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PRESSEKONFERENZ/623: Regierungspressekonferenz vom 24. Juni 2013 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Mitschrift der Pressekonferenz - Montag, 24. Juni 2013
Regierungspressekonferenz vom 24. Juni 2013

Themen: Kondolenztelegramm der Bundeskanzlerin an den indischen Ministerpräsidenten anlässlich der schweren Überschwemmungen in Indien, Kabinettssitzung (staatliche Hilfe beim Wiederaufbau nach der Hochwasserkatastrophe), Parlamentarische Anfragen zu bei Flugunfällen verlorenen Drohnen der Bundeswehr, Internet-Abhörsysteme von Nachrichtendiensten, Äußerungen des Bundesfinanzministers zur Europäischen Zentralbank, deutsch-türkische Beziehungen, Pressekonferenz des Deutschen Bundeswehrverbandes zur Neuausrichtung der Bundeswehr, Standortauswahlgesetz für ein Endlager für radioaktive Abfälle, Europäische Bankenunion

Sprecher: StS Seibert, Schlienkamp (BMWi), Kotthaus (BMF), Dienst (BMVg), Albin (BMJ), Beyer-Pollok (BMI), Scharfschwerdt (BMU)



Vorsitzender Hebestreit eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt StS Seibert sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

StS Seibert: Guten Tag, meine Damen und Herren! Ich wollte Ihnen nur kurz berichten, dass die Bundeskanzlerin dem indischen Ministerpräsidenten Manmohan Singh ein Kondolenztelegramm geschrieben hat. Sie schreibt darin von ihrer tiefen Betroffenheit anlässlich der Berichte über die schweren Überschwemmungen in Indien infolge des starken Monsuns. Diese Überschwemmungen haben zahlreiche Menschen das Leben gekostet. Unzählige wurden verletzt. Sie spricht dem indischen Ministerpräsidenten stellvertretend für das indische Volk ihr tief empfundenes Beileid aus.

Das Bundeskabinett ist heute Morgen um 9 Uhr, wie Sie sicherlich wissen, zu einer Sondersitzung zusammengekommen, um die Voraussetzungen für massive staatliche Hilfe beim Wiederaufbau nach der Hochwasserkatastrophe in weiten Teilen Ost-, Mittel-, Nord- und Südostdeutschlands zu schaffen.

Das Bundeskabinett hat vor allem den Gesetzentwurf zur Errichtung eines Sondervermögens "Aufbauhilfe" und zur Änderung weiterer Gesetze beschlossen. Es sind durch die Hochwasserkatastrophe im Mai und im Juni schwere Schäden an Privathaushalten, Unternehmen und auch an der Infrastruktur des Bundes, der Länder sowie der Gemeinden entstanden. Es werden also in den kommenden Jahren erhebliche finanzielle Mittel nötig sein, um diese Schäden zu beseitigen und um vor allem auch die Infrastruktur wieder aufzubauen. Deshalb wird jetzt ein nationaler Solidaritätsfonds "Aufbauhilfe" als Sondervermögen des Bundes errichtet, damit die Mittel zur Finanzierung der Maßnahmen des Wiederaufbaus in den betroffenen Regionen bereitstehen. Der Bund finanziert dies zunächst in voller Höhe mit 8 Milliarden Euro vor.

Die Kosten für den Wiederaufbau der zerstörten Bundesinfrastruktur, also vor allem für den Wiederaufbau zerstörter Straßen und zerstörter Bahnschienen, übernimmt der Bund allein, und er rechnet derzeit damit, dass sie etwa eine Höhe von 1,5 Milliarden Euro haben werden. Im Übrigen beteiligen sich die Länder hälftig an der Finanzierung, insgesamt mit 3,25 Milliarden Euro. Darüber hinaus werden aus diesem Fonds die Kosten der Soforthilfen von Bund und Ländern erstattet.

Um nun die erforderlichen Mittel - 8 Milliarden Euro, das hatte ich gesagt - für diesen Fonds "Aufbauhilfe" bereitstellen zu können, hat das Kabinett heute einen Nachtragshaushalt für das Jahr 2013 beschlossen. Dadurch wird die Ermächtigung für die Nettokreditaufnahme im Haushaltsjahr 2013 steigen, und zwar um diese 8 Milliarden Euro, also von 17,1 Milliarden auf 25,1 Milliarden Euro. Ich füge aber hinzu: Die nach der Schuldenbremse zulässige Neuverschuldungsgrenze wird trotz dieser Steigerung weiterhin deutlich unterschritten.

Eine weitere Maßnahme, die vor allem für Beschäftigte und Arbeitgeber in den betroffenen Gebieten wichtig sein kann, ist heute ebenfalls vom Kabinett beschlossen worden, nämlich der Entwurf einer Verwaltungsvereinbarung zwischen Bundesregierung und Bundesagentur für Arbeit über die Erstattung von Sozialversicherungsbeiträgen bei Kurzarbeit für unmittelbar vom Hochwasser betroffene Gebiete. Es geht also um Betriebe, die wegen des Hochwassers Arbeitsausfälle angezeigt haben. Die können die Sozialversicherungsbeiträge für Beschäftigte in Kurzarbeit erstattet bekommen. Das gilt für die Dauer von längstens drei Monaten bis zum 31. Dezember 2013. Die Voraussetzung ist, dass der Betrieb unmittelbar vom Hochwasser betroffen sein muss. Es soll damit eben verhindert werden, dass solche betroffenen Betriebe aus wirtschaftlichen Gründen Beschäftigte entlassen müssen.

Die Bundesregierung schließt dazu mit der Bundesagentur für Arbeit eine Verwaltungsvereinbarung ab. Zur Finanzierung sollen insgesamt 15 Millionen Euro aus dem Bundeshaushalt zur Verfügung gestellt werden. Das Kabinett hat dem zugestimmt. Was ich noch sagen sollte, ist, dass diese Verwaltungsvereinbarung rückwirkend ab dem 1. Juni 2013 in Kraft tritt.

Zusammenfassend: Bei diesen beiden Beschlüssen des Kabinetts in der heutigen Sondersitzung geht es um rasche Soforthilfe und um zügigen Wiederaufbau. Das ist genau das, was die Bürger von ihrem Staat in so einer Situation erwarten, und das ist auch die Devise der Bundesregierung in ihrer jetzigen Reaktion auf die Hochwasserkatastrophe. Die Bundeskanzlerin wird dazu morgen Früh um 9 Uhr im Bundestag eine Regierungserklärung abgeben. - So weit zunächst von mir.

Frage: Ich habe zwei technische Fragen. Gibt es denn inzwischen zumindest eine näherungsweise Schätzung der volkswirtschaftlichen Schäden durch das Hochwasser? Das ist die eine Frage.

Die andere Frage: Wie schnell können diese Hilfen denn jetzt nach Lage der Dinge gezahlt werden? Ab wann können Mittel aus diesem Fonds abgerufen werden?

StS Seibert: Ich will zu der Frage nach den Schäden - das kann sicherlich jemand anderes hier am Tisch noch präziser beantworten - nur sagen, dass der Bundesinnenminister dem Kabinett ganz kurz auch vorgetragen hat, was der derzeitige Stand ist. Er hat gesagt: Nur an 26 von mehr als 1.000 Messstellen besteht noch Alarm, aber es besteht eben noch an einzelnen Messstellen Alarm. Was das heißt, ist, dass wir auch noch nicht das Ende der Schäden erreicht haben. Das heißt, jede Zahl, die Sie jetzt genannt bekommen, wird nur eine vorläufige sein können.

Schlienkamp: Ich kann jetzt nur für die Unternehmen sprechen: Es gibt noch keine seriöse und abschließende Feststellung der Schäden. Das wird noch weiter aufbereitet.

Kotthaus: Vielleicht - aber, wie gesagt, deswegen ist der Fonds ja auch so beschlossen worden, dass es bis zu 8 Milliarden Euro sein können - ganz allgemein: Ich glaube, es gibt noch keine endgültige Aufstellung der Schäden.

Zweitens: Sobald der Nachtragshaushalt durch den Bundestag gekommen sein wird, wird der Bund aus unserer Perspektive "up and ready" sein. Das Geld wird bereit stehen. Aber Sie wissen auch, Herr Heller, dass die Leistungen als solche über die Länder laufen. Da gibt es eben die normalen Verfahren. Die Länder sind in der Ausführung dafür zuständig. Aber wir haben uns ja extra als Bund so beeilt, damit die Bürger völlig entspannt sein können. Das Geld wird da sein. Es muss, wie gesagt, natürlich noch vom Gesetzgeber bewilligt werden, aber dann wird unser Teil getan sein.

Zusatzfrage: Wenn der Bundesrat am 5. Juli zum letzten Mal zusammentreten wird, wird er das wahrscheinlich beschließen. Wann, hieße das, könnten die Leute quasi zu ihren jeweiligen kommunalen Stellen gehen?

Kotthaus: Das ist, wie gesagt, echt eine Angelegenheit der Länder. Die müssen jetzt die Verfahren machen. Die müssen die genaue Art und Weise festlegen. Die Durchführung und die Ausführung laufen über die Bundesländer, und darin will ich mich auch gar nicht einmischen. Uns war es nur wichtig, dass wir unseren Teil, also die Bereitstellung der Mittel, so schnell wie möglich leisten. Das ist durch die Art und Weise gewährleistet, in der das gemacht worden ist, also durch die Vorfinanzierung durch den Bund, das ist durch den schnellen Nachtragshaushalt gewährleistet, und das ist durch die schnelle Behandlung im Bundestag und im Kabinett gewährleistet. Also noch einmal: Alles, was wir als Bund tun können, ist damit getan. Die Umsetzung, die Auszahlung und Ähnliches mehr - das läuft über die Länder.

Zusatzfrage: Herr Seibert, Sie hatten im Zusammenhang damit die Schuldenbremse genannt, also gesagt, dass dieser NKA-Betrag jetzt deutlich unterhalb der Grenze der Schuldenbremse liegt. Hatten Sie das nur quasi illustrativ getan? Meiner Erinnerung nach spielen nämlich die Kosten einer Naturkatastrophe bei der Schuldenbremse doch eh keine Rolle.

StS Seibert: Ich habe das getan, weil sich viele Menschen fragen: Wir haben doch eine Schuldenbremse, jetzt gibt es eine große nationale Anstrengung in Höhe von 8 Milliarden Euro, und wie geht das zusammen? Diesen Menschen möchte ich sagen, dass wir in der Nettokreditaufnahme nach wie vor deutlich unter dem liegen, was die Schuldenbremse sozusagen von uns verlangt. Das ist ein Ergebnis der erfolgreichen Haushaltskonsolidierungspolitik dieser Bundesregierung.

Kotthaus: Es geht ja auch um die strukturelle Neuverschuldung. Auch dabei liegen wir deutlich unter dem, was zulässig wäre. So gesehen hat es sich gelohnt, dass wir in den letzten Jahren so gut gearbeitet haben. Dann kann man auch solche Dinge, die etwas unvorhergesehen sind, abfedern.

Frage: Zur Schuldenbremse: Berufen Sie sich jetzt aber nicht sozusagen auf den Sonderfall einer Naturkatastrophe?

Kotthaus: Nein, ausdrücklich nicht! Wir haben es auch durch gute vorherige Arbeit gewährleistet, dass wir trotzdem unter dem liegen, (was zulässig wäre,) und zwar ohne irgendwelche Sonderregeln.

Frage (zu bei Flugunfällen verlorenen Drohnen der Bundeswehr): Herr Dienst, hat man sich in Ihrem Hause einmal Gedanken darüber gemacht, ob es Zufall ist, dass sich in den letzten Wochen die Einschläge hinsichtlich Ihres Ministers in den Medien im Hinblick auf Reaktionen und Vorwürfe, worauf dann mit diversen Sprechererklärungen reagiert wurde, gehäuft haben? Ist das Zufall, oder vermutet man in Ihrem Hause dahinter eine Absicht, sprich eine gewisse Art von Kampagne?

Dienst: Wollen Sie als alter Ritter einen alten Recken aufs Glatteis führen? Journalisten fahren mit dir im Fahrstuhl hoch, und sie fahren mit dir auch im Fahrstuhl wieder herunter. Ich glaube, das ist ein Bild aus Ihren Reihen.

Zusatzfrage: Können Sie mir das übersetzen? Ich habe nicht gedient.

Dienst: Es gehört zum politischen Geschäft dazu, dass die Situation so ist, wie sie ist.

Zusatzfrage: Nehmen der Minister und auch sein Pressesprecher den Medien das, was sie tun, gar nicht übel, wie es andere tun? Andere grollen dann oder sind dann patzig.

Dienst: Ich meine, manches aus unserem Haus mag zurzeit nicht ganz so professionell herüberkommen. Aber in dieser Frage sind wir wirkliche Profis. Wir lassen jeden seine Arbeit machen, und zwar so gut, wie er meint, es tun zu können und können zu müssen, und wir tun unsere Arbeit so gut, wie wir meinen, es tun zu können und können zu müssen.

Frage: Herr Dienst, Piloten bezeichnen Landungen gerne als kontrollierte Abstürze. Ist der Begriff einer systemkonformen Landung eine kreative Weiterentwicklung dieses Begriffs?

Dienst: Nun haben Sie in aller Bescheidenheit den Vorteil, dass Sie an dieser Stelle mit einem Piloten sprechen. Insofern weiß ich relativ gut, wie in dieser Frage zu differenzieren ist. Ein Absturz ist natürlich immer ein Absturz. Wenn mit einem Absturz ein Totalverlust einhergeht, dann ist es ein Totalverlust. Das ist das, was landläufig darunter zu verstehen ist, wenn man mit Lufthansa, easyJet oder Luftfahrzeugen sonstiger Gesellschaften unterwegs ist.

Dann kommen wir in den Bereich der technischen Geräte, zu denen nun einmal Drohnen in allen Größenordnungen gehören. Dabei ist es durchaus so, dass sie Abstürze im erstgenannten Sinne erfahren können. Außerdem können sie Systemfehler erfahren, bei denen der Systemfehler dann mit einer sogenannten kontrollierten Landung erst einmal behoben wird. Wenn zum Beispiel das System LUNA nicht mehr funktioniert, dann ist es so, dass es sich, wenn es einen Abbruch der Funkverbindung "verspürt", auf den Rücken dreht, den Fallschirm auslöst und dann eben am Fallschirm kontrolliert zu Boden geht. Dann lauten die Fragen: Kann man das Gerät überhaupt noch dort bergen, wo es zu Boden gegangen ist? Wenn man es geborgen hat, lohnt es sich dann, das Gerät zu reparieren, oder schreibt man es im Zweifelsfall ab?

Ich kann Ihnen ein anderes Beispiel aus dem Bereich der Meteorologie geben: Es steigen jeden Tag Dutzende von Wetterballons mit entsprechenden Sonden darunter über Deutschland auf. Jetzt könnten Sie sagen: Diese Wetterballons können natürlich auch wieder kontrolliert zur Landung gebracht werden. Das werden sie aber nicht, weil es einfach wirtschaftlicher und technisch einfacher ist, diese Wetterballons aufsteigen zu lassen, und irgendwo oben zerplatzen sie, nachdem sie diese Messstrecke von zigtausend Metern durchlaufen haben. Die Sonde fällt dann am Fallschirm herab. Wenn Sie diese Sonde dann irgendwo im Wald finden - daran hängt ein kleiner Zettel mit den Worten "Schicken Sie das bitte an diese und jene Adresse zurück" -, dann wird das Gerät eben geborgen, und ansonsten geht es eben verloren.

Damit will ich einfach nur beschreiben, dass es in diesem Bereich eben verschiedene Verfahren in Bezug darauf gibt, wie man den Flug systemkonform durchführen oder wie man ihn im Zweifelsfall systemkonform abbrechen kann.

Zusatzfrage: Ich wusste ja, dass Sie Pilot sind, und deswegen finde ich es schön, dass wir hier Ihre Fachkompetenz erleben. Jetzt bin ich, wenn ich das sagen darf, Germanist. Darf ich vor dem Hintergrund dieses Kompetenzaustausches dann etwas fragen? Bedeutet der Begriff "Landung" im Zusammenhang mit dem Begriff "systemkonform", dass das Teil in irgendeiner Weise Land erreicht, was, den Gesetzen der Schwerkraft folgend, dann eben auch passiert? Ist es richtig, dass in diesem Fall der systemkonformen Landung die Auswirkungen im Sinne eines Totalschadens mit denen eines Absturzes vergleichbar wären oder gleichzusetzen wären?

Dienst: Wie ich Ihnen eben sagte, bedeutet ein Absturz in der Regel eigentlich immer einen Totalverlust. Bei einer systemkonformen Landung - wie gesagt: bei einem Flugabbruch aufgrund einer Systemstörung - kann man Glück haben - man findet das Gerät wieder, es ist auch noch in dem Zustand, in dem es sein sollte, man kann es reparieren und hat es dann -, oder man findet es im Zweifelsfall irgendwo im Meer - dann versinkt es einfach, und das war es; man findet es also gar nicht mehr -, oder man findet es so demoliert, dass es sich nicht lohnt, das Gerät zu reparieren, sondern man kauft sich einfach ein neues.

Im Übrigen muss ich noch darauf hinweisen, dass das System LUNA, wenn es denn zur Landung kommt - das gilt neben LUNA auch für andere Systeme -, auch nicht auf einer Landebahn landet, sondern landet, indem es über ein bestimmtes Gebiet gesteuert wird, wo die Bergemannschaft steht. Dann wird die Landung einfach ausgelöst. Das heißt, der Fallschirm wird ausgelöst, und das Gerät geht auf diesem definierten Gebiet nieder. Es wird dann geborgen und für den nächsten Einsatz klargemacht. Das Verfahren mit diesem Fallschirm ist ein völlig normales Landeverfahren. Mit easyJet oder Lufthansa landen Sie in der Regel nicht mit einem Fallschirm.

Frage: Herr Dienst, hat Ihr Haus inzwischen eine Zwischenbilanz im Hinblick auf die Drohnen und die abgängigen Drohnen gezogen? Würden Sie im Nachhinein sagen, dass Ihr Haus die parlamentarische Öffentlichkeit im Hinblick auf diese Anfragen zu 100 Prozent korrekt unterrichtet hat, oder hätte man im Nachhinein - mit dem Wissen von heute und der Sensibilität der öffentlichen Reaktionen - vielleicht auf das eine oder andere zusätzliche Problem aufmerksam machen können?

Dienst: Um diesen Vorgang noch einmal aufzunehmen: Zuerst einmal, weise ich auf die Worte von Herrn Paris in der entsprechenden Sprechererklärung hin, in der, wie Sie es teilweise auch aufgenommen haben, scharf daran herangegangen wird. Wir sagen, dass diese Vorwürfe der Opposition schlichtweg konstruiert und falsch sind.

Es geht hierbei jetzt um vier Parlamentarische Anfragen - eine aus dem Jahr 2011, eine aus dem Jahr 2012 und zwei aus diesem Frühjahr -, die sich alle irgendwie mit der Thematik der Drohnen befassen. Der Teufel liegt einfach im Detail. Sie müssen sich immer sehr genau die Fragestellung anschauen und dann sehen, welche Antwort auf die Frage gegeben worden ist. Sie können nicht die Frage, die heute gestellt worden ist, einfach einmal so pauschalisieren, sie mit der Fragestellung aus 2011 vergleichen, die eine ganz andere gewesen ist, und dann die Zahlen miteinander vergleichen.

Zusatzfrage: Aber deswegen habe ich ja gefragt, ob es im Lichte der heutigen Diskussion besser gewesen wäre, wenn bestimmte Antworten auf die vier zurückliegenden Anfragen vielleicht etwas erweiterter ausgefallen wären.

Dienst: In der Regel sind unsere Bearbeiter gehalten, Parlamentarische Anfragen im Sinne der Frage sauber und genau zu beantworten, nicht mehr und nicht weniger. Wir sind nicht gehalten, zu antizipieren, was der eine oder der andere daraus herauslesen könnte.

Wenn ich heute lese, dass es bestimmte Repräsentanten der Opposition gibt, die sagen, das sei alles genau so von Minister de Maizière hingebogen worden, damit die Drohnendebatte im Hintergrund weiterlaufen kann und nicht gestört wird, kann ich Ihnen einfach sagen: Das ist völlig lächerlich. Erstens ist die Drohnendebatte nämlich von Minister de Maizière höchstpersönlich angestoßen worden, und zwar ziemlich genau vor einem Jahr. Die Antwort aus dem Jahr 2011 - ich habe sie hier - stammt vom 22. März 2011, und der Dienstbeginn von Minister de Maizière im Ministerium war Anfang März 2011. Insofern überlasse ich es Ihnen, das jetzt alles in Bezug darauf übereinander zu schieben, wie viel davon konstruiert ist und wie viel davon wahr ist.

Um jetzt aber letztendlich alle zufriedenzustellen, sind wir im Haus zurzeit dabei, eine große Tabelle darüber aufzustellen, welche Drohnenarten es gibt und welche Arten von Absturz und Verlust - kontrolliert oder unkontrolliert - es gibt. Diese Matrix wird Ihnen dann, sobald sie fertig ist, über den Verteiler der Bundespressekonferenz zur Verfügung gestellt werden, und dann können Sie sich damit alle Ihre Fragen selbst beantworten, die sich Ihnen gestellt haben oder noch nicht einmal gestellt haben.

Zusatzfrage: Darf ich das als eine gewisse Nachbesserung der Information des Ministeriums oder als eine freiwillige Dienstleistung, die eigentlich gar nicht nötig gewesen wäre, bezeichnen?

Dienst: Sie ist anscheinend nötig, sonst würden Sie ja nicht so intensiv fragen. Sie ist einfach eine Maßnahme ausgewiesener Transparenz, um diesen Komplex, der anscheinend mit einfachen Worten und auch mit meinen Worten nicht ganz zu erhellen ist, dann entsprechend darzulegen. Das ist einfach eine Transparenzinitiative aus gegebenem Anlass und eben nicht, um etwas nachzubessern. Warum sollten wir die Antworten auf die Fragen aus dem Jahr 2011 auch nachbessern? Dazu haben wir überhaupt keinen Anlass.

Frage: Zu der Aufstellung, wenn es sie gibt: Gibt es die schon? Stellen Sie uns die dann zeitnah zur Verfügung?

Zweite Frage: Über was für einen Gesamtzeitraum reden wir jetzt? Aus Ihrer Sprechererklärung geht ja hervor, dass es zum Teil, wenn es um die größeren Geräte geht, um die letzten zwei oder drei Jahre geht, wenn ich das richtig sehe. Wenn es jetzt um all die "LUNA"-Drohnen und all die anderen kleineren Aufklärungsgeräte geht, wie weit geht das dann zurück? Kann man das schon sagen?

Noch einmal zu dem Vorwurf, über den Verlust dieser Systeme sei nicht akkurat berichtet worden: Wenn ich Sie richtig verstehe, dann ist der Verlust der Systeme ja in gewisser Weise auch systemkonform. Das heißt, beim Betrieb dieses Systems ist der Verlust einer gewissen Zahl dieser Geräte sozusagen schon einkalkuliert. Oder kann man das so nicht sagen?

Dienst: Genau so würde ich es sagen. Das ist genau das Beispiel, das ich Ihnen mit dem Wetterballon und der entsprechenden Sonde geben wollte. Es gibt Systeme, die - vor allem aus Kostengründen und weil die technische Entwicklung heute noch gar nicht so weit ist - letztendlich einfach auf Verlust setzen. Letztendlich setzt jede Rakete auf Verlust, weil es einfach zu teuer ist, sie wieder zurückzuführen. Dann betreibt man einen ungleich höheren Aufwand, und über den Effekt, den man dadurch gewinnt, kann man sich dann Gedanken machen.

Es ist in der Tat so, wie Sie danach fragten. Diese Matrix, hatte ich eben gesagt, werden wir Ihnen allen über den Verteiler der Bundespressekonferenz zur Verfügung stellen, wenn sie denn - hoffentlich heute Abend - fertiggestellt sein wird.

Zu den Zeiträumen: In all diesen vier Parlamentarischen Anfragen ist auch nach verschiedenen Zeiträumen gefragt worden. Zum Beispiel ist durch den Abgeordneten Schäfer nach dem Zeitraum hinsichtlich des Verlustes des Systems LUNA bis in das Jahr 2003 zurück gefragt worden. Andere Fragen bezogen sich nur auf die Jahre 2012 und 2013. Um welchen Zeitraum, der mit "insgesamt" bezeichnet ist, es in den Angaben in der Kleinen Anfrage der Linken geht - diese 800er-Zahl und die entsprechenden, in die Hunderte gehenden Verluste, "kontrolliert abgestürzt" oder wie auch immer -, werden wir bis heute Abend dann wirklich juristisch und wasserdicht geprüft haben. Aber mit Sicherheit betrifft das nicht die letzten 18 Monate, wie es manche Kollegen von Ihnen heute in der Überschrift tituliert haben, sondern einen wesentlich längeren Zeitraum.

Zusatzfrage: Können Sie sagen, wie viele von den Dingern Sie aktuell überhaupt betreiben? Wenn man diese Zahl von 871 sieht, sind das dann 871, die jetzt im Betrieb sind, abzüglich der verlorenen, oder sind vielleicht 200 pro Jahr im Betrieb, während die anderen längst außer Dienst gestellt sind? Um was für Größenordnungen geht es im aktuellen Betrieb eigentlich?

Dienst: In Betrieb selbst sind mehrere Hundert, von der 5-Kilo-Größe bis zur Größe von mehr als 1 Tonne. Das ist auch schon mehrfach gesagt worden. Die genaue Zahl müssten Sie jetzt bitte bei den Fachsprechern in meinem Haus abfragen, weil es ja auch immer wieder um unterschiedliche Konfigurationen geht, also darum, ob es um MIKADO, LUNA, KZO, "Heron" oder sozusagen sonst etwas geht. Das muss man dann ganz genau herausfinden.

Ich sage jetzt aber bewusst bis heute Abend: Diese Gesamtziffer, die hier aufgeführt ist, beinhaltet die Drohnen, die wir bis heute überhaupt gehabt haben. Nur daraus kann man dann auch die Verluste bis heute berechnen.

Frage: Herr Seibert, geht die Bundeskanzlerin noch von einer systemkonformen Landung ihres Ministers bis zur Wahl aus?

StS Seibert: Ich muss zugeben, dass ich Ihre Frage nicht verstehe.

Zusatzfrage: Glauben Sie, dass er bis zur Bundestagswahl und vielleicht sogar darüber hinaus im Amt bleiben wird?

StS Seibert: Ich habe für die Bundeskanzlerin gar keinen Grund, daran zu zweifeln.

Zusatzfrage: Auch für die Zeit darüber hinaus?

StS Seibert: Wir haben eine Bundestagswahl vor uns. Deshalb werden wir über künftige Kabinette nach einer aus Sicht dieser Regierung hoffentlich gewonnenen Bundestagswahl sprechen.

Frage: Noch einmal zur Systemkonformität des Verlusts dieser Systeme: Schaffen Sie diese Dinger jetzt an - KZO oder LUNA - und sagen "Wir haben 100, und wir müssen damit rechnen, dass wir im Einsatz jährlich so und so viele von denen verlieren"? Gab es, bevor die Dinger in Betrieb genommen wurden oder als die Dinger in Betrieb genommen wurden, eine Kalkulation über die Höhe der Verluste? Sie müssen ja sozusagen Pläne für die Nachbeschaffung usw. machen. Wenn es sozusagen systemkonform ist, dass man im Betrieb immer die Hälfte von den Dingern irgendwie abschreiben muss, dann muss man sich also sozusagen auch darauf einstellen, im nächsten Jahr die Hälfte von denen nachzubeschaffen oder so etwas. Gibt es irgend so eine Kalkulation vorher und bei Inbetriebnahme dieser Systeme, sodass man im Nachhinein sagen kann "Ja, die Verlustrate hat unsere Erwartungen erfüllt" oder "Nein, die Verlustrate ist viel größer oder viel kleiner, als wir gedacht haben"?

Dienst: Es ist so: Bei den Systemen, die eben diesen kontrollierten Systemabbruch vorsehen, kalkuliert man natürlich auch eine bestimmte Verlustrate mit ein und bestellt gleich entsprechend mehr. Dann gibt es Systeme, die, sagen wir einfach einmal, günstiger sind - von denen kalkuliert man naturgemäß im Zweifelsfall vielleicht ein bisschen mehr ein - , und dann gibt es Systeme, die eben sehr teuer sind und hinsichtlich derer man sich nachher letztendlich auch scheut, schon im Vorwegabzug mit hohen Verlustraten daran heranzugehen. Das System KZO ist beispielsweise in den Einsatz eingeführt worden, und man hat überhaupt keine Erfahrungswerte in Bezug darauf gehabt, wie hoch die Verluste sind. Man muss dann im Zweifelsfalle nachjustieren. Bei dem System "Heron", welches ja das teuerste und größte System ist, das wir betreiben, haben wir dann auch zwei Verluste gehabt - einen im Flug und einen am Boden -, und wir haben dann von der Firma, obwohl das so vorher nicht bestellt worden war, ein Gerät - ich sage: zum Glück - nachgeliefert bekommen können, sodass wir die Einsatzkonfiguration in Afghanistan dann auch weiterhin planmäßig durchführen konnten.

Frage HELLER: Zum Thema Ausspähungen durch Nachrichtendienste: Mich würde zum interessieren, wie denn von der Bundesregierung der Verursacher, der Informant, der diesen ganzen Affären zugrunde liegt, bewertet wird. Ist das ein Straftäter, ein Verbrecher, oder ist das ein Informationsgeber, der über berechtigte Interessen auch anderer Länder Aufschluss gegeben hat?

Zum Zweiten würde mich interessieren, nachdem ja jetzt Großbritannien als wichtiger Auslöser solcher Ausspähungen hinzugekommen ist, ob die Bundesregierung die Notwendigkeit sieht, dieses Thema - abgesehen von Aufklärung direkt vonseiten Großbritanniens - auch beim EU-Gipfel zur Sprache zu bringen, die Briten dort ganz konkret anzusprechen und um weitere Informationen zu bitten?

StS Seibert: Die Bewertung der Rolle von Herrn Snowden müssen amerikanische Stellen vornehmen. Er war ein Mitarbeiter der National Security Agency. Also wird nach amerikanischem Recht beurteilt werden müssen, wie seine Rolle zu sehen ist.

Was das britische Programm betrifft, über das es jetzt am Wochenende Berichte gab, kann ich Ihnen sagen, dass das für die Bundesregierung natürlich etwas ist, das sie sehr ernst nimmt. Eine Maßnahme namens "Tempora" ist der Bundesregierung außer aus diesen Berichten erst einmal nicht bekannt.

Es gilt dabei, was auch Herr Streiter hier in der vergangenen Woche zu dem amerikanischen Programm "Prism" bereits gesagt hat: Wir alle wollen als Bürger Schutz vor Angriffen, vor terroristischen Straftaten. Wir wollen diesen Schutz. Deswegen gibt es eine Notwendigkeit von Informationsgewinn. Gleichzeitig wollen wir ein möglichst hohes Maß an Schutz unserer Privatsphäre. Es wird immer eine Frage der Verhältnismäßigkeit sein, es wird immer eine Frage sein, wie man in Bezug auf diese beiden Bedürfnisse die richtige Balance findet.

Genauso wie ein Informationsaustausch mit den amerikanischen Partnern zum Thema "Prism" vereinbart worden ist - die Bundeskanzlerin hat darüber auch mit Herrn Obama gesprochen -, so werden wir jetzt auch mit den britischen Behörden diesen Dialog führen, um Aufklärung zu schaffen, was auf welcher Rechtsgrundlage und in welchem Umfang geschieht. Das Bundesinnenministerium wird deshalb an die Partner in Großbritannien herantreten und versuchen, Aufklärung herzustellen.

Zusatzfrage: Frage an das Justizministerium. Ist Ihre Ministerin, die ja in dieser Sache sehr schnell mit einem Brief an den amerikanischen Justizminister aktiv geworden ist, schon in ähnlicher Weise in dem britischen Fall engagiert?

Ganz konkret zum bevorstehenden EU-Gipfel: Wird das dort eine Frage sein? Erweitert gefragt: Müssen Sie sich nicht darauf einstellen, dass noch weitere Länder mit solchen Aktionen bekannt werden, sodass ein großes Maß an Verunsicherung auf breiter Ebene in Europa und darüber hinaus bei den Bürger einziehen kann, was da überhaupt alles auf Ebenen passiert, die Sie selbst nicht kennen?

StS Seibert: Die zweite Frage, Herr Heller, halte ich, wenn Sie mir erlauben, zunächst einmal für hypothetisch. Wir werden sehen, was alles noch bekannt wird. Wir werden dann entsprechend reagieren. Aber vorher kann ich darüber ganz schlecht sprechen - das verstehen Sie.

Ich habe erst einmal gesagt, dass uns der Weg der bilateralen Aufklärung, des bilateralen engen Kontaktes mit den Briten als der richtige erscheint, um zu klären, was da geschehen ist und was auf welcher Rechtsgrundlage und mit welchen Auswirkungen geschieht. Das ist eine zunächst bilaterale Sache. Der Europäische Rat am Donnerstag und Freitag in Brüssel hat eine ganz andere Tagesordnung. Trotzdem bin ich nicht in der Lage, sagen zu können, was darüber hinaus noch zur Sprache kommt.

Albin: Ich kann ergänzen, dass sich die Bundesjustizministerin, die ja auch stellvertretende Vorsitzende der FDP ist, um 13 Uhr dazu vor der Presse äußern wird. Dann können Sie Ihre Fragen direkt an sie richten.

Natürlich hat sie damals sehr schnell an Herrn Holder geschrieben. Wir werden auch hier aktiv werden.

Beyer-Pollok: Ergänzend zu den Aussagen des Regierungssprechers: Kurz vor der Regierungspressekonferenz habe ich die Rückmeldung bekommen, dass der Dialog mit der britischen Seite jetzt eingeleitet ist. Das Bundesinnenministerium hat umgehend Fragen vorbereitet, die inzwischen auch an die britische Botschaft gerichtet worden sind. Das fügt sich also in den von Herrn Seibert bereits angesprochenen Dialog ein, den wir ohnehin innerhalb der Europäischen Union und insbesondere auf der Ebene der Sicherheitsbehörden bei der Terrorismusbekämpfung pflegen.

Frage: Wenn ich das richtig verstehe, verläuft die Aufklärung im US-Fall oder im britischen Fall nach folgendem Muster: Herr Snowden gibt ein Interview oder eine Information im "Guardian", in der "Washington Post" oder in irgendeinem anderen Medium, der deutsche Sicherheitsapparat, inklusive Bundesregierung, liest diese Interviews und fragt die auftraggebende Regierung, ob das, was in den Zeitungen steht, stimmt. So scheint es jetzt wieder zu sein.

Meine Frage: Was unternimmt die Bundesregierung zum Schutz der deutschen Bürger? Wieso fragt sie Herrn Snowden nicht direkt? Denn dann könnte man sich den Umweg im Vorgriff auf die nächsten Interviews von Herrn Snowden aus Ecuador vielleicht ersparen, um dann zu erfahren, dass auch der Franzose oder der Luxemburger einen ähnlichen Apparat hat. Wieso kommt man auf diese Idee seitens des Bundesinnenministeriums, der Bundesjustizministerin oder vielleicht sogar der Bundeskanzlerin nicht?

Zweitens. Herr Seibert, könnte Herr Snowden politisches Asyl in Deutschland erhalten?

StS Seibert: Diese Frage stellt sich nicht. Wir erfahren ja nun, dass er um politisches Asyl in Ecuador nachgesucht hat. Wir werden sehen, wie Ecuador diese Entscheidung fällt. Die Frage stellt sich nicht.

Zweitens. Ich habe Ihnen gesagt, dass die Bundesregierung diese Berichte sehr ernst nimmt. Sie nimmt sie genau deswegen ernst, weil sie sich dem Schutz der Interessen der Bürger verpflichtet fühlt. Ich habe gesagt, dass es da eine gewisse Balance gibt. Wir alle haben das Interesse, vor Terrorangriffen usw. geschützt zu werden. Wir alle haben ein Interesse an einem möglichst hohen und guten Schutz unserer privaten Daten. Das ist miteinander in Abgleich zu bringen. Genau deswegen nimmt die Bundesregierung es ernst und spricht mit denen, die es betrifft, nämlich in dem einen Fall mit den US-Behörden und in dem anderen Fall mit den britischen Behörden, von denen ja diese Maßnahme, von der wir nun hören, ausgeht. Das scheint uns der richtige Adressat zu sein. Das entspricht im Übrigen der engen Partnerschaft, die wir mit diesen Ländern haben.

Zusatzfrage: Die Frage war, wieso die Bundesregierung wartet, bis Medien über entsprechende massenhafte Ausspähmaßnahmen durch Herrn Snowden berichten. Wieso sucht sie nicht den direkten Kontakt, um schneller den Schutz der deutschen Bürger gewährleisten zu können? Gibt es dafür eine Erklärung?

StS Seibert: Zunächst einmal stellen Sie das jetzt so dar, als sei die einzige vertrauenswürdige Quelle darüber Herr Snowden. Ich will hier die Glaubwürdigkeit von Herrn Snowden nicht beurteilen müssen.

Wir haben eine enge und im Übrigen über Jahrzehnte entwickelte Partnerschaft, Freundschaft sowohl mit den Vereinigten Staaten als auch im konkreten Fall mit Großbritannien. Im Rahmen dieser Freundschaft werden wir uns sehr genau über diese Vorgänge und Berichte unterhalten. Wir werden sehr genau klären, was in welchem Umfang und auf welcher Grundlage passiert.

Zusatzfrage: Die Glaubwürdigkeit von Herrn Snowden reicht Ihnen aus, wenn er das dem "Guardian" sagt und Sie die britische Regierung fragen, ob das stimmt. Wieso fragen Sie Herrn Snowden nicht direkt?

StS Seibert: Ich glaube, ich habe die Antwort gegeben. Herr Snowden hat seinen Bericht in ausgewählte Medien gegeben. Das ist etwas, was man ernst nehmen muss. Nun sprechen wir mit unseren Partnern, um aufzuklären, was stimmt, was passiert, wie uns das betrifft, wie das unsere Bürger betrifft und auf welcher Rechtsgrundlage das passiert. Genau das tun wir.

Frage: Herr Seibert, fragen Sie auch den BND, inwiefern auch aus Deutschland irgendetwas herauskommen könnte?

StS Seibert: Natürlich.

Zusatzfrage: Ist das vielleicht schon erfolgt? Wissen Sie, wie der BND bei Ausspähaktionen arbeitet?

StS Seibert: Der BND ist Teil der Sicherheitsstruktur der Bundesrepublik Deutschland. Er ist an in Deutschland geltende Gesetze gebunden. Dabei sind verschiedene Rechtsvorschriften einschlägig. Es gibt ein Gesetz über den Bundesnachrichtendienst, das jedermann zugänglich ist. Es definiert genau seine Aufgaben und seine Befugnisse. Es gibt die Regelungen zur Belangung des Datenschutzes, zur Datenspeicherung, zur Datenübermittlung. Es ist also alles für jedermann recherchierbar, nach welchen Grundsätzen der BND arbeitet.

Im Übrigen gibt es eine parlamentarische Kontrolle der nachrichtendienstlichen Tätigkeit des Bundes, die ernst genommen und durchgeführt wird.

Frage: Herr Snowden ist über Moskau ausgereist. Es gab eine relativ geharnischte Erklärung der Volksrepublik China zu diesen Ausspähungen. Russland und China sind beide Mitglieder in der G20, einem sehr wichtigen Gremium im Rahmen der internationalen Zusammenarbeit. Haben Sie die Befürchtung, dass durch das, was in den letzten Wochen in diesem Felde bekannt worden ist, die Atmosphäre der internationalen Zusammenarbeit zwischen wichtigen Industrie- und Schwellenländern nachhaltig erschwert, beschädigt werden könnte?

StS Seibert: Beim letzten Treffen, das in Bezug auf Ihre Frage infrage kommt, nämlich der G8-Gipfel in Lough Erne, war die Atmosphäre ausgesprochen gut. Sie hat vor allem auch dazu geführt, dass es möglich war, auf wichtigen Gebieten, nämlich der Steuervermeidung und der gemeinsamen Haltung zum Syrien-Konflikt, einen Schritt weiterzukommen. Ich kann nun nicht genau sagen, wie es beim G20-Gipfel in St. Petersburg Anfang September sein wird. Aber zumindest beim G8-Gipfel war es absolut möglich, miteinander sehr ernsthaft zu sprechen und miteinander sehr gut voranzukommen.

Frage: Herr Seibert, Sie wiesen netterweise darauf hin, dass der BND Teil der deutschen Sicherheitsstruktur ist. Ich habe gelernt, dass für die Bundesjustizministerin, den Bundesinnenminister und vielleicht sogar für die Bundeskanzlerin "Tempora" Neuland war.

Meine Frage: Ist es gelungen, beim BND nachzufragen, ob auch für den BND "Tempora" Neuland ist? Das kann ich mir kaum vorstellen, weil man dort ja nichts anderes macht als zu beobachten und auszuforschen. Haben Sie darauf schon eine Antwort erhalten?

StS Seibert: Wenn ich am Anfang gesagt habe, dass diese Maßnahme namens "Tempora" der Bundesregierung bisher nicht bekannt ist, dann gilt das auch für nachrichtendienstliche Gliederungen.

Zusatzfrage: Muss es mich als Bundesbürger beunruhigen, wenn ein gut ausgestatteter Bundesnachrichtendienst nicht einmal darüber Bescheid weiß, wie einer der engsten Nachbarn Deutschlands mit deutschen Daten umgeht?

StS Seibert: Die Frage, was Sie beunruhigen muss, müssen Sie, fürchte ich, selber beurteilen.

Zuruf: Aber Sie handeln doch in meinem Auftrag. Haben Sie das Gefühl, dass die Bundesregierung sich genug darum kümmert, wenn nicht einmal der BND weiß, was der Nachbar Großbritannien mit deutschen Daten im großen Stil tut?

StS Seibert: Ich habe Ihnen gesagt, dass die Berichte, die es jetzt gab, sehr ernst zu nehmen sind und deswegen Anlass geben, sich mit den britischen Partnern sehr unverzüglich in Verbindung zu setzen, um herauszufinden, was da wirklich dran ist, was wahr ist und was das bedeutet.

Frage: Herr Kotthaus, in der vergangenen Woche hat Herr Schäuble ein bisschen für Verwirrung gesorgt, als er erklärte, dass das OMT-Programm die Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank gefährde. Ist er da richtig verstanden worden? Oder können Sie erklären, was er da genau gesagt hat?

Dann hat er noch erklärt, dass die EZB offensichtlich seine Argumentation nicht so ganz verstehe. Das läge vielleicht auch daran, dass Herr Draghi Italiener sei. Steht Herr Schäuble zu diesen Kommentaren mit der EZB in Kontakt? Hat er sich explizit dafür entschuldigt?

Kotthaus: Das ist eine alte Kamelle, die ich hier gerne noch einmal aufwärmen kann.

Der Minister hat in der Vergangenheit mehrfach gesagt, dass ihm das Wichtigste die absolute Unabhängigkeit der EZB ist. Die Bundesregierung - und auch vorherige Bundesregierungen - hat sich immer sehr dafür eingesetzt, dass die EZB wirklich unabhängig ist. Das ist ein Prinzip, das wir seit Bundesbankzeiten haben, mit dem wir sehr gut gefahren sind und das uns einfach sehr am Herzen liegt. Das ist nichts Neues. Das ist deutsche Grundsatzpolitik, was die EZB betrifft.

Das OMT-Programm ist an bestimmte Bedingungen gekoppelt. Sie wissen, dass die EZB bei der Verkündung des OMT-Programms gesagt hat, dass bestimmte Vorbedingungen erfüllt sein müssen - unter anderem ein ESM-Programm und anderes mehr. Ein ESM-Programm ist wiederum von der Zustimmung des ESM-Boards, also der gesamten Eurogruppe, abhängig. Diese ist wiederum von der vorherigen Zustimmung in den Parlamenten und Ähnlichem mehr abhängig.

Wenn man sieht, dass eine Entscheidung der unabhängigen EZB in einer gewissen Form von Entscheidungen im Rahmen von ESM und nationalen Parlamenten abhängig gemacht wird, die gegebenenfalls auch überprüft werden können, dann könnte es sein, dass die Unabhängigkeit der EZB tangiert werden könnte. Das ist nichts Neues. Der Minister hat schon mehrfach darauf hingewiesen, dass das eine Sache ist, die er betrachtet.

Er hat auch klargemacht, dass gerade in Deutschland sowohl das Parlament als auch das Bundesverfassungsgericht eine sehr wichtige, starke und bedeutende Stellung haben, die in vielen anderen Ländern in dieser Form anders ist. Das geht auf die deutsche Geschichte zurück. Das geht auf deutsche Entscheidungen bei der Schaffung und Auslegung des Grundgesetzes zurück. Das geht auf intensive Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zurück, die diese starke Stellung von Parlament und Bundesverfassungsgericht festgeschrieben haben. Auch das ist eine deutsche Besonderheit. Der Minister wollte nur darauf hinweisen, dass es für Außenstehende - Außenstehende im Sinne von Leute, die nicht in Deutschland politisch agieren, die im politischen deutschen Geschäft sozusagen drin sind - manchmal schwer ist, nachzuvollziehen, wo diese starke Stellung des Bundesverfassungsgerichts und des Parlaments herkommen. Das ist eine deutsche Besonderheit, die sich so ergeben hat.

Mehr hat der Minister nicht gesagt und weniger auch nicht.

Zusatzfrage: Steht er denn trotzdem mit der EZB in Kontakt?

Kotthaus: Wir stehen laufend mit der EZB im Kontakt.

Zusatzfrage: Auch in dieser Angelegenheit?

Kotthaus: Wir treffen uns ja auch regelmäßig in irgendwelchen Eurogruppen. Der Kontakt mit der EZB besteht dauernd, er ist positiv und fruchtbar.

Zusatzfrage: Hat er sich konkret für die Äußerung, dass Herr Draghi als Italiener vielleicht seine Argumentation nicht versteht, entschuldigt?

Kotthaus: Wenn Sie die Äußerung so interpretieren, kann ich sagen, dass der Minister sich so nicht geäußert hat. Er hat sich so geäußert, wie ich es gerade erklärt habe.

Falls die Kollegen hier im Raum rätseln: Das Ding ist über eine Woche alt und eigentlich schon mehrfach abgearbeitet worden. Aber wir können es gerne zum dritten Mal machen.

Frage: Herr Seibert, wie beurteilt die Bundeskanzlerin die aktuelle Entwicklung der deutsch-türkischen Beziehungen?

Zweitens. Deutschland blockiert mit den Niederlanden den Beitrittsprozess der Türkei zur EU. Gibt es eine Änderung, was die Haltung Deutschlands angeht?

StS Seibert: Die deutsch-türkischen Beziehungen sind sehr intensive, sehr enge Beziehungen, die über eine lange Zeit gewachsen sind, und dadurch noch verstärkt werden, dass wir in Form von Millionen türkischstämmiger Menschen hier in Deutschland eine Brücke zwischen beiden Ländern haben. Es gibt sehr intensive wirtschaftliche Beziehungen, kulturelle Beziehungen. Die politischen Beziehungen sind intensiv. Das alles sage ich ganz bewusst, weil das von großer Bedeutung ist, auch wenn es derzeit in der Türkei eine schwierige Lage gibt und es einige Äußerungen in beide Richtungen gab, die erst recht in einen größeren Zusammenhang eingebunden werden müssen. Der größere Zusammenhang ist ein sehr enges freundschaftliches Verhältnis zwischen Deutschland und der Türkei.

Im Übrigen laufen die Beratungen der Außenminister heute und morgen. Diesen Beratungen möchte ich jetzt nicht vorgreifen.

Frage: Wenn wir hier schon Piloten und Germanisten hatten - als Naturwissenschaftler frage ich mich, Herr Kotthaus, in welchem Aggregatzustand sich "aufgewärmte Kamellen" befinden.

Aber dazu wollte ich jetzt nicht fragen, sondern noch einmal Herrn Dienst bemühen wegen der Pressekonferenz des Bundeswehrverbandes, die wir hier gerade erlebt haben.

Die Befragung, um die es da geht, hat ja insgesamt ein ziemlich negatives Bild der Bundeswehrreform gezeichnet. Nehmen Sie diese Kritik ernst? Machen Sie sich das in Teilen vielleicht sogar zu eigen, dass Sie sagen: Es läuft nicht alles so, wie es eigentlich laufen sollte, und die Bundeswehr-Soldaten, die von diesem Umbauprozess betroffen sind, könnten eigentlich früher/besser/umfassender usw. über ihr Schicksal informiert und unterstützt werden?

Dienst: Die Neuausrichtung der Bundeswehr ist ja eine Mammutaufgabe. Sie müssen sich da einen großen Konzern vorstellen, bei dem 80 Prozent aller Angehörigen hinsichtlich ihres Standortes oder ihrer beruflichen Perspektive mehr oder weniger bewegt werden müssen, und das in einem Zeitraum von fünf Jahren.

Dass die Neuausrichtung notwendig ist, ist vielfach schon dargelegt worden. Daran gibt es überhaupt keinen Zweifel, auch beim Bundeswehrverband nicht. Auch bei denen, die der Bundeswehrverband befragt, also in diesem Fall die Führungskräfte der Bundeswehr, gibt es keinen Zweifel, dass der Schritt nötig ist.

Nun ist einfach immer wieder die Frage: Macht man das nun in fünf Jahren, oder macht man das in zehn oder fünfzehn Jahren? Also kommt man absehbar mit dieser Neuausrichtung irgendwann zu einem Ende, oder kommt man zu keinem Ende und hat immer das Gefühl, in einer ewigen Reform zu sein?

Vom Ansatz her ist also der Zeitraum sehr kurz gehalten worden. Aber wie wir jetzt sehen, ist er anscheinend noch nicht kurz genug, weil jeder, der in dieses Neuorganisationsverfahren hinein gerät, natürlich möglichst zügig wissen möchte, wo er hinkommt. Das ist auch der Grund (der Unzufriedenheit), der aus der Bundeswehrverbandsstudie klar hervorgeht. Wenn man nämlich fragt, woran die Motivation scheitert, worin die Frustration begründet ist oder wie der Nachsteuerungsbedarf gesehen wird, dann ist hier ganz gut ausgeführt, dass es (vor allem folgende Punkte sind):

83 Prozent sagen: Es geht um die Erhöhung der beruflichen Planungssicherheit. Also sie wollen wissen, wo sie hinkommen. - Ein anderer Punkt ist mit 72 Prozent die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

So, dazu kann man nur sagen:

Zum Letzteren: Ja, wir haben erkannt, dass die Vereinbarkeit von Familie und Beruf verbessert werden muss, teilweise sogar wesentlich verbessert werden muss. Aber auch das ist eigentlich ein gesamtarbeitsgesellschaftliches Problem oder eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung. Das haben Sie in vielen anderen Firmen genauso. Wie sich die Familiengewohnheiten in der Gesellschaft ändern, so steigt natürlich auch der Anspruch an die Firma.

Was die Planungssicherheit anbelangt, dass eben 83 Prozent die Planungssicherheit erhöht haben wollen, liegt an dem, was ich eben mit den fünf Jahren ausgeführt habe. Seit Mitte letzten Jahres haben wir begonnen, dass Leute wirklich bewegt werden. Das geht noch weiter bis 2017. In der Masse werden die Bewegungen zwischen 2014 und 2016 vollzogen. Das heißt also, wenn Sie es wieder prozentual nehmen wollen - obwohl wir eben gelernt haben, dass Statistiken immer schwierig zu erfassen und zu verwenden sind - , dann haben wir gerade einmal 20 Prozent der Wegstrecke der Neuausrichtung hinter uns. Wir erwarten aber letztendlich 80 Prozent der Planungssicherheit, um das einmal in ein Bild zu gießen.

Das geht naturgemäß nicht. Der Ärger, die Frustration oder die nicht ganz so hohe Motivation in diesem Zusammenhang sind verständlich. Das war auch nicht anders zu erwarten. Das ist im Übrigen auch nicht groß anders gegenüber den Ergebnissen, die der Bundeswehrverband vor neun Monaten (veröffentlicht) hat.

Vielleicht letzte Anmerkung zur Attraktivität/Berufszufriedenheit: Wenn jetzt erhoben wird, dass 73 Prozent der Soldatinnen und Soldaten diese Firma ihren Angehörigen nicht weiter empfehlen würden - das ist ja ein sehr plakativer Anwurf -, dann muss man einfach einmal zur Studie des Bundeswehrverbandes von 2006/2007 zurückgehen - die erste dieser Art -, die der gleiche Professor, damals noch Privatdozent, durchgeführt hat. Da war es die gleiche Fragestellung: "Würden Sie Ihren Angehörigen die Firma weiterempfehlen?" Da war die Antwort exakt deckungsgleich. 73 Prozent haben gesagt: "würde ich nicht weiterempfehlen".

Das mag im Ergebnis nicht zufriedenstellen. Aber nun das Ergebnis von 2006/2007, das mit dem von heute gleich ist, mit der Neuausrichtung zu verbinden, ist dann wieder leicht konstruiert. Insofern ist es ein Soziophänomen. Sie können sich selber vielleicht auch alle fragen, ob Sie Ihre Firma Ihren Angehörigen weiterempfehlen würden oder nicht. Das lasse ich einfach einmal offen.

Zusatzfrage: Ein Aspekt in den Ausführungen des Bundeswehrverbandes war ja - es wurde auch ein Beispiel genannt -, dass zum Teil wegen des Umbaus und der Umsetzung der Leute akut in einzelnen Einheiten Leute fehlen. Der Oberst nannte das Beispiel einer Kompanie, in der statt 150 nur 40 Leute antreten. Da sie aber die gleichen Aufgaben zu erledigen haben, funktioniere das im Moment alles nicht.

Ist diese Kritik berechtigt? Gibt es Orte in der Bundeswehr, in der wegen des Umbaus im Moment Schwierigkeiten bestehen, die übertragenen Aufgaben zu erledigen? Ist deshalb die Forderung danach, einen gesonderten Stellenplan zur Abfederung dieser Sonderlasten während der Neuausrichtung einzuführen, berechtigt?

Dienst: Natürlich gibt es im Umbau auch Baustellen. Natürlich gibt es Einheiten, die schon begonnen haben, sich in ihrer alten Struktur aufzulösen, und eine neue Struktur entsteht anderenorts. Dann haben Sie natürlich die Situation, dass die alte Einheit nicht mehr und die neue Einheit noch nicht voll ist. Insofern erklären sich manche Diskrepanzen allein schon dadurch.

Dann haben Sie noch das Problem, dass wir ja Stellen abbauen. Bei den rein militärischen Stellen gehen wir von den ehemals 255.000 auf 185.000 Stellen herunter. Da haben Sie natürlich, wenn der Abbau relativ zügig vonstattengeht - was durchaus unser Ziel ist -, Einheiten, die in der alten Struktur noch existieren, die aber nach dem neuen Schlüssel weniger Personal zugewiesen bekommen. Das ist eine zweite Schwierigkeit, die sich da auswirkt.

Das sind, wie gesagt, Wehen des Umbaus und der Neuausrichtung, die alle erklärbar sind, die die Leute vor Ort natürlich im Zweifelsfall nicht zufriedenstellen, aber dem kaum Abhilfe zu schaffen ist.

Und nun 10.000 Mann zusätzlich zu fordern: Gut, das ist eine einfache plakative Forderung. Man muss sich auch immer fragen, wo sie denn herkommen sollen und wer sie bezahlen soll. - Wie gesagt: Die Begründung, die hier zu diesen 10.000 Stellen gegeben worden ist, ist in meinen Augen ziemlich dünn gewesen.

Frage: Eine Frage an das BMU zum Standortauswahlgesetz und seinen Folgerungen.

Vorausgesetzt, das Gesetz passiert in der vorliegenden Form Bundestag und Bundesrat, wird es dann zu den Aufgaben des neu zu schaffenden Bundesamtes für Entsorgung - in der Kurzfassung - gehören, eine arbeitsfähige Substruktur für die Evaluierungskommission zu schaffen?

Scharfschwerdt: Die letzten Beratungen laufen ja noch. Ich darf noch einmal auf das Berichterstatter-Gespräch heute Nachmittag verweisen.

Was das BfE betrifft: Sie beziehen sich wahrscheinlich auf den "Spiegel"-Artikel von gestern. Ich darf noch einmal daran erinnern, dass ursprünglich die Idee war, das Ganze für das BfE politikfern zu organisieren und ein weisungsfreies Institut zu gründen. Das stieß aber damals auf Ablehnung. - Die Kritik, das BMU wolle das Ganze an sich reißen, können wir daher gar nicht nachvollziehen.

In die Zuständigkeit des BfE sollen ja auch die vorhandenen Vorhaben - sprich Morsleben, Konrad und Asse - fallen. Das Ganze ist vorgeschrieben, auch per EU-Richtlinie. Insofern soll es dann auch umgesetzt werden.

Zusatzfrage: Ich beziehe mich nicht nur auf den "Spiegel"-Artikel. Herr Thomauske hat am 2. Juni in seiner Abschlusserklärung beim Bürgerforum erklärt, nach seiner Auffassung solle das BfE genau dieses liefern oder sein, nämlich eine arbeitsfähige, eine funktionsfähige Substruktur für die Evaluierungskommission zu schaffen. Teilt das BMU diese Auffassung oder nicht?

Scharfschwerdt: Herr Thomauske wird im Zusammenhang mit dem BfE immer wieder genannt. Aber es gibt eigentlich keinen Grund, sich seine Auffassung zu eigen zu machen.

Wo die Personalie herkommt, kann ich nicht nachvollziehen. Insofern gibt es auch keinerlei Grund, sich direkt mit dieser Frage zu befassen.

Zusatzfrage: Wo Herr Thomauske herkommt und wo er ist, das ist nicht so ganz unbekannt. Was er vielleicht werden könnte oder möchte, ist - spekulationsmäßig - auch nicht ganz unbekannt.

Er ist ja in dem Bürgerforum als Sachverständiger in der Sache gehört worden. Da hat er diesen Satz gesagt - das ist im Protokoll nachzulesen -, dass das BfE nach seiner Auffassung - ich kann es nur noch einmal wiederholen - die Aufgabe habe, eine Substruktur für die Evaluierungskommission zu erarbeiten oder sogar zu sein. Das würde ja im Grunde bedeuten, dass das Amt der Kommission, die ja eigentlich die Kriterien für die Standortauswahl entwickeln sollte, mindestens zuarbeitet oder sogar Vorschläge macht.

Da ist eben die Frage: Entspricht das der Auffassung des BMU über die Rolle von BfE und Kommission? Also wer macht Vorschläge? Wer folgt? Wer arbeitet zu? Wer arbeitet vor?

Scharfschwerdt: Ich kann nur noch einmal darauf verweisen, dass die letzten Gespräche noch laufen. Ich möchte dem nicht vorgreifen. Für uns gibt es keinerlei Grund, uns die Auffassung von Herrn Thomauske zu eigen zu machen.

Zusatzfrage: Das heißt, Sie gehen davon aus, dass tatsächlich die Kommission die Kriterien für die Standortauswahl erarbeitet und nicht irgendjemand sonst?

Scharfschwerdt: Ich kann nur noch einmal sagen: Die Vorschläge einzelner Sachverständiger kommentieren wir nicht.

Zusatzfrage: Das war auch nicht die Frage. Ich habe Sie jetzt gefragt, ob ich daraus schließen kann, dass das BMU der Auffassung ist, dass tatsächlich die Evaluierungskommission und niemand sonst die Kriterien für die Standortauswahl trifft und festlegt?

Scharfschwerdt: Ich würde vorschlagen, wir warten die letzten Gespräche noch ab.

Frage: Kurz, Herr Kotthaus, zu den Beratungen der europäischen Finanzminister: An welchem Punkte im Hinblick auf die Abwicklungsfragen, die da diskutiert werden, hängt es denn im Moment noch? Wie sind jetzt die Aussichten, am Mittwoch zu Potte zu kommen?

Und dann auch noch gefragt: Welche Auswirkungen hätte es, wenn man nicht zu Potte kommt? Hätte das irgendwelche Auswirkungen auf die direkte Rekapitalisierung von Banken durch den ESM, oder wäre das für diesen Komplex schnurz?

Kotthaus: Schnurz, ein schönes Wort. Das habe ich lange nicht gehört. Schnurz ist wenig im Leben.

Wir haben uns jetzt Donnerstagnacht auf allgemeine Aussagen zur direkten Bankenrekapitalisierung geeinigt. Nichtsdestotrotz: Bevor dieses Instrument der direkten Bankenrekapitalisierung kommt - Sie wissen, wir haben uns darauf geeinigt, dass eine Obergrenze von 60 Milliarden im ESM dafür zur Verfügung stehen soll -, müssen wir noch mehrere legislative Schritte machen. Wir müssen uns auf die Leitlinien einigen. Wir müssen das deutsche ESM-Zustimmungsgesetz verändern. Wir müssen diese allgemeine Einigung in eine konkrete gießen. - Also es sind noch ein paar Schritte zu tun.

Davon abgesehen haben wir immer gesagt: Die direkte Bankenrekapitalisierung kann nur ein Baustein einer komplexen Union sein. Dazu gehört zum einen, dass die europäische Bankenaufsicht ihre Arbeit tatsächlich aufgenommen hat. Dazu gehört eben auch - das ist ganz wichtig -, dass die Restrukturierungsrichtlinie auch funktioniert und ins Leben gerufen worden ist. Denn sie finden in dieser Restrukturierungsrichtlinie die Haftungskaskade und die klaren Regeln, wie in Zukunft Banken in Europa abgewickelt werden können und müssen.

Wir haben immer gesagt, dass die direkte Bankenrekapitalisierung nur ein Ultima-Ratio-Instrument sein kann. Sie wissen, dass im ESM alle Instrumente ohnehin erst dann greifen, wenn sonst nichts mehr machbar ist respektive die Stabilität der Währung und die Eurozone als Ganzes gefährdet sind.

Das gilt natürlich insbesondere bei der direkten Bankenrekapitalisierung. Auch da müssen erst andere Wege ausgeschöpft sein. Dazu gehört eben auch, dass dann die Bankensituation so weit wie eben möglich mit "Bail-In" stabilisiert werden müsste. Daher ist es erforderlich, bevor wir dieses Instrument ins Leben rufen, dass auch die Bankenrestrukturierungsrichtlinie steht.

So bin ich optimistisch. Ich bin, wie Sie wissen, grundsätzlich ein optimistischer Mensch. Ich glaube auch sagen zu können, dass wir am Samstagmorgen um 4.30 Uhr nicht so weit auseinander waren. Aber ich gebe gern zu, dass eine Verhandlungssituation morgens um 4.30 Uhr eine gewisse Müdigkeit mit sich bringt und dann die Diskussionsschärfe nicht zunimmt, sondern abnimmt. Deswegen hat man sich dann entschieden, sich auf den Mittwoch zu vertagen.

Ich bin eigentlich hoffnungsvoll, dass wir die Diskussion, die über so lange Zeit geführt worden ist, in der wir uns immer stärker angenähert haben, am Mittwoch oder am Donnerstagmorgen - schauen wir einmal - zu einem Abschluss werden bringen können.

Worum geht es im Wesentlichen?

In der Diskussion ist sozusagen die Abwägung zwischen klaren Regeln und Flexibilität. Die klaren Regeln sind erforderlich, damit alle, die ihr Geld in europäischen Banken investieren, klar wissen, wovon sie ausgehen können. Sie müssen klare Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten kennen und wissen, wie die Haftungskaskade ist und die Banken aufgestellt sind. Auch die zusätzlichen Regelungen, um die Banken noch stabiler aufzustellen, sind hilfreich - die "Banken-Testamente" und Ähnliches mehr. Deswegen brauchen wir eine möglichst klare Regelung, also eine möglichst stringente Regelung, die klar und eindeutig ist.

Gleichzeitig muss man natürlich auch sagen: Ohne eine gewisse Flexibilität geht es nicht. Es gibt Anleihen, die nach außereuropäischem Recht laufen, und Ähnliches mehr. Es gibt andere Gründe, warum eine gewisse Flexibilität unvermeidbar ist.

Nichtsdestotrotz muss man die richtige Balance finden. An dieser Balance arbeiten wir. Meine Wahrnehmung der Diskussion von Freitagnacht und Samstagmorgen war: Man ist recht weit gediehen. Ich glaube auch, dass wir die Diskussion - dann hoffentlich mit einem guten Geist und wieder wach und frisch - am Mittwoch beenden können.

*

Quelle:
Mitschrift der Pressekonferenz vom 24. Juni 2013
http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2013/06/2013-06-24-regpk.html;jsessionid=87A532ED1822EF5A101E6D97F5044CFE.s3t2
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veröffentlicht im Schattenblick zum 26. Juni 2013