Schattenblick →INFOPOOL →PARLAMENT → FAKTEN

PRESSEKONFERENZ/453: Regierungspressekonferenz vom 18. Juli 2012 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Mitschrift Pressekonferenz - Mittwoch, 18. Juli 2012
Regierungspressekonferenz vom 18. Juli 2012

Themen: Kabinettssitzung (Gesetzentwurf zur Einführung eines Zulassungsverfahrens für Bewachungsunternehmen auf Seeschiffen, Gesetzentwurf zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte, morgige Sitzung des Deutschen Bundestags, Besuch des Staatsministers im Auswärtigen Amt in Rumänien), amtliches Endergebnis der Parlamentswahlen in Libyen, Lage in Syrien, Energiewende, Beschneidung, Asylbewerberleistungsgesetz, Ankauf von CDs mit Steuerdaten aus der Schweiz, EEG-Novelle, Gleichstellung von Leiharbeitnehmern mit Stammarbeitnehmern, spanische Bankenrekapitalisierung

Sprecher: StS Seibert, Schäfer (AA), Aden (BMJ), Wendt (BMAS), Kotthaus (BMF), Geißler (BMU)



Vorsitzende Sirleschtov eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt StS Seibert sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

StS Seibert: Guten Tag, meine Damen und Herren! Das Kabinett hat sich zunächst mit einem Gesetzentwurf zur Einführung eines Zulassungsverfahrens für Bewachungsunternehmen auf Seeschiffen beschäftigt. Die Gefährdung durch Piraterie auf den Weltmeeren ist in den letzten Jahren erheblich gestiegen. Das ist eine massive Bedrohung für Leib und Leben von Seeleuten. Deutschland als das Land, das weltweit die drittgrößte Handelsflotte besitzt, ist davon auch erheblich betroffen. Daher ist die Bekämpfung der Piraterie eine wichtige Aufgabe, und die muss mit einer Vielzahl von Maßnahmen erfolgen, einem ganzen Bündel von Maßnahmen. Zu diesem Maßnahmenbündel gehört eben auch das, was das Kabinett heute auf den Weg gebracht hat: Es soll möglich sein, private Bewachungsunternehmen mit dem Schutz der Schiffe in Hochrisikogebieten zu beauftragen.

Mit dem Gesetzentwurf sieht das Kabinett heute eine Änderung der Gewerbeordnung vor. Es wird nämlich ein Zulassungsverfahren für solche Bewachungsunternehmen auf Seeschiffen eingeführt. Der Einsatz von Bewachungsunternehmen als Schutzmaßnahme gegen Piraterie stellt gegenüber dem herkömmlichen Bewachungsgewerbe einen Sonderfall dar, und zwar aus zwei Gründen: Zunächst einmal wird - das erschließt sich von selbst - die Leistung auf hoher See erbracht, also anders als hier auf dem Festland, und in Deutschland selbst kann man im Notfall nicht mit der schnellen Unterstützung durch hoheitliche Kräfte rechnen. Zweitens muss das eingesetzte Sicherheitspersonal über besondere maritime Kenntnisse verfügen. Es bedarf daher einer besonderen Regelung. Die sieht dieser Gesetzentwurf vor. Wir wollen ein spezielles Zulassungsverfahren in der Gewerbeordnung einführen, um diesen besonderen Erfordernissen Rechnung zu tragen.

Das zweite Thema, mit dem sich das Bundeskabinett heute befasst hat, ist im Grunde die zweite Stufe der Insolvenzrechtsreform. Nach dem Gesetz zur Erleichterung der Unternehmenssanierung wird nun das Verbraucherinsolvenzrecht reformiert, und zwar durch einen Gesetzentwurf zur Verkürzung der Restschuldbefreiungsverfahren und zur Stärkung der Gläubigerrechte. Der Kern dieses Gesetzentwurfes ist es, Schuldnern schneller als bisher eine zweite Chance für einen wirtschaftlichen Neuanfang zu geben. Schuldner, insolvente Existenzgründer oder Verbraucher, dir es schaffen, mindestens 25 Prozent der gegen sie offenen Forderungen sowie die Verfahrenskosten zu tilgen, können die sogenannte Wohlverhaltensperiode von bisher sechs auf drei Jahre halbiert bekommen. Das entspricht übrigens auch den Vorgaben des Koalitionsvertrags. Dadurch erhalten eben insbesondere insolvente Existenzgründer und Verbraucher schneller als bisher die zweite Chance. Der Grundgedanke, der sich darin ausdrückt, ist, dass man zum ersten Mal ein Anreizsystem einführt. Der Schuldner, der sich aktiv in das Insolvenzverfahren einbindet, wird also, je mehr er tut, umso eher aus dem Verfahren herauskommen. Desto eher ist diese Restschuldbefreiung möglich.

Anschließend hat Bundesfinanzminister Schäuble kurz einen Ausblick auf die morgige Sitzung des Bundestags gegeben, bei der ja über die Finanzhilfen für Spanien entschieden werden wird.

Der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Herr Link, hat kurz über seinen Besuch in Rumänien berichtet.

Schäfer: Ich würde Ihnen gerne zu den Themen Libyen und Syrien Folgendes mitteilen:

Heute ist in Libyen das offizielle amtliche Endergebnis der Parlamentswahlen in Libyen bekannt gegeben worden. Aus diesem Anlass hat Außenminister Westerwelle soeben mit Mahmud Dschibril, dem ehemaligen Ministerpräsidenten des Nationalen Übergangsrats und dem Sieger der Parlamentswahlen in Libyen, telefoniert. Er hat aus diesem Anlass gesagt, dass er die Menschen in Libyen zur erfolgreichen Durchführung der ersten demokratischen Wahlen nach Jahrzehnten der Diktatur beglückwünscht. Millionen von Wählern haben mit ihrer Stimme den Grundstein für den demokratischen Aufbruch ihres Landes gelegt. Er hat ferner festgestellt, dass damit nun eine entscheidende Etappe für das neue Libyen beginnt. Es geht darum, eine neue Verfassung zu erarbeiten, stabile demokratische Institutionen aufzubauen und die Sicherheitslage im Land weiter zu verbessern. Hierfür seien alle politischen und gesellschaftlichen Kräfte gefragt.

Herr Dschibril hat in dem Telefonat mit dem Außenminister die Partnerschaft mit Deutschland ausdrücklich gewürdigt und herausgestellt, dass er Deutschland als ein Schlüsselland für die weitere Entwicklung des neuen, demokratischen Libyen ansehe. Der Außenminister hat ihm versichert, dass Deutschland bereit sei, seinen Beitrag dazu zu leisten, dass Rechtsstaat und Freiheit, Frieden und innere Aussöhnung sowie Pluralität und religiöse Toleranz ein Markenzeichen des neuen Libyen werden können. - Das wäre das, was ich Ihnen gerne zum Thema Libyen mitteilen würde.

Zum Thema Syrien würde ich Ihnen gerne aus aktuellem Anlass folgende Äußerung des Außenministers übermitteln: Es verschärft sich nun auch in der Hauptstadt, in Damaskus, der in aller Härte und mit militärischen Mitteln ausgetragene Konflikt zwischen dem Regime von Präsident Assad und der Opposition. Viele Tausend Menschen sind der wachsenden Gewalt in Syrien schon zum Opfer gefallen. Für diese Eskalation trägt das Regime von Assad die Verantwortung. Es hat seine Versprechen für ein Ende der Gewalt, einen politischen Dialog und die Einleitung eines glaubwürdigen und ernsthaften Übergangsprozesses nie gehalten und friedliche Proteste mit nackter Gewalt und mit vielen zivilen Opfern niedergeschlagen. Wir müssen nun alles versuchen, um diese Spirale der Gewalt zu durchbrechen. Das kann nur gelingen, wenn die internationale Gemeinschaft ein klares und geschlossenes Signal aussendet. Der Friedensplan von Kofi Annan ist die beste Grundlage für den politischen Übergangsprozess in Syrien. Er braucht mehr Nachdruck und dadurch auch mehr Glaubwürdigkeit auf allen Seiten. Verstöße müssen wir ahnden, auch durch Sanktionen der internationalen Gemeinschaft. Der Außenminister ruft alle auf, die im Sicherheitsrat Verantwortung tragen, dafür mit einer Resolution des Sicherheitsrates nunmehr die Grundlage zu schaffen.

Frage: Herr Seibert, ist denn durch diese Änderung der Gewerbeordnung auch geregelt, mit welcher Bewaffnung diese Firmen ihrer Aufgabe nachkommen können?

StS Seibert: Es gibt eine Änderung im Waffengesetz, aber keine materielle. Das heißt, es dürfen auch künftig von diesen Sicherheitskräften nur Gewehre und halbautomatische Waffen eingesetzt werden. Auch künftig dürfen vollautomatische Waffen oder Kriegswaffen nicht eingesetzt und nicht mitgeführt werden. Die Änderung im Waffengesetz bezieht sich darauf, dass die Waffenbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg die zentrale Behörde wird, die die notwendigen Erlaubnisse erteilen kann. Das ist also keine materielle Änderung.

Frage: Diese Frage geht an das Bundesjustizministerium; da kommt das Gesetz (zur Insolvenzrechtsreform) ja her. Mir ist etwas noch nicht ganz klar: Müssen die Schuldner jetzt auch weniger bezahlen, oder können Sie einfach nur schneller bezahlen und werden dann auch schneller befreit?

Sie geben an, dass mit diesem Gesetz auch die Position der Gläubiger gestärkt werde. Worin besteht die Stärkung genau? Das ist mir bei der Lektüre nicht ganz klar geworden.

Aden: Vielen Dank für die Frage. Wie Herr Seibert bereits ausgeführt hat, geht es darum, dass, wenn 25 Prozent der Forderungen beglichen werden, dann schon nach drei Jahren eine sogenannte Restschuldbefreiung eintreten kann. Wenn nach fünf Jahren zumindest die Verfahrenskosten getilgt werden, dann kann das auch passieren. Ansonsten gilt die alte Regelung, nämlich dass diese Restschuldbefreiung nach sechs Jahren Wohlverhalten eintritt.

Das bedeutet konkret eine Verbesserung für den Gläubiger, weil er jetzt immerhin die Möglichkeit hat, nach drei Jahren 25 Prozent der Forderungen zu erhalten. Darüber hinaus gibt es auch verfahrensrechtliche Erleichterungen für die Gläubiger. Insbesondere wird den Schuldnern auch mehr als bisher und eher als bisher zugemutet, eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen.

Zusatzfrage: Ich bin nicht so ganz vertraut mit den Einzelheiten des geltenden Verfahrens. Sind diese 25 Prozent denn neu?

Aden: Ja, diese 25 Prozent sind neu. Wenn diese 25 Prozent nicht beigetrieben werden können und auch die Verfahrenskosten nach fünf Jahren nicht beigetrieben werden können, dann bleibt es eben bei der alten Regelung, dass dann nach sechs Jahren der Neuanfang möglich ist. Ziel des Gesetzes ist es eben, dass die Schuldner - gerade junge Unternehmer, die mit einem ersten Versuch auf der Nase gelandet sind, oder auch Verbraucher, die zum Teil unverschuldet in der Insolvenz gelandet sind, beispielsweise nach einer Scheidung - schneller aus dem Schuldenturm herauskommen und dass schneller wieder ein Neuanfang möglich wird.

Frage: Ich habe eine Frage an Herrn Seibert zur Energiewende. Dazu haben sich Anfang der Woche beziehungsweise am Wochenende zwei Ministerien geäußert, die energiepolitische Verantwortung tragen, und beide haben Zweifel an Zeitplänen und Zielen der Energiewende geäußert. Man hat signalisiert, dass man dabei wahrscheinlich Abstriche machen müsse. Sieht das die Kanzlerin ähnlich beziehungsweise welche Konsequenzen zieht sie daraus? Ist das die Regierungsmeinung, oder sind das jetzt einzelne Stimmen aus dem Kabinett? Wie müssen wir das einordnen?

Innerhalb der Regierungskoalition melden sich ja Stimmen, die diese kritische Bilanzierung der Energiewende jetzt zum Anlass nehmen, die Energiewende ganz abzusagen; der CDU-Vizefraktionsvorsitzende Vaatz hat sich heute entsprechend geäußert. In diesem Zusammenhang hat sich auch die Opposition geäußert und fordert die Einsetzung eines Bundestagsausschusses zur Energiewende. Wie betrachtet die Regierung diese Forderung?

StS Seibert: Zunächst einmal ist es Ihre Wertung, die ich Ihnen nicht nehmen kann, aber der ich widerspreche, dass die Mitglieder der Bundesregierung Zweifel an den Zielen der Energiewende ausgedrückt hätten. Ich glaube, es ist bereits am Montag hier in der Regierungspressekonferenz vonseiten des Bundesumweltministeriums ziemlich deutlich geworden, und es ist auch aus den Äußerungen des Bundeswirtschaftsministers deutlich geworden, dass dem nicht so war.

Ich möchte aber gerne die Gelegenheit wahrnehmen, um einmal ganz grundsätzlich für die Bundesregierung zu sagen: Die Energiewende ist richtig. Sie ist im Herbst 2010 eingeleitet worden. Sie ist im Sommer 2011 noch einmal beschleunigt worden. Seitdem ist viel geschehen, und in den nächsten Monaten wird noch mehr geschehen. Die Energiewende steht auch in keiner Weise zur Debatte. Der Ausstieg aus der Kernenergie ist beschlossen und unumkehrbar. Die Energiewende ist, wie die Bundeskanzlerin und verschiedene Minister immer wieder gesagt haben, eine schwierige und anspruchsvolle gesamtgesellschaftliche Aufgabe für alle Ebenen der Politik, vom Bund bis zu den Kommunen. Darauf ist, wie gesagt, immer wieder hingewiesen worden. Wir haben uns Ziele gesetzt. An denen arbeiten wir entschlossen. Wir versuchen, alle anderen politischen Ebenen davon zu überzeugen, sie dabei einzubinden und sie mitzunehmen.

Was ist da also geschehen? - Da haben Minister einen nüchternen, realistischen Blick auf das geworfen, was schon geschafft worden ist, und auf das, was noch geschafft werden muss. So ein nüchterner, realistischer Blick wird uns sicherlich immer helfen. Aber es bleibt dabei: Die Energiewende ist richtig. Sie ist eine Herausforderung für Deutschland, aber sie ist auch eine große Chance.

Zusatzfrage: Wird ein Bundestagsausschuss zur Energiewende für nötig erachtet?

StS Seibert: Wenn das Parlament einen Ausschuss einsetzt, dann obliegt es der Hoheit des Parlaments, darüber zu entscheiden. Die Bundesregierung ist davon überzeugt, dass die Arbeit der Ressorts und auch des gemeinsamen Steuerungskreises ausreicht. Wir werden den ersten Monitoring-Bericht gegen Ende des Jahres erhalten. Aus unserer Sicht tut die Bundesregierung alles, was getan werden muss.

Frage: Ich habe eine Frage an das Bundesjustizministerium zum Thema Beschneidung. Es ist ja verschiedentlich davor gewarnt worden, bei diesem Thema einen Schnellschuss zu wagen. Nun wird es morgen vermutlich eine Resolution des Bundestages geben, in der die Bundesregierung aufgefordert wird, bis zum Herbst einen Gesetzentwurf vorzulegen. Ist denn bis dahin eine gründliche Vorbereitung dieses Gesetzentwurfes möglich, oder gibt es seitens Ihres Hauses Bedenken?

Aden: Es geht darum, dass es verschiedene gesetzgeberische Möglichkeiten gibt, und es muss gründlich abgewogen werden, wo ein solches Gesetz angesiedelt werden kann und wie es formuliert werden muss. Natürlich ist der Bundesjustizministerin und der Bundesregierung klar - das ist ja auch schon mehrfach gesagt worden -, dass das nicht auf die lange Bank geschoben werden darf und kann. Deswegen ist hier Eile geboten. Wann genau ein Entwurf vorgelegt werden kann, kann ich Ihnen nicht sagen. Es gibt jetzt eben die Entschließung hinsichtlich des Herbstes, und es wird sicherlich das Ziel sein, bis dahin mit den Überlegungen weitergekommen zu sein.

Zusatzfrage. Das wird ein Ziel sein. Aber man kann also nicht sicher davon ausgehen, dass der Entwurf wirklich bis zum Herbst fertig sein wird?

Aden: Ich kann Ihnen keinen konkreten Zeitplan nennen.

Frage: Ist es denn voreilig gewesen, Herr Seibert, eine zügige Lösung anzukündigen, wenn man jetzt feststellen muss, dass es doch etwas komplizierter ist und man nicht einmal weiß, ob man es schafft, den Gesetzentwurf bis zum Herbst fertigzustellen, weil es eben gilt, vieles abzuwägen?

StS Seibert: Nein.

Zusatzfrage: Das bringt mich natürlich zur Nachfrage, wie Sie "zügig" definieren. Dürfen wir künftig davon ausgehen, wenn Sie von "zügig" sprechen, dass es dann Vierteljahresschritte sind, von denen wir hinsichtlich einer Realisierung ausgehen müssen?

StS Seibert: Ich spreche davon, dass sich die Bundesregierung in dieser Sache ihrer Verantwortung bewusst ist. Wir sind uns sehr bewusst, dass in der jüdischen Religion eine frühe Beschneidung, nämlich am achten Tag, gefordert wird. Wir wollen nicht warten, bis jetzt geborene jüdische Kinder Jahre alt sind, um diese Beschneidung in Deutschland vornehmen lassen zu können, und zwar straffrei. Deswegen, weil wir uns dieser Verantwortung bewusst sind und weil wir auch glauben, dass zumindest Teile der Welt in dieser Frage durchaus auf Deutschland schauen, haben wir gesagt, dass wir eine zügige Lösung haben wollen.

Wie das jetzt im Parlament umgesetzt wird, ist, wie Sie verstehen können, dann auch Sache des Parlaments. Die Bundesregierung wird alles tun und arbeitet intensiv daran, eine zügige Lösung möglich zu machen.

Frage: Herr Seibert, heißt das denn, dass die Bundeskanzlerin ganz besonders darauf schauen wird, dass sie also den federführenden Häusern mit Nachdruck klarmachen wird, dass sie einen Gesetzentwurf bis zum Herbst wünscht?

StS Seibert: Es geht nicht darum, jemandem mit Nachdruck etwas klarzumachen. Die Bundeskanzlerin ist mit den entsprechenden Häusern und den Ressortministern im Gespräch, und ich glaube, dass das Gefühl in der gesamten Bundesregierung vorhanden ist, dass wir dabei nichts auf die lange Bank schieben dürfen.

Aden: Wenn ich das nur kurz ergänzen darf: Natürlich - das hatte ich auch schon mehrfach betont - werden im Bundesjustizministerium seit dem Bekanntwerden des Urteils die rechtlichen Fragen, die damit zusammenhängen, erörtert. Das geschieht mit Hochdruck und wird auch weiterhin geschehen.

Frage: Ich habe eine Frage zum Asylbewerberleistungsgesetz. Frau Wendt, die Regierung hatte schon im Herbst 2010 nach dem Urteil des Verfassungsgerichts zu Hartz IV mitgeteilt, dass das Asylbewerberleistungsgesetz im Lichte des Urteils nicht zu halten sei. Nun ist das sozusagen amtlich in Karlsruhe bestätigt worden. Warum ist denn nicht früher vonseiten der Regierung eine Novelle des Gesetzes, die der Verfassung entsprechen würde, auf den Weg gebracht worden?

Wendt: Zuerst einmal möchte ich sagen, dass das Bundesarbeitsministerium das Urteil aus Karlsruhe begrüßt, weil dadurch tatsächlich Klarheit geschaffen wird. Das, was Sie erwähnt haben - das Urteil von 2010 und die seitdem vergangene Zeit -, ist auf Folgendes zurückzuführen: Diese Anpassung des Gesetzes war deshalb schwierig, weil der Bund das Rahmengesetz vorgibt, die Länder aber letztlich die Kosten tragen. Sie führen das Asylbewerberleistungsgesetz also aus. Deshalb wurde nie eine notwendige Mehrheit im Bundestag und im Bundesrat erreicht. Man muss dann natürlich im Einklang miteinander sein.

Mit diesem heutigen Urteil aus Karlsruhe sind Maßstäbe klar, die wir für die Rahmengesetzgebung brauchen. Insofern werden wir jetzt zügig daran arbeiten, das Gesetz auf den Weg zu bringen.

Zusatzfrage: Die Koalition hatte ja im Koalitionsvertrag vereinbart, dass das Sachleistungsprinzip beim Asylbewerberleistungsgesetz evaluiert werden solle. Was ist denn da der Sachstand?

Wendt: Es wird jetzt sozusagen ein neues Gesetz auf den Weg gebracht werden. Es wird eine Übergangsregelung geben, in der das Sachleistungsprinzip erst einmal noch unangetastet bleibt. Alles Weitere wird dann bei der Neuregelung des Gesetzes und des Gesetzentwurfes berücksichtigt werden.

Frage: Können Sie uns kurz darüber aufklären, wer für welche Kosten zuständig ist? Woher kommt das Geld für die Asylbewerber? Sie nannten, wenn ich es richtig verstanden habe, die Länder. Gibt es Überlegungen des Bundes, dabei jetzt einzuspringen oder auszuhelfen?

Wendt: Nein, so ist es klar geregelt. Weil sich Länder und Bund jetzt vor dem Hintergrund der eben geschilderten Situation - die Länder tragen die Kosten, und der Bund gibt das Rahmengesetz vor - einigen müssen, werden wir uns entsprechend zusammensetzen. Es gab ja bereits eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe. Ansonsten gibt es zum Thema Kosten nichts hinzuzufügen.

Zusatzfrage: Nur noch einmal zur Sicherheit nachgefragt: Gibt es deshalb auch keine Auswirkungen auf den Bundeshaushalt?

Wendt: Nein.

Frage: Was war eigentlich das Ergebnis der Arbeit der Bund-Länder-Arbeitsgruppe, die Sie gerade erwähnten?

Wendt: Diese Bund-Länder-Arbeitsgruppe hat sich mehrfach getroffen, ist aber nicht zu einem Ergebnis gekommen. Es ist also als Ergebnis der Arbeit dieser Bund-Länder-Arbeitsgruppe kein Gesetzentwurf entstanden. Entsprechend ist heute ein Urteil in Karlsruhe gesprochen worden, weil es eben nicht zu einem Ergebnis gekommen ist.

Zusatzfrage: Ich meinte das unabhängig von der Frage der Verfassungsmäßigkeit. Gibt es also irgendwelche Absprachen über Detailfragen?

Wendt: Nein. Das Ziel dieser Bund-Länder-Arbeitsgruppe war ja, einen Gesetzentwurf auf den Weg zu bringen. Das ist ganz offenbar bisher nicht geschafft worden.

Zusatzfrage: In sämtlichen Details nicht?

Wendt: Es gab sicherlich Absprachen, und es gab sicherlich auch Ergebnisse, aber da es kein Gesamtergebnis gab, muss ich hier nicht über die Einzelergebnisse sprechen.

Frage: Kann mir denn jemand sagen, um wie viel Geld es eigentlich geht, das jetzt mehr auszugeben ist, und um wie viel Geld es insgesamt geht?

Wendt: Zu Kosten kann im Moment noch gar nichts gesagt werden. Das Gericht hat heute gesagt, dass sozusagen ein Satz für Asylbewerber analog zum SGB XII gezahlt werden soll. Dieser Satz ist aber in der Höhe und in der Einstufung der Regelbedarfe sehr unterschiedlich. Das heißt, man kann im Moment nicht sagen, wie hoch diese Summe ausfallen wird, einfach weil im Moment nicht klar ist, wie dieser Gesetzentwurf aussehen wird.

Frage: Können Sie vielleicht trotzdem einen Rahmen nennen, innerhalb dessen sich diese Erhöhung bewegen wird? Das kann man ja vielleicht auch am SGB XII festmachen.

Die zweite Frage wäre, nachdem das in der Vorgeschichte - Sie haben es ja gerade geschildert: keine Bund-Länder-Einigung usw. - offenbar alles so kompliziert war: Mit was für einem Zeitrahmen rechnen Sie denn? Kann man sich darauf einstellen, dass das jetzt wieder zehn Jahre dauern wird, weil man sich eben sowieso nicht einigen kann, oder gibt es irgendeine klarere Vorgabe?

Wendt: Das Verfassungsgericht hat heute klar formuliert, dass das sehr schnell, sehr zeitnah und sehr zügig umgesetzt werden soll. Das ist das, was für uns maßgeblich ist. Daran wird sich das Bundesarbeitsministerium halten.

Was die Kosten betrifft, hatte ich eben schon gesagt: Das kann nicht konkret beziffert werden, weil jeder Asylbewerberfall analog zum SGB XII einzeln betrachtet werden muss. Dadurch entstehen unterschiedliche Höhen und unterschiedliche Regelbedarfe. Entsprechend kann ich hier keine Summen und keine Kosteneingruppierung nennen.

Zusatzfrage: Was heißt "sehr schnell" und "zeitnah"? Meinen Sie diese Legislaturperiode und dann vermutlich noch dieses Jahr, weil nächstes Jahr sowieso Wahlkampf sein wird? Können Sie das noch ein bisschen eingrenzen?

Wendt: Wir sind bemüht, das zügig umzusetzen.

Zusatzfrage: Heißt das "diese Legislaturperiode"?

Wendt: Mehr möchte ich dazu jetzt nicht sagen. Zügig, zeitnah! Wie ich ja geschildert habe, ist das Ganze nicht allein eine Sache des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales, sondern diese Gesetzgebung erfolgt unter Beteiligung der Länder.

Zusatzfrage: Heißt das, dass Sie nach der Sommerpause einen Gesetzentwurf vorlegen werden?

Wendt: Zügig werden wir einen Gesetzentwurf vorlegen.

Frage: Frau Wendt, die Kirchen und auch andere Organisationen haben seit 20 Jahren massiv gegen dieses Gesetz interveniert - bei Ihnen, bei den Ländern und überall, wo es nötig und möglich war. Würden Sie die Tatsache, dass das Gericht jetzt gesagt hat, die Zahlungen müssten sofort verändert werden, und man müsse dort, wo Widerspruch eingelegt wurde, auch rückwirkend reagieren, nicht auch als ein politisches Signal dafür werten, dass man sich längst hätte bewegen müssen?

Wendt: Das ist von unserer Seite immer klar formuliert worden. Es gab schon im Jahr 2002 Bestrebungen vonseiten der Bundesregierung, den Satz für Asylbewerber tatsächlich zu erhöhen. Das jetzt vorliegende Gesetz ist aus dem Jahre 1993. Für uns hat das Bundesverfassungsgericht jetzt klare Worte gesprochen; es ist klar formuliert worden, dass die Höhe der Geldleistung evident unzureichend und nicht verfassungsgemäß ist. Daran halten wir uns jetzt, und das werden wir bei den weiteren Verhandlungen mit den Ländern und bei der Erstellung des Gesetzentwurfs berücksichtigen.

Frage: Der Begriff Bund-Länder-Kommission sagt mir, dass der Bund schon einen Anteil an den Verhandlungen hatte. Bei Ihnen klingt das so ein bisschen, als sähen Sie die Schuld bei den Ländern, die Ihre Bemühungen bisher blockiert hätten. Muss sich aber nicht auch der Bund vorwerfen lassen, das Thema nicht einer Lösung zugeführt zu haben? Genügend Zeit war schließlich vorhanden.

Wendt: Wie ich schon gesagt habe: Natürlich ist der Bund in dieser Bund-Länder-AG beteiligt, denn er muss das Gesetz auf den Weg bringen. Die Rahmengesetzgebung kommt vom Bund, die Umsetzung ist jedoch Ländersache; das heißt, die Kosten tragen die Länder. Es gibt einige Länder, die ein Sachleistungsprinzip verfolgen - das heißt, sie geben die Leistungen überwiegend in Form von Sachleistungen aus -, es gibt auch Bundesländer, die Geld zahlen, und es gibt andere, die eine Mischform gewählt haben. Insofern gibt es verschiedene Gemengelagen, die einfach diskutiert werden müssen und die zu einer Lösung geführt werden müssen. Vor diesem Hintergrund hat das Ganze sicherlich etwas länger gedauert. Ich hatte es ja gesagt: Weil dieses Gesetz durch Bundestag und Bundesrat muss, ist es einfach sehr schwierig, auf einen Nenner zu kommen.

Zusatzfrage: Dieses Gesetz ist aber von 1993. Jetzt haben wir einen schwierigen Sachverhalt, und Sie kapitulieren, weil die Länder offenbar nicht bereit sind oder nicht wissen, ob sie sich auf Sachleistungen verständigen sollen oder nicht, und weil sie die Kosten tragen müssen, ist man 20 Jahre lang nicht in der Lage, diesen Konflikt zu lösen. Jetzt gibt es also ein Urteil, und Sie müssen sich doch fragen lassen, ob Sie da alles unternommen haben oder ob Sie da gescheitert sind?

Wendt: Das jüngste Urteil, das zu dem Thema vorlag, war das sogenannte Hartz-IV-Urteil aus dem Jahre 2010. Im Rahmen dessen wurde gesagt, dass man auch für das Asylbewerberleistungsgesetz eine Lösung finden muss. Das haben wir über die Bund-Länder-AG versucht. Das ist bisher offensichtlich nicht passiert. Das wird jetzt aber sicherlich mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zügig umgesetzt werden können, sodass ein Gesetzentwurf auf den Weg kommt.

Frage: Ich habe dazu eine Frage an Herrn Kotthaus. Ministerpräsidentin Kraft hatte schon angedeutet, dass es die Auffassung der Länder ist, dass der Bund angesichts der erwarteten Mehrausgaben für das Asylbewerberleistungsgesetz mehr zahlen möge. Wird das so sein, ist der Minister da verhandlungsbereit?

Kotthaus: Erstens: Das Urteil ist gerade erst erfolgt. Zweitens: Es gibt eine klare Verteilung, wer wofür zuständig ist. Dabei bleibt es, glaube ich.

Frage: Noch einmal zu der Kostenfrage: Der Landkreistag ist offensichtlich schon etwas schlauer und hat gesagt, dass die Mehrkosten bei 130 Millionen Euro im Jahr lägen. Das scheint mir angesichts der Ausgaben, über die wir hier in der letzten Zeit hören, keine sehr unermessliche Summe zu sein. Insofern kann ich mir nicht vorstellen, dass man sich darüber so zerstreiten kann. Ist diese Summe denn realistisch, ist das eine Größenordnung, die aus Ihrer Sicht ungefähr passen würde? Wenn man auf der Grundlage dessen, was das Gericht gesagt hat, hochrechnet und unterstellt, dass das alles Erwachsene sind, kommt man auf ungefähr 175 Millionen Euro kosten - auch das ist ja nicht so unglaublich viel.

Wendt: Genau das ist aber das Problem: Jeder kann im Moment erst einmal nur überschlagen. Aber wie ich schon gesagt habe: "Analog zu SGB XII" bedeutet, dass wir einfach verschiedene Höhen haben, dass wir wirklich Einzelfallbetrachtungen machen, dass jeder Satz einzeln berechnet wird und die Höhe des Regelbedarfs dann entsprechend angepasst werden muss. Insofern gibt es sicherlich eine Spanne, die sich irgendwo zwischen schon genannten Zahlen bewegen wird. Ich kann Ihnen an dieser Stelle aber keine konkrete Zahl nennen; denn wir müssen jetzt erst einmal genau schauen, wie das, was in dem Urteil steht, umgesetzt werden kann. Ich habe das genauso lange wie Sie auf dem Tisch und kann Ihnen dazu nichts Konkretes sagen.

Frage: Ich habe eine Lernfrage an das BMJ. Das Gesetz sagt ja in 3, wenn ich es richtig weiß, dass jährlich per Rechtsverordnung eine Erhöhung vorzunehmen ist, wenn die Inflation sich entsprechend entwickelt hat. Nun ist das aber 20 Jahre lang nicht vorgenommen worden, 3 also niemals umgesetzt worden. Ist es juristisch irgendwie ein Problem, dass sozusagen eine Norm, die der Gesetzgeber selber geschaffen hat, vom Gesetzgeber selber nie umgesetzt wird, erfüllt wird? Folgt daraus juristisch irgendetwas oder folgt daraus nichts?

Aden: Dazu kann ich im Moment nichts sagen. Das Bundesverfassungsgericht hat jetzt ja eine Schlussfolgerung daraus gezogen, dass das nicht erhöht worden ist. Welche rechtstechnischen Folgerungen sich darüber hinaus daraus ergeben, kann ich Ihnen im Moment aber nicht sagen.

Frage: Wie steht der Finanzminister eigentlich zu den mutmaßlichen Käufen von CDs mit Steuerdaten in den Bundesländern beziehungsweise in NRW?

Kotthaus: Ich glaube, dazu hat der Minister in einem Interview der "Rheinischen Post", das heute abgedruckt ist, relativ klar und umfassend Auskunft gegeben.

Zusatzfrage: Könnten Sie das noch ein bisschen wiedergeben?

Kotthaus: Ich habe mir dazu heute extra eine Krawatte mit rot und weiß drin angezogen. - Es gibt in dem Abkommen eine klare und umfassende Regelung, was die Frage der Nachbesteuerung beziehungsweise der zukünftigen Gleichbehandlung mit in Deutschland gelegenem Vermögen betrifft, es gibt auch umfassende Informationspflichten und -rechte, es gibt auch Möglichkeiten der Kontrolle. Von daher sehen wir, dass, wenn das Abkommen in Kraft und umgesetzt ist, die CD-Käufe kein Modell mehr sind, für das es eine Basis gibt. Vielmehr sind die Maßnahmen, die getroffen worden sind - so, wie das Abkommen aufgesetzt ist -, sicherlich so gestrickt, dass der Ankauf von CDs oder Datensammlungen dadurch obsolet würde.

Zusatzfrage: Aber wie stehen Sie zu den jetzigen Käufen? Findet der Minister es gut, wenn NRW jetzt weitermacht und immer noch kauft?

Kotthaus: Ich habe schon am Montag versucht, das klarzumachen: Wir sind in die gegenwärtigen Käufe, die ich im Wesentlichen auch aus der Presse kenne, nicht involviert. Das Abkommen ist noch nicht in Kraft, das wissen wir auch. Aber noch einmal: Wir sehen für die Zukunft, wenn das Abkommen in Kraft ist, eigentlich keine Basis mehr für CD-Käufe.

Zusatzfrage: Gibt es jetzt eigentlich Gespräche zwischen Berlin und Bern über diese neuen Entwicklungen? Hat der Minister gestern - oder vorgestern oder heute - zum Beispiel mit dem Schweizer Bundesrat telefoniert?

Kotthaus: Wir haben normalerweise immer sehr gute Beziehungen zwischen der Schweiz und Berlin. Ich gehe davon aus, dass immer wieder Telefonate geführt werden. Ob es punktspezifisch gestern Telefonate gab, kann ich Ihnen momentan nicht sagen. Aber noch einmal: Die Beziehungen zwischen Bern und Berlin, gerade auch zwischen den zuständigen Ministerien, sind immer exzellent gewesen.

Frage: Ich habe eine Frage an Herrn Geißler. Im Zuge der EEG-Novelle ist ja auch eine Neuregelung der Managementprämie vereinbart worden. Wie weit ist die Bundesregierung da? Ich habe jetzt gehört, es sei im Gespräch oder es solle einen Vorschlag geben, die Managementprämie um ein Drittel zu kürzen. Können Sie das bestätigen? Falls ja, welche Volumina haben wir dann?

Geißler: Es sind Volumina von 200 bis 250 Millionen Euro geplant. Bis zum 1. Januar sollte die Managementprämie ja bei 1 Cent liegen, und das wird jetzt abgesenkt werden. Die Planung ist, auf etwa 0,7 Cent zu kommen. Genaueres werden wir Ende des Jahres wissen.

Zusatzfrage: Gibt es einen Zeitplan?

Geißler: Wir wollen das so schnell wie möglich verabschieden. Das soll natürlich noch alles in dieser Legislaturperiode passieren.

Frage: Ich habe eine Frage an das Arbeitsministerium zum Thema Leiharbeit. Es sieht so aus, als ob die Ministerin das Gesetz zur Gleichstellung von Leiharbeitern auf Eis gelegt hat. Ist das ein Entschluss, der dauerhaft wirkt, oder gilt der nur für diese Legislaturperiode beziehungsweise bis etwas anderes eingetreten ist?

Wendt: Sie beziehen sich auf das heutige Interview im "Handelsblatt", nehme ich an.

Zusatz: Richtig.

Wendt: "Auf Eis gelegt" steht da nicht drin. Es ist so, dass sich die Ministerin Anfang der Woche mit Herrn Hundt und Herrn Sommer getroffen hat. Dabei ging es darum, dass man sich gemeinsam noch einmal über die tarifpolitischen Entwicklungen der vergangenen Monate beraten hat und dabei durchaus festgestellt hat, dass es inzwischen in einigen Branchen - zum Beispiel Stahl, Metall, Elektro, Chemie - durchaus Einigungen gab. Das heißt, es gibt in diesen Branchen für die Zeitarbeiter Regelungen, die deutlich zum Vorteil der Zeitarbeiter sind. Es gibt wiederum andere Branchen - das hat man in dem Gespräch auch festgestellt -, in denen es durchaus noch Handlungsbedarf gibt. Man hat sich darauf verständigt, dass man die kommenden Monate bis zum November nutzen wird, um diesen Branchen noch die Möglichkeit zu geben, für die Zeitarbeiter etwas zu ändern. Sollte das nicht passieren, wird im November entschieden - da gibt es ein weiteres Treffen von Frau von der Leyen, Herrn Hundt und Herrn Sommer -, ob es Handlungsbedarf gibt oder nicht. Im Moment wird jedenfalls kein Handlungsbedarf gesehen.

Zusatzfrage: Es könnte also durchaus der Fall eintreten, dass noch ein Gesetz zur Gleichstellung von Zeitarbeiterinnen und Zeitarbeitern auf den Weg gebracht wird?

Wendt: Prinzipiell sagt die Ministerin: Wenn Sozialpartner nicht in der Lage sind, Einigung herbeizuführen, dann muss es eine gesetzliche Regelung geben. Im Moment ist sie aber durchaus optimistisch, dass es auch in den anderen Branchen für Zeitarbeiter noch Regelungen geben wird, zumal es sich hier ja durchaus um gewichtige Branchen handelt, die einfach viele Zeitarbeiter abdecken. Diese Branchen gehen hoffentlich mit gutem Vorbild voran und ziehen bis zum November nach, sodass dann vielleicht kein Handlungsbedarf mehr erkannt wird.

Frage: Ich würde gerne auf das Thema Spanien zurückkommen - das ging eben ein bisschen schnell, da ist mir nicht gleich eine Frage eingefallen -: Möchten Sie uns vielleicht sagen, was der Minister im Kabinett zu diesem Thema gesagt hat?

StS Seibert: Nur das, was wir Ihnen hier schon sehr ausführlich dargelegt haben, nämlich dass die Rekapitalisierungshilfe für spanische Banken nach den Richtlinien des EFSF abgewickelt wird, so wie es den Richtlinien entspricht, die der Bundestag genehmigt und beschlossen hat. Der Bundesfinanzminister hat noch einmal für alle klar gemacht - das wiederhole ich hier sehr gerne -, dass unser Partner bei dem Ganzen der spanische Staat beziehungsweise sein Bevollmächtigter, der spanische Banken-Restrukturierungsfonds, ist. Das ist aber der spanische Staat: Der Staat stellt den Antrag, der Staat empfängt über den Restrukturierungsfonds das Geld und der Staat ist auch in der Haftung - ich glaube, das muss man sehr klar sagen.

Der Minister hat auch noch einmal darauf hingewiesen, dass Spanien dafür Auflagen zu erfüllen hat. Spanien verpflichtet sich in dem Memorandum, das da abgeschlossen wird, schriftlich, die länderspezifischen Vorgaben, die die EU-Kommission gemacht hat, umzusetzen. Kein anderes EU-Mitglied hat sich dazu schriftlich verpflichten müssen, hat dazu eine solche Verpflichtung abgeben müssen. Diese länderspezifischen Auflagen sind umfassende Maßnahmen, quer durch alle Gebiete, die mit der Wettbewerbsfähigkeit eines Landes zu tun haben. Da geht es um Anpassung des Renteneintrittsalters, Reformen im Steuerbereich, die Öffnung geschlossener Berufe und die Umwidmung von Mitteln zum Einsatz gegen die Jugendarbeitslosigkeit. Spanien muss - auch das ist eine singuläre Situation - vierteljährlich darüber Bericht erstatten - -

Kotthaus: Das ist bei allen Programmen so.

StS Seibert: Okay, Entschuldigung, das nehme ich zurück. - Spanien muss vierteljährlich Bericht darüber erstatten - richtig, das ist die gleiche Situation wie die, in der sich beispielsweise Portugal oder Irland befinden -, wie es bei diesen Maßnahmen vorankommt.

Zusatzfrage: Also wie alle Programmländer?

StS Seibert: Richtig.

Ich weise bei diesem Thema gerne auch darauf hin - auch wenn der Bundesfinanzminister das nicht erwähnt hat -, dass die spanische Regierung auch aus eigenem Antrieb schon sehr konsequente, sehr umfangreiche Reformen beschlossen hat und sich weitere Reformen vorgenommen hat. Ich empfehle jedem, sich einmal das spanische Reformprogramm für die zweite Hälfte dieses Jahres anzuschauen. Da geht es um Reformen der Kommunalverwaltung, der Arbeitszeit und der Arbeitsbedingungen der Beamten, des Steuersystems, Maßnahmen für die Nachhaltigkeit der Sozialsysteme, Flexibilisierung, Reformen der beruflichen Bildung usw. Das nötigt einem schon Respekt ab, denn das sind sehr konsequente Reformen, die das Ziel, Spanien finanziell wieder stabil und nachhaltig sowie wirtschaftlich konkurrenzfähig zu machen, nie aus dem Auge verlieren. Die Bundesregierung unterstützt diesen Kurs ausdrücklich und ist sich sicher, dass dieser Kurs dem Land auf Zeit auch helfen wird, seinen Bürgern - vor allem auch seiner Jugend - wieder eine gute Zukunft zu bieten. Spanien arbeitet sehr hart daran, das Vertrauen wiederzugewinnen.

Zusatzfrage: Ich hatte heute Morgen - aber es kann auch sein, dass das eine falsche Wahrnehmung war - mitbekommen, dass sich Finnland in Spanien besondere Garantien gesichert haben soll. Ist dem so? Wenn dem so wäre: Wie fänden Sie das?

Kotthaus: Das ist eine Besonderheit der finnischen Gesetzgebung rund um den EFSF und die Rettungsschirme. Die Finnen sagen immer: Ja, wir können Hilfen leisten, aber wir brauchen dafür ein Collateral. Diese Möglichkeit gibt es, sie ist aber insoweit eingeschränkt, als man sich dafür als derjenige, der ein Collateral erhält, auch zu besonderen Gegenleistungen verpflichtet. Das bedeutet im Fall von Finnland zum Beispiel, dass sie die ganzen Tranchen für den ESM schneller einzahlen müssen und dass sie auf Gewinne aus dem ESM und auch EFSF verzichten müssen. Da gibt es also sozusagen eine Gegenseitigkeit. Insofern ist es eine Besonderheit im finnischen System, dass sie so ein Collateral brauchen, um zustimmen zu können. Das wurde dann in bilateralen Verhandlungen zwischen den Spaniern und den Finnen klargezogen.

Frage: Da wir bei Problemländern sind: Herr Kotthaus, der Bundesfinanzminister hat in seinem heutigen Interview in der "Rheinischen Post" gesagt, dass er damit rechne, dass für Griechenland weitere schmerzhafte Reformschritte und Einschnitte notwendig werden, sollte die Troika zu dem Schluss kommen, die Rückkehr Griechenlands an die Finanzmärkte sei in absehbarer Zeit noch möglich. Erstens: Zweifelt der Minister daran, dass diese Möglichkeit besteht? Zweitens: Wenn er mit weiteren schmerzhaften Reformschritten rechnet, heißt das dann, dass es mehr Maßnahmen geben soll als die, die jetzt schon im Programm stehen?

Kotthaus: Ich glaube, da überinterpretieren Sie jetzt die Äußerungen des Ministers etwas.

Zum einen: Wir warten auf den Bericht der Troika. Die Troika muss analysieren, wie weit das zweite Griechenland-Programm umgesetzt ist oder auch nicht umgesetzt ist und wo es Lücken beziehungsweise Verzögerungen gibt oder auch nicht gibt. Dann müssen wir eben schauen, wie die Lage ist. Das Programm als solches hat als Ziel, Griechenland nachhaltig zu gesunden und auch wieder den Zugang zu den Finanzmärkten zu eröffnen. Das kennen Sie, das ist nichts Neues, und nur darum geht es.

Dass Griechenland weiterhin die schwierigen Reformschritte des zweiten Griechenland-Programmes absolvieren muss und dass damit sehr schwere Einschnitte einhergehen, ist, glaube ich, unstreitig. Das ist kein leichtes Programm, sondern das ist eine große Herausforderung für Griechenland und für die griechische Bevölkerung. Ob und, wenn ja, wie Verzögerungen, die eventuell existieren oder nicht existieren, aufgeholt werden müssen, Herr Pappas, werden wir dann sehen, wenn der Bericht der Troika da ist. Nichtsdestotrotz: Dass die Aufgaben, die vor der griechischen Regierung und dem griechischen Volk sind, nicht leicht sind, ist nichts Neues. Das sind schwere Auflagen. Sie müssen vor allen Dingen auch eingehalten und nicht nur angekündigt werden. Ich glaube, mehr kann man aus dem Interview nicht herauslesen.

Zusatzfrage: Damit das klar ist: Wenn der Minister im Interview über weitere schmerzhafte Reformschritte und Einschnitte redet, dann ist das - -

Kotthaus: Wir sind doch gerade erst am Beginn des zweiten Reform-Programmes. Das heißt, die ersten Schritte sind hoffentlich gemacht worden - das werden wir ja sehen, wenn die Troika berichtet -, aber das Programm geht ja nicht nur über zwei Tage. Das ist ein Programm über einen längeren Zeitraum, das eine längere Perspektive hat. Diese Schritte müssen alle gegangen werden.

Zusatzfrage: Nur um das klarzustellen: Es geht also um die Einschnitte und Reformschritte, die jetzt im Programm beinhaltet sind?

Kotthaus: Zurzeit ja. Aber noch einmal: Ich weiß nicht, was der Bericht der Troika zu dem Thema Verzögerungen und dazu, was noch nicht umgesetzt werden konnte, aussagen wird. Sie wissen: Das Programm steht, die Parameter stehen, die Fristen stehen. Wenn es dann Probleme oder Verzögerungen gibt, muss man eben gucken, wie man diese Verzögerungen gegebenenfalls aufholen kann. Nur, ohne einen Bericht der Troika sehe ich mich nicht imstande, dazu irgendetwas Substanziiertes zu sagen, und der Minister sicherlich auch nicht. Wir brauchen einfach den Bericht der Troika, um das evaluieren zu können. Nichtsdestotrotz: Das Programm, so wie es jetzt ist, ist auch von bedeutender und beeindruckender Schwere. Wie gesagt, wir können auch nur Respekt zollen, wenn das so abgearbeitet wird. Aber noch einmal: Es muss abgearbeitet werden.

Geißler: Ich kann meine Antwort auf die Frage von Herrn Klinger noch kurz präzisieren: Die Absenkung der Managementprämie soll ab 2013 wirksam werden beziehungsweise beginnen.

*

Quelle:
Mitschrift der Pressekonferenz vom 18. Juli 2012
http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2012/07/2012-07-18-regpk.html?nn=391778
Presse- und Informationsamt der Bundesregierung
Dorotheenstr. 84, 10117 Berlin
Telefon: 030 18 272-0, Fax: 030 18 10 272-0
E-Mail: internetpost@bpa.bund.de
Internet: www.bundesregierung.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 20. Juli 2012