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PRESSEKONFERENZ/494: Regierungspressekonferenz vom 17. Oktober 2012 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Mitschrift der Pressekonferenz - Mittwoch, 17. Oktober 2012
Regierungspressekonferenz vom 17. Oktober 2012



Themen: Kabinettssitzung (Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der VN-Mission UNMISS und der AU/VN-Mission UNAMID, Änderung des Energiewirtschaftsgesetzes, Gesetz zur Stärkung der Rechte des leiblichen Vaters, Drittes Finanzmarktstabilisierungsgesetz, Zweiter Bericht über die Wohnungs- und Immobilienwirtschaft in Deutschland), WM-Qualifikationsspiel Deutschland - Schweden, Vorschläge des Bundesfinanzministers für eine EU-Reform, Doktorarbeit von BM Prof. Annette Schavan, Endlagersuchgesetz, geplante Elbvertiefung im Hamburger Hafen, Kita-Ausbau, Bundestags-Wahltermin

Sprecher: SRS Streiter, Kraus (BMWi), Teschke (BMI), Kotthaus (BMF), Stamer (BMU), Moosmayer (BMVBS), von Jagow (BMFSFJ)

Vorsitzender Hebestreit eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt SRS Streiter sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

SRS Streiter: Das Kabinett hatte heute eine große Tagesordnung, und deshalb dauert es jetzt ein bisschen länger.

Zunächst einmal geht es um die Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an zwei Friedensmissionen, und zwar einmal im Südsudan und in Darfur. Diese Mandate enden am 15. November. Das Kabinett hat beschlossen, dass sich die Bundeswehr weiter an diesen Missionen beteiligen wird.

Das Sudankonzept der Bundesregierung nimmt Südsudan und Sudan gleichermaßen in den Blick. Die wichtigsten Ziele sind Sicherheit und Stabilität in der Region und die Verstärkung des politischen Dialogs zwischen den beiden Ländern. Die Mandatsobergrenze für beide Missionen beträgt jeweils unverändert bis zu 50 Soldatinnen und Soldaten. Die Mandate sollen bis zum 31. Dezember 2013 verlängert werden und stehen natürlich unter dem Vorbehalt der Zustimmung des Deutschen Bundestags.

Es geht einmal um die sogenannte UNMISS-Mission. Das ist eine von den Vereinten Nationen geführte Mission im Südsudan. Kernaufgabe ist die Unterstützung der Regierung bei der Friedenskonsolidierung und dadurch längerfristig des Staatsaufbaus und der wirtschaftlichen Entwicklung. Deutschland hat sich von Beginn an mit Stabspersonal beteiligt, zuletzt mit 16 Soldaten. Zudem sind derzeit sechs deutsche Polizisten in dieser Mission eingesetzt.

Dann gibt es die Mission UNAMID. Das ist eine Mission der Afrikanischen Union und der Vereinten Nationen in Darfur. Diese bleibt als stabilisierendes Element zur Verbesserung der Sicherheitslage im Sudan unverzichtbar. Dort gibt es immer wieder aufflammende Kämpfe zwischen Regierungstruppen, Rebellen und Milizen. Das belastet die ohnehin prekäre humanitäre Lage der Zivilbevölkerung in Darfur. Die Bundesregierung engagiert sich deshalb für eine friedliche und nachhaltige Lösung des Darfur-Konflikts. Derzeit sind zehn deutsche Soldaten im Hauptquartier eingesetzt sowie vier deutsche Polizeivollzugsbeamte.

Dann hat das Bundeskabinett eine Formulierungshilfe zur Änderung des Gesetzentwurfs für ein Drittes Gesetz zur Neuregelung energiewirtschaftlicher Vorschriften beschlossen; das klingt etwas sperrig.

Es geht hierbei um die Rahmenbedingungen für die Versorgungssicherheit und Netzstabilität im Strom- und Gasbereich. Diese sollen verbessert werden. Hintergrund dieser Regelungen ist die zeitweilig angespannte Netzsituation im vergangenen Winter.

Geplante Kraftwerksstilllegungen müssten nach Maßgabe des Entwurfs zukünftig verbindlich und frühzeitig angezeigt werden - und zwar zwölf Monate vorher -, um Übertragungsnetzbetreibern und der Bundesnetzagentur bei Gefährdung der Versorgungssicherheit ausreichend Reaktionszeit zu geben. Weiterhin soll die Möglichkeit geschaffen werden, bei einer Gefährdung der Versorgungssicherheit eine Stilllegung zu unterbinden.

Das Bundeskabinett hat heute eine entsprechende Formulierungshilfe beschlossen. Die Änderungen können nun von den Regierungsfraktionen in das laufende Verfahren zur Novelle des Energiewirtschaftsgesetzes eingebracht werden.

Dann hat das Bundeskabinett ein großes Problem für viele Menschen gelöst, und zwar geht es um die Stärkung der Rechte des leiblichen, nicht rechtlichen Vaters.

Bislang steht dem leiblichen, aber nicht rechtlichen Vater eines Kindes ein Umgangsrecht nur dann zu, wenn ihn mit dem Kind bereits eine enge persönliche Beziehung verbindet. Lebt das Kind mit seinen rechtlichen Eltern in einer Familie und unterbinden diese den Kontakt, hat der leibliche Vater derzeit keine Möglichkeit, mit diesem Kind einen Umgang zu erhalten. Das wird jetzt geändert. Dem biologischen Vater, dessen Kind mit den rechtlichen Eltern in einer Familie lebt und der zu seinem Kind bisher noch keine enge persönliche Beziehung aufbauen konnte, wird unter bestimmten Voraussetzungen ein Umgangs- und Auskunftsrecht eingeräumt.

Der biologische Vater erhält ein Umgangsrecht, wenn er nachhaltiges Interesse an seinem Kind zeigt und wenn der Umgang dem Wohl des Kindes dient. Er erhält das Umgangsrecht zukünftig unabhängig davon, ob zu dem Kind bereits eine sogenannte sozial-familiäre Beziehung besteht. Außerdem erhält der leibliche Vater künftig ein Auskunftsrecht über die persönlichen Verhältnisse des Kindes, wenn er ein berechtigtes Interesse hat und dies dem Wohl des Kindes nicht widerspricht.

Mit dem Gesetzentwurf setzt die Bundesregierung zwei Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte um.

Dann hat das Bundeskabinett beschlossen, den Finanzmarktstabilisierungsfonds SoFFin noch einmal bis zum Ende des Jahres 2014 zu verlängern. Das deutsche Finanzsystem ist zwar insgesamt stabil - es wird keine Bankenschieflage erwartet -, doch die Schuldenkrise im Euroraum birgt natürlich weiterhin Risiken. Europaweit einheitliche Regeln zur Sanierung und Abwicklung von Banken, wie es sie in Deutschland und einigen anderen EU-Ländern gibt, werden nicht vor Anfang 2015 in Kraft treten. Die europäischen Partner hatten 2011 vereinbart, dass die EU-Staaten auf nationaler Ebene Rekapitalisierungsmaßnahmen durchführen können, wenn nötig.

Durch das Dritte Finanzmarktstabilisierungsgesetz sollen in Not geratene deutsche Banken über den SoFFin bis Ende 2014 Hilfen beantragen können. Sollten ab 2013 Banken Hilfe in Anspruch nehmen, werden spätere etwaige Verluste aus dem Aufkommen der Bankenabgabe finanziert. Das ist eine wichtige Änderung gegenüber der bisherigen Regelung. Damit haften die Verursacher für die von ihnen eingegangenen Risiken und nicht mehr der Steuerzahler. Oberstes Ziel der Bundesregierung und der europäischen Partner ist es, die Stabilität des Finanzsystems sicherzustellen. Die Bundesregierung setzt sich für eine schnelle Verabschiedung der europäischen Restrukturierungsregeln für Banken und eine Beteiligung der Gläubiger ein.

Dann hat das Bundeskabinett noch den Zweiten Bericht über die Wohnungs- und Immobilienwirtschaft in Deutschland verabschiedet. Der Bericht kommt zu folgenden Kernergebnissen:

Aktuell sind in einer zunehmenden Zahl von Städten und Regionen Wohnungsmarktengpässe mit steigenden Mieten und Preisen zu verzeichnen. Ursache dafür ist unter anderem die wieder gestiegene Nachfrage nach Wohnraum in Folge des Wirtschaftswachstums in den Jahren 2010 und 2011. Als Reaktion darauf hat die Bautätigkeit wieder deutlich an Fahrt genommen und wird auf mittlere Sicht zur Behebung der Engpässe beitragen. Schwerpunkte der Wohnungspolitik des Bundes bleiben die soziale Sicherung des Wohnens, die Förderung des Wohnungseigentums sowie die Anpassung des Wohnungsbestandes an Klimaschutz und Demografiewandel.

Das war es, was ich aus dem Kabinett zu berichten hatte.

Frage (zum Energiewirtschaftsgesetz): An wen richtet sich diese Bedingung, zwölf Monate im Voraus Bescheid zu geben, ob sich Bedarfsänderungen ergeben? Auch an große Unternehmen, die möglicherweise auf die Konjunktur reagieren müssen?

SRS Streiter: Vor allen Dingen an Kraftwerksbetreiber, wenn ich das richtig verstanden habe. Im Detail kann vielleicht das BMWi helfen.

Kraus: Bei den verbindlichen Meldepflichten für die Kraftwerksstillegungen geht es immer um die Versorgungssicherheit. Das ist die Basis für die gesamten Formulierungshilfen. Die Frage der frühzeitigen Information über geplante Stilllegungen von Kraftwerken ist derzeit nur unverbindlich geregelt. Eine zwingende zwölfmonatige Anzeigefrist für Stilllegungen würde Übertragungsnetzbetreibern und Bundesnetzagentur aber ausreichend Planungssicherheit und eventuell auch Zeit für Reaktionen geben. Das richtet sich also an die Bundesnetzagentur.

Frage: Frau Kraus, ich habe noch nicht ganz verstanden, ob die Stilllegungen dann genehmigt werden müssen. Was ist denn in dem Fall, dass man auf bestimmte Kraftwerke nicht verzichten kann, die aber unrentabel sind? Was passiert dann?

Kraus: Wenn man vorhat, ein Kraftwerk stillzulegen, müsste man das zwölf Monate vorher melden. Gesetzt den Fall, dass es dann zu Versorgungsengpässen oder zu Versorgungausfällen kommt, gibt es die Möglichkeit der Verhinderung von endgültigen Stilllegungen systemrelevanter Kraftwerke - so nennen wir diese. Das gilt aber ausdrücklich nur bei Gefährdung der Versorgungssicherheit.

Zusatzfrage: Wer ist dann bitte die Instanz, die verhindern kann?

Kraus: Die kann auf Anforderung des Netzbetreibers grundsätzlich nur bei einer Gefährdung von Versorgungssicherheit genutzt werden.

Frage: Es geht um das Kabinett. Herr Streiter, hat die Bundeskanzlerin im Kabinett deutlich gemacht, dass sie den Schock über das Fußballspiel von gestern Abend gut überwunden hat?

SRS Streiter: Nein. Es gab irgendeine Bemerkung, die ich aber nicht ganz verstanden habe. Ich glaube, es ging dabei um das Zu-früh-Gehen. Man sollte nie zu früh gehen.

Zusatzfrage: Die Kanzlerin ist gestern nicht zu früh gegangen?

SRS Streiter: Nein. Sie war bis zur 93. Minute - - - Sie war, glaube ich, noch länger da. Sie hat das ganze Drama live erlebt.

Zusatzfrage: Das Drama hat im Kabinett oder im Vorgespräch keine Rolle gespielt?

SRS Streiter: Nein, das hat keine Rolle gespielt. Das ist letztlich diplomatisch auch ein sehr faires Ergebnis.

Zusatz: Herr Teschke, der Sportminister sieht das sicher ähnlich.

SRS Streiter: Er hat keine Regung gezeigt.

Zusatz: Oha!

Vorsitzender Hebestreit: Herr Teschke, war das so?

Teschke: So war es.

Vorsitzender Hebestreit: Ein schockierter Sportminister. - Gibt es weitere Fragen?

Zusatzfrage: Zum Kabinett oder zum Vorgespräch. Haben die Vorschläge von Herrn Schäuble, die er auf dem Gipfel am Donnerstag und Freitag zur EU-Reform inklusive Konvent, der möglicherweise schon im Dezember beginnen könnte, eine Rolle gespielt?

Wenn nein, könnten Sie dann, Herr Streiter, sagen, wie die Haltung der Kanzlerin zu den Vorschlägen ist und ob es stimmt, dass das vorab zwischen dem Finanzminister und der Kanzlerin abgestimmt war?

SRS Streiter: Was Sie alles in die Frage hineingepackt haben, kann ich nicht bestätigen. Ich kann Ihnen nur sagen, dass die Bundeskanzlerin und der Bundesminister der Finanzen hier an einem Strang ziehen, und zwar am selben Ende. Wie Sie wissen, ist der Bundesminister ein engagierter und sogar preisgekrönter Europäer, der grundsätzlich und langfristig über die Weiterentwicklung der Wirtschafts- und Währungsunion nachdenkt und sich einbringt. Daraus einen Dissens zwischen Bundeskanzlerin und Bundesfinanzminister konstruieren zu wollen, ist nun wirklich völlig abwegig. Sie sind wirklich alle auf der gleichen Baustelle und in der gleichen Richtung tätig.

Zusatzfrage: Dann können wir das ein bisschen sezieren. Die Kanzlerin ist auch der Ansicht, dass die Position des Währungskommissars gestärkt werden sollte?

SRS Streiter: Dazu möchte ich Ihnen hier gar keine Auskunft geben. Das wird meines Erachtens auch auf diesem Gipfel nicht die Rolle spielen, die Sie unterstellt haben.

Zusatzfrage: Dann habe ich noch eine zweite Nachfrage, wahrscheinlich auch erst einmal an Sie, Herr Streiter. Tatsächlich gibt es im Vorfeld des Gipfels relativ heftige Auseinandersetzungen zwischen Deutschland und Frankreich mit dem Zentrum Bankenaufsicht. Vielleicht kann Herr Kotthaus dazu auch Stellung nehmen. Gibt es im Moment ein gestörtes Verhältnis zwischen Deutschland und Frankreich, was gerade das Thema Bankenaufsicht betrifft, Herr Streiter?

SRS Streiter: Darüber ist mir nichts bekannt. Bei allem, was den Gipfel betrifft, würde ich auch dringend empfehlen, die morgige Regierungserklärung der Bundeskanzlerin abzuwarten - dazu ist die Regierungserklärung da - und auch den Verlauf des Gipfels. Sich vorher Gedanken zu machen, wie man in den Gipfel hineingeht, ist nicht meine Aufgabe.

Zusatzfrage: Herr Kotthaus, der Dissens ist ja offenbar. Er lässt sich auch von deutscher Seite beim Thema Bankenaufsicht und wie schnell das gehen muss, sicher nicht wegargumentieren. Auch das Thema Eurobonds kommt ja wieder durch die Tür hineinspaziert.

Kotthaus: Ich muss gestehen: Ich kann da Ihrer Wertung nicht ganz folgen. Wenn man sich anschaut, wie eng die deutsch-französische Zusammenarbeit und Kooperation gerade auch in europäischen Angelegenheiten ist, ist eigentlich das Gegenteil der Fall. Auch bei dem schwierigen Thema Finanztransaktionssteuer haben es Deutschland und Frankreich vor gerade einmal acht Tagen gemeinsam geschafft, dass der nächste Schritt gegangen worden ist. Eigentlich ist die Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Frankreich gerade in europäischen Angelegenheiten immer sehr eng und sehr vertrauensvoll gewesen.

Bei dem Thema Bankenaufsicht sehe ich auch keinen großen Unterschied. Deutschland sagt eindeutig: Ja, wir wollen eine europäische Bankenaufsicht. Das ist ein wichtiges Thema, das auch die Realität im heutigen Finanzbinnenmarkt darstellt und abbildet. Wir wollen sie so schnell wie eben möglich. Da gibt es null Dissens und auch keine Unterschiede. Der einzige Hinweis, den wir auch mit anderen Staaten in der Europäischen Union sehr klar machen und auch machen müssen, ist: Das kann nicht von heute auf morgen im Sinne von "Wir müssen das Gesetzgebungsverfahren abschließen" geschehen.

Insofern gilt da: Qualität vor Eile. Wenn Sie sich die Stellungnahmen aus anderen Mitgliedstaaten anschauen, die sich zu diesem einstimmig zu beschließenden Prozess auch klar geäußert haben - ich erwähne jetzt als Beispiele einmal Schweden, England und Polen -, dann sehen Sie, dass die nicht rückschließen lassen, dass das Gesetzgebungsverfahren hoppladihopp von heute auf morgen umgesetzt werden kann. Nur darauf haben wir hingewiesen.

Wir Deutschen sind also sicherlich dabei, diese europäische Bankenaufsicht so schnell wie möglich vorwärts zu pushen; denn das liegt in unserem Interesse. Man muss aber einfach realistisch sein: Das ist eine sehr große, eine sehr komplexe Aufgabe, und wir brauchen dabei - wie auch bei anderen Fragen - Einstimmigkeit. Nur darauf verweisen wir. Einen großen Dissens kann ich da also, ehrlich gesagt, nicht erkennen.

Zusatzfrage: Der Dissens wird von Ihnen damit ja nicht dementiert, und gerade beim Thema Euro-Bonds - das ist ja eine immer wiederkehrende, manchmal auch müßige Frage - hat sich auf deutscher Seite ja nichts geändert. Insofern gibt es da zwei wesentliche Punkte, in denen sich Deutschland und Frankreich unterscheiden.

Kotthaus: Ich bilde mir ein, bezüglich der Bankenaufsicht gerade gesagt zu haben, dass ich einen Dissens nicht erkennen kann - auch wenn Sie dreimal sagen, es sei einer da. Wie dem auch sei - das ist Ihre Wertung, die kann ich Ihnen auch nicht absprechen.

Beim Thema Euro-Bonds ist die Position der Bundesregierung so klar, wie sie seit Monaten oder noch längerer Zeit stipuliert ist; da gibt es keine Änderungen. Diese Diskussion ist schon mehrfach geführt worden und wird durch die 35. Wiederholung nicht besser.

Frage: Herr Kotthaus, warum hat Ihr Minister denn drei oder vier Tage vor dem Gipfel diesen Vorschlag für einen Währungskommissar gemacht, der mit weitreichenden Durchgriffsrechten ausgestattet sein soll? Wenn ich mich recht entsinne, gab es - im vergangenen Jahr, glaube ich - schon einmal ähnliche Vorschläge. Was sagt der Minister denn über die Realisierungszeiten und Realisierungschancen? Dazu habe ich in den Veröffentlichungen nichts gefunden. Oder ist das einfach ein Vorschlag, den er einmal wieder in die Debatte geworfen hat?

An Herrn Streiter: Ich hätte schon gern gewusst, ob die Kanzlerin die Substanz dieses Vorschlages mit zum Gegenstand des Gipfeltreffens machen möchte. Oder läuft das auch bei ihr unter dem Motto: Gut, dass wir es einmal gesagt haben?

Kotthaus: Ich glaube, der Zeitpunkt ergibt sich aus zwei Elementen. Zum einen haben wir den Zwischenbericht der vier Präsidenten jetzt vorliegen. Der Zwischenbericht der vier Präsidenten dreht sich ja um die Fortentwicklung und Stärkung der Wirtschafts- und Währungsunion und um die Frage: Was für Lehren haben wir gezogen, was für Dinge müssen noch angeschoben werden? Es gibt da mehrere Aspekte, die man da beachten und auch im Gesamtkontext sehen muss: Das ist die Frage der Bankenunion, das ist die Frage der Wirtschaftsunion, das ist aber auch die Frage der Fiskalunion und auch die Frage, wie wir all diese Fortentwicklungen demokratisch einbetten. Die Vorschläge, die der Minister gemacht hat, gehören natürlich auch zu der Frage der Fortentwicklung der Fiskalunion. Wie gesagt, der Zeitpunkt ergibt sich aus dem Zwischenbericht der vier Präsidenten, und da geht es um die Frage: Was für Elemente kann man sich noch vorstellen, die noch in die Diskussion eingebracht werden sollten.

Zum anderen ist das zum Teil sicherlich auch vor dem Hintergrund der Gespräche der letzten Wochen und auch vor dem Hintergrund des IWF-Treffens - respektive auch der Treffen mit den anderen Gesprächspartnern auf der Reise - zu sehen. Gerade Fragen der Verbindlichkeit von Vorgaben, Fragen der Sicherheit, dass Vorgaben auch umgesetzt werden, standen da immer im Mittelpunkt. Ein gestärkter Währungskommissar könnte genau dafür stehen, also für ein erhöhtes Vertrauen in die Umsetzung der Maßnahmen und für ein erhöhtes Vertrauen in die Eurozone als solches. Ich glaube, das ist seit vielen Monaten das beherrschende Thema des Ministers: Wie schaffen wir es, das verlorene Vertrauen - das verlorene Vertrauen unserer politischen Partner, der internationalen Institutionen, aber auch von Investoren - zurückzugewinnen? Daraus ergeben sich sozusagen diese Vorschläge.

SRS Streiter: Der Gipfel morgen - das ist vorhin im Briefing zum Europäischen Rat auch schon gesagt worden - hat thematisch ja auch eine ganz andere Aufgabe. Der Gipfel ist eine wichtige Etappe vor dem Dezember-Gipfel. Es werden aber keine großen Beschlüsse erwartet, sondern eine vertiefte Erörterung der Fortentwicklung der Wirtschafts- und Währungsunion. Da werden hauptsächlich Themenfelder identifiziert, die einer noch tiefgreifenderen Erörterung bedürfen. Da geht es um die Frage: Was ist inhaltlich erforderlich, um die Wirtschafts- und Währungsunion zu stabilisieren?

Diese Fortentwicklung geschieht in vier Blöcken. Da geht es um eine stärkere integrierte Finanzmarktpolitik, Fiskalpolitik und Wirtschaftspolitik sowie eine gestärkte demokratische Legitimation und Kontrolle. Was Bundesminister Schäuble gesagt hat, würde ich einmal unter dem Aspekt "stärkere integrierte Fiskalpolitik" einordnen. Wenn die Rolle der entsprechenden Institutionen gestärkt werden soll, dann gehört natürlich auch die Kommission dazu. Man wird sehen. Das ist jedenfalls hauptsächlich eine Vorbereitungssitzung für den Dezember-Gipfel.

Frage: Hat das Thema der Plagiatsvorwürfe gegen Frau Schavan, die ja heute in Israel ist, in der heutigen Kabinettssitzung trotz ihrer Nichtanwesenheit eine Rolle gespielt?

SRS Streiter: Nein, keine.

Zusatzfrage: Gestern hat der Fraktionsvorsitzende der Unionsfraktion, Herr Kauder, gesagt, angesichts dessen, dass Inhalte des Gutachtens zur Doktorarbeit von Frau Schavan vorab veröffentlicht worden seien, wäre er dafür, ein neues Gutachten oder ein Parallelgutachten zu beantragen. Könnte man sich vorstellen, dass die Kanzlerin sich dem anschließt? Oder will sie sich dazu im Moment gar nicht mehr äußern?

SRS Streiter: Nein. Ich sage einmal: Das geht die Kanzlerin ja auch insofern gar nichts an, als das ein Verfahren ist, das bei der Universität Düsseldorf geführt wird. Die Universität Düsseldorf hat nun Strafanzeige gegen Unbekannt erstattet, weil das Gutachten eines Professors an die Öffentlichkeit lanciert worden ist. Dazu hat die Bundeskanzlerin jetzt auch nichts weiter zu sagen.

Zusatzfrage: Hat die Bundeskanzlerin in den letzten Tagen persönlich mit Frau Schavan über die Vorwürfe gesprochen oder mit ihr telefoniert?

SRS Streiter: Das weiß ich nicht. Ich kann mir vorstellen, dass sie einmal telefoniert haben, so wie sie das dauernd beziehungsweise öfter tun. Aber jetzt ist Frau Schavan ja verreist. Ich glaube nicht, dass jetzt akuter Telefonatbedarf besteht.

Frage: Eine Frage an das Umweltministerium: Ist das Endlagersuchgesetz noch in der Abstimmung? Wann wird der Regierungsentwurf fertig sein und den Fraktionen zugehen, mit welchem Datum rechnen Sie da?

Stamer: Zunächst möchte ich noch einmal darauf hinweisen, dass der Bundesumweltminister nach wie vor - ich habe das hier schon des Öfteren gesagt - das Ziel verfolgt, dass es bei diesem Thema einen Konsens gibt. Die Opposition hat dringend darum gebeten, dass ein überarbeiteter Gesetzentwurf vorgelegt werden soll. Dieser Entwurf wird erarbeitet. Wenn er fertig ist, dann wird er an die Beteiligten übersandt.

Zusatzfrage: Da gibt es also noch keinen Zeithorizont?

Stamer: Konkrete Termine kann ich Ihnen im Moment nicht nennen.

Frage: Frau Moosmayer, das Bundesverwaltungsgericht hat die geplante Elbvertiefung vorerst auf Eis gelegt. Es wird befürchtet, dass es Jahre dauern könnte, bis es da weitergeht. Befürchtet der Verkehrsminister, dass sich dadurch gravierende negative Auswirkungen für den Standort Deutschland ergeben?

Moosmayer: Nein, das befürchten wir nicht. Die Elbvertiefung ist ja schon seit Jahren in der Planung, und das ist nicht die erste Klage, die dagegen vorgebracht wird. Wir halten immer noch unseren Plan für sinnvoll und hoffen auch, dass sich bald alles klärt.

Zusatzfrage: "Bald klärt" heißt, Sie gehen jetzt nicht von jahrelangen Verzögerungen aus?

Moosmayer: Das ist einfach schwer zu sagen. Dieses Projekt ist ja schon jahrelang in der Planung, und diese Klagen verzögern das Ganze natürlich und haben es auch in der Vergangenheit bereits verzögert. Aber so ist das nun einmal bei Planungsverfahren in Deutschland; die nehmen ihre Zeit in Anspruch. Da können wir auch nicht irgendetwas beschleunigen.

Frage: Hat das Thema Kita-Ausbau im Kabinett eine Rolle gespielt, ist darüber geredet worden? Wie will man den Konflikt mit den Ländern beheben?

SRS Streiter: Darüber ist im Kabinett nicht gesprochen worden; ich habe darüber aber mit der Bundeskanzlerin gesprochen. Es ist natürlich - bei allem Respekt - schon etwas seltsam, dass man mit den Bundesländern wochenlang bis ins Detail verhandelt und dann hört, dass die dort erzielten Ergebnisse offenbar nicht befriedigend sind. Das ist ja alles fest vereinbart worden; da ist sogar über Geld gesprochen worden, da ist sogar über den Verteilerschlüssel gesprochen worden. Es gibt jetzt eigentlich keinen Grund, sich dem zu verweigern.

Zusatzfrage: Wie will man jetzt weiter vorgehen? Sucht man das Gespräch? Will man das Geld zurückziehen?

SRS Streiter: Es besteht die Hoffnung, dass sich die Vernunft durchsetzt.

Zusatzfrage: Gibt es denn Termine?

SRS Streiter: Nein - keine, die ich weiß.

Zusatzfrage: Und was sagt das Familienministerium dazu?

Von Jagow: Ich kann wiederholen, was die Ministerin schon gesagt hat und was heute auch in der "Süddeutschen Zeitung" nachzulesen ist - das hat sie heute Vormittag ja noch einmal sehr deutlich gemacht, und der Regierungssprecher hat das auch -: Es gab Absprachen mit den Ländern, wie mit den zusätzlich vom Bund bereitgestellten 580 Millionen Euro zu verfahren ist. Die Länder haben das am vergangenen Freitag wider die Absprachen abgelehnt. Vor dem Hintergrund, dass es beim Kita-Ausbau noch erheblichen Ausbaubedarf gibt, vor dem Hintergrund, dass es noch viele Unklarheiten gibt, wo die Gelder genau hinfließen beziehungsweise wie der aktuelle Ausbaustand ist, und vor dem Hintergrund, dass im August nächsten Jahres der Rechtsanspruch kommt, hat die Ministerin überhaupt kein Verständnis dafür, dass die Länder die Gelder quasi ablehnen und man die 580 Millionen Euro den Ländern förmlich hinterhertragen muss - zumal es, wie gerade schon gesagt worden ist, Absprachen gab und man sich darauf geeinigt hat, wie die neuen Gelder zu verteilen sind.

Zusatzfrage: Was steckt Ihrer Vermutung nach hinter diesem Verhalten, und was sind Ihre Vermutungen hinsichtlich des Ausbaubedarfs? Sind in Wirklichkeit mehr Plätze vorhanden oder sind es viel weniger? Was soll da kaschiert werden?

Von Jagow: Nach unserem Stand fehlen noch 160.000 Plätze zur Erreichung der insgesamt 780.000 Plätze, die nötig sind, um im August nächsten Jahres einen Rechtsanspruch zu erfüllen. Dass die Länder es ablehnen, öffentlich zu machen, wie die Gelder verwendet werden, schürt schon den Verdacht, dass sie sich nicht in ihre Bücher gucken lassen möchten. Das ist sehr bedauerlich, zumal es letztlich zulasten der Eltern und der Kinder geht, wenn der Kita-Ausbau jetzt nicht vorankommt. Es sind nur noch neun Monate, daher ist es jetzt allerhöchste Zeit, Tempo zu machen.

Zusatzfrage: Wenn es diesen Rechtsanspruch gibt: Wer muss dafür dann eigentlich geradestehen? Sind das die Kommunen?

Von Jagow: Zuständig - im Übrigen auch für die Finanzierung - sind die Länder. Der Bund hat sich trotzdem 2007 bei dem sogenannten Krippengipfel zwischen Bund, Ländern und Kommunen bereiterklärt, ein Drittel der Kosten zu tragen. Wenn es aber zu Klagen kommt, dann ist nicht der Bund der Ansprechpartner, sondern dann sind das in der Tat die Kommunen.

Frage: Herr Teschke, weil Herr Seehofer sich heute noch einmal dazu geäußert hat: Gibt es schon eine Meinungsbildung des Innenministers zum Bundestags-Wahltermin im nächsten Jahr? Gibt es eine Vorstellung, bis wann man sich festgelegt haben möchte?

Teschke: Da gibt es eigentlich nichts Neues. Es gilt nach wie vor, dass wir uns am Anfang des kommenden Jahres, spätestens bis Februar, auf einen Wahltermin verständigen werden und das dann dem Kabinett vorlegen und dann an den Bundespräsidenten weiterreichen werden.

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Quelle:
Mitschrift der Pressekonferenz vom 17. Oktober 2012
http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2012/10/2012-10-17-regpk.html?nn=391778
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veröffentlicht im Schattenblick zum 19. Oktober 2012