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PRESSEKONFERENZ/694: Regierungspressekonferenz vom 20. November 2013 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Mitschrift der Pressekonferenz - Mittwoch, 20. November 2013
Regierungspressekonferenz vom 20. November 2013

Themen: Kabinettssitzung (Jahresbericht zum Stand der deutschen Einheit 2013, Rüstungsexportbericht 2012, Verlängerung der Beteiligung der Bundeswehr an UNAMID und UNMIS), Vernichtung von syrischen Chemiewaffen, Bankenunion, Besuch des griechischen Ministerpräsidenten in Berlin, Studie "Krankenhaus-Barometer", Befragungen von Flüchtlingen bei ihrer Ankunft in Deutschland, Verhandlungen über das iranische Atomprogramm

Sprecher: StS Seibert, Toschev (BMWi), Schäfer (AA), Kotthaus (BMF), Albrecht (BMG), Teschke (BMI)



Vorsitzender Mayntz eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt StS Seibert sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

StS Seibert: Guten Tag, meine Damen und Herren! Zu den Themen der heutigen Kabinettssitzung: Zunächst einmal hat die Bundesregierung den Jahresbericht zum Stand der deutschen Einheit 2013 beschlossen. Er wird jetzt dem Bundestag zugeleitet. Dieser Bericht entsteht ja immer unter Federführung des Bundesinnenministeriums und auch mit dem Beauftragten der Bundesregierung für die neuen Länder, Herrn Bergner. Es hat dazu heute hier schon eine Pressekonferenz gegeben. Deswegen mache ich es ganz kurz und beschränke mich auf einige Stichworte:

Der diesjährige Bericht konzentriert sich auf die ökonomischen Aspekte. Er blickt aber auch auf Fragen von Verteilung, Bildung, demokratischer Teilhabe, Natur und Kultur. Das sind also alles Aspekte, die Einfluss auf die Lebensverhältnisse der Menschen haben. Man kann ganz grundsätzlich sagen, dass der Bericht zeigt, dass sich in den vergangenen Jahren der materielle Wohlstand in den ostdeutschen Ländern weiter verbessert hat. Es bestehen immer noch spürbare Unterschiede in der Wirtschaftskraft zwischen Einwohnern der neuen und der alten Bundesländer sowie auch Unterschiede bei Löhnen und Gehältern. Wichtig ist, festzuhalten, dass die Arbeitslosenquote in den neuen Bundesländern auf den niedrigsten Stand seit gut 20 Jahren gesunken ist. Sie lag im Jahresdurchschnitt 2012 mit 10,7 Prozent aber doch immer noch beinahe doppelt so hoch wie in Westdeutschland.

Wir können dort in den vergangenen Jahren - das ist eine erfreuliche Entwicklung - eine gewisse Reindustrialisierung feststellen. Das ist eine gute Basis für die weitere wirtschaftliche Entwicklung der neuen Bundesländer. Beispielsweise liegt der Industrieanteil am Bruttoinlandsprodukt in Ostdeutschland über dem Durchschnittswert in der EU und beispielsweise über dem in Frankreich und Großbritannien. Die demografische Herausforderung bleibt natürlich bestehen, die starke Abnahme beziehungsweise die Alterung der Bevölkerung. Auch dabei gibt es allerdings die positive Entwicklung, dass die Abwanderung nahezu gestoppt ist und die Geburtenrate in den neuen Bundesländern mittlerweile über der in den westlichen Bundesländern liegt.

Ein Wort zu den Finanzen: Die Haushaltskonsolidierung in den ostdeutschen Flächenländern ist sehr gut vorangeschritten. Seit 2011 werden dort erfreulicherweise Haushaltsüberschüsse erzielt. Aber, wie gesagt, sehr viel mehr Details hat der Bundesinnenminister hier vorhin ja schon bekannt gegeben.

Das Bundeskabinett hat heute den Rüstungsexportbericht für das Jahr 2012 beschlossen. Er zeigt, dass die Rüstungsexportgenehmigungen 2012 - immer im Vergleich zum Vorjahr 2011 - deutlich zurückgegangen sind. 2012 sind auch die tatsächlichen Ausfuhren von Kriegswaffen gegenüber 2011 zurückgegangen. Ich will für die Bundesregierung noch einmal ganz grundsätzlich festhalten, dass wir an den strengen Regeln der Exportkontrolle für Rüstungsgüter unverändert festhalten. Welches sind diese Regeln? Es sind im Wesentlichen die politischen Grundsätze der Bundesregierung, die im Jahr 2000 festgelegt wurden und die sich bewährt haben, und eben der gemeinsame Standpunkt der EU für Waffenausfuhren aus dem Dezember 2008. Dies besagt, dass Genehmigungen - daran halten wir uns - erst nach eingehender Prüfung im Einzelfall erteilt werden, nachdem insbesondere sichergestellt wurde, dass deutsche Rüstungsgüter nicht für Menschenrechtsverletzungen missbraucht werden oder nicht zur Verschärfung von Krisen beitragen.

Zu den konkreten Zahlen: Ich mache auch das jetzt etwas kursorisch. Sie können das alles jetzt schon auf der BMWi-Seite im Netz wiederfinden. Im Übrigen wird der Bericht auch dem Deutschen Bundestag zugeleitet und dann als Bundestagsdrucksache veröffentlicht werden. Die konkreten Zahlen: Es wurden im Berichtszeitraum 2012 für Rüstungsgüter Einzelausfuhrgenehmigungen im Wert von insgesamt 4,704 Milliarden Euro erteilt. 2011 betrug die Zahl 5,4 Milliarden. Das ist also ein Rückgang in Höhe von 710 Millionen Euro. Es entfielen dabei 45 Prozent dieser Genehmigungen auf EU-, Nato- und Nato-gleichgestellte Länder, 55 Prozent auf sogenannte Drittländer. - Das ist das, was ich zunächst einmal dazu zu sagen hätte.

Das Bundeskabinett hat sich dann mit zwei UN-Missionen, an denen die Bundeswehr beteiligt ist, befasst, die in unveränderter Weise für ein Jahr verlängert werden sollen. Es sind die UN-geführten Missionen UNAMID in Darfur, im Westen des Sudan, und UNMIS im Südsudan.

Ich will zu UNAMID nur kurz sagen, dass dies - wir nennen es eine Hybridoperation, weil die Afrikanische Union und die UN dort gemeinsam Verantwortung tragen - in einem sehr schwierigen Umfeld weiterhin ein stabilisierendes Element ist, um vielleicht doch eine Verbesserung der Sicherheitslage in Darfur zu erreichen. Die Lage ist angespannt. Es flammen immer wieder Kämpfe auf, die natürlich die ohnehin sehr prekäre humanitäre Situation der Bevölkerung weiter erschweren. Die Bundesregierung engagiert sich deshalb für eine friedliche und nachhaltige Lösung dieses Konflikts. Deutschland ist das einzige europäische Land, das an dieser Mission teilnimmt. Es sind derzeit neun deutsche Soldaten im Hauptquartier eingesetzt, und es sind auch weitere deutsche Polizeivollzugsbeamte vor Ort.

Zum Thema UNMIS, der Mission im Südsudan: Dort sind wir mit dabei tätig, Unterstützung für die Regierung bei der Konsolidierung des Friedens, beim Staatsaufbau - das ist, wie Sie wissen, ein sehr neues Land - und bei der wirtschaftlichen Entwicklung zu leisten. Deutschland hat UNMIS von Beginn an mit Stabspersonal unterstützt, aktuell mit 16 Soldaten. Es sind im Übrigen fünf deutsche Polizisten in dieser Mission eingesetzt.

Bei beiden Missionen beträgt die Mandatsobergrenze unverändert 50 Soldatinnen und Soldaten. Die Verlängerung soll bis zum 31. Dezember 2014 gelten und steht unter dem Vorbehalt der Zustimmung des Bundestages. - So weit von mir aus dem Kabinett!

Frage: Zum Rüstungsexportbericht: Herr Seibert, die Opposition kritisiert vor allem die starken Ausfuhren nach Saudi-Arabien. Dort sei die Menschenrechtsbilanz erklärtermaßen negativ. Können Sie einmal sagen, warum die Bundesrepublik beziehungsweise die Bundesregierung Saudi-Arabien als einen unproblematischen Partner in diesem Fall ansehen?

StS Seibert: Wir haben hier schon häufiger über das Thema Saudi-Arabien gesprochen. Wir können das natürlich gerne noch einmal tun. Ich will nur einmal sagen: Die relativ hohe Zahl, die für Saudi-Arabien im diesjährigen Bericht steht, ist im Wesentlichen auf die Genehmigung einer Grenzsicherungsanlage zurückzuführen, die allein mit 1,1 Milliarden Euro zu Buche schlägt. Auch über diese Genehmigung ist ja im vergangenen Jahr beziehungsweise Ende des vergangenen Jahres schon berichtet worden. Ich weiß nicht, ob ich das alles noch einmal auffächern soll.

Saudi-Arabien ist aus unserer Sicht ein wichtiger Akteur in einer sehr schwierigen Situation, wenn es um die Stabilität dieser Region geht. Saudi-Arabien hat sich in der Vergangenheit mehrfach konstruktiv für Lösungen eingesetzt, beispielsweise im Jemen. Es gab den saudi-arabischen Friedensplan für das israelisch-palästinensische Problem, bei dem wir sehr stark bemerkt haben, dass er eben eine Anerkennung des Existenzrechts Israels enthielt, und den wir als einen positiven Beitrag zum Nahost-Friedensprozess begriffen haben. Saudi-Arabien ist ein Partner im Kampf gegen den internationalen Terrorismus. Es ist ein Partner im Rahmen der G20-Arbeit. Ich sage all dies, ohne zu vergessen zu sagen, dass es natürlich bei grundsätzlichen Menschenrechtsfragen auch sehr unterschiedliche Auffassungen zwischen Saudi-Arabien und der Bundesregierung gibt. Diese Auffassungen werden regelmäßig bei den Kontakten zwischen der Bundesregierung und der saudischen Führung angesprochen.

Frage: Herr Seibert, welche Möglichkeiten, wenn es denn überhaupt welche gibt, hat die Bundesregierung, wenn Waffen einmal in Nicht-Nato-Staaten geliefert worden sind, den Weiterverkauf aus diesen Staaten an Drittstaaten zu verhindern oder zu kontrollieren?

StS Seibert: Vielleicht kann zu den Einzelheiten gleich auch noch das Bundeswirtschaftsministerium Stellung nehmen. Ich will nur sagen: Wenn von Drittländern die Rede ist, dann muss man wissen, dass es sich dabei zum Beispiel auch um Länder wie Südkorea oder Singapur handelt. Das sind beispielsweise Länder, die in diesem Berichtsjahr 2012 erhebliche Genehmigungen bekommen haben.

Toschev: Ich kann das gerne noch ergänzen, was sozusagen die Frage der Sicherstellung angeht. Es gibt, und das ist Teil der deutschen Rüstungsexportkontrollpolitik, natürlich auch eine Endverbleibskontrolle. Neben der Genehmigung und den grundsätzlichen Aspekten, die für die Genehmigungserteilung beachtet werden - also eben auch die Lage vor Ort, die sicherheitspolitische Lage in der Region und im Land -, wird durch entsprechende Endverbleibszusicherungen sichergestellt, dass die Lieferungen auch dem angegebenen Verwendungszweck zugutekommen. Wenn Verstöße dagegen vorliegen, dann kommt es auch zu Aussetzungen von entsprechenden Lieferungen. Dafür gibt es auch Beispiele. Es ist ja in parlamentarischen Anfragen - ich nenne in Bezug auf bestimmte Güter nur Mexiko - auch dargelegt worden, dass das eben solche Folgen nach sich ziehen kann. Diese Endverbleibskontrolle ist auch ein in der EU übliches System und ein weltweit vorbildliches System, das internationale Anerkennung findet.

Frage: Herr Seibert, die Zahl 4,7 Milliarden, die von Ihnen angeführt wird, bezieht sich auf die Einzelausfuhrgenehmigungen. Es gibt noch eine andere Zahl, nämlich für sogenannte Sammelausfuhrgenehmigungen. Könnten Sie kurz umschreiben, worin da der Unterschied besteht und weshalb die Sammelausfuhrgenehmigungen hier nicht erwähnt werden?

StS Seibert: Die präzise Antwort auf die Detailfrage, worin da der Unterschied liegt, geben am besten Sie. Ich kann Ihnen sagen, dass die Sammelausfuhrgenehmigungen tatsächlich auch erfasst werden. Die beziehen sich auf Ausfuhren im Rahmen der technischen Kooperationen zwischen EU- und Nato-Partnern. Ich weiß nicht, ob das schon eine Antwort auf Ihre Frage ist. Zumindest hat sich das im Jahr 2012 auf 4,17 Milliarden Euro belaufen. Das lag im Jahr 2011 bei 5,4 Milliarden Euro.

Zusatzfrage: Sind das Ausfuhrgenehmigungen, die praktisch schon auf vorherigen Genehmigungen basieren, oder wie ist das zu verstehen?

Toschev: Das sind, wie der Name sagt, eben Sammelausfuhrgenehmigungen, im Rahmen derer Unternehmen mehrere Ausfuhren an denselben oder auch an verschiedene Empfänger im Ausland vornehmen können, ohne dass dann wieder für jede einzelne Lieferung eine Ausfuhrgenehmigung eingeholt werden muss. Das betrifft aber eben - dieser Unterschied ist gerade schon herausgestellt worden - regierungsamtliche wehrtechnische Kooperationsprojekte. Sammelausfuhrgenehmigungen werden eben grundsätzlich nur für EU-, Nato- oder Nato-gleichgestellte Länder erteilt. Wie Sie eben schon sagten, ist auch für diesen Bereich ein Rückgang von 22 Prozent im Vergleich zum Vorjahr zu verzeichnen.

StS Seibert: Ich will vielleicht noch einmal etwas hinzufügen, weil wir das bis jetzt noch nicht erwähnt hatten: Wir unterscheiden ja zwischen den Ausfuhrgenehmigungen und den tatsächlich zustande gekommenen Ausfuhren. Hinsichtlich der Ausfuhren kann ich Ihnen auch die Zahlen nennen: Die lagen im Jahr 2012 bei insgesamt 946 Millionen Euro. Das ist ein erheblicher Rückgang gegenüber dem Vorjahr, und es ist das erste Mal innerhalb von zehn Jahren, nämlich seit 2003, dass diese Zahl unter die Zahl von 1 Milliarde Euro gefallen ist. Für Statistiker ist es vielleicht interessant zu wissen, dass solche Ausfuhren nicht einmal 0,1 Prozent aller deutschen Ausfuhren ausmachen. Es sind exakt 0,09 Prozent.

Zusatzfrage: Ist ein Rückgang aus Ihrer Sicht denn etwas Gutes? Sie streichen das so heraus.

StS Seibert: Nein, ich versuche Ihnen nur ein grundsätzliches Bild zu geben. Wir haben hier in den letzten Jahren nun immer wieder über Rüstungsexportberichte gesprochen. Die unterliegen gewissen Schwankungen. Ich kann hier keine Vorausschau auf den Rüstungsexportbericht 2013 abgeben. Wir haben in Jahren, in denen die Rüstungsexporte gegenüber dem Vorjahr angestiegen sind, das nicht als einen Erfolg gefeiert, und das tun wir auch diesmal nicht. Ich gebe Ihnen einfach das volle Bild. Nach reiflicher Prüfung der Einzelfälle sind so die Genehmigungen 2012 erteilt worden.

Frage: Herr Seibert, Herr Heusgen hat am Dienstag auf einer Veranstaltung der Konrad-Adenauer-Stiftung Aussagen zur Vernichtung von syrischen Chemiewaffen gemacht. Er hat wörtlich gesagt: "Es ist gar nicht ausgeschlossen, dass auch Deutschland den Beitrag leistet, diese Waffen zu vernichten." Könnten Sie uns einmal seitens der Bundesregierung das volle Bild geben?

StS Seibert: Ich habe bereits heute Morgen die Meldung gehört, es gäbe da einen Kurswechsel, und ich kann dazu sagen: Es gibt keinen Kurswechsel. Die Bundesregierung hat von Anfang an ihre Bereitschaft erklärt, logistisch wie finanziell an der Vernichtung der syrischen C-Waffen mitzuwirken, weil uns das ein wichtiges Anliegen ist, wie es der gesamte Weltgemeinschaft ein wichtiges Anliegen ist. Die Vorstellung, dass die syrischen C-Waffen in Deutschland vernichtet werden, ist allerdings für die Bundesregierung nicht denkbar.

Zusatzfrage: Dann verstehe ich, ehrlich gesagt, die Äußerung von Herrn Heusgen nicht. Ich zitiere jetzt aus dem Audioprotokoll: "Wir stehen auch zu unserer Verantwortung, und es gibt ja auch deutsche Unternehmen. Es gibt Orte hier in Deutschland, wo man etwas machen kann. Es ist gar nicht ausgeschlossen, dass auch Deutschland den Beitrag leistet." Wenn Sie sagen, das sei ausgeschlossen, dann sehe ich darin einen Unterschied zu den Aussagen von Herrn Heusgen.

StS Seibert: Ich habe Ihnen jetzt für die Bundesregierung das gesagt, was dazu heute zu sagen ist. Es ist für uns nicht denkbar, dass die Vernichtung der syrischen C-Waffen in Deutschland stattfindet. Unser Angebot, logistisch, organisatorisch und finanziell dazu beizutragen, dass diese wichtige Vernichtung geschehen kann, besteht.

Schäfer: Dazu laufen selbstverständlich in Den Haag bei der Organisation für das Verbot chemischer Waffen, aber sicherlich auch bilateral zahlreiche Gespräche. Es ist absolut nicht neu, sondern ich selbst habe das hier auch schon mehrfach vorgetragen, dass die Bundesregierung wirklich bereit ist, dabei technisch, logistisch und finanziell zu helfen, und dazu stehen wir.

Frage: Herr Kotthaus, ich habe zwei Fragen zur Bankenunion. Herr Barnier hat im Interview mit dem "Handelsblatt" gesagt, dass es keine Mehrheit für den deutschen Vorschlag gibt, dass der Rat über Bankenabwicklungen entscheidet. Ist das auch Ihre Einschätzung des letzten Ecofin-Rats?

Kotthaus: Nein.

Zusatzfrage: Gibt es also aus Ihrer Sicht eine Mehrheit für den deutschen Vorschlag?

Kotthaus: Es gibt einen Diskussionsprozess, den wir in der letzten Woche in Brüssel geführt haben, am letzten Freitag lange und intensiv. Es wurde klar, dass weiterhin unterschiedliche Meinungen im Rat existieren. Die Fragen, die wir dort diskutiert haben, kann ich Ihnen - zu Ihren schweren, plötzlichen Müdigkeitsanfällen - gerne noch einmal alle aufführen: Es fängt an bei der Rechtsgrundlage, und es endet bei der Frage, wer die letzte Entscheidung fällt. Es betrifft die Frage, was für Möglichkeiten im Rahmen von Artikel 114 gegeben sind und ob nicht vielleicht Artikel 352 und eine Vertragsänderung eine bessere Möglichkeit darstellen würden. Das kennen Sie alles.

Die Diskussion wurde geführt. Es wurde dabei im Endeffekt auch kein Fazit gezogen, nach dem Motto "Das ist jetzt so oder so". Ich weiß jetzt nicht, auf was Herr Barnier konkret Bezug nimmt. Nichtsdestotrotz gehen die Diskussionen weiter. Viele Mitgliedstaaten haben, wie wir schon mehrfach gesagt haben, auch ein Problem - sowohl, was die Rechtsgrundlage betrifft, als auch, was die Rolle der Kommission als Letztendscheidungsbefugte betrifft - mit mehrfachen Interessenskonflikten in Bezug auf die Kommission als Beihilfebehörde beziehungsweise die Kommission als Abwicklungsbehörde. Das sind zwei verschiedene Rollen in einem Prozess. Das ist per se nicht ganz einfach. Das ist, wie gesagt, in Vilnius von mehr als der Hälfte der Staaten kritisch gesehen worden. Deswegen weiß ich nicht, welchen Eindruck der Kommissar davon mitgenommen hat. Das sei ihm unbenommen; da hat jeder seine Wahrnehmung.

Die Diskussion geht weiter. Ich glaube, die Diskussion war insoweit hilfreich, als die Mitgliedstaaten den Arbeitsgruppen eine "guidance" gegeben haben, über die man dann weiter diskutieren muss. Wir werden uns dann im Dezember wieder treffen und schauen, wo wir stehen und welche Kompromissmöglichkeiten vorhanden sind. Man kann weiterhin sagen: Alle sind wild entschlossen, eine Lösung bis Ende des Jahres herbeizuführen, auch mit der Perspektive, dass das Europäische Parlament halt im Mai seine Legislaturperiode beenden wird. Aber wie das Ergebnis konkret aussehen wird, wird man dann sehen müssen. Die Probleme und Bedenken, die ich hier mehrfach vorgetragen habe, sind weiterhin existent, und denen muss auch begegnet werden.

Zusatzfrage: Er spricht hinsichtlich der Finanzierung auch noch die Lösung an, dass man sich ein Mischmodell zwischen nationalen Fonds und einem zentralen Fonds vorstellen könne. Ist das ein gangbarer Weg?

Kotthaus: Tja, Mischmodell - alle Wege des Herrn sind offen! Wir haben mit Artikel 114 das Problem, dass nach Auffassung von sehr vielen Juristen inklusive des Generalanwalts des EuGH ein europäischer Fonds und vor allen Dingen eine europäische Bankenabgabe nicht darauf basieren können, weil das einfach zu weitgehend wäre und weil Artikel 114 als Ermächtigungsgrundlage dabei nicht zieht. Sie wissen: Das ist die allgemeine Klausel zur Harmonisierung des Binnenmarktes. In einem Fall, der wesentlich weniger tief eingreifend war, als es eine Bankenabgabe halt wäre, hat der EuGH-Generalanwalt gesagt: Das geht nicht! - Ich kenne keinen Vorschlag für einen Mischfonds.

Zusatz: Er arbeitet daran.

Kotthaus: Das ist auch schön. Wir haben, wie gesagt, gesagt: Die Arbeit geht weiter. Die geht jetzt im Rahmen der Ratsarbeitsgruppe weiter. Wir werden uns im Dezember wieder auf dem Level der Minister treffen. Alle wollen eine Lösung haben. Ich kenne einen Vorschlag für einen Mischfonds nicht. Let's wait and see! Die Probleme, glaube ich, liegen relativ klar auf dem Tisch. Die habe ich gerade noch einmal zu benennen versucht. Wir müssen eben schauen, was dann machbar sein wird.

Frage: Herr Seibert, Herr Samaras wird am Freitag mit großen Erwartungen nach Berlin kommen. Was ist die deutsche Position in Bezug auf das griechische Programm? Athen sagt, Griechenland habe geliefert, und zwar mehr als jedes andere Land in der Eurozone.

StS Seibert: Es stimmt, Herr Samaras wird am Freitag kommen. Es wird ein Gespräch mit der Bundeskanzlerin und anschließend eine gemeinsame Pressekonferenz geben. Für die Bundesregierung ist die Tatsache, dass Herr Samaras zu einer Veranstaltung der "Süddeutschen Zeitung" hier in Berlin weilen wird und Zeit für ein Gespräch hat, eine gute Gelegenheit, um von ihm selbst von der politischen, wirtschaftlichen und finanzpolitischen Lage in Griechenland zu hören. Ich kann jetzt eigentlich nicht viel mehr dazu sagen.

Ich will noch einmal darauf hinweisen, falls falsche Erwartungen bestehen, dass das kein Verhandlungstermin ist. Es ist die Troika, die immer wieder überprüft, wie die Umsetzung des Vereinbarten aufseiten der griechischen Regierung verläuft. Das ist keine bilaterale Sache von einzelnen nationalen Regierungen. Wir betrachten uns als sehr engen Partner der Griechen auf diesem schwierigen Weg. Wir haben großen Respekt für die Reformen und auch die Schwierigkeiten, die dabei in Griechenland zu überwinden sind, sowie die Härten, die viele Menschen in der Bevölkerung dabei zu tragen haben. Wir glauben dennoch, dass dies der richtige Weg für Griechenland ist, der auch erste Erfolge zeigt und der das Land mittel- und langfristig auf einen guten, stabilen und nachhaltigen Weg zurückführen wird. Über all das werden sich die Bundeskanzlerin und der griechische Ministerpräsident austauschen, und ich kann für die Bundeskanzlerin sagen, dass sie sich auf diese Begegnung freut.

Frage: Herr Seibert, Sie haben die Troika angesprochen. Die Verhandlungen der griechischen Regierung mit der Troika gestalten sich derzeit sehr schwierig. Kann man erwarten, dass die Bundeskanzlerin dem griechischen Ministerpräsidenten sagen wird, dass man das Programm der Troika zügig durchführen soll?

StS Seibert: Was man erwarten kann, habe ich gerade gesagt, nämlich dass die Bundeskanzlerin mit großem Interesse hören wird, wie der griechische Ministerpräsident die Lage in seinem Land und die Umsetzung des Vereinbarten darstellen wird. Wir haben immer darauf gedrungen, dass Griechenland Verlässlichkeit in der Programmdurchführung beweist und dass dem dann natürlich auch die Verlässlichkeit der europäischen Partner gegenübersteht. Viel mehr möchte ich jetzt zu diesem Treffen am Freitag nicht sagen. Aber ich rechne mit Ihnen bei der Pressekonferenz.

Frage: Ich habe eine Frage an das Finanzministerium, zunächst zur Troika. Vor einigen Tagen ist eine Kommission im Europäischen Parlament eingerichtet worden, die die Rolle der Troika in Griechenland und anderswo untersuchen soll. Es geht um Fragen wie die demokratische Legitimation der Troika und darum, ob die Troika tatsächlich eine gute Arbeit leisten kann - angesichts dessen, dass ihre Rezepte vorgefertigt sind und waren und dass sie sich nicht auf eine originäre Analyse der griechischen Wirtschaft stützen -, sowie darum, dass die Beamten der Troika einen absolut rüden Ton neokolonialistischen Stils bei der Begegnung mit den griechischen Beamten anwenden. Schließlich geht es darum, dass alle bisherigen Prognosen der Troika auf grandiose Art misslungen sind. Ich belasse es dabei.

Meine Frage ist die folgende: Werden Sie die Arbeit der Kommission des Europäischen Parlaments begleiten und verfolgen, und werden sie als Bundesregierung bereit sein, die Erkenntnisse dieser Kommission zu reflektieren beziehungsweise sie in Ihr Urteil über die Troika einfließen zu lassen? Das wäre meine erste Frage. Vielleicht wollen Sie erst darauf antworten.

Kotthaus: Sie können auch gleich alle Fragen stellen. Ich bin durchaus fähig, mehrere Fragen hintereinander zu beantworten.

Zusatzfrage: Ach so, okay.

Zweite Frage. Es gibt Berichte, wonach viele Zentralbanken der Mitgliedstaaten der Eurozone nicht bereit sind, die Abmachungen der Eurogruppe vom Februar 2012 und vom November 2013 einzuhalten. Diese Abmachungen betrafen das Zurückfließen beziehungsweise das Zurückgeben der Gewinne, die diese Zentralbanken durch den Ankauf von griechischen Staatsanleihen erzielt haben, an das Sonderkonto, das für die Tilgung der griechischen Schulden eingerichtet worden ist. Falls diese Meldung stimmt: Ist unter diesen Banken auch die Bundesbank? Haben Sie überhaupt Kenntnis davon, welche Banken sich weigern, sich an diesem Zurückgeben von Gewinnen zu beteiligen?

Dritte Frage. Vorige Woche haben Sie den Fall Irland sinngemäß als vollkommen gelungen bezeichnet. Würden Sie auch den Fall Griechenland als Erfolgsstory bezeichnen?

Kotthaus: Jetzt will ich einmal beweisen, dass ich drei Fragen beantworten kann.

Fangen wir bei der Troika an. Ich glaube, es ist unstreitig, dass sich in der Troika die drei Institutionen versammeln, die wahrscheinlich auf diesem Planeten mit am besten geeignet sind, mit den Fragen von Staatsfinanzierung, Haushalten, Reformen, Problemen mit Defiziten und Ähnlichem umzugehen. Der IWF hat eine jahrzehntelange Expertise darin. Er ist in sehr vielen Staaten, Ländern, Regionen auf diesem Platen in den unterschiedlichsten Fällen tätig gewesen. Er hat fast immer sehr befriedigende Lösungen gefunden, die immer auch mit schwerwiegenden Reformprozessen einhergingen, wo danach aber die Situation sicherlich stabiler war als vorher. Die EZB ist sicherlich die Institution in Europa, die den tiefsten Einblick in die Fragen von Währungen, Haushalten und Ähnlichem mehr hat. Die Kommission ist sicherlich die Institution in Europa, die aufgrund ihres gesamten Apparates, ihrer Analysen, ihres Fachwissens so tief wie keine andere Institution in Europa in den Politiken, Schwierigkeiten, Herausforderungen der verschiedenen Mitgliedstaaten drin ist.

Ich glaube, dadurch, dass wir die drei Institutionen in der Troika gebündelt haben, haben wir es geschafft, dass sich die verschiedenen Kompetenzen und Wissenssphären der drei Institutionen ergänzen. Wir wissen auch, dass diese Diskussionen nicht immer leicht sind und dass auch innerhalb der Troika um das beste Ergebnis für eine jeweilige Situation gerungen wird. Das finde ich, ehrlich gesagt, völlig in Ordnung, weil dadurch eben gewährleistet ist, dass wir nicht eine einseitige Perspektive darauf haben, sondern immer versuchen, einen gesamtheitlichen Ansatz zu finden.

Richtig ist, dass die ersten Prognosen für Griechenland aus mannigfaltigen Gründen mehrfach revidiert werden mussten. Das liegt zum Teil daran, dass wir in Bereichen waren, die Neuland waren. Wir sind sicherlich über einen langen Zeitraum durch Gegenden gelaufen, wo es keine Landkarte gab und wo man auch gucken musste, welche Rezepte die besten sind. Nichtsdestotrotz konnte man auf die Expertise der drei Institutionen zurückgreifen, nach dem Motto: "Das und das hat in der Vergangenheit funktioniert, das könnten wir vielleicht auch hier machen" - immer angepasst an die jeweilige Situation; es wurde auch immer regelmäßig nachgesteuert, wie Sie auch wissen. Dass wir aber zum Teil die Prognosen noch nicht erreicht haben, lag auch an gewissen Prozessen, die auch in Griechenland stattgefunden haben, also daran, dass bestimmte Reformen verspätet angegangen wurden oder dass bestimmte Maßnahmen nicht so rechtzeitig kamen, wie sie verabredet waren. Ich glaube, da ist es schwer zu entscheiden, was wo wie zu welchen Ergebnissen führte.

Was wir auf jeden Fall gezeigt haben: Alle Beteiligten haben erfreulicherweise die Flexibilität gezeigt, auf die veränderten Rahmenbedingungen einzugehen. Alle haben auch dann, wenn es Verspätungen gab, die nötige Flexibilität gezeigt, sodass diese aufgeholt werden konnten. Der gemeinsame Wille ist - das ist das, was auch Herr Seibert vorhin vorgestellt hat -, dass Griechenland gestärkt und verbessert - mit einer stärkeren Wirtschaft - wieder auf die eigenen Füße kommt. Ich glaube, dieser Wille der Solidarität ist absolut gegeben.

Wenn sich das EP jetzt die Troika anguckt, dann ist ihm das unbenommen. Das EP ist sicherlich die zentrale demokratische Institution in Europa. Wir dürfen auch nicht vergessen, dass auch die anderen Institutionen in der einen oder anderen Formen demokratisch legimitiert sind und dass auch die nationalen Parlamente in den gesamten Prozess der Stabilisierung der Eurozone massiv involviert waren. Ich darf hier gerade auch den Bundestag herausheben, der mit seinen Anregungen, Wünschen und Ideen eine ganz, ganz wichtige Rolle dabei gespielt hat. Insofern sehe ich also durchaus, dass der gesamte Prozess bis jetzt umfangreich und umfassend demokratisch legitimiert ist. Alle Entscheidungen wurden auch in Griechenland mit dem Parlament diskutiert. Noch einmal: Die Troika ist nicht gottgleich von oben gekommen, sondern sie wurde von allen Mitgliedstaaten, von der Kommission, von der EZB und auch vom griechischen Staat mit der Bitte eingesetzt, das zu begleiten. Das ist ein sehr offener, sehr transparenter Prozess. Sie alle nehmen daran teil - ich weiß nicht, wie oft wir auch in dieser Runde darüber gesprochen haben.

Insgesamt ist, glaube ich, unsere Bewertung der Arbeit der Troika also positiv.

Zu Ihrer zweiten Frage. Sie sprechen das Thema ANFA an. Das ist eine Verabredung, die in der Eurogruppe getätigt worden ist. Da hat damals die EZB in Diskussionen mit bestimmten betroffenen Zentralbanken gesagt, dass das eine Möglichkeit wäre, das griechische Programm weiter zu unterstützen. Die Diskussion dazu läuft weiter. Ich kann jetzt zu den einzelnen Zentralbanken, die daran beteiligt sind, wenig sagen. Soweit mir bekannt ist - aber das mit aller Reserve; ich bin Sprecher der Bundesregierung, nicht der Bundesbank, sehen Sie mir deswegen nach, dass ich das mit Reserve sage -, betrifft es deutsche Stellen nicht. Die Diskussion läuft weiter; sie muss auch noch geführt werden. Das ist aber etwas, wo ich mich zurückhalten muss. Das sind die Zentralbanken, da kann ich nicht groß was zu sagen.

Last but not least: Irland. Irland ist eine Erfolgsgeschichte. Die haben das Programm absolviert, sie gehen gestärkt aus dem Programm hervor. Sie sind wieder voll am Markt, zu sehr akzeptablen Konditionen. Wir tun alles, um unsere griechischen Freunde zu unterstützen, damit wir dieses Ergebnis auch bei Griechenland haben werden, wenn das Programm endlich abgeschlossen ist, wenn das Programm dann einmal abgeschlossen ist. Da sind wir zurzeit noch nicht. Wir werden Mitte 2013 beurteilen: Wo steht Griechenland, müssen wir gegebenenfalls nach dem Ende des laufenden Programmes Ende 2014 noch einmal - aber sicherlich in einem sehr viel geringeren Ausmaß als bisher - den Griechen unter die Arme greifen? Dann sollten wir die Bewertung vornehmen.

Wenn man sich insgesamt anguckt, wie sich die Wirtschaft in Griechenland entwickelt hat, kann man klar sagen: Wie immer bei solchen Programmen hatten wir erst einen klaren Rückgang, aber nach allen Prognosen - auch der Herbstprognose der Kommission - sieht man ein Licht am Ende des Tunnels. Ich gebe aber sofort zu: Das ist ein sehr schmerzhafter Prozess für Griechenland gewesen, dafür zollen wir dem griechischen Volk die höchste Anerkennung und den höchsten Respekt. Wir sind aber überzeugt, dass der Weg, den die Eurogruppe und Europa als Ganzes gemeinsam mit den Griechen eingeschlagen haben, der richtige Weg ist, um im Endeffekt Griechenland wieder gesunden zu lassen.

Frage: Im jüngsten Krankenhaus-Barometer heißt es, dass die Mehrzahl der Häuser rote Zahlen schreibt. Das verbinden jetzt die Krankenhausleitungen und das Management mit einer Kritik am gegenwärtigen Finanzierungssystem, verbunden mit der Forderung nach mehr Geld. Gibt es da vonseiten des Ministeriums Handlungsbedarf?

Albrecht: Wenn Sie die Entwicklung der Krankenhäuser in Deutschland verfolgt haben - das hat die Bundesregierung immer sehr intensiv getan -, dann sehen Sie, dass es da Probleme gibt. Gleichwohl haben wir immer dafür gesorgt - insbesondere in den letzten zwei Jahren -, dass zusätzliche Gelder zur Verfügung gestellt wurden. Das ist in verschiedenen Gesetzen geschehen.

Wir sind natürlich auch das strukturelle Problem, dass es dort gibt, angegangen. Wir haben unter anderem im Jahre 2012 im Gesetz die Vertragsparteien verpflichtet, ein Gutachten in Auftrag zu geben. Das ist auch geschehen. Dieses Gutachten sollte zum 30. Juni dieses Jahres vorliegen. Das tut es leider nicht, denn es ist sehr spät in Auftrag gegeben worden. Dieses Gutachten wir aber die Grundlagen für die weitere Beratung liefern. Ich möchte noch einmal darauf hinweisen, dass wir als Bundesregierung auch noch einmal strukturelle Veränderungen vorgenommen haben. Unter anderem haben wir die Grundlohnrate, die früher gegolten hat, durch einen sogenannten Orientierungswert ersetzt. Dieser Orientierungswert wird zur Berechnung der Mittel, die den Krankenhäusern zur Verfügung gestellt werden, genutzt. Auch das wird dazu führen, dass die Krankenhäuser mehr Geld bekommen werden.

Zu den strukturellen Problemen kann ich ansonsten nur so viel sagen: Damit wird sich natürlich die angehende Koalition beschäftigen müssen. Ich habe in dem, was in der AG beschlossen wurde, gelesen, dass zum Ende des Jahres 2014 eine gemeinsame Bund-Länder-Arbeitsgruppe einen Vorschlag für die zukünftige Krankenhausstruktur vorlegen will. Das wirft auch noch einmal ein Licht auf unsere Krankenhausstruktur; denn - das möchte ich vielleicht doch noch einmal sagen - wir haben ein duales Finanzierungssystem bei den Krankenhäusern. Dort hat der Bund beziehungsweise die gesetzliche Krankenversicherung eine Finanzierungsaufgabe, und dort haben die Länder eine Finanzierungsaufgabe. Es ist ein großes Problem: Die Länder, die die Krankenhausinvestitionen finanzieren, haben im Jahr 2000 nahezu 10 Prozent des Kostenaufkommens der Krankenhäuser finanziert; heute finanzieren sie ca. 3,6 Prozent. Daran können Sie sehen, dass diese Entwicklung rückläufig ist. Da wird etwas geschehen müssen. Das bleibt aber, wie gesagt, der angehenden Koalition vorbehalten.

Zusatzfrage: Sie teilen ja offenbar die Einschätzung der Situation, dass die Lage an vielen Krankenhäusern prekär ist. Ist aus Ihrer Sicht mittelfristig die stationäre Versorgung in der Fläche gefährdet?

Albrecht: Nein, das ist sie auf gar keinen Fall. Sie wissen, dass wir in Deutschland ein sehr gut funktionierendes Gesundheitssystem haben. Wir werden in diesem Jahr vermutlich 65 Milliarden Euro allein aus Mitteln der gesetzlichen Krankenversicherung für die Krankenhausversorgung deutschlandweit aufwenden - das ist mehr als ein Drittel der gesamten Kasseneinnahmen. Dazu kommen noch einmal Milliardenmittel in zweistelliger Höhe. Das heißt, wir geben über 80 Milliarden Euro für die Krankenhausversorgung aus. Die Versorgung ist wirklich flächendeckend gesichert. Wir haben über 2.000 Krankenhäuser in Deutschland. Da muss sich also niemand Sorgen machen.

Was die strukturellen Probleme betrifft: Wir werden das Gutachten haben, und wir haben die Absichtserklärung - die ich, wie gesagt, aus den Papieren der AG entnehme -, dass man dort bis zum Jahr 2014 tätig werden will. Das kann ich allerdings nicht kommentieren.

Frage: Eine Frage an das Innenministerium: Es gibt heute Berichte - unter anderem von der "Süddeutschen Zeitung" -, dass Asylbewerber und Flüchtlinge bei ihrer Ankunft in Deutschland "debrieft" werden, unter anderem mit dem Ziel, geheimdienstlich relevante Informationen zu bekommen, und dass für diese Asylbewerber und Flüchtlinge auch nicht erkennbar ist, dass da zum Teil befreundete Dienste mit am Tisch sitzen. Könnten Sie uns da einmal bitte ins Bild setzen?

Teschke: Dazu kann ich Ihnen sagen, dass das natürlich keine neuen Berichte sind, sondern bereits mehrfach darüber geschrieben wurde, auch schon 2009 in der "TAZ" oder in der "Frankfurter Rundschau" - die "Süddeutsche" hat da also nichts spektakulär Neues herausgefunden.

Grundsätzlich gilt, dass die Hauptstelle für Befragungswesen dem Bundesnachrichtendienst zuzuordnen ist und ihre Arbeit daher einer Geheimhaltungspflicht unterliegt. Insofern kann ich Ihnen wenig Neues dazu sagen. Vielleicht so viel: Diese Befragungen durch die Hauptstelle für Befragungswesen erfolgen auf ausdrücklich freiwilliger Basis. Niemand von den Asylbewerbern wird also gezwungen, dort Auskunft zu geben.

Frage: Hat das Betragen der Befragten Auswirkungen auf ihren Status? Hat es einen Einfluss auf ihren Verbleib hier in Deutschland, ob sie sich willig zeigen oder nicht?

Teschke: Nein, auch da kann ich Sie also beruhigen. Wie gesagt, die Befragungen erfolgen vonseiten der Asylbewerber freiwillig, und sie sind unabhängig vom Asylverfahren. Die Kooperation hat keinerlei Auswirkungen auf den Asylstatus oder auf die Asylerteilung.

Frage: Unabhängig davon, ob die Medienberichte jetzt alt oder neu sind: Die "Süddeutsche" schreibt unter anderem, die geheimdienstlichen Partnerorganisationen würden unter anderem als Praktikanten vorgestellt. Können Sie uns erklären, dass jeweils sichergestellt ist, dass diejenigen, die da mit dem betroffenen Personenkreis sprechen, sich auch jeweils korrekt ausweisen?

Teschke: Die Mitarbeiter - so viel kann ich noch sagen - dieser Hauptstelle für Befragungswesen weisen sich mit ihrem Personalausweis und ihrem Dienstausweis aus. Insofern geht klar hervor, wo sie zuzuordnen sind, und sie geben sich nicht als Praktikanten aus.

Frage: Haben Sie Zahlen darüber, wie viele der befragten Asylbewerber der Befragung zustimmen und wie viele die Befragung verweigern?

Teschke: Ich würde Sie in diesem Zusammenhang gerne auf eine (Antwort auf eine) Kleine Anfrage verweisen, in der unter anderem dazu Zahlen aufgelistet sind. Die liegen mir jetzt nicht vor, ich habe jetzt keine Zahlen, die erklären, wie viele zustimmen und wie viele nicht. Es gibt jedenfalls diese Kleine Anfrage, da könnten Sie noch einmal nachgucken.

StS Seibert: Das ist die Bundestagsdrucksache 17/11597.

Vorsitzender Mayntz: Haben Sie auch die Zahlen da schon stehen?

StS Seibert: Nein, aber da kann man ja nachlesen.

Frage: Herr Teschke, haben die Befragten, wenn die Befragung durchgeführt wird, irgendeinen Rechtsbeistand dabei?

Teschke: Den Asylbewerbern steht es frei, sich durch einen Rechtsbeistand vertreten zu lassen.

Zusatzfrage: Vertreten? Das heißt, der Rechtsbeistand wird statt des Asylbewerbers befragt? Oder ist der Rechtsbeistand bei der Befragung dabei?

Teschke: Der kann dabei sein. Sie können aber auch sagen: Das soll mein Anwalt erklären.

Frage: Herr Schäfer, heute finden in Genf die E3+3-Nuklearverhandlungen mit dem Iran statt. Mit welchen Erwartungen geht die Bundesregierung in diese Verhandlungen, nachdem man ja beim letzten Treffen kurz vor einer Einigung war? Wird Bundesaußenminister Westerwelle noch einmal nach Genf reisen, sollte man kurz vor einem Durchbruch sein?

Schäfer: Ich kann Ihnen im Namen des Außenminister zu den heute beginnenden Gesprächen mit dem Iran Folgendes sagen: Die letzte Runde der Atomverhandlungen mit Iran hat gezeigt, dass eine diplomatische Lösung des Konflikts möglich ist. Es kann uns gelingen, in den heute in Genf beginnenden Gesprächen wichtige Fortschritte zu machen. Jetzt geht es darum, einen Einstieg in eine erste Phase konkreter vertrauensbildender Schritte zu finden. Wir erwarten, dass der Iran der internationalen Gemeinschaft in überzeugender Weise darlegt, dass er keine militärische Nutzung seines Nuklearprogramms anstrebt. Eine atomare Bewaffnung des Iran ist für uns nicht hinnehmbar. - So weit zu den Erwartungen.

Zu den Reiseplänen des Außenministers kann ich Ihnen zum jetzigen Zeitpunkt nichts sagen. Die Verhandlungen sind bei Frau Ashton und den politischen Direktoren, unter denen auch der deutsche Vertreter ist, sehr gut aufgehoben. Wir hoffen, dass es in den nächsten Tagen zu Fortschritten kommt. Ob es zu einer Einigung kommt, bleibt abzuwarten.

Frage: Wie bewerten Sie die Bemerkungen von Herrn Chamenei im Iran heute Morgen? Sind diese Bemerkungen für die Gespräche hilfreich oder nicht?

Schäfer: Ich glaube, einander sozusagen von Hauptstadt zu Hauptstadt Bemerkungen an den Kopf zu werfen, bringt jetzt nichts. Es ist jetzt viertel vor zwei, seit einer Dreiviertelstunde laufen also die Gespräche in Genf. Es ist besser, wenn so etwas hinter den Kulissen besprochen wird. Ich glaube, es bringt jetzt nichts, von außen in diese Beratungen - erst der E3+3 und dann der E3+3 mit Iran - hineinzureden. Die Musik spielt jetzt vielmehr in Genf, und wir hoffen darauf, dass es jetzt wirklich gelingen kann, das Momentum zu nutzen und jetzt - oder jedenfalls in Kürze - in Genf eine Einigung mindestens über eine erste Phase von vertrauensbildenden Maßnahmen hinzubekommen.

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Quelle:
Mitschrift der Pressekonferenz vom 20. November 2013
http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2013/11/2013-11-20-regpk.html
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veröffentlicht im Schattenblick zum 22. November 2013