dem russischen Präsidenten eindeutig und eindringlich die Verantwortung Russlands für eine Deeskalation und Stabilisierung in der Ukraine und dafür, dass es seinen großen Einfluss in dieser Region nutzen soll, um die Freilassung der Geiseln zu erreichen, klar macht.

Frage: Der russische Präsidenten Putin hat ja zu einer Freilassung aufgefordert. Wie wird das, was Putin gestern Abend in Minsk gesagt hat, von der Bundesregierung bewertet?

Schäfer: Die Äußerungen von Staatspräsident Putin in Minsk haben wir mit großer Aufmerksamkeit zur Kenntnis genommen. Wir begrüßen, dass er dazu aufgerufen hat, dass es im Hinblick auf die festgehaltenen Offiziere in Slawjansk aus seiner Sicht zu einer baldigen Lösung kommen soll. Aber wir erwarten nicht nur, dass er das sagt, sondern auch, dass er mit seiner Führung und Regierung das tut, was erforderlich ist, um ein solches Ergebnis zu befördern.

Zusatzfrage: Bleibt es dabei, dass jeglicher Kontakt zu Slawjansk, zu den Entführten und zu dortigen Machthabern - in welcher Form auch immer - über die OSZE läuft und das Auswärtige Amt nicht eigenständig aktiv ist?

Schäfer: Die Verhandlungen über die Freilassung der ausländischen und der deutschen Inspekteure erfolgt ausschließlich durch die OSZE. Das schließt nicht aus, dass die Bundesregierung - speziell der Außenminister - mit Partnern und handelnden Personen - etwa mit der ukrainischen Regierung, der russischen Regierung sowie der OSZE - intensiv das Gespräch sucht und führt, um auf diese Art und Weise einen Beitrag dafür zu leisten, eine gute Lösung herbeizuführen.

Frage: Herr Seibert, gibt es eine Verbindung zwischen der Frage der Freilassung der Geiseln und möglichen Sanktionen? Würde, sofern die Geiseln jetzt freigelassen würden, die dritte Stufe der Sanktionen etwas nach hinten geschoben? Oder würden umgekehrt die Sanktionen akut, wenn die Geiseln in Haft blieben?

StS Seibert: Zwischen beidem besteht keine Verbindung. Ich habe gerade gesagt, die Geiselnahme dieser OSZE-Militärbeobachter ist ein krimineller Akt. Das kann nur auf eine Weise gelöst werden, nämlich durch sofortige und bedingungslose Freilassung.

Der Prozess der Sanktionen ist die Antwort Europas und der transatlantischen Partner darauf, dass Russland bisher zu unserem großen Bedauern nichts getan hat, um Stabilisierung in der Ukraine zu erreichen und um das, was in Genf miteinander beschlossen wurde, umzusetzen. Ich sehe keine Verbindung zu der kriminellen Geiselnahme.

Frage : Herr Seibert, Stufe drei der Sanktionen war, wenn ich mich richtig erinnere, bisher an einen Einmarsch russischer Truppen in den Ostteil der Ukraine geknüpft. Nun hat sich die Lage dort sehr stark verändert. Ist das also immer noch Grundlage für ein Inkrafttreten der Stufe drei? Das dürfte auch bei den Gesprächen der Kanzlerin mit Herrn Obama am Freitag eine Rolle spielen. Könnten Sie noch einmal genau sagen, was für die Bundesregierung Anlass für das Inkrafttreten von Stufe drei der Sanktionen wäre?

StS Seibert: Die Europäische Union hat gestern Einreise- und Kontensperrungen gegen 15 weitere Personen verhängt, deren Handlungen die territoriale Unversehrtheit, die Souveränität, die Unabhängigkeit der Ukraine untergraben oder bedrohen.

Wir haben von vornherein gesagt, wir setzen nicht auf eine militärische Lösung dieses Konfliktes. Sie kann es nicht geben. Das heißt aber, dass wir bereit sind, Maßnahmen anderer Art sehr konsequent zu ergreifen. Dazu gehört, wenn nötig, auch der Bereich der wirtschaftlichen Sanktionen.

Zurzeit sind wir in der zweiten Sanktionsstufe. Wir haben in Europa bereits vor geraumer Zeit beschlossen, Vorbereitungen für weitere Maßnahmen zu treffen, die nötig würden, wenn die Lage weiter eskalieren sollte. Diese Vorbereitungen laufen entsprechend dem Auftrag des Europäischen Rates. Es wird ein ständiger Abstimmungsprozess zwischen den europäischen Partnern und auch mit den transatlantischen Partnern sein, um zu sehen, wo wir stehen, welchen Erfolg wir mit unseren ständigen Angeboten für die politische Lösung und den politischen Dialog haben und wo wir notgedrungen unsere Haltung in Sanktionen bekräftigen müssen. Ich will diesem ständigen Abstimmungsprozess, der nötig ist und zu dem sicherlich auch die Washingtonreise der Kanzlerin gehört, aber auch jeder andere Kontakt, den sie mit den europäischen Partnern hat, hier nicht vorgreifen.

Es geht um eine weitere Eskalation der Lage. Man muss feststellen, dass sich die Lage in der Ostukraine weiter verschlechtert. Das müssen wir leider von Tag zu Tag aufs Neue feststellen.

Zusatzfrage : Das heißt aber, dass nicht mehr, wie es ursprünglich einmal galt, ein faktischer Einmarsch notwendig wäre, um in diesen Abstimmungsverhandlungen zu Stufe drei zu kommen?

Schäfer: Nach meiner Erinnerung ist die Formulierung in dem Beschluss des Europäischen Rates, mit dem die drei Stufen gemeinsam beschlossen worden sind, so, dass es nicht explizit um einen Einmarsch geht, sondern darum, ob und in welcher Weise es eine weitere Destabilisierung der Lage gibt, für die wir den einen oder anderen dann zur Verantwortung ziehen können und wollen.

Es ist, wie Herr Seibert es gerade gesagt hat, überhaupt kein Automatismus, sondern es ist Gegenstand und Kern unserer Außenpolitik, dass Sanktionen dann verhängt werden können, wenn sie Teil von Außenpolitik sind, wenn sie Teil einer Strategie sind, die es möglich macht, einen Ausweg zu finden, die es möglich hält, Gespräche zu führen, aber die gleichzeitig deutlich macht, dass Europa und dass auch die transatlantische Partnerschaft zu handeln im Stande sind, wenn Russland Dinge tut, die wir schlicht und ergreifend nicht hinnehmen können.

StS Seibert: Die staatliche Souveränität der Ukraine wird doch in dem östlichen Landesteil Tag für Tag ein Stück weiter ausgehöhlt. Die territoriale Integrität der Ukraine wird im östlichen Landesteil durch die Taten, über die wir nun ständig in den Medien unterrichtet werden, permanent aufs Neue und immer stärker infrage gestellt. Es geschieht alles, um den Rahmen für freie demokratische Präsidentschaftswahlen, die für den 25. Mai vorgesehen sind, zu erschweren. Das sind doch die Fakten, die wir auch mit in unsere Überlegungen und in die Absprache mit unseren Partnern einbeziehen müssen.

Frage: Herr Seibert, mir bleibt immer noch eines unklar: Sie sprechen von weiteren Eskalationen und gleichzeitig davon, dass dort die Lage immer kritischer wird. Das ist für mich eine weitere Eskalation. Wann ist denn der Zeitpunkt erreicht, wo diese weitere Eskalation, die ja schon stattfindet, unbedingt zu der dritten Stufe der Sanktionen führen muss?

StS Seibert: Diesen Zeitpunkt verkündet man nicht in einer Regierungspressekonferenz, sondern der ist genau der Gegenstand der nahezu ständigen Gespräche der europäischen und transatlantischen Partner miteinander.

Frage: Herr Putin will angeblich am 9. Mai - das ist ein symbolisches Datum - auf der Krim an einer Militärparade teilnehmen. Ist das eine Art von Eskalation? Wie interpretieren Sie ein solches Verhalten des Präsidenten?

StS Seibert: Ich kenne den Terminplan des russischen Präsidenten nicht. Ich weiß nicht, was er am 9. Mai vorhat. Ich möchte das deswegen auch nicht vorauseilend kommentieren.

Wir drängen die russische Regierung, ihre Verantwortung zu erkennen. Wir drängen sie, dazu beizutragen, dass die Beschlüsse von Genf, die für die Menschen in der Ukraine den Einstieg eine bessere Zukunft ermöglichen würden, umgesetzt werden. Wir drängen die russische Regierung dazu. Das ist das, worauf wir uns konzentrieren.

Schäfer: Genf verdient eine Chance. Genf - und damit die Aktivitäten der OSZE- braucht Luft zum Atmen, braucht auch Zeit, um seine Aktivitäten in der ganzen Länge und Breite des Landes zu entfalten. Die zivile Beobachtermission der OSZE, auf die die Genfer Vereinbarung ausdrücklich Bezug genommen hat, wächst jeden Tag allmählich auf. Wir setzen weiter unsere Hoffnung darauf, dass es gelingen kann, auch mit der zivilen Beobachtermission der OSZE und den anderen Aktivitäten der OSZE Schritte hinzubekommen, die in Richtung Deeskalation weisen.

Zusatzfrage: Herr Seibert, Sie haben am Montag gesagt, dass der Kreml den Einfluss auf russische Separatisten nicht genutzt hat. Könnten Sie präzisieren, wie groß der Zusammenhang zwischen prorussische Separatisten in der Ostukraine und Russland oder dem Kreml ist?

StS Seibert: Ich kann Ihnen hier nicht genau die Verbindungen vortragen. Es ist nach unserer Überzeugung ganz offensichtlich, dass es eine Seite gibt, die einen Einfluss auf die prorussischen Separatisten hat, nämlich die Russische Föderation, der sie sich so nahe fühlen. Wenn sie mit Rufen "Rossija, Rossija!" Bürogebäude der Stadtverwaltung besetzen, dann nimmt man doch an, dass es die russische Regierung ist, die ihnen ins Gewissen reden könnte, einen gewaltfreien Weg zu gehen, die Waffen niederzulegen und sich im demokratischen Verfahren in ihrem Land für das, was sie als ihre Rechte wahrnehmen, einzusetzen.

Frage: Noch eine Lernfrage an das Auswärtige Amt. Der Russlandbeauftragte der Bundesregierung, Herr Erler, hat gestern im Deutschlandfunk gesagt - das hat mich etwas irritiert -, das Rote Kreuz habe noch keine Gelegenheit gehabt, die festgesetzten Militärbeobachter zu sehen. Ist das etwas, was ansteht, oder ist da etwas durcheinandergekommen?

Schäfer: Lernfragen, Herr Wiegold, sind immer besonders schwierig; das merke ich auch an dieser Frage. Ich kann den Hintergrund der Aussage von Herrn Erler hier nicht aufklären. Die militärischen Beobachter befinden sich festgehalten in Slawjansk; das wissen wir. Das Verhandlungsteam der OSZE verhandelt über ihre Freilassung. Wir gehen davon aus, dass die Militärbeobachter, die dort festgehalten werden, so anständig behandelt werden, dass sie keinen Schaden an ihrer Gesundheit nehmen. Das ist auch unsere klare Erwartung an diejenigen, die sie festhalten. Alles andere, glaube ich, lohnt nicht, jetzt hier in der Öffentlichkeit zu besprechen. Das sind, wie gesagt, hoch sensitive, auch sehr heikle Vorgänge, die dort vor sich gehen. Es ist selbstverständlich für uns, dass wir die OSZE bei ihren Bemühungen um die Freilassung und um das Wohlergehen auch der deutschen Militärbeobachter in vollstem Umfang und mit allem Nachdruck unterstützen.

Vorsitzender Leifert: Herr Schäfer, ganz kurz nur der Hinweis, dass wir hier natürlich die Möglichkeit haben, "unter drei" zu gehen, wenn Sie das möchten.

Schäfer: Das möchte ich jetzt aber nicht.

StS Seibert: Und ich möchte "unter eins" etwas hinzufügen: Wenn wir von den Militärbeobachtern sprechen, dann meinen wir selbstverständlich immer die vier Deutschen unter ihnen. Wir meinen aber auch ihre Kollegen aus Polen, Tschechien, Dänemark, und wir meinen die begleitenden Ukrainer, die ihnen rechtlich gleichgestellt sind. Für alle diese Menschen, für diese gesamte Gruppe gilt unsere Aufforderung bedingungsloser unverzüglicher Freilassung und einer tadellosen Behandlung bis dahin.

Zusatzfrage: Gerade die letzte Aussage von Herr Seibert veranlasst mich zu einer Nachfrage. Wenn Sie sagen, die begleitenden Ukrainer seien ihnen rechtlich gleichgestellt, dann heißt das, dass aus Sicht der Bundesregierung nur eine Freilassung der kompletten Gruppe einschließlich der Ukrainer infrage kommen kann?

Schäfer: Auf die Frage bekommen Sie keine Antwort. Da geht es um Verhandlungsstrategien. Dazu werden wir Ihnen jetzt hier nichts sagen. Es ist die OSZE, die sich mit genau den Fragen der Freilassung aller Inspekteure beschäftigt. Unsere Erwartungen hat Herr Seibert, habe ich hier vorgestern und heute in aller Deutlichkeit klargemacht: Eine unverzügliche, bedingungslose und wohlbehaltene Freilassung aller Inspekteure ist unsere Forderung. Das ist selbstverständlich auch die Forderung der OSZE.

Zusatzfrage: Entschuldigung, ich muss noch einmal nachhaken. Ich würde mich nie trauen, nach Verhandlungsstrategien zu fragen; das habe ich auch gar nicht getan. Ich habe nach der rechtlichen Bewertung gefragt, nachdem Herr Seibert gesagt hat, diese seien rechtlich gleichgestellt. Ist das die Meinung der Bundesregierung?

Schäfer: Ich verstehe Ihre Frage nicht.

Zusatzfrage: Reden wir über eine komplette Delegation, in der ein deutscher, ein tschechischer und ein ukrainischer Offizier aus OSZE und aus deutscher Sicht identisch als Rechtssubjekte sind? Ich habe nicht damit angefangen. Sie haben damit angefangen!

StS Seibert: Richtig, weil die Experten bei uns sagen, dass sie rechtlich gleichgestellt sind, weil sie vielleicht das eine oder andere Mal in der öffentlichen Diskussion vergessen werden und weil unsere Forderungen für alle gelten. Es ist ein krimineller Akt, diese Gruppe gegen ihren Wunsch festzusetzen, festzuhalten und auch noch der Öffentlichkeit in einer demütigenden Weise vorzuführen. Unsere Forderung richtet sich darauf, dass diese Gruppe - vier Deutsche, die ukrainischen Begleiter, der Pole, der Tscheche, der Däne - freikommen.

Schäfer: So sehr es richtig ist, Herr Wiegold, auf rechtliche Aspekte hinzuweisen - sie sind uns wichtig, wir sind ein Rechtsstaat und das gilt - , so sehr haben Sie an den Ereignissen der vergangenen Tage, etwa an der Art und Weise, wie ukrainische festgehaltene Soldaten im Fernsehen präsentiert worden sind, festgestellt, dass sich diejenigen, in deren Gefangenschaft unsere Beobachter sich befinden, nicht wirklich darum scheren, was Recht und Gesetz sind, sondern ganz andere politische Ziele verfolgen und entsprechende Mittel einsetzen. Das sind die Leute, mit denen wir uns nun einmal auseinandersetzen müssen.

Frage : Ich möchte einige Fragen im Zusammenhang mit der Reise der Bundeskanzlerin nach Washington zu Herrn Obama stellen. Das Thema NSA wird dort auch zur Sprache kommen. Herr Seibert, gibt es Erwartungen an Zusagen des amerikanischen Präsidenten zu Konsequenzen in diesem Zusammenhang? Erwartet die Bundeskanzlerin beispielsweise, dass der Präsident zusagt, dass sich die Amerikaner auf deutschem Boden an deutsches Recht halten?

StS Seibert: Die Kanzlerin - wir haben hier darüber ausführlich gebrieft - bricht zu einem Besuch nach Washington auf. Dieser wird sicherlich sehr im Zeichen der außenpolitischen Krise stehen, die wir hier zurzeit durchlaufen. Es wird sicherlich auch das Thema Freihandel eine große Rolle spielen. Dann wird sicherlich der gesamte Bereich der Arbeit der Dienste, der Persönlichkeitsrechte des Einzelnen eine Rolle spielen.

In puncto Erwartungen bin ich heute auch schon gefragt worden, ob es die Erwartung eines No-Spy-Abkommens gibt. Das war, darauf konkret angesprochen, im vergangenen Jahr ein Angebot, das aus den USA kam. Nun müssen wir seit geraumer Zeit feststellen, dass dieses Angebot dort nicht weiter verfolgt wird. Es wird also jetzt zu einem solchen Abkommen nicht kommen. Wir arbeiten mit den Amerikanern zurzeit auch nicht daran.

Für die Bundeskanzlerin war das im Grunde aber auch immer von nachrangiger Bedeutung. Ihr geht es, wie zum Beispiel die Pressekonferenz im Juli 2013 an dieser Stelle zeigte, um die ganz grundlegenden Fragen. Sie hat dort acht Punkte vorgelegt. Die bleiben für uns aktuell. Wir sind seit dem letzten Sommer in einem politischen Prozess mit den US-Partnern, mit den europäischen Partnern, aber auch auf globaler Ebene wie bei der Uno, um gemeinsam ein besseres Verständnis dafür zu entwickeln, wie die Persönlichkeitsrechte der Bürger im Zeitalter einer beinahe kompletten technischen Machbarkeit geschützt werden können. Wie können wir die schier unendlichen Möglichkeiten der digitalen Welt mit den notwendigen Persönlichkeitsrechten unserer Bürger in Übereinstimmung bringen? Was ist das jeweils vertretbare Verhältnis von Eingriff in die Datenschutzrechte der Bürger auf der einen Seite und Sicherheitserwägungen auf der anderen Seite?

Deswegen machen wir eine europäische Datenschutzverordnung und setzen uns dafür sehr intensiv ein. Deswegen haben wir auf UN-Ebene mit Partnern wie Brasilien und anderen eine Diskussion entfacht, die hoffentlich auf dem langen Wege in einen internationalen Standard für so etwas münden soll.

Unsere Haltungen und die der USA liegen ein gutes Stück auseinander; das ist ganz offensichtlich. Wir stehen zu unserer Überzeugung. Wir stehen auch zu der Forderung, dass auf deutschem Boden die einschlägigen deutschen Gesetze geachtet werden müssen, und zwar von jedem. Es ist aber ein langwieriger politischer Prozess.

Frage : Sie sagten, es werde derzeit überhaupt gar nicht mehr verhandelt. Nach meiner Kenntnis beziehungsweise unser aller Kenntnis ging es um zwei verschiedene Abkommen, nämlich einmal dieses No-Spy-Abkommen auf Regierungsebene und dann um die Abmachungen zwischen den Diensten. Über die Abmachungen zwischen den Diensten wird auch nicht mehr verhandelt?

Eine Frage an das Innenministerium direkt anschließend: Können Sie sagen, wann Sie an diesem Freitag, also am 2. Mai, das Gutachten, das Sie für den Untersuchungsausschuss Snowden/NSA-Affäre erstellen, veröffentlichen wollen? Wird das überhaupt am Freitag veröffentlicht und der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt? Gibt es schon Zeitpläne?

StS Seibert: Ich bezog mich gerade auf das No-Spy-Abkommen. Das ist ein Angebot der Amerikaner im vergangenen Jahr gewesen. Sie verfolgen es nicht weiter. Deswegen wird dazu auch nicht verhandelt. Die vertraulichen Gespräche zwischen den Diensten über ihre zukünftige Zusammenarbeit dauern an.

Was das andere betrifft, dauert die Meinungsbildung in der Bundesregierung derzeit noch an. Es ist aber auch klar, dass fristgerecht, also am Freitag, dem 2. Mai, dem Untersuchungsausschuss dieses Gutachten, diese Stellungnahme der Bundesregierung zugestellt werden wird.

Müller-Niese: Dazu kann ich eigentlich nicht viel ergänzen. Es ist korrekt, dass es am 2. Mai zugestellt wird. Eine Uhrzeit ist mir nicht bekannt. Es wird dem Ausschuss zugestellt.

Zusatzfrage : Das heißt, es wird auch in den USA schon von Frau Merkel bewertet werden können, weil wir ja der Washingtoner Zeit einiges voraus sind? Das war der Hintergrund der Frage. Wenn Sie es hier veröffentlichen, wird das schon Thema des Gesprächs von Frau Merkel mit Herrn Obama sein können?

StS Seibert: Ich kenne jetzt den Zeitpunkt der Überstellung an den Untersuchungsausschuss, der ja der erste Adressat ist, nicht.

Müller-Niese: Ich möchte noch einmal betonen: Der erste Adressat ist der Untersuchungsausschuss. Es wird also nicht öffentlich zugestellt, sondern es wird dem Untersuchungsausschuss zugestellt. Die Uhrzeit ist mir nicht bekannt. Es wird der 2. Mai sein.

Frage: Zum Thema Transaktionssteuer. Dazu gab es das Karlsruher Urteil. Meine Frage an die Bundesregierung wäre, was in Sachen Umsetzung passiert, ob da schon was passiert ist, wie eventuelle Vorbereitungen aussehen.

Kothé: Der EuGH hat heute entschieden - das meinten Sie, glaube ich -, ob der Verfahrensweg der richtige ist. Wir verhandeln über die Finanztransaktionssteuer im Wege der verstärkten Zusammenarbeit. Der EuGH hat dies bestätigt. Der rechtliche Weg, der hier eingeschlagen worden ist, ist auch vom EuGH bestätigt. Die Verhandlungen in Brüssel können auf diesem Weg jetzt weiter vorangebracht werden. Die Finanzminister werden sich bei ihrer Ecofin-Sitzung am Dienstag erneut mit dem Thema befassen.

Frage : Würden Sie sich getrauen, zu sagen, wann wir diese Steuer erleben oder ob wir sie überhaupt einmal erleben?

Kothé: Ich bin ganz sicher, dass wir sie erleben beziehungsweise ich hoffe das. Wir arbeiten mit großem Engagement daran, so schnell wie möglich zu Ergebnissen zu kommen. Wie immer bei solchen komplexen Gesetzgebungsverfahren - da bitte ich um Verständnis, Herr Heller - können wir im Vorfeld keine konkreten Zeitpunkte benennen. So schnell wie möglich.

Zusatzfrage : Was die Bundesregierung will, ist mir ja noch einigermaßen klar. Aber hat es denn in der Diskussion mit den Partnern in den letzten Monaten irgendwelche Fortschritte gegeben, die darauf hoffen lassen, dass wir das noch erleben werden?

Kothé: Wir sind zuversichtlich, dass alle, die daran beteiligt sind, guten Willens sind, dieses Projekt zu einem erfolgreichen Ende zu bringen.

Zusatzfrage : Ich wollte das Verteidigungsministerium fragen, nachdem der Bundesrechnungshof eine Reihe von Berichten, Ergänzungen für den Haushaltsausschuss veröffentlicht hat, unter anderem auch zum Thema "Eurofighter". Dort ist von eindrucksvollen Summen in der Kostensteigerung die Rede. Ich habe 60 Milliarden Euro als Verdoppelung der angesetzten Kosten im Kopf. Ist das, was der Bundesrechnungshof da befindet, auf einer Linie mit dem, was man auch an Erkenntnissen im Bundesverteidigungsministerium hat? Was folgt aus dieser Kostenentwicklung?

Gerhartz: Lassen Sie mich zunächst noch einmal ganz kurz den Prozess schildern, damit wir die Einlassungen des Bundesrechnungshofes einordnen können:

Der Bundesrechnungshof gibt jährlich seinen Bericht über die Haushalts- und Wirtschaftsführung 2013 ab. Er hat dies Ende des Jahres 2013 auch gemacht hat, was eine entsprechende Kommentierung des in seinem Bericht betroffenen Ressorts erfordert. Wir haben dazu Stellung genommen. Wir haben auch zum Programm Eurofighter Stellung genommen. Erst dann - das hat er ja gestern getan - gibt er bekannt - in der Vergangenheit hat er es oft in Form einer Pressekonferenz gemacht, gestern durch eine Pressemitteilung -, inwieweit er diese Bemerkungen aufnimmt. Man kann das fast als Gegenstellungnahme verstehen.

Wir werden uns noch einmal mit diesem Bericht auseinandersetzen. Ab Ende Mai - genau ist das noch nicht terminiert - wird es die entsprechende Befassung im Rechnungsprüfungsausschuss des Haushaltsausschusses geben. Damit möchte ich nicht sagen: Der Bundesrechnungshof hat in der einen oder anderen Angelegenheit recht oder nicht. Ich wollte Ihnen aber diesen Prozess schildern. Das eine ist der Bundesrechnungshof. Aber was letztlich die Auswirkung für unser Ressort angeht, ob oder wo wir eventuell im laufenden Haushalt bei den Haushaltsbefassungen etwas zu ändern hätten, dazu müssen wir erst einmal die Sitzung im Rechnungsprüfungsausschuss abwarten. Das ist das eine.

Zum Programm Eurofighter: Ich denke, wenn es hier um Kostenfragen geht, müssen wir sehr wohl auseinanderhalten: Was sind getätigte Ausgaben, und was sind Ausgaben, die investiv in die Zukunft zu sehen sind? - Ich bin mir sehr sicher, dass in meinem Haus getätigte Ausgaben in absoluter Transparenz vorliegen; das haben wir dem Bundesrechnungshof auch immer wieder gesagt. Was die investiven, noch zu tätigen Ausgaben angeht - da steht insbesondere die Frage um die Tranche 3B an, also die noch eventuell zu beschaffenden oder nicht zu beschaffenden Eurofighter -, muss ich sehr wohl zugeben, dass die Kostentransparenz, die sich insbesondere auch die Verteidigungsministerin wünschen würde, nicht gegeben ist. Sie wissen, dass sie vor einigen Wochen die Projektsteckbriefe zurückgewiesen hat, unter anderem auch den Projektsteckbrief Eurofighter, weil ihr die nach vorne gerichteten, investiven Ausgaben und die noch zu leistenden Kosten nicht transparent genug waren.

Abschließend möchte ich ein Wort zu der Frage der Lebenswegkosten sagen. Ich habe das (in der Berichterstattung) an mehreren Stellen gesehen. Sie sprachen über Kosten, und das gehört letztlich auch dazu. Es ist bei so einem Programm, das sich über so viele Jahre hinstreckt, so komplex ist, vier Nationen umfasst - andere Nationen sind ja später noch dazugekommen -, einfach nicht möglich, zu Beginn dieses Projektes bis auf Heller und Pfennig, um es einmal so zu sagen, festschreiben zu können, wie die Lebenswegkosten aussehen. Das ist noch ein laufender Prozess.

Dennoch ist es nicht richtig, wie ich es hier und da an der einen oder anderen Stelle gesehen haben - das sind auch die Vorwürfe des Bundesrechnungshofs -, dass man, wenn man einmal den Anteil der Flugstunden gemessen an den Kosten sieht, die Verbindung herstellt, dass, wenn beispielsweise die Flugstunden verdoppelt würden, sich auch die Lebenswegkosten verdoppeln würden. Das ist gerade bei Lebenswegkosten, die mit Betriebsfixkosten zusammenhängen, so nicht richtig. Viele Kosten, die es gerade bei so einem komplexen Programm wie den Eurofighter gibt, sind nie flugstundenabhängig, sondern sind von dem Programm an sich abhängig. Das heißt, wenn wir in den nächsten Jahren mit dem weiteren Zulauf aller Maschinen unsere Flugstunden gegebenenfalls verdoppeln - bleiben wir bei dem Beispiel -, werden sich die Lebenswegkosten oder die Betriebskosten, die dann zu Lebenswegkosten führen, nicht verdoppeln. Ich denke, es war wichtig, das in Bezug auf die verschiedenen Kostenaspekte zu erwähnen.

Zusatzfrage : Einfach nur zur Klarheit - ich bin kein Militärexperte, und von daher weiß ich es nicht -: Wann wird die Entscheidung über diese strittige Tranche, die infrage steht, getroffen? Wann steht etwas Klares an?

Gerhartz: Ich kann Ihnen auch keinen genauen Zeitpunkt nennen. Sie ist zu treffen. Wir haben klargemacht: Wir wollen hier die Transparenz haben, die auch die Ministerin einfordert. Es ist Teil der Projekte, die wir einer externen Beratungskommission unterziehen. Deswegen kann ich Ihnen keinen Zeitpunkt nennen.

Frage: Ich habe eine Frage an das Innenministerium sowie an das Auswärtige Amt. Die britische Regierung hat vor einigen Wochen angekündigt, die Aktivitäten der ägyptischen Muslimbruderschaft in Großbritannien auf Verbindungen zu Terrororganisationen zu überprüfen. Plant die Bundesregierung eine ähnliche Überprüfung? Hat sie womöglich schon stattgefunden?

Müller-Niese: Ich kann dazu sagen, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz natürlich ein möglicher Ansprechpartner ist. Aber es gibt keine Pläne, die mit Großbritannien vergleichbar sind. Zu Details, zum Beispiel mögliche Vereinsverboten oder wie auch immer, würden wir uns nicht äußern.

Schäfer: Ich bin nicht in der Lage, auf die Frage eine Antwort zu geben. Das ist nicht unser Beritt.

Frage : Hat es vonseiten der Bundesregierung - Kanzleramt oder Wirtschaftsministerium - in den letzten zwei Tagen irgendeinen Kontakt mit der französischen Regierung zum Thema Siemens/Alstom gegeben?

Alemany: Herr Heller, wir haben am Montag schon dazu berichtet. Seither gibt es keinen neuen Stand.

Frage : Eine kurze Nachfrage an das Innenministerium zum USA-Besuch der Bundeskanzlerin: Stand gestern gab es noch keine Anfrage der amerikanischen Seite zu einer weiteren Aufnahme eines Guantanamo-Häftlings in Deutschland. Hat sich das bis heute verändert?

Müller-Niese: Ich habe keine Kenntnis darüber, dass sich das verändert hat.

*

Quelle:
Mitschrift der Pressekonferenz vom 30. April 2014
http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2014/04/2014-04-30-regpk.html;jsessionid=47420D69DD15823D3567C4A55B24EAE9.s2t2
Presse- und Informationsamt der Bundesregierung
Dorotheenstr. 84, 10117 Berlin
Telefon: 030 18 272-0, Fax: 030 18 10 272-0
E-Mail: internetpost@bpa.bund.de
Internet: www.bundesregierung.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 3. Mai 2014