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PRESSEKONFERENZ/488: Statements von Kanzlerin Merkel und dem Präsidenten der Republik Jemen, 4.10.12 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Mitschrift der Pressekonferenz - Donnerstag, 4. Oktober 2012
Pressestatements von Bundeskanzlerin Angela Merkel und dem Präsidenten der Republik Jemen, Abdrabu Mansour Hadi

(Hinweis: Die Ausschrift des fremdsprachlichen Teils erfolgte anhand der Simultanübersetzung.)



BK'in Merkel: Meine Damen und Herren, ich möchte heute ganz herzlich den Präsidenten des Jemen, Herrn Hadi, bei uns begrüßen. Wir freuen uns sehr über Ihren ersten Besuch hier in Berlin. Wir wissen, dass vor Ihnen eine sehr schwierige Aufgabe liegt, bei der Deutschland Sie und Ihr Land sehr gerne unterstützen möchte.

Der Prozess, der jetzt im Jemen mit der Übergangsregierung eingeleitet wurde, ist ein Prozess, der natürlich noch viel Arbeit vor sich hat, der aber bis hierher erst einmal gut gelungen ist. Deshalb hat Deutschland auch die Initiative des Golfkooperationsrates unterstützt. Wir freuen uns, dass Sie aus den Wahlen als Präsident hervorgegangen sind.

Deutschland führt seit langen Jahren sehr gute Entwicklungsbeziehungen mit dem Jemen. Allerdings haben wir heute festgestellt, dass viele Projekte doch nicht realisiert wurden. Wir wollen mit dem heutigen Besuch einen Neuanfang proklamieren und sagen: Wir wollen jetzt sehr entschlossen in den Bereichen Bildung, Wasser, Abwasser und natürlich auch in anderen Bereichen etwas tun, die für den Jemen von großer Bedeutung sind.

Wer sich einmal die Lage des Jemen auf der Landkarte anschaut, wird sofort feststellen, von welcher strategischer Bedeutung der Jemen im Blick auf den Kampf gegen Al-Qaida und Piraterie ist. Deshalb ist es auch im deutschen Interesse, alles dafür zu tun, dass die Entwicklung im Jemen friedlich und vernünftig verläuft und dass vor allen Dingen die vielen jungen Menschen im Jemen eine Chance für eine gute Entwicklung bekommen. Wenn man hungert, wenn man keine Bildungschancen hat, ist Demokratie natürlich für die Menschen nicht attraktiv. Das heißt also, der politische Wandel muss auch mit Chancen für die jungen Menschen einhergehen.

Wenn man sieht, dass es noch viele Menschen gibt, die keine ausreichende Schulbildung haben, wenn man sieht, dass es viele Arbeitslose gibt, dann ist, glaube ich, gerade das Thema "Bildung für junge Leute" ein großes Feld, in dem wir im Rahmen unserer Entwicklungszusammenarbeit Maßstäbe setzen können.

Bundesaußenminister Guido Westerwelle war der erste Außenminister eines westlichen Landes, der in der Zeit des Übergangs in den Jemen gereist ist. Wir haben damit einen politischen Punkt gesetzt und deutlich gemacht: Deutschland möchte im Rahmen der Freunde des Jemen beim Entwicklungsprozess mit dabei sein. Ich glaube, Ihr Besuch heute, Herr Präsident, hat dieses noch einmal unterstrichen. Wir haben auch über die genannten konkreten Projekte gesprochen. Wir wollen weiter hilfreich mit dabei sein, wenn es um eine gute Entwicklung für Ihr Land geht. Noch einmal herzlich willkommen!

P Hadi: Herzlichen Dank! Ich bin sehr froh, Deutschland zu besuchen und heute in Berlin zu sein. Sie als Journalisten wissen natürlich, dass es eine Initiative gibt, die in den Golfstaaten gegründet wurde und die einen bestimmten Mechanismus umfasst. Gemäß diesem Mechanismus ist unsere Regierung eine gemeinsame zwischen Regierungspartei und Opposition. Der Ministerpräsident gehört der Opposition an.

Die Golfinitiative besteht aus zwei Phasen. In der ersten Phase geht es um die Regierungsbildung, um eine Regierung der Nationalen Einheit und um die Vorbereitung vorgezogener Neuwahlen. Die zweite Phase umfasst die Neustrukturierung der Sicherheits- und Streitkräfte sowie einen nationalen Dialog, an dem sich alle Parteien und alle betroffenen Akteure der Zivilgesellschaft, junge Menschen und Frauen beteiligen. Alle Parteien haben sich dieser Golfinitiative angeschlossen.

Wir sind in der ersten Phase der Golfinitiative. Wir haben die Regierung der Nationalen Einheit geschaffen, haben die Präsidentschaftswahlen vorbereitet und sind jetzt dabei, ein Komitee ins Leben zu rufen, um den nationalen Dialog zu beginnen. Wir hoffen, dass er vor Ablauf dieses Jahres beginnt, und zwar zunächst einmal für fünf Monate. Bei diesem Dialog sollen alle Themen angesprochen werden, inklusive des Problems des Südens und der Houthi-Rebellen im äußersten Norden sowie alle anderen Anliegen.

Dann soll ein neues Regierungssystem ausgearbeitet werden, das für den Jemen der Zukunft gilt und das sich der guten Regierungsführung und dem friedlichen Machtwechsel verschrieben hat. Alle Jemeniten möchten mit der Welt im 21. Jahrhundert Schritt halten und den Anschluss nicht verpassen. Vielen Dank!

Frage: Ich habe, wenn Sie gestatten, eine Frage zur aktuellen Situation zwischen der Türkei und Syrien. Die Türkei hat auch heute wieder Ziele in Syrien beschossen. Wie schätzen Sie die Lage ein? Was erwarten Sie von den beiden Ländern, der Türkei und Syrien?

BK'in Merkel: Erstens verurteilen wir aufs Schärfste die syrischen Angriffe auf die Türkei. Das war ja auch gestern Gegenstand der Beratungen des NATO-Rats. Wir rufen gleichzeitig alle Beteiligten zu großer Besonnenheit auf. Aber klar ist auch: Die Verurteilung Syriens ist für die Bundesrepublik Deutschland völlig klar. Wir stehen an der Seite der Türkei. Der Bundesaußenminister hatte Kontakte, und wir haben auf allen Ebenen Kontakte mit der Türkei. Gleichzeitig ist Besonnenheit, glaube ich, jetzt das Gebot der Stunde, für das die Bundesrepublik Deutschland entschieden eintritt.

Frage: Herr Präsident, mich würde interessieren, vor welchen grundlegenden Herausforderungen der Jemen steht, insbesondere in Bezug auf die Sezessionsbestrebungen im Süden. Welche Schritte werden in diesem Sinne demnächst eingeleitet werden?

Frau Bundeskanzlerin, wo sehen Sie nach Ihren Informationen und der heutigen Unterredung mit dem jemenitischen Präsidenten die Hauptprobleme im Jemen und um den Jemen herum?

P Hadi: In Bezug auf Ihre Frage: Es gibt zwei Bewegungen im Süden des Jemen, eine friedliche und eine nicht friedliche. Die nicht friedliche Bewegung benutzt auch Waffengewalt, wird vom Iran unterstützt und möchte die Sezession. Aber das wollen nicht alle im Süden. Ich als Präsident des Jemen bin selbst aus dem südlichen Landesteil. Auch unser Ministerpräsident in der Einheitsregierung ist aus dem Süden.

Es gibt einen Dialog, der vor Ablauf dieses Jahres beginnen und fünf Monate lang andauern soll. Dabei werden alle Themen auf den Tisch gelegt, um zu sehen, welche Art von Regierungssystem für den Jemen infrage kommt. Denn bisher hatten wir Regierungssysteme, die nicht in das 21. Jahrhundert passen. Insofern muss ein neues Regierungssystem auch eine neue Verfassung umfassen. Wir werden hierbei gerne das europäische und das deutsche Vorbild zur Kenntnis nehmen.

BK'in Merkel: Aus meiner Sicht gibt es zwei Sorten von Problemen, die parallel zu bewältigen sind: Das eine ist die Aufgabe, dass sich alle relevanten Kräfte im Jemen der Aufgabe verschreiben, ein Regierungssystem und einen Staatsaufbau für das 21. Jahrhundert zu schaffen, damit nicht Kräfte das Ganze unterminieren und beeinflussen. Vielmehr sind alle Kräfte aufgerufen, in der nächsten Phase an diesem nationalen Dialog teilzunehmen.

Das zweite Problem ist die Frage: Wie kann ich die Armut bekämpfen? Wie kann ich den jungen Leuten Bildung geben? Wie kann ich Hoffnung darauf geben, dass dieser neue Staat nicht nur eine ordentliche politische Ordnung hat, sondern dass die Menschen in ihm auch besser als bisher leben können?

Frage: Haben Sie auch die Rolle des Ex-Präsidenten Saleh in diesem Übergangsprozess diskutiert?

P Hadi: Ali Abdullah Saleh hat die Golf-Initiative unterzeichnet, und gemäß dieser Initiative werden vorgezogene Neuwahlen gefordert. Das hat der Präsident akzeptiert. Diese Wahlen haben stattgefunden, und es gab eine friedliche Machtübergabe an die neue Regierung. Das Problem ist, dass er Immunität genießt und dass er insofern in keiner Weise für Fehler der Vergangenheit zur Verantwortung gezogen werden kann.

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Quelle:
Mitschrift der Pressekonferenz vom 4. Oktober 2012
http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2012/10/2012-
10-04-pk-bkin-jemen.html?nn=391778
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veröffentlicht im Schattenblick zum 5. Oktober 2012