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PRESSEKONFERENZ/721: Regierungspressekonferenz vom 17. Januar 2014 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Mitschrift der Pressekonferenz - Freitag, 17. Januar 2014
Regierungspressekonferenz vom 17. Januar 2014

Themen: Erlass einer Reihe von Gesetzen im ukrainischen Parlament, Kabinettsklausur der Bundesregierung, Reform des EEG, Rentenreform, heutige Rede des amerikanischen Präsidenten zur Tätigkeit des US-Geheimdienstes, Karenzzeit beim Wechsel von Politikern in die Wirtschaft, Jahreswirtschaftsbericht, Absturz eines Tornados der Bundeswehr in der Eifel, Berichte über einen bevorstehenden Besuch des türkischen Ministerpräsidenten in Berlin, Expertenvotum für Rezeptfreigabe der "Pille danach"

Sprecher: StS Seibert, Schäfer (AA), Modes (BMWi), Westhoff (BMAS), Kothé (BMF), Spauschus (BMI), Zimmermann (BMJ), Niggemeier-Groben (BMVg), Ewald (BMG)



Vorsitzender Hebestreit eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt StS Seibert sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

StS Seibert: Guten Tag, meine Damen und Herren! Gestern wurde im ukrainischen Parlament eine Reihe von Gesetzen im Eilverfahren beschlossen, die unter anderem zur Einschränkung der Meinungs- und Versammlungsfreiheit dienen können. Außerdem wurde in die ukrainischen Gesetze der Begriff des ausländischen Agenten eingeführt. Ukrainische Nichtregierungsorganisationen befürchten dadurch massive Einschränkungen ihrer Arbeit.

Dies und andere Anzeichen der Einschüchterung beobachtet die Bundesregierung mit großer Sorge. Es gibt Beispiele von Gewalt gegen kritische Journalisten, von Drohungen, von Sanktionsmaßnahmen gegen friedliche Vertreter von Zivilgesellschaft und Opposition. Darin sehen wir zu unserem Bedauern eine Abkehr von europäischen Werten. Das muss für viele Menschen in der Ukraine eine große Enttäuschung sein, ist aber auch eine Enttäuschung für die Europäische Union. Das wird selbstverständlich und unvermeidlicherweise auch Auswirkungen auf die Zusammenarbeit mit der Europäischen Union haben.

Der Aufruf an die ukrainische Politik bleibt: Revidieren Sie diese übereilten Beschlüsse der Rada! Schützen Sie die Meinungs- und Versammlungsfreiheit, anstatt sie zu beschränken! Unsere Solidarität gilt ausdrücklich all jenen in der Ukraine, die sich friedlich für ihre demokratischen Grundrechte einsetzen.

Schäfer: Ich würde das gerne insofern ergänzen, als ich Ihnen sagen möchte, dass sich Außenminister Steinmeier dazu bereits vor einer halben Stunde geäußert hat. Das wird dem einen oder anderen vielleicht auch schon vorliegen, weil wir es verteilt haben. Ich möchte das gerne hier noch einmal vorlesen, weil es bekräftigt, was Herr Seibert gerade im Namen der Bundesregierung gesagt hat. Herr Steinmeier sagte also zu dem gestern in der Rada verabschiedeten Gesetzespaket: "Der von Präsident Janukowitsch gestern eingeschlagene Kurs führt in eine Sackgasse. Eine Einschränkung der Bürgerrechte würde die Ukraine nur weiter weg von Europa führen." Außenminister Steinmeier ist sich sicher, dass eine Mehrheit der Menschen in der Ukraine eine offene Zukunft für ihr Land wünscht, die eine Wahl für Europa möglich macht. Wir erwarten von der politischen Führung in Kiew, dass die politische Debatte nach den getroffenen Entscheidungen gegen eine Annäherung an die Europäische Union jetzt nicht administrativ behindert und strafrechtlich verfolgt wird. Aus Sicht von Außenminister Steinmeier darf Repression keine Antwort auf eine kontroverse politische Debatte in der Ukraine sein.

Frage : Herr Seibert, Sie sagten sehr dezidiert, das werde auch Auswirkungen auf die Zusammenarbeit mit der EU haben. Können Sie das bitte ein wenig konkretisieren?

StS Seibert: Ich will den notwendigen Besprechungen und Beratungen mit unseren europäischen Partnern jetzt nicht vorgreifen, aber das wird besprochen werden müssen. Am Montag wird der Außenministerrat in Brüssel tagen, und Sie haben jetzt gerade auch noch einmal die Stellungnahme des Außenministers gehört. Es ist sicherlich unvermeidlich, dass dieses Thema auch dort angesprochen wird.

Schäfer: Wenn ich das ergänzen darf: Dafür ist natürlich auch erst einmal wichtig, dass die Gesetzespakete, die da verabschiedet worden sind, in voller Transparenz öffentlich gemacht werden. Die Analyse dessen, was bereits bekannt geworden ist, hat bereits begonnen, bei uns im Auswärtigen Amt wie auch an der Botschaft. All das, was Herr Seibert mit Sorge vorgetragen hat, werden wir jetzt natürlich analysieren. Wir werden schauen, was die Regelungen sind, die tatsächlich darin enthalten sind. Wenn ich der Nachrichtenlage Glauben schenken kann, dann gibt es ja viele Abgeordnete, die gestern abgestimmt haben, ohne zu wissen, über was sie eigentlich abgestimmt haben.

Frage : Gab es direkte Kontakte von deutscher Seite mit der Regierung in Kiew?

Schäfer: Soweit mir bislang aus Berlin bekannt ist, zurzeit noch nicht.

Frage : (ohne Mikrofon; akustisch unverständlich)

Schäfer: Wenn wir etwas mitzuteilen haben, werden wir das mitteilen.

Vorsitzender Hebestreit: Wenn es keine weiteren Fragen zum Thema Ukraine gibt, dann fahren wir mit den Terminen der Kanzlerin in der nächsten Woche fort.

StS Seibert: Ja, und da würde ich Sie nun gerne vor allem auf die erste Kabinettsklausur dieser Bundesregierung hinweisen, die am Mittwoch, dem 22., und am Donnerstag, dem 23., in Meseberg stattfinden wird. Im Rahmen dieser Klausur wird es auch eine Kabinettssitzung geben. Die Klausur dient dazu, dass die Mitglieder der Bundesregierung jeder für sich und in seinem Ressort über die Planungen für dieses Jahr 2014 sprechen. Jeder Minister und jede Ministerin wird also für sein beziehungsweise ihr Ressort darlegen, was ihm beziehungsweise ihr in diesem Jahr 2014 wichtig ist. Dann wird man noch darüber sprechen, wie die übergreifenden Projekte und auch Formate der Bundesregierung in dieser Legislaturperiode fortgesetzt werden sollen. Ich nenne als Beispiel unter mehreren jetzt noch einmal den Integrationsgipfel, die E-Mobilität etc. Damit ist die Zeit sicherlich schon ganz gut ausgefüllt.

Es wird am Mittwoch um etwa 10.45 Uhr ein Pressestatement der Bundeskanzlerin und von Bundesminister Gabriel geben. Anschließend wird dann die Klausursitzung beginnen. Für Donnerstagvormittag, etwa um 8.55 Uhr, ist das Gruppenfoto geplant, auf das der eine oder andere von Ihnen warten mag. Dann wird die Klausur am Donnerstag von 9 Uhr bis etwa 12 Uhr fortgesetzt werden, und anschließend werden die Bundeskanzlerin und Bundesminister Gabriel Ihnen bei einer Pressekonferenz die Ergebnisse darstellen und Ihnen natürlich auch gerne Rede und Antwort stehen. - Das war es.

Frage: Ich entnehme Ihrer Ankündigung, dass die Pressekonferenz in Meseberg stattfinden wird. Stimmt das?

StS Seibert: Ja, in dieser sogenannten Alten Gärtnerei, die Sie vielleicht kennen.

Zusatzfrage: Ich frage, weil sie in der vergangenen Jahren, wenn ich mich recht erinnere, auch schon manchmal hier stattgefunden hat.

StS Seibert: Im Geiste der Klausurtagung wird sie in Meseberg stattfinden.

Frage: Ich weiß nicht genau, ob ich mich jetzt in der Woche vertue, aber war es nicht so, dass die Kanzlerin nächste Woche Donnerstag auch beim Pflegetag reden wollte? Ist das noch aktuell?

StS Seibert: Ich habe Ihnen jetzt zunächst einmal die öffentlichen Termine der Bundeskanzlerin für die kommende Woche angekündigt.

Frage : Herr Seibert, wird es möglicherweise am Abend des ersten Tags eine Zwischenunterrichtung geben?

StS Seibert: Nein, nicht durch die Bundeskanzlerin und Minister Gabriel. Das ist eine Klausurtagung. Die dient den internen Besprechungen und der internen Vorbereitung der Arbeit in diesem Jahr.

Zusatzfrage : Das lässt natürlich die Frage offen, ob die Unterrichtung durch jemand anderen erfolgen kann, möglicherweise durch Sie.

StS Seibert: Ja, aber darüber können wir dann ja noch reden.

Frage : Ich habe eine Frage an das Wirtschaftsministerium. Wir lasen heute Morgen in einer Zeitung etwas von nahezu fertiggestellten Eckpunkten einer Reform der Energiewende von Herrn Gabriel, die er schon bei der Kabinettsklausur erläutern wolle. Ist dem so? Können Sie bereits ein paar Details bezüglich dieser Eckpunkte nennen, nachdem sie auch schon in dem Bericht enthalten sind?

Modes: Sie kennen die Aussagen von Herrn Gabriel, dass die Eckpunkte bis Ostern vorliegen sollen. Aufgrund der Bedeutung des Themas wird das natürlich auch Thema im Rahmen der Meseberg-Klausurtagung sein. Zu Inhalten oder der Form dessen, in der das dort diskutiert wird, kann ich derzeit nichts sagen.

Zusatzfrage : "Eckpunkte" ist ein dehnbarer Begriff. Gibt es ein Papier von Herrn Gabriel, das zumindest so etwas wie ein Grobkonzept darstellt und das jetzt schon nächste Woche vorgestellt werden wird?

Modes: Wie Sie sagten, kann man "Eckpunkte" breit definieren. Zu der Form kann ich derzeit, wie gesagt, leider nichts sagen. Sobald wir etwas dazu sagen können, werden wir Sie natürlich darüber informieren.

Zusatzfrage : Aber sprechen Sie dezidiert nicht von einem Grobkonzept oder von etwas in dieser Richtung?

Modes: Ich kann nichts zu der Form sagen; es tut mir leid.

Frage: Zum gerade viel diskutierten Thema Rente: Ich würde gerne einmal das Arbeits- und Sozialministerium zu der aktuellen Bertelsmann-Studie befragen, die in ihrem Urteil doch relativ drastisch ausfällt. Das deutsche Rentensystem sei familienfeindlich, ungerecht, nicht demografiefest. Ich nehme an, Sie sehen das nicht ganz so.

Westhoff: Das stimmt, das ist richtig angenommen. Man muss sich immer fragen: Was ist in der gesetzlichen Rente traditionsgemäß eigentlich der Sinn und Zweck des Ganzen? Der Sinn und Zweck des Ganzen ist nicht in allererster Linie, die Geburtenrate durch das Rentensystem zu steigern. Familienpolitische Leistungen, Unterstützung von Eltern in der Erwerbsphase - das passiert maßgeblich in anderen Politikbereichen, nicht so sehr in der Rente. Die Rente muss natürlich immer auch darauf achten, dabei keine Fehlanreize zu setzen. Aber das Rentensystem ist an sich so aufgebaut, dass es für eine angemessene Altersvorsorge und eine angemessene Altersversorgung sorgen soll. Das ist in Deutschland traditionsgemäß sehr eng an das angelehnt, was in der Erwerbsphase an Beiträgen bezahlt wurde. Es gab natürlich in der Vergangenheit auch immer Bestrebungen, die Erziehungsleistung aufzuwerten. Das hat sich in den letzten Jahrzehnten Schritt für Schritt deutlich ausgeweitet. Aber das, was das Rentensystem sozusagen im Kern ausmacht, ist eine angemessene Altersversorgung in Abhängigkeit der gezahlten Beiträge.

Zusatzfrage: Heißt das, im Grundsatz ist darin für Sie nichts drin, zu dem die Bundesregierung sagen würde "Darüber könnten wir einmal nachdenken", also eben so etwas wie Kinderfreibeträge?

Westhoff: Es ist drin, dass man bei der Rente immer darauf achten muss, dass die Erziehungsleistung honoriert wird und es, wie gesagt, keine Fehlanreize gibt. So etwas wie die Ausweitung der Honorierung von Erziehungsleistungen passiert ja durchaus, Stichwort Mütterrente. Ansonsten, glaube ich, sind Hinweise enthalten, die, wie gesagt, Ernst zu nehmen sind, und zwar mit Blick auf die Wichtigkeit von Familienförderung insgesamt. Man darf das Wohl der nachwachsenden Generationen aber nicht hintanstellen. Aber das passiert, wie gesagt, in anderen Politikbereichen in Bezug auf die Familienförderung und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Es kann aus Sicht der Bundesregierung nicht einzig und allein und nicht hauptsächlich Aufgabe der Rentenversicherung sein, die Geburtenrate zu steigern.

Frage: Herr Westhoff, jetzt kommt die Bertelsmann-Studie auch zu dem Ergebnis, dass das Beitragsziel 2030 nach dem alten Rechtszustand nicht eingehalten werden wird, also ohne Berücksichtigung der jüngsten Pläne der Koalition zum Thema Rente. Dieses Beitragsziel von 22 Prozent wird also ab 2030 sozusagen verfehlt, und bis 2060 wird es sogar auf 27 Prozent oder 28 Prozent steigen. Was sagen Sie denn dazu?

Westhoff: Die Beitragssatzziele für 2020 und 2030 werden nach unseren Modellrechnungen - mehr kann man nie anstellen, weil dafür eine ganze Reihe von Kriterien eine Rolle spielen, nämlich die Konjunkturentwicklung, die Arbeitsmarktentwicklung, die Beschäftigungslage usw. - sehr wohl eingehalten.

Sie sprachen von 2060. Was hatten Sie gesagt, wo liege der Beitrag dann?

Zusatz: Bei 27 Prozent.

Westhoff: Das ist etwas weit vorausgerechnet. Man kann schon mit gutem Recht fragen, wie seriös die Vorausberechnung von Beitragssätzen für das Jahr 2030 ist. Man hat aber bei den Rentenreformen bewusst eingeführt, dass die Bundesregierung immer wieder darlegen muss, wie sich die Beitragssatzziele und auch das Rentenniveau nach Modellrechnungen entwickeln, also unter ganz bestimmten modellhaften Annahmen. Ich kann jetzt nicht Stellung dazu nehmen, wie nach unserer Lesart oder Berechnung der Beitragssatz im Jahr 2060 voraussichtlich aussehen wird. Das hängt dann auch immer davon ab, wie sich viele andere Kriterien entwickeln; ich nannte sie gerade. Dazu gehört natürlich ganz zentral auch die demografische Entwicklung.

Frage: Zu den Zahlen, die darin stehen, also dass jemand, der heute 13 Jahre alt ist, im Laufe seines Lebens vermutlich etwa 77.000 Euro mehr in die Rentenversicherung einzahlen wird, als er am Ende daraus erhalten wird: Sind das Zahlen, von denen Sie sagen, dass sie völlig aus der Luft gegriffen sind, oder haben die eine Basis?

Westhoff: Ob die eine Basis haben und wie tragfähig die sind, müssen wir jetzt tatsächlich erst einmal dieser Studie selbst entnehmen. Wir haben die auch erst seit heute auf dem Tisch liegen und müssen jetzt einmal schauen, wie Berechnungen angestellt worden sind. Auch hier - das darf man nicht vergessen - sind Modellrechnungen von Prof. Werding angestellt worden. Modellrechnungen bringen es mit sich, dass man bestimmte Annahmen trifft, und diese Annahmen sind wertbezogen. Die sind nicht irgendwie neutral gegeben. Es ist keine Physik, die man da betreibt, sondern das, was man dabei unterstellt, ist auch schon mit qualitativ ordentlichen Vorannahmen verbunden. Insofern muss man sich die Werte, die da genannt werden, einmal anschauen.

Man weiß zum Beispiel nicht, ob eingerechnet wurde, dass ein Kind im Laufe seines Lebens im Zweifel erwerbsgemindert ist und dann eben nicht mit 65 Jahren, mit 67 Jahren oder später eine Rente bezieht, sondern schon mit 40 Jahren, und zwar eine Erwerbsminderungsrente. Das sind Leistungen, die die Rentenversicherung natürlich bietet. Dann muss man schon schauen, ob man diese Zahlen so verallgemeinern kann und ob man sozusagen solche Werte und die heutigen Werte so nebeneinanderstellen kann. Die Rentenversicherung zeichnet sich dadurch aus, dass sie eben auch eine Risikoversicherung ist. Zum Beispiel Erwerbsminderungsrenten spielen dabei eine Rolle, aber auch Witwenrenten. Von daher müsste man dieser Studie jetzt noch einmal genauer auf den Grund gehen und schauen, ob sie das auch unterstellt und angemessen berücksichtigt hat.

Frage: Ich habe auch noch eine allgemeinere Frage zur Rentenreform an Herrn Seibert. Es gibt ja auch schon Zahlen dazu, wie teuer das Ganze wird, die in dem Entwurf zur Rentenreform stehen. Die erste Frage ist, ob diese Zahlen für die Kanzlerin irgendwie neu waren oder ob sie die auch schon vorher eingerechnet hatte.

Die zweite Frage ist: Wie verträgt sich diese geplante Reform eigentlich mit Ihrem auch erklärten Ziel, das deutsche Sozialsystem demografiefest zu machen? Ich glaube nämlich, man kann jeden Experten fragen, und der wird sagen, dass diese geplante Reform nicht unbedingt dazu beiträgt.

StS Seibert: Ich will hier nicht auf einzelne Zahlen eingehen. Ich will einmal ganz grundsätzlich sagen: Die Entscheidungen, die sich diese Koalition im Bereich der Rentenpolitik vorgenommen hat, sind Werteentscheidungen, die man miteinander getroffen hat und die in einer Zeit sich gut entwickelnder Erwerbstätigkeit auch getroffen werden können. Die Rentenkasse ist sehr gut gefüllt. Mehrausgaben können bis 2018 aus den bestehenden Mitteln finanziert werden.

Es ist, glaube ich, wichtig und auch sinnvoll - das wird zu selten getan -, auch einmal auf die Gesamtzusammenhänge zu blicken, also auch einmal auf die Summe zu blicken, die insgesamt im Rentensystem im Umlauf ist. Grob gesagt: Rentenzahlungen und Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung machen jährlich rund 250 Milliarden Euro aus. 2013 waren es genau 253 Milliarden Euro. Der Bund beteiligt sich daran in ganz erheblicher Weise. Das waren 2013 82 Milliarden Euro, und allein 11,5 Milliarden Euro flossen in die Berücksichtigung der Anerkennung der Kindererziehungszeiten. Wenn Sie also auf die Gesamtausgaben der Rentenkassen schauen, wie wir sie zwischen 2020 und 2030 erwarten, dann sehen Sie, dass der Anteil der Maßnahmen, über die wir in dieser Legislaturperiode sprechen - also das Rentenpaket dieser Legislaturperiode -, gerade einmal 3,5 Prozent ausmacht. Ich sage das einfach einmal, um den Gesamtzusammenhang herzustellen.

Dieses Rentenpaket umfasst im Übrigen Maßnahmen, die nicht, wie man auch manchmal hört, irgendjemandem etwas schenken, sondern die Menschen Verbesserungen geben, die diese Verbesserungen verdient haben, weil sie ganz erheblich an den Grundlagen unseres Wohlstands mitgearbeitet haben. Ich nenne einmal das Beispiel der Mütterrente: Es ist in einer Zeit, in der wir völlig zurecht viel Geld in den Ausbau der Kinderbetreuung und in die verbesserten Rahmenbedingungen für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf stecken, äußerst gerechtfertigt, dass wir dann auch denen gegenüber, die ihre Kinder von 1992 geboren haben - in einer Zeit, in der beispielsweise diese Betreuungsmöglichkeiten nicht zur Verfügung standen -, gerecht sind. Genau das wollen wir mit der Mütterrente sein.

Ich habe ganz am Anfang erwähnt: Wichtig ist dafür die sich gut entwickelnde Erwerbstätigkeit. Das ist sicherlich eine Erfolgsgeschichte der letzten Jahre. Noch einmal: Diese gute Entwicklung der Erwerbstätigkeit ist der Schatz, den wir hüten müssen. Daran müssen wir weiter arbeiten. Das ist das Interesse der gesamten Bundesregierung, und das Hauptaugenmerk in den kommenden Jahren liegt darauf, diese positive Tendenz fortzusetzen, und zwar auch, weil wir im Interesse von Millionen von Menschen diese Rentenpläne haben.

Zusatzfrage: Habe ich es richtig verstanden, dass bezüglich der Zahl, die darin steht, jetzt noch nicht unbedingt Konsens innerhalb der ganzen Bundesregierung herrscht?

StS Seibert: Ich habe gesagt: Ich spreche hier nicht über einzelne Zahlen aus dem Ressortentwurf. Dazu müsste sich dann vielleicht das BMAS äußern.

Westhoff: Die Zahlen, die jetzt kursieren, sind kumulierte Zahlen. Kumulierte Zahlen - das hat Herr Seibert gerade genau richtig dargestellt - sind immer nur sehr begrenzt aussagekräftig, um es einmal positiv auszudrücken. Wenn man dem nämlich einmal die Gesamtausgaben und das, was im Gesamtsystem an Mitteln unterwegs ist, gegenüberstellt, dann relativiert sich das. Herr Seibert hat das gerade mit den 3,5 Prozent genau richtig benannt.

Ansonsten gilt das, was wir an dieser Stelle immer sagen, wenn eine Ressortabstimmung gerade eingeleitet worden ist: Das, was wir vorgelegt haben, wird jetzt diskutiert, wird erörtert und wird im Zweifel fortentwickelt. Das ist der Sinn und Zweck einer Ressortabstimmung. Die Zahlen, die jetzt im Gesetzentwurf stehen, stehen so darin, und die stimmen auch. Wer das dann nun unbedingt kumulieren will und die Summe "60 Milliarden" oder "160 Milliarden" nennen will, der mag das gerne tun, aber mit zwei Einschränkungen: Erstens ist alles relativ, und zweitens hat die Ressortabstimmung gerade erst begonnen.

Frage : Zwei Fragen: Wenn es um Zahlen geht, fragt man natürlich sofort das Finanzministerium. Sie beziehungsweise Ihre Experten haben sicherlich auch schon einmal darauf geschaut. Wie ist denn der Befund dieser Zahlen?

Zweitens habe ich irgendwo gelesen, dass sich Frau Nahles und Herr Schäuble geeinigt hätten, dass ab 2019 der Bundeszuschuss hochgesetzt werde. Wie verträgt sich das mit einer Interviewaussage von Herrn Schäuble vor wenigen Tagen, der nach meiner Erinnerung sagte, was in der nächsten Legislaturperiode passiere, müsse von künftigen Regierungen entschieden werden, das sei nicht seine Sache? Gibt es so etwas wie eine Verständigung oder Vorabstimmung? Oder gibt es sie nicht?

Kothé: Der Kollege hat ja gesagt, dass wir mit dem Gesetzentwurf in die Ressortabstimmung gegangen sind.

Was die groben finanziellen Rahmenbedingungen angeht, gab es darüber Gespräche auf verschiedenen Ebenen; das war ja hier auch schon Thema. Da haben wir uns geeinigt und eine gute Lösung gefunden. Das steht auch nicht im Widerspruch. Rentenreformpakete sind immer langfristig angelegte Projekte. Es geht jetzt in dem Gesetzentwurf darum, diese Szenarien und Prognosen darzustellen. Der Minister hat in seinen Interviews eigentlich immer nur darauf hingewiesen, dass finanzwirksame Beschlüsse und Gesetze für diese Legislaturperiode zu treffen sind - also kein Widerspruch.

Es stimmt: Der Bundezuschuss wird ab 2019 um rund 400 Millionen Euro jährlich ansteigen - aber begrenzt auf einen Zeitraum -, und zwar ansteigend auf ungefähr zwei Milliarden Euro.

Zusatzfrage : Das ist aber eine Projektion und nicht in irgendeiner Weise bindend?

Kothé: Das ist eine Projektion. Bei Dingen, die so weit in der Zukunft liegen, Herr Heller, kann es nichts anderes sein als eine Projektion. Das sind die aktuellen Rechnungen und Finanzplanungen, die im Zusammenhang mit diesem Gesetzentwurf angestellt worden sind.

Frage: An das BMAS eine Frage zum Rentenniveau. In dem Gesetzentwurf steht auch, dass das Rentenniveau unter den Wert sinkt, von dem man eigentlich in den bisherigen Schätzungen ausgegangen ist. Ist es die Intention der Arbeitsministerin, das Rentenniveau zu senken? Ich habe die SPD bisher immer so verstanden, dass man eher über Erhöhungen des Rentenniveaus nachdenkt.

Westhoff: Das Rentenniveau sinkt ja insgesamt - alleine wegen der demografischen Entwicklung und wegen der bewusst eingeführten dämpfenden Faktoren.

Ich wiederhole und betone es noch einmal ausdrücklich: Nach den jetzigen Modellrechnungen, die im Gesetzentwurf niedergelegt sind, wird mit diesen Maßnahmen mit Blick auf das Jahr 2030 das Sicherungsniveau um 0,7 Prozentpunkte unter dem liegen, was im letzten Rentenversicherungsbericht mittels Modellrechnungen errechnet worden ist. Das ist, wenn man so will, überschaubar - zumal dann, wenn man sich vergegenwärtigt, dass in den vergangenen Jahren jeweils das in den jeweiligen Rentenversicherungsberichten vorausgesagte oder modellhaft errechnete Sicherungsniveau deutlich überschritten wurde. Das hatte natürlich damit zu tun, dass die Konjunkturentwicklung gut lief, dass sich auch der demografische Wandel durch die vermehrte Beschäftigung Älterer nicht in dem Maße im Rentensystem niederschlug, wie das vorher gemutmaßt wurde. Das heißt, mit Blick auf 2030 und die langfristige Entwicklung ist noch nicht ausgemacht, dass tatsächlich das Sicherungsniveau maßgeblich niedriger ausfallen wird.

Ansonsten gilt das, was wir gerade gesagt haben. Es gab und gibt den festen politischen Willen, hier zu deutlichen Leistungsverbesserungen zu kommen. Das ist aus Sicht der Koalition insgesamt sehr gerechtfertigt. Es ist kein Geheimnis, dass ein Beitragssatz, der höher ausfällt als ohne diese Leistungsverbesserung, langfristig zu einem mutmaßlich etwas sinkenden Rentenniveau führt. Aber das ist, wie gesagt, Bestandteil des Gesamtvorhabens. Es wird an vielen anderen Stellen darum gehen, dafür zu sorgen, dass das Sicherungsniveau nicht unter die gesetzlichen Maßgaben fällt. Dafür gibt es diese Niveausicherungsziele: bis 2030 nicht unter 43 Prozent und davor gelagert bis 2020 nicht unter 46 Prozent. Das sind sozusagen die Leitplanken, an denen wir uns orientieren. Da besteht keine Gefahr.

Frage SIEBERT: Eine Frage zum Thema "Frühverrentung" an Herrn Westhoff oder Herrn Seibert: Es gibt jetzt Forderungen, diese möglichen Fehlanreize zu vermeiden, Stichwort Rente mit 61, also das heißt Arbeitslosigkeit für die zwei Jahre bis zum Renteneintritt mit 63. Soweit ich weiß, gibt es bisher keine Vorkehrungen im Gesetzentwurf, ein solches Vorgehen zu verhindern. Ist in der Hinsicht noch etwas geplant? Müsste aus Sicht der Bundeskanzlerin noch irgendetwas eingebaut werden, um ein solches Verfahren zu verhindern?

Westhoff: Ich kann anfangen und sagen, dass viele Mutmaßungen bezüglich einer Frühverrentung alleine deshalb ins Leere gehen, weil hier bewusst mit Augenmaß vorgegangen wird. Es bleibt ja nicht dabei, dass alle Jahrgänge mit 63 abschlagsfrei gehen können, sondern das betrifft die Jahrgänge bis 1952. Wer 1953 geboren ist, geht 2016 eben nicht mehr mit 63, sondern mit 63 und zwei Monaten in Rente. Das wächst dann bis zum Jahrgang 1964 auf. Dann gilt die Rente mit 65 wieder.

Wenn man sich das jetzt also einmal ganz künstlich anschaut und sagt: Okay, 61 plus zwei Jahre Arbeitslosgeld I - das ist das, was Menschen über 58 in Deutschland bekommen können -, dann ist die Brücke von 61 bis 63, wo man das so machen kann, theoretisch genau ein Jahr lang. Das ist aber verdammt teuer. Es ist nicht nur finanziell gesehen teuer, sondern es ist auch deshalb teuer, weil der Fachkräftemangel, die offensichtlichen Fachkräfteengpässe, die uns erwarten, dagegen sprechen, dass das noch einmal im großen Stil so laufen wird, wie das früher durch Altersteilzeit und andere Brücken, die da noch bestanden, passiert ist. Die sind alle eingerissen, die gibt es so nicht mehr. Dahin will keiner zurück. Sowohl in Bezug auf die Beschäftigungssituation Älterer als auch mit Blick auf den Fachkräfteengpass, der erwartbar sind, sehen wir die Gefahr einer Frühverrentungswelle in größerer und auch in kleinerer Form nicht.

StS Seibert: Ich habe dem wirklich in der Sache nichts hinzuzufügen. Mir ist es nur wichtig, was Herr Westhoff gerade getan hat, nämlich noch einmal auf die dynamische Entwicklung hinzuweisen, dass sich eben diese Möglichkeit, nach 45 Beitragsjahren abschlagsfrei mit 63 in Rente zu gehen, dynamisch entwickelt. Die Zielzahl 63 entwickelt sich schrittweise bis zur Zielzahl 65. Auch das wird in der öffentlichen Debatte manchmal etwas vergessen.

Zusatzfrage: Die dynamische Entwicklung, von der wir jetzt gerade reden, ist die jetzige dynamische Entwicklung. Dieser Prozess, bis der Jahrgang 1964 das Renteneintrittsalter erreicht hat, ist ja noch verhältnismäßig lang. In dieser Zeit kann sich ja auch die Konjunktur deutlich verändern. In dieser Zeit kann es möglicherweise auch wieder im Interesse von Unternehmen liegen, Personal abzubauen.

StS Seibert: Ich kann zu den weiteren Details wirklich nichts sagen. Alles, was wir im Rahmen der Rente beschließen werden, werden wir in der Ressortabstimmung gemeinsam besprechen und beschließen. - Vielleicht möchte Herr Westhoff noch ergänzen.

Westhoff: Die Vergangenheit, die Wirtschaftskrise hat gezeigt, dass die Unternehmen eben nicht mehr einfach darauf gesetzt haben, Leute herauszusetzen oder über irgendwelche Brücken in die Rente zu schicken, sondern es gab innovative Instrumente - Stichwort Kurzarbeit -, die massiv gefördert wurden. Der - in Anführungsstrichen - Gesamttrend wird auch durch die Rente mit 63 nicht infrage gestellt. Der Gesamttrend läuft Richtung längeres Arbeiten, Fachkräfte halten, die Leute an Bord halten und nicht vorzeitig nach Hause schicken. Was im Fall eines Konjunktureinbruchs passiert, muss man sehen. Aber ich bin nicht der Ansicht, dass die Rente mit 63, die genau für einen Jahrgang Wirklichkeit sein wird, nun dafür sorgt, dass die Leute in konjunkturell schwierigeren Zeiten massenweise über diese Brücke in den Ruhestand geschickt werden.

Ich kann das auch erweitern und sagen: Die Ministerin hat deutlich gemacht, dass dann, sollten sich Tendenzen zeigen, das irgendwie und über irgendwelche Konstruktionen auszunutzen, sicherlich erneut zu intervenieren sein wird. Sie wird sehr genau darauf achten, dass die Rente mit 63, die schrittweise aufwächst, keine Frühverrentungsimpulse auslöst.

Frage: Eine Frage an das Innenministerium. Der Innenminister hat sich schon zum Thema "Übertragung der Rente mit 63 auf Beamte" geäußert. Wie sieht es denn mit der Mütterrente aus? Ist schon klar, wie die Mütterrente auf die Beamtenschaft übertragen wird?

Spauschus: Vorweg: Auch hier gilt, dass es keinen Automatismus gibt, die rentenrechtlichen Regelungen auf die Beamtenversorgung zu übertragen. Im Ergebnis muss man abwarten, welche Regelungen am Ende vorgeschlagen werden. Dann wird man prüfen, inwieweit diese Maßnahmen auch auf die Beamten des Bundes - darauf muss hingewiesen werden - übertragen werden sollen. Der Bund könnte die Maßnahmen ohnehin nicht auf die Landesbeamten übertragen. Insoweit ist das ein Unterschied zur gesetzlichen Rentenversicherung.

Zusatzfrage: Ist da ein Gesetz geplant? Oder wie wird das geregelt?

Spauschus: Momentan ist noch gar nichts geplant. Wir werden das prüfen, sobald der Gesetzentwurf zu den rentenrechtlichen Leistungsverbesserungen vorliegt.

Frage : Herr Seibert, wie stellt sich denn die Bundesregierung zu der Mahnung aus der deutschen Wirtschaft, namentlich von Herr Grillo, der gestern sagte, man könne sich nicht hinsetzen und in Verbindung mit der Eurokrise schwächeren Ländern Reformen anempfehlen, unter anderem die Heraufsetzung des Rentenalters, und dann selbst in die Gegenrichtung zu gehen. Er spricht von "Wasser predigen und selbst Wein trinken". Kann die Bundesregierung das nachvollziehen?

StS Seibert: Der Bundesregierung ist sehr wohl bewusst, wie in der Gesellschaft insgesamt über diese Maßnahmen diskutiert wird. Ich habe für die Bundesregierung sehr klar dargelegt, warum wir zu ihnen stehen, warum wir sie für richtig, gerecht und auch verkraftbar halten. Dem habe ich jetzt hier nichts hinzuzufügen.

Frage: Meine Frage bezieht sich auf die heutige Rede des US-Präsidenten. Welche Erwartungen und Hoffnungen verbindet die Bundesregierung mit dieser Rede?

StS Seibert: Ich habe hier als Sprecher der Bundesregierung keine Erwartungen an die Rede des US-Präsidenten auszudrücken. Die Bundesregierung hat die inneramerikanische Diskussion der letzten Wochen und Monate natürlich sehr intensiv verfolgt, weil diese Diskussion auch einiges von dem widerspiegelt, was auch uns als Bundesregierung beschäftigt und was hier in diesem Lande Millionen von Menschen beschäftigt, nämlich die Frage, die sich immer wieder neu stellt: Was ist das angemessene Verhältnis zwischen der Freiheit der Bürger - Freiheit ihrer Daten, auch ihrer Kommunikation - auf der einen Seite und ihrer Sicherheit - Sicherheit vor Gewalt, vor Terrorismus - auf der anderen Seite? Die Bürger erwarten vom Staat richtigerweise beides. Dieses Verhältnis muss immer wieder neu justiert werden. Wir als Bundesregierung tragen den amerikanischen Partnern da in intensiven Gesprächen unsere Überzeugungen vor, und nun werden wir heute genau hinschauen, wenn der US-Präsident seinen Bürgern bekanntgibt, welche Schlüsse er aus den Empfehlungen seiner Fachleute für die Arbeit der US-Dienste zieht. Ich habe da keine Erwartungen auszusprechen.

Zusatzfrage: Ich habe vor ein paar Tagen gelesen, dass die deutsche Bundesregierung gar keine Hoffnung auf eine Zustimmung zu einem No-Spy-Agreement habe. Können Sie das bestätigen?

StS Seibert: Aber Sie haben sicherlich auch gelesen, was wir gesagt haben, nämlich dass wir in intensiven Gesprächen mit den Amerikanern sind und dass diese Gespräche andauern.

Frage : Ich würde von Ihnen in diesem Zusammenhang gerne noch ein Update zum Stand der Dinge hinsichtlich der Gespräche über ein No-Spy-Abkommen mit europäischen Partnern bekommen. Ist es nur Großbritannien, das kein Abkommen, sondern eine andere Art von Absprache will, oder gibt es auch noch andere EU-Partner, die Vorbehalte gegen ein solches Abkommen haben?

StS Seibert: Herr Heller, auch dazu haben wir uns in den vergangenen Tagen geäußert. Einer der acht Punkte, die die Bundeskanzlerin im Sommer des vergangenen Jahres hier vorgetragen hat, war es, dass die europäischen Nachrichtendienste miteinander ein Regelwerk oder jedenfalls Übereinstimmung über ihre Zusammenarbeit erarbeiten sollten. Der Bundesnachrichtendienst war beauftragt, diesen Prozess zu initiieren und dazu Vorschläge zu machen. Es werden Gespräche unseres Nachrichtendienstes mit denen der europäischen Partner geführt, und auch diese Gespräche dauern an.

Zusatzfrage : Aber gibt es da eine Konfliktlage zu Großbritannien und möglicherweise anderen Ländern im Hinblick auf den Charakter dieser Absprache, ob es also ein Abkommen oder eine andere Form von Vereinbarungen sein soll?

StS Seibert: Ich will da nicht ins Detail gehen. Wir haben aber auch immer wieder klar gesagt - auch im vergangenen Sommer -, dass wir Deutschen natürlich auch wahrnehmen müssen, dass unsere Überzeugungen von dem richtigen Maß von Freiheitsrechten und dem richtigen Maß von sicherheitsbezogenen Maßnahmen nicht automatisch das Verständnis überall auf der Welt und auch nicht überall in Europa ist. Deswegen befinden wir uns ja in Gesprächen.

Frage : Herr Seibert, nachdem sich über die Veröffentlichungen aus den USA andeutet, dass wesentliche Teile der Entscheidungen, die Herr Obama verkünden wird, in den Kongress müssen und damit möglicherweise noch in das nächste Jahr, also 2015, verschoben werden: Würde das den Abschluss eines Geheimdienstabkommens in diesem Jahr befördern oder eher bremsen?

StS Seibert: Herr Blank, was auch immer sich da nach Ihrer Auffassung andeutet: Wir werden abwarten, was heute in Washington kommuniziert wird und wie vor allem auch die Gespräche, die wir mit den amerikanischen Partnern führen, weiterlaufen.

Dr. Delfs: Der neue Koordinator für die amerikanisch-deutschen Beziehungen hat sich in der Richtung geäußert, dass er die Beziehungen für so schlecht hält wie zuzeiten des Irak-Krieges. Würde sich die Bundesregierung dieser Einschätzung anschließen?

StS Seibert: Deutschland und die USA sind Freunde. Das ist eine lange und bewährte Freundschaft. Unsere Kontakte sind eng auf vielfältigsten politischen und gesellschaftlichen Ebenen und vor allem auch einfach zwischen den Menschen, was vielleicht das Allerwichtigste ist. Wenn es Meinungsverschiedenheiten gibt, dann werden die ausgetragen auf dem Boden, auf der Basis dieses freundschaftlichen Verhältnisses. Wir gehen davon aus, dass, auch wenn es Meinungsverschiedenheiten gibt, die Basis der Beziehungen trägt. So habe ich auch Herrn Mißfelder verstanden - er hat natürlich Meinungsverschiedenheiten angesprochen, keiner könnte sie leugnen. Nichtsdestotrotz ist es ein Verhältnis der Freundschaft und es sind Beziehungen, die für uns Deutsche und unsere Politik in der Welt von grundlegender Bedeutung sind.

Frage : Herr Seibert, nachdem gestern und auch heute zum Teil Forderungen nach Konsequenzen für das Freihandelsabkommen oder zum Beispiel SWIFT laut werden: Was ist die Haltung der Bundesregierung dazu? Gehen die Verhandlungen so weiter wie bisher oder sind die getrübt?

StS Seibert: Das Freihandelsabkommen - das haben wir hier auch schon mehrfach gesagt - ist sowohl für Europa - denn es verhandelt ja Europa, nicht Deutschland - wie auch für die USA von großer Bedeutung, es hat ein großes Potenzial, den Wohlstand auf beiden Seiten des Atlantiks zu mehren und Beschäftigung zu schaffen. Deswegen werden wir, diesem Interesse folgend, diese Verhandlungen natürlich auch weiter führen.

Zusatzfrage : Und SWIFT?

StS Seibert: Zu SWIFT hat sich die Bundesregierung auch im Bundestag geäußert. Es besteht derzeit keine Veranlassung zu einer Aussetzung dieses Abkommens, das ja ebenfalls nicht zwischen uns und den USA, sondern zwischen der EU und den USA geschlossen ist. Es gibt derzeit keine Veranlassung, auf eine Aussetzung hinzuwirken.

Frage : Bereitet die Bundesregierung einen Gesetzentwurf zur Formulierung von Karenzzeiten beim Wechsel von Politikern in die Wirtschaft vor? Falls ja: Wie sieht die Zeitplanung aus, wann bekommt man da etwas auf den Tisch?

StS Seibert: Wie sie sicherlich wissen, steht bereits im Koalitionsvertrag, dass wir als Bundesregierung eine angemessene Regelung anstreben. Derzeit gibt es darüber auch Gespräche mit den Koalitionsfraktionen im Bundestag. Es gibt die Möglichkeit, dass der Bundestag ein Gesetz macht und die Bundesregierung dann sozusagen eine Verordnung umsetzt. Ich kann dem hier jetzt nicht vorausgreifen. Es gibt darüber intensive Gespräche mit den Koalitionsfraktionen.

Zusatzfrage : Es gibt also noch keinen Plan, dass die Bundesregierung mit einem eigenen Gesetzentwurf initiativ wird?

StS Seibert: Ich kann Ihnen sagen, dass wir im Koalitionsvertrag, den wir natürlich als Grundlage unserer Arbeit betrachten, angestrebt haben, eine angemessene Regelung zu schaffen. Es muss auch eine Regelung sein, die sozusagen verfassungsfest ist. Wir sind mit den Koalitionsfraktionen nun im Gespräch darüber, wie diese Regelung aussehen könnte.

Frage : In diesem Zusammenhang eine Frage an das Justizministerium: Frau Zimmermann, aus den Koalitionsfraktionen heißt es, die rechtlichen Bedenken, die möglicherweise auf eine Gesetzesänderung hinauslaufen, würde mit der Frage der freien Berufswahl begründet. Hat das Ihr Haus einmal prüfen lassen? Wäre da eine gesetzliche Regelung notwendig oder geht das über einen Bundestagsbeschluss?

Zimmermann: Da bin ich jetzt, ehrlich gesagt, überfragt. Wenn eine gesetzliche Lösung käme, dann wäre das meines Wissens im Bundesministergesetz zu regeln. Dafür wäre das Innenministerium zuständig, wobei Fragen zur Berufsfreiheit natürlich auch bei uns mit angesiedelt wären; aber da bin ich jetzt überfragt, das müsste ich nachliefern.

Zusatzfrage : Es läuft auch keine Prüfung im Innenministerium, Herr Spauschus?

Spauschus: Dazu habe ich keine Informationen vorliegen.

Vorsitzender Hebestreit: Da gilt das alte Spiel: Sollten Ihnen noch Informationen unterkommen, würden wir sie auch verbreiten.

Frage : Eine Frage an das Wirtschaftsministerium: Reuters berichtet - ich glaube, unter Bezugnahme auf den Entwurf des Jahreswirtschaftsberichts -, dass Ihr Haus ein Wachstumspotenzial von 1,5 Prozent bis 2018 annimmt. Stimmt diese Zahl, und falls ja, worauf stützt sich diese Zahl?

Modes: Der Jahreswirtschaftsbericht ist derzeit in der Ressortabstimmung. Es ist geplant, ihn am 12. Februar im Kabinett zu beschließen, und dann wird er auch presseöffentlich vorgestellt. Deswegen kann ich, was diese Zahlen betrifft, der Vorstellung des Berichts jetzt leider nicht vorweggreifen.

Zusatzfrage : Er ist ja schon ein bisschen öffentlich. Stimmt dieser Bericht oder stimmt er nicht?

Modes: Ich kann dazu weiter nichts sagen. Der Bericht ist in der Ressortabstimmung.

Frage: Frau Niggemeier-Groben, haben Sie nähere Informationen über die Ursachen des Tornado-Absturzes? Wie geht die Bundesministerin damit um? Hat sie eventuell schon mit den Piloten telefoniert?

Niggemeier-Groben: Derzeit wird der Unfallhergang durch den General Flugsicherheit der Bundeswehr und dessen Experten untersucht. Das konkrete Ergebnis dieser Untersuchungen wird einige Zeit in Anspruch nehmen, bis maximal zu einem halben Jahr. Nach jetzigem Erkenntnisstand liegen keine technischen Ursachen für den Unfallhergang vor. Nach jetzigem Stand sind die Piloten leicht verletzt, aber es geht ihnen soweit gut.

Zusatzfrage: Hat sich die Ministerin selber mit diesem Vorgang beschäftigt?

Niggemeier-Groben: Es ist der Ministerin, alsbald es bekannt wurde, bekanntgegeben worden. Sie ist darüber also natürlich so schnell wie möglich informiert worden.

Zusatzfrage : Wenn Sie sagen, es lägen derzeit keine Hinweise auf technische Ursachen vor: Gibt es denn Hinweise auf ein Fehlverhalten, ein menschliches Versagen?

Niggemeier-Groben: Es ist einfach so, dass die Untersuchungen umfangreich sind und dass sie Zeit in Anspruch nehmen. Das, was ich gesagt habe, ist der jetzige Stand. Daraus weitere Rückschlüsse zu ziehen, wäre jetzt nicht angebracht.

Zusatzfrage : Heute Morgen hieß es, dass bei den Flugzeugen dieser Staffel derzeit eine Umstellung der Software laufe. Ist bekannt, ob bei diesem Flugzeug die Software schon aktualisiert worden ist?

Niggemeier-Groben: Es ist richtig, dass bei einigen dieser Flugzeuge die Umstellung schon erfolgt ist. Bei diesem Tornado, der nun abgestürzt ist, ist die Umstelllung noch nicht erfolgt.

Frage: In türkischen Medien wird berichtet, dass der türkische Ministerpräsident am 4. Februar nach Berlin kommen wird. Wird es ein Treffen mit der Bundeskanzlerin geben? Falls ja, was werden Inhalte des Gesprächs sein?

StS Seibert: Wir geben die Termine, wie Sie wissen, immer etwas zeitnaher bekannt und nicht so früh. Deswegen bitte ich sie um Verständnis, dass ich heute an dieser Stelle keinen konkreten Termin bestätigen kann.

Frage : Herr Ewald, ist das Gesundheitsministerium für die Rezeptfreigabe der "Pille danach"?

Ewald: Wie Sie wissen, hat ein Sachverständigenrat beim BfArM kürzlich das Votum abgegeben, die sogenannte "Pille danach" aus der Rezeptpflicht zu entlassen. Das Votum wird jetzt bei uns im Hause geprüft. Es gibt dazu noch keine abschließende Meinungsbildung. Insofern müssen wir das abwarten.

Zusatzfrage : Gibt es da vielleicht eine Tendenz bei der Bundeskanzlerin, Herr Seibert?

StS Seibert: Ich habe den Ausführungen des Bundesgesundheitsministeriums nichts hinzuzufügen.

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Quelle:
Mitschrift der Pressekonferenz vom 18. Januar 2014
http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2014/01/2014-01-17-regpk.html;jsessionid=72F01A9463588A2079AE764B2ED72C95.s3t1
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veröffentlicht im Schattenblick zum 20. Januar 2014