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PRESSEKONFERENZ/561: Regierungspressekonferenz vom 22. Februar 2013 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Mitschrift der Pressekonferenz - Freitag, 22. Februar 2013
Regierungspressekonferenz vom 22. Februar 2013

Themen: Nachruf auf Tissy Bruns, Termine der Bundeskanzlerin (Reise in die Türkei, 40. Geburtstag von Bundeswirtschaftsminister Rösler, Gespräch mit dem US-Außenminister, Kabinettssitzung, Übergabe des Gutachtens der unabhängigen Expertenkommission Forschung und Innovation, Plenarsitzung des Deutschen Bundestags, Treffen mit dem italienischen Staatspräsidenten), Gottesdienst zum Rücktritt von Papst Benedikt XVI. in Berlin, Haushaltsdefizite in Spanien und Frankreich, Gefecht bei Kundus, Bahnprojekt "Stuttgart 21", falsche Etikettierung von Lebensmitteln, mögliche finanzielle Hilfe für Zypern, deutsche Rüstungsexporte, zukünftiges internationales Engagement in Afghanistan, wirtschaftliche Entwicklung, europapolitische Grundsatzrede des Bundespräsidenten

Sprecher: StS Seibert, Kotthaus (BMF), Dienst (BMVg), Moosmayer (BMVBS), Eichele (BMELV), Schlienkamp (BMWi), Peschke (AA)



Vorsitzender Hebestreit: Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich darf Sie zur heutigen Regierungspressekonferenz begrüßen. - Bevor wir in die normale Regierungspressekonferenz einsteigen, werden wir eine Schweigeminute für unsere langjährige Vorsitzende Tissy Bruns einlegen.

Wie viele von Ihnen bereits wissen, ist Tissy Bruns am vergangenen Mittwoch nach langer schwerer Krankheit gestorben. Mit ihr verstarb nicht nur eine Vollblutjournalistin, die für einen ernsthaften und professionellen, einen neugierigen und leidenschaftlichen Journalismus stand, sondern auch eine der herausragenden Stimmen für die Parlamentsberichterstattung in Berlin - eine Frau, die sich für das Verständnis von Politik und für ein besseres Verhältnis von Politikern und Journalisten engagiert hat.

24 Jahre lang gehörte Tissy Bruns der Bundespressekonferenz an. Von 1999 bis in das Jahr 2003 stand sie als erste Frau an der Spitze des Vereins. In ihre Amtszeit fiel der Umzug von Bonn nach Berlin. Tissy Bruns hat der Bundespressekonferenz in der Hauptstadt Gesicht und Gewicht gegeben. Sie war damit ein Aushängeschild und eine kompromisslose Anwältin für die Belange von uns Korrespondenten. Wir trauern um Tissy Bruns. Wir werden sie sehr vermissen. Unsere Gedanken sind bei ihr und ihrer Familie.

Jetzt wird Regierungssprecher noch ein paar Worte sagen. Dann bitte ich Sie, sich zu einer kurzen Schweigeminute zu erheben.

StS Seibert: Vielen Dank. Wenn Sie gestatten, würde ich gern auch im Namen von uns hier oben, der Sprecher der Regierung und der Ministerien, sagen, wie traurig wir über die Nachricht vom Tode Tissy Bruns sind. Es ist bereits vieles über ihre große journalistische Leistung gesagt worden. Ich würde gern sagen, dass ein Text, ein Artikel von Tissy Bruns immer eine Überzeugung hatte. Es gab immer ein klares Urteil, eine fundierte Meinung und vor allem eine Haltung. Nebenbei war es immer ein intellektuelles Vergnügen, diese Artikel zu lesen.

Insofern: Jeder, der wie Sie Tissy Bruns als Kollegin begegnet ist - oder wie wir als Sprecher von Ministerien oder Regierung - wird sie als eine wirklich außergewöhnliche Journalistin, vor allem aber als eine sehr warmherzige und kraftvolle Frau in Erinnerung behalten. Wir werden ihre Arbeit vermissen. Vor allem aber werden wir den Menschen Tissy Bruns vermissen.

(Schweigeminute)

Vorsitzender Hebestreit: Vielen Dank.

"The show must go on". So fangen wir auch heute die freitägliche Regierungspressekonferenz, nachdem ich noch einmal den Regierungssprecher sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien begrüße, mit den Terminen der Bundeskanzlerin in der kommenden Woche an.

StS Seibert: Wir hatten schon angekündigt, dass die Bundeskanzlerin von Sonntag bis Montag die Türkei besuchen wird. Es hat dazu bereits ein Briefing gegeben. Details und Inhalt der Reise sind also weitestgehend bekannt. Wir werden ein Presseprogramm veröffentlichen, sobald - das wird jetzt nicht mehr lange dauern - die letzten Details zum Ablauf geklärt sind.

Um es noch einmal ganz kurz zu machen: Am Montag - das ist der entscheidende politische Tag - wird die Bundeskanzlerin in Ankara Gespräche mit Staatspräsident Gül und Ministerpräsident Erdogan führen. Außerdem gibt es Wirtschaftsprogrammpunkte und eine gemeinsame Pressekonferenz mit dem Ministerpräsidenten.

Am Dienstag, dem 26. Februar, nimmt die Bundeskanzlerin am Empfang zum 40. Geburtstag von Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler teil. Das findet in der Classic Remise Berlin statt. Die Veranstaltung beginnt um 17.30 Uhr. Sie wird Herrn Rösler gratulieren und ihn in einer kurzen Rede würdigen.

Am Dienstag ist außerdem vorgesehen, dass die Bundeskanzlerin im Kanzleramt ein Gespräch mit dem amerikanischen Außenminister Kerry führt. Er wird zuvor mit seinem Amtskollegen Außenminister Westerwelle zusammengetroffen sein. - Die Details zu diesem Treffen werden wir Ihnen ebenfalls noch nachreichen.

Am Mittwoch sind wir dann wieder in der üblichen Ordnung der Dinge. Anders als in dieser Woche wird um 9.30 Uhr das Bundeskabinett tagen.

Um 11 Uhr am Mittwoch übergibt die unabhängige Expertenkommission Forschung und Innovation ihr diesjähriges Gutachten an die Bundeskanzlerin und die Bundesministerin für Bildung und Forschung, Frau Wanka. Diese Kommission entwickelt in ihrem Gutachten ein Gesamtbild des deutschen Forschungs- und Innovationssystems. Sie weist auf Schwächen und Stärken sowie Entwicklungen im internationalen Vergleich hin und gibt für die Innovationspolitik Empfehlungen. Dieser Termin ist presseöffentlich. - Die Expertenkommission wird außerdem am Mittwoch um 12.15 Uhr hier in der BPK zu Gast sein und über Einzelheiten ihres Gutachtens berichten.

Am Donnerstagvormittag nimmt die Bundeskanzlerin an der Plenarsitzung des Deutschen Bundestags teil.

Am Donnerstag um 12.15 Uhr empfängt sie den italienischen Staatspräsidenten Giorgio Napolitano im Bundeskanzleramt. Es gibt einen Bildtermin bei der Ankunft des italienischen Staatspräsidenten, der insgesamt vom 26. Februar bis 1. März in Deutschland ein Reiseprogramm absolviert.

Auch am Freitagvormittag ist die Bundeskanzlerin wieder im Plenum des Deutschen Bundestages.

Frage: Wird die Kanzlerin am Abschiedsgottesdienst für Benedikt XVI. teilnehmen?

StS Seibert: Das ist vorgesehen. - Sie meinen hier in der St. Hedwigs-Kathedrale in Berlin?

Zusatz: Ja.

StS Seibert: Genau.

Frage: Ist bei dem Treffen mit dem italienischen Staatspräsidenten Napolitano nur ein Bildtermin geplant? Wird es also keine Pressekonferenz geben?

StS Seibert: Ein Bildtermin.

Frage: Herr Seibert, ich möchte Sie fragen, ob die Bundesregierung besorgt über die Zahlen zum Defizit ist, die aus Frankreich und auch aus Spanien kommen, ob die Bundesregierung eine neue Zuspitzung der Vertrauensprobleme in die Eurozone befürchtet und wie mit dieser Zielüberschreitung zu verfahren ist?

StS Seibert: Zunächst einmal hat heute Vormittag die Europäische Kommission ihre Winterprognose zur Wachstumserwartung und zu Haushaltsentwicklungen vorgelegt. Jetzt ist es also möglich, dass man den dafür vorgesehenen Weg einschlägt, und das heißt eine Befassung in der Eurogruppe.

Das ist nicht von der Bundesregierung zu bewerten, sondern von den europäischen Partnern und vor allem von der Kommission, die ausführlich mit jedem Staat über den Weg des Schuldenabbaus sprechen wird. Vertrauen in Europa muss immer wieder erarbeitet werden, indem die Staaten für sich ihre Hausaufgaben machen, wie die Bundeskanzlerin es immer wieder ausdrückt, indem sie also den Weg zu Stabilität, zu nachhaltigen Finanzen, gehen.

Zusatzfrage: Gibt es denn Sorge bei der Bundesregierung und würde sie es für akzeptabel halten, wenn man - wie in anderen Problemfällen auch - auf der Zeitschiene Zugeständnisse bei der Zielerreichung macht?

StS Seibert: Also, ich habe gesagt: Das Defizitverfahren läuft so, dass die Kommission die Bewertung vornehmen muss und dann Vorschläge macht, die vom Rat zu beschließen sind. Das ist ein Prozedere, dem wir jetzt hier auch nicht vorgreifen sollten.

Sie fragen nach Sorgen. Die Bundeskanzlerin hat immer wieder klar gemacht, dass nach ihrer Auffassung, nach Auffassung der Bundesregierung, die Krise noch nicht vorbei ist. Wir haben vieles erreicht. Aber wir sind noch nicht am sicheren Ufer. Damit drückt sich die Grundstimmung aus. Es ist weiterhin viel zu leisten.

Zusatzfrage: Gab es in den letzten 24 Stunden irgendeinen Kontakt der Kanzlerin mit ihrem französischen Kollegen oder, Herr Kotthaus, Ihres Ministers mit seinem Kollegen?

StS Seibert: Ich kann von einem solchen Kontakt nicht berichten. Ich weiß, dass um 14 Uhr der französische Finanzminister in Paris vor die Presse gehen wird. Das ist sicher ein interessanter Termin.

Kotthaus: Die beiden stehen im laufenden Kontakt. Aber ich kann jetzt keinen konkreten Termin nennen, wann sie zum letzten Mal telefoniert oder sonst etwas gemacht haben.

Frage: Eine Frage an Herrn Dienst: Nach der gestrigen Aktion bei Kundus, bei der ein deutscher Soldat verwundet wurde, hat der Minister ja gestern Abend in Brüssel bestätigt, dass es sich um einen KSK-Mann handelt. Da Sie zu Einsätzen von Spezialkräften in der Regel nichts sagen, werde ich dazu auch nicht fragen.

Es gab im Zusammenhang mit diesem Einsatz allerdings die Meldung, dass es Luftnahunterstützung und als Folge zivile Opfer gegeben haben soll. Können Sie dazu etwas sagen?

Dienst: Dazu kann ich Ihnen nichts sagen. Ich habe wirklich keinen Hintergrund dazu. Ich lese das auch alles in der Presse, habe aber keine Basis, anhand der ich das bestätigen oder dementieren kann. Ich kann Ihnen also nicht - einfach so aus der Tasche - sagen, dass es Luftangriffe und gar zivile Opfer gegeben hätte.

Zusatzfrage: Pardon. Sie sagen ja, Sie kennen diese Meldungen auch seit gestern. Sie können sie aber nicht dementieren?

Dienst: Der ganze Gefechtsverlauf wird sicherlich untersucht. Ich habe keine aktuellen Erkenntnisse über das hinaus, was ich lese oder was wir bestätigen.

Alles, was wir bestätigen, steht auf der Homepage der Bundeswehr. Es gibt den Zusatz, dass es sich um einen KSK-Soldaten gehandelt hat. Diese Information hat heute Nacht Minister de Maizière der "dpa" in Brüssel gegeben.

Frage: Ich würde gern eine Frage an Herrn Kotthaus zu "Stuttgart 21" stellen. Gibt es Überlegungen in der Bundesregierung, dass der Bund neue Kosten bei dem Projekt "Stuttgart 21" übernimmt?

Kotthaus: Bei "Stuttgart 21" gibt es drei Partner. Sie heißen Bahn, Land und Stadt. Der Bund ist mit einem Festbetrag an dem Projekt beteiligt. Zurzeit laufen die Gespräche unter den drei Partnern. Mehr kann ich dazu von meiner Seite aus im Augenblick nicht beitragen.

Frage: Das heißt also, der Bericht der "FAZ" ist im Grunde falsch, wonach es eine Empfehlung geben soll, die Mehrkosten in Höhe bis zu 2 Milliarden Euro zu genehmigen?

Kotthaus: Ich glaube, der korrekte Ansprechpartner wäre das BMVBS. Denn dort liegt das Thema. Wie gesagt, wir sind ja nur mit einem Festbetrag dabei.

Mein Stand ist: Die Partner reden miteinander. Diese Sprechklauseln sind gezogen worden. - Mehr kann ich dazu im Moment nicht beitragen.

Moosmayer: Genauso ist es auch richtig. Das Projekt "Stuttgart 21" ist ein eigenwirtschaftliches Projekt der Deutschen Bahn AG mit den regionalen Projektpartnern vor Ort. Dort wird momentan darüber diskutiert, wie die Mehrkosten, die jetzt aufgetreten sind und die seit Ende letzten Jahres bekannt sind, unter den Projektpartnern verteilt werden sollen. Es sind fünf. Insofern muss man diese Gespräche abwarten. Die Projektpartner sprechen miteinander. Meines Wissens ist für die nächste Woche auch eine Sitzung des Lenkungskreises anberaumt. Es wird dann auch einen Termin im Aufsichtsrat der DB AG geben, um den Teil, der die DB AG betrifft, zu besprechen. Dessen Ergebnis wird dann auch zu gegebener Zeit zu berichten sein. Aber momentan laufen die Gespräche über diese Aufteilung der Mehrkosten, und von daher kann ich eigentlich nur sagen: Die Gespräche laufen.

Zusatzfrage: Gibt es also keinen Beschluss, keine Empfehlung?

Moosmayer: Wie gesagt: Die Gespräche laufen alle noch. Die Gremien, die darüber entscheiden, werden sich treffen - der Lenkungskreis meines Wissens nächste Woche und der Aufsichtsrat der DB AG Anfang März -, und dann wird man Entscheidungen treffen.

Frage: Ich habe eine Frage an das Verbraucherministerium: Plant die Ministerin in den nächsten Tagen ein Treffen mit ihren Länderkollegen?

Eichele: Die Ministerin hat am Montag dieser Woche ein Treffen mit den Länderkollegen gehabt. Dabei wurde ein Aktionsplan verabschiedet, mit dem Deutschland auf die Vorkommnisse im Zusammenhang mit falsch etikettierten Lebensmitteln reagiert. Der nächste Schritt ist ein Treffen in Brüssel auf Ebene der Agrarminister am kommenden Montag, bei dem über weitere Maßnahmen und den Sachstand beraten werden wird.

Frage: Ich möchte mich einmal wieder dem Thema Zypern widmen. Ich würde zum einen gerne Folgendes wissen: Im Moment befindet sich ein russisches Regierungsmitglied - der Wirtschaftsminister, wenn ich es richtig weiß - hier in Berlin. Hat es auf irgendeiner Ebene der Bundesregierung Gespräche mit dem russischen Vertreter über Möglichkeiten oder Ideen für einen Beitrag Russlands zur Lösung der Probleme in Zypern gegeben?

Eine zweite Frage geht an Herrn Kotthaus: Herr Kotthaus, halten Sie es für möglich und vielleicht auch für dringend notwendig, dass man das Zypern-Problem so schnell wie möglich - sprich: bis Ende März - löst?

Kotthaus: An wen war die erste Frage gerichtet?

Zusatzfrage: Ich weiß nicht, wer außer Herr Rösler möglicherweise den russischen Minister getroffen hat. Von daher ist das eine Frage in den Raum hinein: Gab es irgendwelche Gespräche vonseiten irgendeines Regierungsmitglieds mit dem russischen Vertreter über das Thema Zypern? Das ist die Frage. Vielleicht wissen Sie das, Herr Seibert.

Schlienkamp: Mir ist nicht bekannt, dass darüber bei dem Treffen gesprochen worden ist.

Kotthaus: Ich kann zum ersten Teil auch nichts beitragen.

Zu Zypern gilt: Es dauert so lange, wie es dauert. An den Fragen, über die wir beide uns hier mit großer Freundschaft und Regelmäßigkeit austauschen, hat sich erstaunlicherweise seit Mittwoch nichts dramatisch verändert, weil es immer noch keine Regierung auf Zypern gibt, soweit mir bekannt ist, sondern es am Wochenende Wahlen geben wird. Danach wird die Troika dann sicherlich relativ schnell das Gespräch mit der neuen zypriotischen Regierung suchen, und sie muss dann mit dieser diskutieren, wie ein nachhaltiges Paket für Zypern aussehen könnte. Das Paket muss die Fragen der Systemrelevanz, des Bankensektors und der nachhaltigen Schuldentragfähigkeit klären. Es muss die Frage geklärt werden, was für Maßnahmen möglich sind. Sie erinnern sich, dass der gegenwärtige Präsident bestimmte Maßnahmen ausgeschlossen hat. Das muss alles geklärt werden. Dann muss die Troika einen gemeinsamen Vorschlag machen, der wiederum in der Gruppe der Finanzminister der Eurozone diskutiert und dann einstimmig beschlossen werden muss, wobei für bestimmte Länder vorher noch eine parlamentarische Zustimmung erfolgen muss.

Ich habe Ihnen jetzt die Schritte geschildert. Ich überlasse es jetzt Ihrer großzügigen Bewertung, wie schnell das zu machen sein wird. Ich kann es Ihnen nicht sagen. Das sind schwierige Fragen, und die müssen geklärt werden. Auch die Frage der Geldwäsche, die also auch tatsächlich effektiv bekämpft werden muss, ist eine Frage, die geklärt werden muss. Dazu hat die Eurogruppe am Montag letzter Woche auch eine dementsprechende Bitte an Zypern geäußert. All das muss vorliegen. Ich kann Ihnen jetzt nicht sagen, wie schnell das gehen wird. Ich denke, da gilt mein Anfangssatz: Es dauert so lange, wie es dauert. Keiner will das irgendwie verzögern, aber es will sich auch keiner über Gebühr pressen lassen. Also müssen wir jetzt schauen.

Zusatzfrage: Wie würden Sie denn das, was da gegenwärtig passiert, beschreiben? Ist gerade auch die Diskussion innerhalb der Bundesregierung und innerhalb Ihres Ressorts im Moment eine allgemeine Diskussion, in der man alle Optionen erwägt, sie durchcheckt und einfach versucht, die Präferenzen zu klären? Man liest nämlich im Moment Tag für Tag von verschiedensten Erwägungen, die in Ihrem Hause und innerhalb der Bundesregierung angestellt werden, und zwar unter Einschluss dessen, was man früher Kapitalschnitt genannt hat und jetzt Bail-in nennt.

Kotthaus: Die Vorschläge dazu, wie wir in Zypern eine Lösung finden, müssen im Endeffekt von der Troika kommen. Es gibt sicherlich viele andere Beteiligte, die sich darüber Gedanken machen, wie man in Zypern und den Zyprioten helfen kann. Das ist doch etwas Schönes, wenn wir da alle bemüht sind. Aber im Endeffekt müssen die Vorschläge als ein einstimmiger Vorschlag vonseiten der Troika kommen. Ich werde hier jetzt keine einzelnen Vorschläge kommentieren, die irgendwo ventiliert werden oder auch nicht, sondern wir warten auf die Vorschläge der Troika, und dann werden wir darüber im Kreise der Euro-Finanzminister, in der Eurogruppe, diskutieren.

Der nächste Termin, an dem sich die Eurogruppe treffen wird, ist Montag, der 4. März. Sicherlich wird dann auch das Thema Zypern - wie auch alle anderen Programmländer - wieder auf der Agenda stehen. Inwieweit man dann in Zypern schon mit einer neuen zypriotischen Regierung gediehen sein wird, wage ich nicht abzuschätzen. Dazu wage ich keine Prognosen zu machen. Ich glaube, es kommt darauf an, dass wir hier ein sorgfältiges, nachhaltiges, glaubwürdiges und glaubhaftes Paket schnüren. Das ist die Aufgabe der Troika, zusammen im Dialog mit der dann neuen zypriotischen Regierung.

Frage: Ich habe eine Frage an das Wirtschaftsministerium. Aus einer Antwort Ihres Ministeriums auf eine Anfrage der Linkspartei geht hervor, dass die Rüstungsexporte speziell in die Golfregion im vergangenen Jahr deutlich gestiegen sind, sich verdoppelt haben. Können Sie vielleicht einmal erklären, was der Grund dafür ist und was aus Ihrer Sicht an der Kritik von Menschenrechtsorganisationen dran ist, die sagen, die Bundesregierung rüste Staaten hoch, die die Menschenrechte mit Füßen treten?

Schlienkamp: Vielen Dank für die Frage. Zunächst möchte ich darauf hinweisen, dass wir natürlich unverändert eine verantwortungsbewusste Rüstungsexportkontrollpolitik betreiben.

Zu der konkreten Frage nach dieser Antwort der Bundesregierung auf die Parlamentarische Anfrage: Wir haben ja heute Früh die Antwort der Bundesregierung an Interessenten verteilt. Wenn Sie sich die Zahlen einmal im Einzelnen anschauen, dann werden Sie feststellen, dass es Länder gibt, bei denen es nach oben geht. Es gibt aber auch Länder, bei denen es nach unten geht. Der Anstieg in Bezug auf Saudi-Arabien lässt sich relativ einfach erklären, und zwar ist der Grund ein auch bekanntes Grenzschutzprojekt von EADS mit einer Summe von 1,1 Milliarden Euro. Das Ganze ist nicht neu. Es hat darüber auch eine Berichterstattung gegeben, und zwar bereits im vergangenen Jahr. Ein solches Grenzschutzprojekt ist - das hat sich ja bei dem Überfall auf das algerische Gasfeld gezeigt - ein besonders wichtiges und auch legitimes Anliegen, das auch erkennbar kein Instrument ist, um etwa die Opposition zu unterdrücken. Insofern ist auch die Kritik, die aktuell - heute auch aus dem parlamentarischen Raum - geäußert worden ist, ein, wie ich es einmal klar sage, völlig untaugliches und auch sehr durchschaubares Instrument, um die Bundesregierung hierbei in eine bestimmte Ecke zu drängen. Insofern weise ich diese Kritik auch mit Nachdruck zurück.

Zusatzfrage: Die Kritik kommt zum Beispiel auch von Amnesty International, auch speziell an den Rüstungsexporten nach Algerien, die sich, wenn ich die Zahlen richtig gelesen habe, in den letzten zwei Jahren vervierzehnfacht haben. Können Sie das vielleicht etwas erklären? Wenn ich Amnesty International richtig verstehe, geht es zum Beispiel auch um Panzerwagen und Geländefahrzeuge, die vielleicht auch gegen die interne Opposition eingesetzt werden könnten.

Schlienkamp: Richtig ist, dass es bei Algerien, wenn ich mir die Zahlen hier einmal im Einzelnen anschaue, einen leichten Anstieg gegeben hat, wobei die Zahlen - Sie wissen das - noch vorläufig sind. Wir reden jetzt für das Jahr 2012 über rund 286 Millionen Euro im Vergleich zu 217 Millionen Euro im vorvergangenen Jahr. Auch dies hat einen relativ einfachen Hintergrund, und zwar umfassen die Ausfuhrgenehmigungen unter anderem militärische Lkw im Wert von rund 140 Millionen Euro und Geländewagen im Wert von rund 130 Millionen Euro. Es geht also um Geländewagen und militärische Lkw.

Zusatzfrage: Diese halten Sie für unproblematisch?

Schlienkamp: Das möchte ich im Einzelnen nicht bewerten. Das ist Ihre Bewertung.

Um noch einmal auf das zurückkommen, was ich eben erwähnt habe: Es ist, genauso wie dieses Grenzschutzprojekt, von dem ich eben gesprochen habe, sicherlich kein Instrument, um die Opposition zu unterdrücken.

Frage: Eine Frage zum Thema Afghanistan, aber aus einem anderen Blickwinkel. Herr Peschke oder Herr Dienst, bei der Nato wird darüber gesprochen, auf Initiative der USA die afghanischen Sicherheitskräfte nun doch etwas größer beizubehalten und zu unterstützen, als es bislang geplant war. Ist schon einmal überschlagen worden, welche zusätzlichen finanziellen Verpflichtungen daraus auf Deutschland zukommen, zum Beispiel für den ANA Trust Fund, aber auch für bilaterale Hilfe?

Peschke: Ich kann Ihnen keine konkreten Zahlen nennen. Ich kann Ihnen nur sagen, dass in ganz verschiedenen Bereichen das zukünftige internationale Engagement in Afghanistan diskutiert wird. Das betrifft einmal eine mögliche Präsenz westlicher militärischer Ausbilder und anderer Kräfte, um die Ausbildung der afghanischen Sicherheitskräfte fortzusetzen. Das betrifft eine direkte Unterstützung der afghanischen Sicherheitskräfte. Das betrifft den Bereich der Ausbildung anderer afghanischer Sicherheitskräfte als der Armee, so zum Beispiel der Polizei. Das betrifft aber auch zum Beispiel und ganz wesentlich den Bereich Wiederaufbau und zivile Unterstützung, der mindestens genauso wichtig ist, um eine stabile Zukunft Afghanistans zu ermöglichen.

In all diesen Bereichen wird derzeit in verschiedenen Foren gesprochen. Für konkrete Zahlen - wir reden über einen Zeitraum post 2014 - ist es noch zu früh.

Zusatzfrage: Nun hat Deutschland für diesen Zeitraum post 2014 finanzielle Mittel für die afghanischen Sicherheitskräfte bereits zugesagt. Ist denn die Vermutung zutreffend, dass da noch einmal aufgestockt werden muss?

Peschke: Ich weiß nicht, ob Herr Dienst das ergänzen möchte.

Ich glaube, die Formulierungen "Aufstockung" oder "Herabstufung" sind in dem Fall etwas irreführend, wenn ich mir die Bemerkung erlauben darf. Wir haben zugesagt, dass wir Afghanistan nach dem Jahr 2014 selbstverständlich unterstützen, dass wir Afghanistan nach dem Jahr 2014 nicht im Stich lassen. Aber zur Frage, in welcher Höhe und welcher Form konkret die Unterstützung erfolgen wird, haben wir immer gesagt, dass das Gegenstand der Beratungen innerhalb der Nato, der internationalen Staatengemeinschaft und der Vereinten Nationen ist. In diesem Rahmen wird der zukünftige Beitrag festzulegen sein. Insofern kann man schlecht sagen, dass es mehr oder weniger sein wird, weil einfach die Hausnummer, wie viel es sein wird, noch fehlt.

Zusatzfrage: Dann habe ich noch eine Lernfrage; vielleicht habe ich es falsch verstanden. Deutschland hat sich doch mit einer bestimmten Summe zu dem ANA Trust Fund und in den bilateralen Abkommen mit einer bestimmten Summe zu einer direkten bilateralen Hilfe für die afghanischen Sicherheitskräfte verpflichtet. Insofern gibt es doch schon Zusagen in einer konkreten Höhe. Oder habe ich das alles falsch verstanden?

Peschke: Es gibt gewisse, aber nur sehr unspezifische Vorfestlegungen in den genannten Dokumenten, darunter auch diejenigen, die Sie genannt haben. Der Gesamtbeitrag - auch der Gesamtbeitrag in den einzelnen Feldern - ist aber noch zu bestimmen. Das ist auch logisch, denn das ist ja noch eine ganze Weile hin. Wir müssen zunächst einmal sehen, dass wir die laufenden Zusagen abwickeln und dass wir auch die Zusagen für das nächste Jahr - also für 2014 - machen und abwickeln. Was danach kommt, sind ja Dinge, die noch in einer gewissen Zukunft liegen und die man erst dann endgültig bestimmen kann, wenn wir wissen, wie sich die Lage entwickelt, was die konkreten Bedürfnisse sind und wie die Beiträge anderer Geber aussehen. Insofern: Dafür ist es in der Tat einfach noch zu früh.

Zusatzfrage: Dann habe ich noch eine letzte Verständnisfrage: Das heißt, das Abkommen, das die Kanzlerin und der afghanische Präsident Karsai - ich glaube, voriges Jahr - in Berlin unterschrieben haben, war eine unspezifische, nicht genauer einzuschätzende Vorfestlegung, auf die sich die Afghanen in der Höhe nicht verlassen können, ist das so richtig?

Peschke: Diese Einschätzung dieses wichtigen Abkommens der Bundesregierung mit der afghanischen Regierung will ich nicht teilen. Es war eine so hinreichend spezifische Vereinbarung der beiden Regierungen, wie sie zu diesem Zeitpunkt möglich war.

Zusatzfrage: Aber gerade haben Sie gesagt, das sei eine unspezifische Vorfestlegung gewesen. Das verstehe ich jetzt nicht. Ist nun die Zahl, die in dem Abkommen steht, spezifisch oder nicht?

Peschke: Ich habe gerade gesagt: Es war eine so hinreichend spezifische Vereinbarung, wie sie zwischen der Bundesregierung und der afghanischen Regierung zum damaligen Zeitpunkt möglich war. Richtig ist natürlich, dass die bisherigen Vereinbarungen - die internationalen und die bilateralen - einer weiteren Ausgestaltung und Spezifizierung bedürfen, und zwar in dem Maße, wie sich der Zeitpunkt "post 2014" tatsächlich nähert.

Frage: Ich habe noch eine Nachfrage an das Wirtschaftsministerium. Wir haben heute wieder Indikatoren zur wirtschaftlichen Entwicklung bekommen: Wir haben den ifo-Geschäftsklimaindex, der erheblich besser war als das, was man erwartet hat. Bewegt sich das nach den doch relativ häufigen positiven Meldungen eigentlich im Rahmen dessen, was Sie selbst erwartet haben und was Sie in Ihrer doch übersichtlichen Prognose zugrunde gelegt haben, oder haben Sie den Eindruck, dass die Entwicklung inzwischen positiver verläuft und die Tendenz eher auf Überschreitung Ihrer Prognose hinläuft?

Schlienkamp: Nein, das ist genau das, was wir in unserer Projektion auch erwartet haben. Wir haben ja immer darauf hingewiesen, dass sich die Perspektiven für die deutsche Wirtschaft nach einem sicherlich schwierigen Winterhalbjahr allmählich aufhellen werden - die von Ihnen erwähnten Frühindikatoren deuten ja ganz klar darauf hin. Wir haben auch die Lage, dass die Industrieaufträge wieder zugenommen haben und wichtige Stimmungsindikatoren sich verbessert haben. Es gibt also allen Grund zu Optimismus, was die wirtschaftliche Entwicklung betrifft.

Frage: Herr Seibert, können Sie uns vielleicht sagen, wie die Kanzlerin die Europarede des Bundespräsidenten aufgefasst beziehungsweise entgegengenommen hat? Wird sie sich möglicherweise auch persönlich dazu äußern, so wie ihr Herausforderer?

StS Seibert: Damit rechne ich nicht. Die Rede des Bundespräsidenten steht selbstverständlich für sich. Die Bundesregierung hat es sehr begrüßt, dass der Bundespräsident zum Auftakt der neuen Reihe "Bellevue Forum" das Thema Europa ausgewählt hat. Europa ist ja, wie er gesagt hat, nicht nur das, was uns tagtäglich an Schwierigkeiten und Problemen aus den Nachrichten entgegenschlägt, sondern Europa ist vor allem einmal eine große europäische Idee. Auf die hat er abgehoben, als leidenschaftlicher Europäer hat er das herausgestrichen. Er hat auch betont, dass die Wertschätzung für diese große europäische Idee immer neu erarbeitet werden muss. Insofern habe ich da nichts zu kommentieren, aber dass das nun eine Europarede war, ist sicherlich von Bedeutung.

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Quelle:
Mitschrift der Pressekonferenz vom 22. Februar 2013
http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2013/02/2013-02-22-regpk.html
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veröffentlicht im Schattenblick zum 26. Februar 2013