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PRESSEKONFERENZ/522: Regierungspressekonferenz vom 3. Dezember 2012 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Mitschrift der Pressekonferenz - Montag, 3. Dezember 2012
Regierungspressekonferenz vom 3. Dezember 2012

Themen: israelische Siedlungspläne, Export deutscher Rüstungsgüter nach Saudi-Arabien, Griechenland, europäische Bankenunion, Kostensteigerung beim Bahnprojekt Stuttgart 21, Antrag auf NPD-Verbot, Änderung der Aktionärsstruktur bei der EADS, Jugendarbeitslosigkeit

Sprecher: StS Seibert, Peschke (AA), Toschev (BMWi), Kothé (BMF), Rudolph (BMVBS), Westhoff (BMAS)



Vorsitzender Wefers eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt StS Seibert sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

Frage: Ich möchte gerne in Bezug auf das Thema Israel danach fragen, wie die Bundesregierung die israelische Reaktion auf das Votum in der UN bewertet und ob sie sich irgendwelche Maßnahmen wie zum Beispiel Großbritannien überlegt. Ich las gerade, Großbritannien erwäge wegen der Siedlungspläne in Israel, den Botschafter zurückzubeordern.

StS Seibert: Ich will Ihnen gerne darauf antworten. Die Bundesregierung ist äußerst besorgt über die Ankündigung der israelischen Regierung, den Bau von mehr als 3.000 neuen Wohneinheiten vor allem in Ost-Jerusalem und im Westjordanland auszuschreiben. Die Bundesregierung und alle ihre europäischen Partner haben immer wieder auf die Notwendigkeit hingewiesen, dass jetzt alles getan werden muss, um eine Wiederaufnahme substanzieller Friedensverhandlungen zwischen den Israelis und den Palästinensern zu ermöglichen. Im Hinblick auf diese Bemühungen sendet die israelische Regierung nach unserer Überzeugung mit dieser Ankündigung, mit diesem Schritt eine negative Botschaft. Israel untergräbt damit das Vertrauen in seine Verhandlungsbereitschaft. Es schwindet auch weiter der geografische Raum für einen zukünftigen Palästinenserstaat, der ja die grundlegende Voraussetzung für eine Zwei-Staaten-Lösung sein müsste. Wir appellieren also an die israelische Regierung, von dieser Ausschreibung abzusehen. Beide Seiten sollen sich konstruktiv verhalten, um das, was dringend nötig ist, nämlich die Wiederaufnahme substanzieller und direkter Friedensgespräche, jetzt nicht zu verbauen.

Zusatzfrage: Gibt es - abgesehen von diesem Appell - irgendwelche Auswirkungen, zum Beispiel auch auf die anstehenden deutsch-israelischen Konsultationen? Ich glaube, Mitte der Woche wird Herr Netanjahu kommen. Wird das wie geplant stattfinden? Gibt es irgendwelche Änderungen oder irgendwelche Leute, die nicht mitfahren?

Noch einmal die Frage: Gibt es innerhalb der Bundesregierung Erwägungen, so ähnlich wie Großbritannien zu agieren, also den Botschafter zurückzubeordern?

StS Seibert: Zu der letzten Frage wird Herr Peschke gleich Stellung nehmen.

Ich kann Ihnen im Hinblick auf die Regierungskonsultationen sagen, dass sich aus unserer Sicht überhaupt keine Änderung einstellt. Die Bundeskanzlerin erwartet Herrn Netanjahu am Mittwochabend zum Abendessen und zum Gespräch im Bundeskanzleramt. Die eigentlichen Konsultationen folgen dann am Donnerstag. Wie ich kürzlich schon gesagt habe: Die deutsche Seite, die Bundeskanzlerin und die Minister, freut sich auf offene Gespräche unter Freunden.

Peschke: Zu der anderen Frage kann ich Ihnen nur sagen: Nein, die gibt es derzeit nicht.

Frage: Herr Peschke, in Israel wurde berichtet, dass Deutschlands Last-Minute-Entscheidung, sich bei der UN-Abstimmung dann doch zu enthalten, auch eine Reaktion auf den israelischen Beschluss gewesen sei, mit dem Siedlungsbau fortzufahren. Ist es eine richtige Darstellung? Trifft es zu, dass das dann sozusagen die Veränderung von "Nein" auf "Enthaltung" verursachte?

Peschke: Die Gründe für die Entscheidung bei der Abstimmung in der Generalversammlung der Vereinten Nationen haben wir ja sehr ausführlich deutlich gemacht. Der Hauptgrund war, dass innerhalb der Bundesregierung die klare Befürchtung bestand, dass dieser Schritt weitere Bemühungen im Friedensprozess eher erschweren als erleichtern würde. Deswegen haben wir uns so entschieden, wie wir uns entschieden haben.

Zu den Spekulationen: Die sind mir derzeit nicht bekannt. Dazu kann ich keine genauere Stellungnahme abgeben. Mir scheint das in der Sache allerdings etwas gewagt zu sein. Wenn man den zeitlichen Ablauf rein sachlich nachvollzieht, dann fand die Abstimmung in der Generalversammlung der Vereinten Nationen ja am Donnerstag statt, und die Bekanntgabe oder die Ankündigung einer bevorstehenden Siedlungsentscheidung, zu der Herr Seibert gerade unsere Einschätzung abgegeben hat, erfolgte meines Wissens am Freitag. Insofern ist das, rein zeitlich betrachtet, schwierig.

Wie gesagt: Für unsere Entscheidung in der UN-Vollversammlung sind die Gründe maßgeblich, die wir letzte Woche ausführlich dargelegt haben und die ich gerade noch einmal in Erinnerung gerufen habe.

Zusatzfrage: In der israelischen Presse wird auch berichtet, ein Staatssekretär des Auswärtigen Amtes habe gestern ein in der Sache sehr ernsthaftes Gespräch mit dem israelischen Außenminister geführt, in dem klargemacht worden sei, dass Deutschland sozusagen einen weiteren Ausbau der Siedlungspolitik nicht tolerieren würde. Gab es dieses Gespräch?

Peschke: Es gibt laufend sehr enge Gespräche mit unseren israelischen Partnern, und zwar auf allen Ebenen. Das betrifft die Fachebene, die Ebene der höheren Beamten, die Ebene der Regierungsberater, die Ebene der Außenminister und die Ebene der Staats- und Regierungschefs. Dieser Dialog ist natürlich umso intensiver, je näher wir den deutsch-israelischen Regierungskonsultationen kommen; Herr Seibert hatte das ja bereits erwähnt. Der sozusagen ultimativ enge Austausch über alle anstehenden Fragen wird natürlich während der Regierungskonsultationen stattfinden - nicht nur in Gesprächen der Chefs, sondern auch in Gesprächen der Fachminister sowie natürlich der beiden Außenminister, die während der Regierungskonsultationen ja auch zu Gesprächen zusammenkommen werden. Dieser Austausch ist also eng und unablässig, und er bezieht sich natürlich auf alle anstehenden aktuellen Fragen. Gerade die schwierigen Fragen werden natürlich offen besprochen werden.

Aber auch das, was Sie angesprochen haben, ist mir so, wie Sie es geschildert haben, nicht bekannt. Das scheint mir allein von der Ebene her - Staatssekretär, Minister - eine in der Sache zu bezweifelnde Darstellung zu sein; denn normalerweise wird immer von Ebene zu Ebene gesprochen.

Frage: An das Wirtschaftsministerium, vielleicht aber auch an Herrn Seibert: Es steht die Frage Saudi-Arabiens im Raum, Rüstungsgüter von Deutschland kaufen zu wollen. Die Rede ist von Transportfahrzeugen des Typs Boxer. Können Sie eine solche Anfrage bestätigen? Wie steht es um dieses Geschäft?

StS Seibert: Ich will dazu vielleicht nur das sagen, was ich an dieser Stelle schon mehrfach sehr grundsätzlich zu solchen Fragen gesagt habe, aber gerne noch einmal sage: Der Bundessicherheitsrat tagt geheim. Diese Geheimhaltung betrifft seine Tagesordnung, seine Beschlüsse und auch das Abstimmungsverhalten, das zu solchen Beschlüssen führt. So halten es deutsche Bundesregierungen seit Jahrzehnten, und diese Bundesregierung sieht keinen Grund, von dieser Staatspraxis abzurücken, die unser Verhältnis zu möglichen Empfängerländern schützt, also auch unsere außenpolitischen Sicherheitsinteressen schützt. Ich als Regierungssprecher gebe deswegen keine Auskunft über Angelegenheiten, die mit dem Bundessicherheitsrat zusammenhängen.

Der Rüstungsexportbericht, den wir alljährlich vorlegen und gerade im November für das Jahr 2011 wieder vorgelegt haben, stellt völlige Transparenz über genehmigte Anträge und auch über tatsächlich erfolgte Ausfuhrgeschäfte und Lieferungen her. Der ist die Basis für Diskussionen - im Bundestag oder in der Öffentlichkeit.

Zusatzfrage: Herr Seibert, ich weiß, dass Sie so auf diese Frage antworten, und deswegen überrascht es mich auch nicht. Aber ist es noch zeitgemäß, dieses Verfahren aufrechtzuerhalten? Sie verweisen zwar darauf, dass es seit Jahrzehnten alle Bundesregierungen so gemacht haben, aber Sie könnten das Verfahren natürlich auch ändern, wenn Sie wollten. Die Frage ist doch: Wenn es zunehmend Kritik an Empfängerländern gibt, die sich möglicherweise nicht den Rüstungsexportrichtlinien unterwerfen beziehungsweise den Eindruck erwecken, dass sie die Menschenrechtslage nicht so respektieren, wie es die Richtlinien vorschreiben, muss man dann nicht bestimmte Länder oder bestimmte Verhandlungen grundsätzlich infrage stellen?

StS Seibert: Ich habe ja gesagt: Die Bundesregierung sieht keinen Grund, an dieser Staatspraxis, die seit vielen Jahrzehnten geübt wird, etwas zu ändern. Im Gegenteil: Sie hält daran fest. Wir schützen so die Interessen möglicher Empfängerländer und auch unser Verhältnis zu solchen Ländern. Sie wissen sehr wohl, dass viele Anfragen nie zu einer Genehmigung und selbst im Falle einer Genehmigung nie zu einem Geschäft führen. Da gibt es also einen großen schützenswerten Bereich. Es geht oft auch darum, dass die Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse betroffener Unternehmen zu schützen sind. So haben es Regierungen seit den Fünfziger- und Sechzigerjahren gesehen, übrigens Regierungen jeglicher politischer Schattierung, und so sehen wir es auch weiterhin.

Ich bin im Übrigen nicht lange genug im Geschäft, um beurteilen zu können, ob es nicht auch schon vor vielen Jahrzehnten Kritik an einzelnen Rüstungsexportentscheidungen gegeben hat, die dann jeweils im Rüstungsexportbericht veröffentlicht wurden. So ein ganz neues Phänomen scheint mir das nicht zu sein. Diese Bundesregierung betreibt also nicht nur den Umgang mit dem Bundessicherheitsrat in der gleichen Weise wie Regierungen vor ihr, sie sieht sich auch an die gleichen Grundsätze gebunden, anhand derer sie immer im Einzelfall abwägt, ob es zu einer Genehmigung kommt oder nicht. Das sind die Grundsätze, die zuletzt im Jahr 2000 von einer anderen Bundesregierung, der rot-grünen, niedergelegt wurden. Es sind Grundsätze, die auf europäischer Ebene - ich glaube, im Jahr 2008 - formuliert wurden. An die halten wir uns, und wir sehen uns auch in der Tradition unserer Vorgängerregierungen, eine verantwortungsbewusste Exportpolitik zu machen.

Frage: Herr Seibert, verstehe ich Sie richtig, dass Sie dann auch die Kritik von Frau Roth zurückweisen, die heute sinngemäß von einem außenpolitischen Paradigmenwechsel gesprochen hat?

Die zweite Frage, die ich stellen würde, bezieht sich auf das, was sie normalerweise auch immer gesagt haben, nämlich dass es für Exportanfragen beziehungsweise Exporte dieser Art strenge Kriterien gibt, die Sie dabei anlegen. Wenn ich den Rüstungsexportbericht richtig gelesen habe, dann sind, glaube ich, Kriegswaffen und Rüstungsgüter mit einem Volumen von 30 Millionen Euro an Saudi-Arabien geliefert worden; ich hoffe, ich habe die Zahl richtig im Kopf. Kann man das so interpretieren, dass Saudi-Arabien grundsätzlich die strengen Maßstäbe der Bundesregierung für diese Anfragen erfüllt, oder wie ist das zu interpretieren?

StS Seibert: Zur ersten Frage: Sie können davon ausgehen, dass ich das genauso wie Sie sehe; das bezieht sich auf die Äußerung von Frau Roth.

Zur zweiten Frage: Da, wo Genehmigungen für Exporte, für Anfragen aus Saudi-Arabien oder für Lieferungen an Saudi-Arabien erteilt worden sind und wo das in Rüstungsexportberichten auch öffentlich gemacht worden ist, können Sie davon ausgehen, dass die Prüfung nach menschenrechtlichen, sicherheitspolitischen, friedenspolitischen und stabilitätspolitischen Kriterien im Einzelfall zu dem Schluss gekommen ist, dass diese Anfrage berechtigterweise genehmigt werden kann.

Frage: Geht es also jeweils nur um Entscheidungen im einzelnen Fall? Gibt es keine Entscheidung, bei der man aus einer positiven Entscheidung für ein Land ableiten kann, dass die Entscheidung auch in Zukunft positiv ausfallen könnte?

StS Seibert: Es gibt keine Automatismen. Das sind alles Einzelfallentscheidungen.

Frage: Ich habe noch eine Frage an Sie und auch an das Auswärtige Amt: Ist Saudi-Arabien denn grundsätzlich ein Stabilitätsfaktor in der Region? Wie ist aus Sicht der Bundesregierung die Stellung dieses Landes?

StS Seibert: Ich habe hier schon vor einigen Monaten eine ähnliche Frage beantwortet. Saudi-Arabien ist erstens aus unserer Sicht durchaus ein Stabilitätsfaktor in der Region. Saudi-Arabien hat sich in mehreren Fällen, beispielsweise bei dem Versuch, im Jemen zu einer guten und friedlichen Lösung beizutragen, Verdienste erworben. Es gibt einen saudi-arabischen Friedensplan des Königs Abdullah, der damals, als er vorgestellt wurde, durchaus positive Signale enthielt, der eine implizite Anerkennung des Existenzrechts Israels enthielt und den wir deswegen als positiv betrachtet haben. Es gibt eine Zusammenarbeit mit Saudi-Arabien beispielsweise im G20-Rahmen, in dem Saudi-Arabien ein sehr engagierter Partner ist. Es gibt eine Zusammenarbeit bei der Bekämpfung des internationalen Terrorismus, die produktiv und wichtig ist.

Es gibt - auch das muss immer wieder in Überlegungen einfließen - in grundsätzlichen Menschenrechtsfragen natürlich auch unterschiedliche Auffassungen zwischen der Bundesregierung und der Regierung Saudi-Arabiens. Das sind Fragen, die bei Kontakten zwischen der Bundeskanzlerin und der saudischen Führung oder auf anderen Ebenen auch immer angesprochen wurden.

In der Abwägung all dieser Punkte, die ich Ihnen genannt habe, ist es in der Vergangenheit in einzelnen Fällen - das weisen die Rüstungsexportberichte nach - zu Genehmigungen und auch zu Ausfuhren gekommen. Es hat übrigens auch bereits in den Siebzigerjahren genehmigte Ausfuhren nach Saudi-Arabien gegeben.

Peschke: Wenn ich die Ausführungen des Regierungssprechers in außenpolitischer Hinsicht nur kurz unterstreichen darf: Das kann ich nur aus vollem Herzen bekräftigen. Saudi-Arabien ist für uns ein wichtiger Partner bei der Lösung regionaler und internationaler Probleme. Herr Seibert hat den arabischen Friedensplan in Bezug auf den Nahost-Konflikt erwähnt. Herr Seibert hat die Rolle Saudi-Arabiens erwähnt, wenn es darum geht, den Konflikt im Jemen beizulegen. Sie wissen, dass Saudi-Arabien und Jemen eine lange gemeinsame Grenze haben; da ist Saudi-Arabien ein ganz wichtiger Spieler. Zu ergänzen bleibt die Rolle Saudi-Arabiens bei den Konflikten in Libyen und jetzt in Syrien. Auch da ist Saudi-Arabien ein konstruktiver Spieler, den wir natürlich einbeziehen müssen und der auch maßgeblich die in den vergangenen zwei bis drei Jahren deutlich aufgewertete und aktivierte Rolle der Arabischen Liga als ein politischer Spieler bei der Beilegung von Konflikten in der Region des Nahen und Mittleren Ostens mit geprägt hat.

Frage: Herr Seibert, Sie sagten, es gebe keine Automatismen. Aber gibt es nicht sozusagen doch eine grundlegende Linie im Handeln der Bundesregierung? Ich würde sie einmal so beschreiben: Die Bundeskanzlerin hat kein gesteigertes Interesse an einer Vielzahl von Interventionen der Bundeswehr, und das führt dazu, dass man strategische Partner befähigt, Militäroperationen in eigener Verantwortung durchzuführen. Das wiederum führt dazu, dass die Zahl der Rüstungsexporte steigt. - Ist das eine grundlegende Linie, die bei der Bundeskanzlerin festzustellen ist?

StS Seibert: Wenn Sie in den Rüstungsexportbericht 2011 schauen - das ist ja nun der gerade erst veröffentlichte -, dann werden Sie feststellen, dass der Export von Kriegswaffen aus Deutschland im Jahr 2011 gegenüber dem Vorjahr deutlich zurückgegangen ist. Insofern ist Ihre Aussage, die Exporte stiegen, zumindest für den Bereich der Kriegswaffen für das letzte Jahr, über das wir Bericht erstattet haben, 2011, nicht wahr. Der Export von Kriegswaffen aus Deutschland ist 2011 sehr stark zurückgegangen, und zwar um fast 40 Prozent oder um 834 Millionen Euro. Dieser Export von Kriegswaffen hat 2010 noch einen Wert von 1,285 Milliarden Euro gehabt. Im Vorjahr lag das Volumen beispielsweise bei mehr als 2,1 Milliarden Euro. Das ist das, was ich Ihnen sagen würde.

Ansonsten haben Sie ein paar Gedanken geäußert, die die Bundeskanzlerin anhand mehrerer Reden in letzter Zeit auch öffentlich gemacht hatte. Das ist nichts anderes als die Überzeugung, dass wir - wie übrigens auch kein anderes Land - nicht in der Lage sind, militärische Konflikte oder Bedrohungen von Frieden und Stabilität alleine zu lösen; wir brauchen vielmehr die Vernetzung mit anderen Partnern. Wir werden sie auch nicht alle durch eigenen militärischen Einsatz lösen können. Wir brauchen die Vernetzung mit anderen Partnern. Wir müssen Schwellenländer, wirtschaftlich aufsteigende Länder, Länder, die in der Region, in der sie sind, einen Stabilitätsanker darstellen, durchaus auch ermutigen und ertüchtigen, eine friedenserhaltende, stabilitätserhaltende Rolle zu spielen. Die Bundeskanzlerin hat sich in mehreren Reden dazu bekannt, dass mit "Ermutigung und Ertüchtigung" beispielsweise durchaus auch die Hilfe zur Ausbildung von militärischem Personal und, ja, auch - immer nach der Einzelfallabwägung - eine rüstungstechnische Unterstützung gemeint sein kann.

Frage: Herr Seibert, ich hänge noch ein bisschen an Ihrer Aussage, das seien alles Einzelfallentscheidungen. Vielleicht können Sie einmal erläutern, für wen oder was der Einzelfall gilt. Wenn ein Land beispielsweise nicht die strengen Kriterien für eine solche Lieferung erfüllt, fällt es dann sozusagen als Vertragspartner aus, oder sagen Sie "Hierbei handelt es sich im Einzelfall um ein angefragtes System, das nicht missbraucht werden kann, und deshalb ist eine solche Lieferung zulässig"? Ist der Einzelfall also auf das Land oder auf das Waffensystem bezogen?

StS Seibert: Bei allem Respekt: Ich glaube, ich habe sehr deutlich gemacht, was darunter zu verstehen ist. Wir prüfen im Einzelfall, ob eine konkrete Anfrage genehmigungsfähig ist. Dabei geht es um die Fragen, aus welchem Land sie kommt, in welcher Situation sich das Land und die Region gerade befinden und um was für zu lieferndes Rüstungsgut es sich handelt. Ich glaube, das ist klar genug.

Frage: Ich habe noch eine Frage an das Bundeswirtschaftsministerium. Hier ist auch schon häufiger von möglichen Leopard-2-Lieferungen nach Saudi-Arabien die Rede gewesen. Der letzte Stand war, glaube ich, wenn ich mich recht erinnere, dass es bisher keinen Antrag auf die Erteilung einer Ausfuhrgenehmigung gibt. Ist das nach wie vor der Stand der Dinge?

Toschev: Der Regierungssprecher hat ja geschildert, dass zu Fragen, die die Zuständigkeiten des Bundessicherheitsrates betreffen, keine Stellung genommen wird. Zu etwaigen aktuellen Vorgängen möchte ich auch keine Stellung nehmen.

Frage: Ich habe eine Frage an den Regierungssprecher. Herr Seibert, können Sie uns die Position der Bundeskanzlerin bezüglich eines Schuldenschnitts für die öffentlichen Gläubiger Griechenlands etwas verdeutlichen? Bislang war die Bundeskanzlerin strikt gegen einen Schuldenschnitt. Gestern zeigte sie sich in ihrem Interview offen für einen späteren Schuldenschnitt, nämlich im Jahr 2014 oder 2015. Was hat zu diesem Sinneswandel der Bundeskanzlerin geführt?

StS Seibert: Ich glaube weder, dass es einen Sinneswandel gibt, noch dass Sie die Äußerungen in dem Interview mit der Bundeskanzlerin ganz richtig interpretieren. Aber dabei sind sie in guter Gesellschaft; auch einige andere haben etwas offensichtlich nicht ganz richtig verstanden.

Ich will noch einmal ganz kurz in Erinnerung rufen, was die Kanzlerin eigentlich gesagt hat. Sie hat gesagt: "Das derzeitige Hilfsprogramm für Griechenland läuft bis 2014, für die Erreichung bestimmter Haushaltsziele haben wir den Griechen zwei Jahre mehr Zeit gegeben, bis 2016. Wenn Griechenland eines Tages wieder mit seinen Einnahmen auskommt, ohne neue Schulden aufzunehmen, dann müssen wir die Lage anschauen und bewerten. Das ist nicht vor 2014/15 der Fall, wenn alles nach Plan läuft." Das heißt, die europäischen Partner Griechenlands haben nach 2014/15 die Situation zu betrachten. Sie müssen abschätzen, wann Griechenland wieder an den Markt gehen kann.

Die Kanzlerin sagt in ihren Worten nichts anderes als das, was die Eurogruppe neulich beschlossen und auch öffentlich gemacht hat: Die Eurozonen-Länder ziehen über 2014 hinaus nötigenfalls weitere Maßnahmen in Betracht, um zu einer Reduzierung des griechischen Schuldenstandes zu kommen. Die Eurogruppen-Länder haben ja bei ihrem letzten Treffen ausdrücklich zwei Möglichkeiten genannt, wie man das erreichen kann. Dazu gehört kein Schuldenschnitt, sondern dazu gehört die Möglichkeit einer Senkung des Kofinanzierungsanteils, den Griechenland bei Strukturfonds aufzubringen hat, und die Möglichkeit einer weiteren Senkung der Zinsen. Das ist das, worüber die Bundeskanzlerin gesprochen hat. Sie liegt damit komplett auf der Linie, die auch andere Minister - zuletzt Bundesminister Schäuble - vertreten haben. Daraus mehr zu machen, ist sehr fantasievoll.

Zusatzfrage: Schließen Sie jetzt auch kategorisch aus, dass nach dieser Neubewertung im Jahr 2014 oder 2015 ein Schuldenschnitt hinsichtlich der öffentlichen Gläubiger Griechenlands vorgenommen wird?

StS Seibert: Die Eurogruppe hat sich letzte Woche auf Maßnahmen zur Unterstützung Griechenlands verständigt. Dabei wurde über einen öffentlichen Schuldenschnitt aus guten Gründen - die im Übrigen sowohl europarechtliche Gründe als auch im nationalen Recht verankerte Gründe sind, und zwar nicht nur in Deutschland, sondern auch in vielen anderen Ländern - nicht gesprochen.

Wir haben jetzt Maßnahmen zur Sicherstellung der Schuldentragfähigkeit beschlossen, um die Finanzierungslücke zu schließen. Das ist das, worum es geht. Was nach 2014/15 eventuell und nötigenfalls betrachtet werden wird, das habe ich Ihnen eben anhand von zwei Beispiele vorgestellt. Das ist alles, was ich dazu zu sagen habe. Das ist die deutsche Position, und ich glaube, dass die relativ schlüssig ist.

Frage: Heute startet in Griechenland das Schuldenrückkaufprogramm. Ich bitte um einen Kommentar der Bundesregierung. Was hofft, was glaubt man?

StS Seibert: Vielleicht möchte sich Frau Kothé zu den Details äußern.

Kothé: Das ist eine Maßnahme, wie Sie wissen, die Teil der von der Eurogruppe getroffenen Beschlüsse ist. Die griechische Regierung hat heute Einzelheiten vorgelegt. Die griechische Regierung wird heute die Minister der Länder der Eurogruppe informieren. Zu Details können wir uns eben noch nicht äußern, sondern wir hoffen, dass das Programm erfolgreich sein wird.

Frage: Herr Seibert, ich gehöre auch zu den fantasievollen Journalisten, die das gestern alles ganz anders verstanden haben. Da, finde ich, muss man noch einmal nachhaken. Frau Merkel wurde präzise gefragt: Wird es irgendwann nach der Bundestagswahl einen Schuldenschnitt geben? In ihrer Antwort auf die Frage nach dem Schuldenschnitt sagte sie dann: Na ja, ab 2014/15 muss man sich das alles noch einmal anschauen und schauen, was wir dann machen müssen. - Wir wissen alle, dass das ein autorisiertes Interview ist. Das heißt, das ist auch kein Zufall. Das steht ja so für sich. Meine Überschrift war gestern "Frau Merkel schließt einen Schuldenschnitt nicht mehr aus". Ist das zu weit gedreht? Wie kann man sich das sonst erklären?

StS Seibert: In der Antwort der Bundeskanzlerin - ich habe sie jetzt schon einmal vorgelesen - kommt das Wort Schuldenschnitt nicht vor; vielmehr bezieht sie sich darin konkret auf das, was auch die Eurogruppe beschlossen hat. Es ist eigentlich auch selbstverständlich, dass wir uns hinter den Beschluss der Eurogruppe, zu der wir ja gehören, stellen. Ich habe Ihnen gesagt, dass von der Eurogruppe zwei konkrete Beispiele für Maßnahmen, die nötigenfalls 2014/15 ins Auge gefasst werden, genannt werden. Dabei spielt ein Schuldenschnitt keine Rolle. Insofern halte ich Ihre Überschrift - bei allem Respekt - trotzdem für eine sehr fantasievolle Überschrift.

Zusatzfrage: Frau Merkel erwähnt in ihrer Antwort die Eurogruppe aber mit keinem Wort. Heißt das, sie hat der Frage einfach nicht zugehört? Gefragt wurde sie ja nach dem Schuldenschnitt.

StS Seibert: Die Bundeskanzlerin muss die Eurogruppe nicht erwähnen, wenn sie sagt, 2014/15 haben die Länder die Situation - - Wenn sie "wir" sagt, dann heißt das: wir und unsere europäischen Partner. Wir handeln nicht bilateral, sondern wir handeln im Rahmen der Eurogruppe; das ist doch in den letzten Wochen auch sehr klar geworden. Insofern wird es auch so weitergehen, dass Deutschland im Rahmen der Eurogruppe handelt und sich hinter die Beschlüsse der Eurogruppe, die in diesem Fall das entscheidende Gremium ist, stellt. Auf die hat die Bundeskanzlerin Bezug genommen.

Frage: Ehrlich gesagt verstehe ich immer noch nicht, was Sie sagen, Herr Seibert - gerade als jemand, der hier öfter danach gefragt hat, wie die Haltung der Bundesregierung zum Schuldenschnitt ist. Damals ging es auch um die Frage einer, ich sage einmal, Krönungstheorie von Herrn Weidmann, der gesagt hat: Am Ende, wenn Griechenland keine Hilfen mehr braucht, könnte man Griechenland als Lohn für konsequente Reformpolitik eine solche Sache - also auch einen Schuldenschnitt - in Aussicht stellen. Daraufhin habe ich hier immer die Antwort erhalten: Unsere Ablehnung eines Schuldenschnitts gilt generell. Sie sprechen selbst im Hinblick auf diese von der Eurogruppe angesprochenen zwei Instrumente als Beispiel; es gibt also noch andere. Zum Zweiten hat auch der Bundesfinanzminister vor Kurzem die Tür aufgemacht, indem er gesagt hat: Es kann eine Situation auftreten, in der Griechenland keine neuen Hilfen braucht, und dann ist dieser rechtliche Vorbehalt hinfällig. Von daher möchte ich jetzt von Ihnen ganz gerne wissen, ob Sie dezidiert sagen: Die Kanzlerin fühlt sich falsch verstanden, ihre Ablehnung eines Schuldenschnitts gilt weiterhin? Oder sagen Sie: Das ist eine Position, die sie nur für den Moment vertreten kann, die kann sich ändern? Was ist die Position der Bundesregierung? Ich verstehe sie nicht mehr.

StS Seibert: Die Worte der Bundeskanzlerin in diesem Interview, eingebettet in den gesamten Zusammenhang, in dem sich ja zahlreiche Fragen und Antworten mit der griechischen Problematik befassen, stehen für sich.

Zusatzfrage: Also auch gegen Schäuble? Wenn der Finanzminister eine Tür aufmacht und die Kanzlerin sie nicht aufmacht, dann scheint mir da doch ein Widerspruch zu sein?

StS Seibert: Es gibt eine vollkommen einheitliche Haltung zwischen Bundeskanzlerin und Bundesfinanzminister in der Frage, wie jetzt gerade das zweite Griechenland-Paket wieder auf Kurs gebracht werden konnte. Diese Haltung wird in den nächsten Jahren entsprechend einheitlich weitergehen. Wir haben jetzt über das zweite Griechenland-Paket gesprochen.

Kothé: Genau so ist es.

Zusatzfrage: Ich möchte noch mit einer Frage auf die Eurogruppe zu sprechen kommen. Ich würde vom Finanzministerium ganz gerne noch wissen: Steht bei der aktuellen Sitzung der Eurogruppe auch das Themen Bankenunion nicht nur auf der Tagesordnung, sondern vielleicht sogar im Zentrum? Ist nun, nachdem auch Herr Barnier in der letzten Woche in Berlin war, möglicherweise eine Entscheidung oder zumindest Vorentscheidung in Richtung Bankenunion zu erwarten?

Kothé: Das ist kein Thema der Eurogruppe, sondern des Ecofin. Das Ziel der Präsidentschaft ist es, hier zu einer allgemeinen Ausrichtung zu kommen. Dieses Thema wird also einen Schwerpunkt der Ecofin-Beratungen bilden.

Zusatzfrage: Entscheidungstermin oder noch kein Entscheidungstermin?

Kothé: Eine Entscheidung steht insgesamt noch nicht an.

Frage: Eine Frage an das Verkehrsministerium: Im Zusammenhang mit Stuttgart 21 ist in der "Bild am Sonntag" von einer erheblichen Kostensteigerung bis zu einer Milliarden Euro die Rede gewesen. Die Resonanz, auf die das bei der Deutschen Bahn gestoßen ist, lässt ja auch darauf schließen, dass diese Zahl nicht völlig aus der Luft gegriffen ist - "Ein Ausstieg ist ausgeschlossen" lautet das Zitat. Meine Frage, Herr Rudolph: Es hat ja schon häufiger Verkehrsminister gegeben - Stichwort Metrorapid, Transrapid - , die sich nach einer Kostenexplosion von großen Projekten verabschiedet haben. Wann wird Minister Ramsauer die Reißleine ziehen und sagen: "Stuttgart 21 geht nicht"?

Rudolph: Ich muss den Metrorapid und den Transrapid erst einmal wieder aus dem Topf herausziehen und darum bitten, dass jedes Projekt für sich gesehen wird.

Bei Stuttgart 21 ist es wie folgt: Die Deutsche Bahn führt dieses Projekt aus, ist Projektpartner. Außerdem sitzen da noch das Land Baden-Württemberg, die Stadt Stuttgart, der dortige Flughafen sowie regionale Partner, ein regionaler Wirtschaftsverband, im Boot. Diese Projektpartner - so war es in der Vergangenheit guter Brauch - setzen sich im Projektausschuss - den gibt es bereit, er hat oft getagt - zusammen und reden über mögliche Mehrkosten. Die neuen Meldungen über mögliche Mehrkosten gehen auch in die Richtung, dass man sagen muss, dass die Bahn erst einmal analysiert, worauf diese Kosten zurückzuführen sind, und dann schaut - das ist ein eigenwirtschaftliches Projekt der Bahn -: Ist das wirtschaftlich? Die Signale, die wir aus dem Konzern hören, sind: Es ist nach wie vor wirtschaftlich. Genauere Gespräche muss es dann eben auch mit den Projektpartnern geben. Da gehört der Bund bei dem Bahnhofsprojekt Stuttgart 21 nicht dazu.

Zusatzfrage: Sie nannten als Projektpartner das Land Baden-Württemberg und die Stadt Stuttgart. Beide haben erklärt, dass sie für Kostensteigerungen nicht aufkommen würden. wie geht das denn dann weiter?

Rudolph: Stuttgart 21 hat eine lange Historie und es sind Verträge geschlossen worden - zuletzt Finanzierungsvereinbarungen im April oder Mai 2009. In diese Vereinbarungen ist eine sogenannte Sprechklausel hineingeschrieben worden. Die jetzt handelnden Akteure haben diesen Vertrag nicht unterschrieben, aber es ist ein Vertrag, an den sich die jetzt handelnden Akteure bislang immer gehalten haben - auch ein guter Brauch. Diese Sprechklausel besagt, dass man sich, wenn Mehrkosten anfallen, darüber unterhalten muss, darüber sprechen muss, wie diese Mehrkosten zu verteilen sind. Dafür gibt es einen Projektausschuss. Das hört sich alles sehr kompliziert an, ist aber eine praktisch ein in sich schlüssiger Ablauf.

Was den Bund anbelangt - das möchte ich hier noch einmal deutlich dazusagen, das möchte ich nicht unter den Teppich kehren -, so gibt der Bund 563,8 Millionen Euro. Diese stehen, egal ob mit oder ohne Stuttgart 21, zur Verfügung, weil wir die Neubaustrecke Wendlingen-Ulm bauen - ich will Sie jetzt nicht mit den Details langweilen; Sie kennen diese Details ja. Für die Einbindung in den Knoten Stuttgart wird dieser Festbetrag fällig. Insofern hat Verkehrsminister Tiefensee diese Vereinbarung damals mit unterzeichnet. Für den Bund besteht aber dieser Deckel, und, wie gesagt, für die Einbindung in den Knoten Stuttgart und für das Projekt an sich sind die Projektpartner gefragt. Insofern müssten Sie denen die Frage stellen, wie das weitergeht. Aus Sicht des Sprechers nehme ich zur Kenntnis, dass Baden-Württemberg sagt "Keinen Cent mehr!", ich kann es aber auch nur zur Kenntnis nehmen. Ich gehe davon aus, dass Baden-Württemberg dies nicht nur medial sagt, sondern dass das Land auch mit der Bahn in Gesprächen ist.

Frage: Erstens. Verstehe ich Sie richtig, dass es für den Bahnhof auf keinen Fall mehr Geld vom Bund gibt?

Zweitens. Die SPD will Ihren Minister ja in den Verkehrsausschuss vorladen oder einladen. Ist eine solche Einladung schon bei Ihnen eingetroffen?

Rudolph: Zur ersten Frage: Die Systematik ist so, wie Sie es vermuten. Der Bund finanziert die Neubaustrecke Wendlingen-Ulm und gibt den Festbetrag für die Einbindung in den Knoten Stuttgart - das sind die 563,8 Millionen Euro. Das übrige Geld stammt von den Projektpartnern, die ich bereits aufgezählt hatte.

Zur zweiten Frage bezüglich der Einladung in den Verkehrsausschuss: Da ist der Sachstand, dass die SPD dies - das ist jedenfalls meine Erkenntnis - gegenüber dem Ausschuss selbst vorgelegt hat. Das heißt aber nicht, dass die Einladung schon ergangen ist. Zunächst einmal müssen sich die Obleute Gedanken zu der Frage machen: Ist Verkehrsminister Ramsauer primär der richtige Ansprechpartner für das Projekt und wollen wir ihn dazu hören? Soweit ich weiß, gab es dazu noch keine abschließende Meinung. Insofern ist auch noch keine Einladung an uns ergangen.

Grundsätzlich - um auch da möglichen Missverständnissen vorzubeugen - informieren wir den Ausschuss immer offen und transparent. Ich kann mich auch noch an Aussagen des damaligen Ausschussvorsitzenden Winfried Hermann erinnern, der meinte, so gut wie unter Ramsauer sei der Verkehrsausschuss in der Vergangenheit nicht informiert worden.

Insofern ist das jetzt einfach eine Wasserstandsmeldung, die Florian Pronold da abgegeben hat - Ergebnis offen.

Frage: Widersprechen solche Kostensteigerungen von 4,5 auf möglicherweise 5,5 Milliarden Euro nicht der Politik Ihres Ministers, der ja angesichts knapper Kassen immer sagt: Ausbau geht vor Neubau?

Rudolph: Jetzt muss ich etwas über mich selbst lachen, weil ich wieder technisch werden muss; ich würde es am liebsten ein bisschen einfacher erklären. - Diese Priorisierung, dass Modernisierung vor Neubau geht, gilt für Bedarfsplanprojekte und gilt natürlich auch für Straße und Schiene. Stuttgart 21 ist aber kein Projekt dieses Bedarfsplan, sondern - ich wiederhole mich - ein eigenwirtschaftliches Projekt der Deutschen Bahn. Mögliche Kostensteigerungen muss die Bahn intern berechnen - das hat sie bestimmt auch schon gemacht - und dann für sich entscheiden: Ist dieses Projekt noch wirtschaftlich? Da gibt es also kein Nutzen-Kosten-Verhältnis aufseiten des Bundes, so wie es das zum Beispiel bei Wendlingen-Ulm gibt und wie wir es bei der Überprüfung der Bedarfsplananalyse auch kommuniziert haben - solange das größer als eins ist, kann gebaut werden. Das gilt für Stuttgart 21 nicht, weil es eben ein Bahnhofsprojekt ist, das von der Bahn eigenwirtschaftlich betrieben wird.

Frage: Ich habe eine Frage zu dem möglichen erneuten Antrag auf ein NPD-Verbot. Bundesinnenminister Friedrich gibt ja in letzter Zeit den Warner vor den Risiken eines neuen Antrages. Herr Seibert, ich hätte gern gewusst: Unterstützt die Bundeskanzlerin einen erneuten Verbotsantrag oder hat sie auch eher Bedenken und vielleicht noch offene Fragen zu diesem ganzen Verfahren?

StS Seibert: Es gibt ja einen ganz klaren Zeitplan, auf den man sich verständigt hat. Ende März hat sich die Ministerpräsidentenkonferenz verständigt, dass es ihr Ziel ist, am 6. Dezember auf Grundlage einer Innenministerkonferenz am Tag davor zu beschließen, ob man nun ein Verbotsverfahren einleiten möchte oder nicht. Das ist nach unseren Erkenntnissen immer noch der Zeitplan, der gilt. Ich möchte jetzt keine Spekulationen anstellen, wie diese Entscheidung ausfällt, und möchte auch den Beratungen und den Beschlüssen nicht vorgreifen.

Zusatzfrage: Dennoch muss man sich ja mit der Abwägung vertraut machen, welche Chancen bestehen und welche Risiken es gibt? Wenn man beispielsweise erneut in Karlsruhe scheitert, würde das ja einer, ich sage einmal, vor sich hin siechenden Partei Wasser auf die Mühlen bringen.

StS Seibert: Das ist richtig. Mit genau dieser Abwägung befassen sich natürlich der Bundesinnenminister und die Bundesregierung seit geraumer Zeit, so wie es auch die Ministerpräsidenten tun. Sie haben deswegen ja eine große Materialsammlung gestartet, wollen das auswerten und aus dem Ergebnis dieser Auswertung dann ihren Beschluss fassen. Für uns ist immer klar: Ein solches Verbotsverfahren birgt Chancen, aber es birgt eben auch Risiken. Ein solcher Antrag muss sehr gut begründet sein und er muss sehr gut vorbereitet sein; denn aus Sicht der Bundesregierung darf er nicht ein zweites Mal beim Bundesverfassungsgericht scheitern. Nun wollen wir - es sind ja wirklich nur noch wenige Tagen - die Beratungen ihren Gang nehmen lassen. Das sind wichtige Gespräche, bei denen sich alle, denke ich, ihrer Verantwortung bewusst sind.

Frage: Eine Frage an Sie, Herr Seibert, und an das Bundeswirtschaftsministerium: Erstens würde ich gerne den Stand der Dinge in den Gesprächen in Paris zu einer Änderung der Aktionärsstruktur bei der EADS wissen.

Zweitens würde mich der Zeitplan interessieren. Es hieß ja immer, man wolle eigentlich noch in diesem Jahr Klarheit darüber haben, ob man Anteile der übrigen deutschen Großaktionäre aufkaufe.

Drittens würde mich interessieren, ob dieser Kaufprozess bei den beiden deutschen Großaktionärsgruppen, sprich bei Daimler und bei der Investorengruppe Daedalus, schon angelaufen ist und ob man da möglicherweise schon ein Angebotsstadium, Preisverhandlungen oder Ähnliches erreicht hat.

StS Seibert: Ich kann vielleicht nur kurz sagen - das wird Sie jetzt wahrscheinlich enttäuschen -: Die Daimler AG beabsichtigt - und das ist bekannt -, einen Teil ihrer Beteiligungen zu verkaufen. Die Bundesregierung - auch das ist bekannt - hat entschieden, dass die KfW Anteile in einer noch endgültig zu bestimmenden Höhe übernehmen soll. Dafür ist auch entsprechend Vorsorge im Bundeshaushalt getroffen worden. Da die Daimler-Anteile in einem Aktionärspaket mit dem französischen Staat gehalten werden, ist Abstimmung mit Frankreich notwendig. Es laufen sehr enge und intensive Gespräche mit den Partnern, insbesondere mit Frankreich. Bis zum Abschluss dieser Gespräche werde ich für die Bundesregierung keine weiteren Details zu den Verhandlungen bekanntgeben.

Vorsitzender Wefers: Wollen Sie ergänzen, Herr Toschev?

Toschev: Ich habe dem eigentlich nichts hinzuzufügen, Herr Seibert hat das richtig skizziert. Die Vertreter der beteiligten Regierungen, der Aktionäre und auch des Unternehmens befinden sich in den angesprochenen intensiven und konstruktiven Verhandlungen, die noch andauern und deren Ergebnis auch noch offen ist. Sobald da belastbare Ergebnisse vorliegen, werden diese natürlich auch mitgeteilt.

Zusatzfrage: Gilt denn der ursprüngliche Zeitplan noch, der da hieß: Dieses Jahr Klarheit haben?

Toschev: Verhandlungen und etwaige Ergebnisse umfassen auch den Zeitplan. Sobald es dazu etwas zu berichten gibt, können und werden wir das auch berichten.

Zusatzfrage: Wenn Sie sagen, Verhandlungen betreffen auch den Zeitplan, was soll ich daraus dann folgern - dass der Zeitplan je nach Verhandlungen auch geschoben werden kann oder dass er eingehalten werden kann?

Toschev: Ich möchte damit sagen, dass sich der Zeitplan nach den Verhandlungen bemisst.

Frage: Ich habe eine Frage an das Arbeitsministerium zum Thema Jugendarbeitslosigkeit: Wir lesen heute Morgen, dass die EU einen neuen Entwurf im Köcher hat und sozusagen dafür sorgen möchte, dass die Mitgliedstaaten Arbeitslosen unter 25 Jahren binnen vier Monaten einen neuen Job besorgen beziehungsweise dafür Sorge tragen, dass sie einen neuen Job bekommen. Wie steht das Arbeitsministerium zu diesen Plänen?

Westhoff: Ich habe mir sagen lassen, dass das heute Morgen um 10.30 Uhr in Brüssel zum ersten Mal offiziell vorgestellt worden ist. Ich habe jetzt noch keine dezidierte Rückmeldung dazu für Sie mitbringen können. Das gucken wir uns gern an und schauen, wie das zu bewerten ist. Sie können aber davon ausgehen, dass wir jegliche Initiative aus Brüssel in dieser Hinsicht unterstützen.

Wir sind ja auch schon sehr aktiv, die Bundesagentur für Arbeit ist sehr aktiv, um zum einen gerade aus den südeuropäischen Ländern, den südlichen Ländern der EU junge Leute nach Deutschland zu holen und ihnen hier das Gute der dualen Ausbildung nahezubringen, zum anderen aber auch im Export über deutsche Firmen, die im Ausland tätig sind, dort zum Beispiel das System der dualen Ausbildung zu propagieren, und jetzt ansonsten gerade den europäischen Arbeitsmarkt deutlich zu stärken und gerade das Zusammenbringen von Nachfrage und Angebot deutlich auszubauen. All das passiert im Moment, da laufen eine Menge Aktivitäten. Wenn das aus Brüssel mit unterstützt wird, dann ist das natürlich nur zu begrüßen.

Die Maßnahmen an sich, die Brüssel da vorsieht, müssen wir uns im Einzelnen anschauen. Ich habe jetzt gehört, dass das erst einmal keine Richtlinie, sondern eine Empfehlung werden soll. Ich habe heute auch nur die Presseberichterstattung zur Kenntnis genommen und kann jetzt noch nicht jeden einzelnen Punkt einordnen und bewerten. Aber natürlich begrüßen wir dieses Vorgehen insgesamt sehr.

Frage: Ich habe noch eine kleine Nachfrage an das Finanzministerium: Ich las gerade in einer großen Zeitung unter Berufung auf eine Studie aus Ihrem Hause, dass die Bundesregierung schon in diesem Jahr, sprich 2012, an das Ziel eines ausgeglichenen Haushalts herankäme, das eigentlich im nächsten Jahr erreicht werden soll. Ist das richtig?

Kothé: Wir haben dazu gerade - ich glaube, kurz vor dieser Regierungspressekonferenz - eine Presseerklärung herausgegeben: Das bezieht sich auf das Maastricht-Defizit, also auf den Gesamtstaat. Es ist in der Tat richtig, bereits in diesem Jahr wird das gesamtstaatliche Haushaltsdefizit auf null zurückgehen. In der Presseerklärung finden Sie auch die einzelnen Zahlen dazu.

Frage: Was war denn der entscheidende Faktor, der das jetzt möglich gemacht hat? Waren das höhere Einnahmen beim Bund, oder wo kamen auf einmal die zusätzlichen Milliarden her?

Kothé: Das ist insgesamt natürlich der Fortsetzung der Konsolidierung der öffentlichen Haushalte - und zwar auf allen staatlichen Ebenen - geschuldet. In das gesamtstaatliche Defizit fließen nicht nur die Zahlen des Bundes, sondern auch der Länder und der Sozialversicherungen ein. Die Faktoren, die sich auch auf Bundesebene positiv ausgewirkt haben - bessere Steuereinnahmen, eine bessere Arbeitsmarktentwicklung - haben auch gesamtstaatlich einen positiven Effekt, der sich hier zeigt.

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Quelle:
Mitschrift der Pressekonferenz vom 3. Dezember 2012
http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2012/12/2012-12-03-regpk-breg.html
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veröffentlicht im Schattenblick zum 5. Dezember 2012