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PRESSEKONFERENZ/447: Regierungspressekonferenz vom 4. Juli 2012 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Mitschrift der Pressekonferenz - Mittwoch, 4. Juli 2012
Regierungspressekonferenz vom 4. Juli 2012

Themen waren: Kabinettssitzung (deutsche Beteiligung an der EU-geführten Mission für die Luftsicherheit im Südsudan, Gesetzentwurf zur Schlichtung im Luftverkehr, Gesetzentwurf zur Reform der elterlichen Sorge nicht miteinander verheirateter Eltern, Gesetzentwurf zur Stärkung der Innenentwicklung in den Städten und Gemeinden und weiteren Fortentwicklung des Städtebaurechts, Beitritt der Bundesregierung zu den angekündigten verfassungsrechtlichen Verfahren gegen die Gesetze zu Fiskalpakt und ESM, Verordnung über zwingende Arbeitsbedingungen für Aus- und Weiterbildungsdienstleistungen), Reisen des Bundesaußenministers nach Moskau und Paris, Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan, Urheberrechtsschutzabkommen ACTA, Beteiligung des MAD an der sogenannten "Operation Rennsteig", Geiselnahme in Karlsruhe

Sprecher: SRS Streiter, Mishra (BMBF), Ballensiefen (BMBF), Schäfer (AA), Zimmermann (BMJ), Kotthaus (BMF), Paris (BMVg), Schneid (BMWi), Beyer (BMI)



Vorsitzender Freitag eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt SRS Streiter und die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

SRS Streiter: Es gab heute einige Beschlüsse im Kabinett, die ich Ihnen hier mitteilen kann.

Zum einen ist es so, dass sich Deutschland mit bis zu 5 Beamtinnen und Beamten der Bundespolizei und der Polizeien der Länder an einer EU-geführten Mission für die Luftsicherheit im Südsudan beteiligen wird. Der Rat der Europäischen Union hatte am 18. Juni diese Mission beschlossen. Mit dieser Mission soll die Luftsicherheit am internationalen Flughafen Juba im Südsudan verbessert werden. Die südsudanesischen Behörden sollen langfristig eigene professionelle Sicherheits- und Polizeibehörden unterhalten. Deutsche Experten können ab August in den Südsudan entsandt werden. Damit leistet Deutschland einen Beitrag zu den Bemühungen der internationalen Gemeinschaft für die Stabilisierung und Entwicklung des Südsudan. Da es sich nicht um einen Einsatz bewaffneter deutscher Streitkräfte nach dem Parlamentsbeteiligungsgesetz handelt, ist keine Zustimmung des Deutschen Bundestages erforderlich.

Dann hat die Bundesregierung des Weiteren den Entwurf eines Gesetzes zur Schlichtung im Luftverkehr beschlossen. Dieses neue Gesetz verbessert die Durchsetzung von Fluggastansprüchen und entlastet die Zivilgerichte. Fluggäste können diese Schlichtungsstellen wegen Ansprüchen von bis zu 5.000 Euro anrufen. Geschlichtet werden Ansprüche aus Gründen von Überbuchung, Annullierung oder Verspätung eines Fluges sowie aufgrund von beschädigtem oder verloren gegangenem Gepäck. Die Anrufung dieser Schlichtungsstellen ist im Allgemeinen für den Fluggast kostenlos. Ich glaube, dazu gab es auch schon eine gesonderte Presseinformation.

Dann ging es um ein Gesetz, das sehr viele Leute betrifft. Dabei geht es um die elterliche Sorge nicht miteinander verheirateter Eltern. Danach soll ein Vater, der nicht mit der Mutter des Kindes verheiratet ist, künftig leichter Zugang zur gemeinsamen elterlichen Sorge erhalten. Die Grundidee dieses Gesetzesentwurfs ist, dass künftig grundsätzlich beide Eltern die elterliche Sorge gemeinsam tragen, es sei denn, es liegen Gründe vor, die gegen die gemeinsame elterliche Sorge sprechen. Das ist für viele sehr wichtig.

Dann hat das Bundeskabinett eine Stärkung der inneren Entwicklung in den Städten und Gemeinden und eine weitere Fortentwicklung des Städtebaurechts beschlossen. Hinter diesem etwas sperrigen Begriff verbirgt sich, dass zum Beispiel Kindertagesstätten in reinen Wohngebieten in einer den Bedürfnissen der Bewohner angemessenen Größe künftig allgemein zulässig sein werden. Zur Steuerung der Ansiedlung von Vergnügungsstätten soll eine klarstellende Regelung eingeführt werden, die es den Kommunen erlaubt, dem Wildwuchs an Spielhallen Einhalt zu gebieten.

Im Rahmen der Nationalen Nachhaltigkeitsstrategie hat die Bundesregierung das Ziel, den Landschaftsverbrauch auf 30 Hektar pro Tag zu reduzieren. Derzeit liegt er in ganz Deutschland ungefähr bei 77 Hektar pro Tag. Deshalb soll die städtebauliche Entwicklung künftig vorrangig durch Maßnahmen der Innenentwicklung erfolgen. Des Weiteren soll die Notwendigkeit der Umnutzung landwirtschaftlich oder als Wald genutzter Flächen besonders begründet werden.

Des Weiteren hat die Bundesregierung beschlossen, dem bekannten, beim Bundesverfassungsgericht anhängig gemachten Verfahren gegen die Gesetze zum ESM, zu Art. 136 Abs. 3 des EU-Vertrags und zum Fiskalvertrag beizutreten. Wie Sie wissen, hat das Bundesverfassungsgericht die mündliche Verhandlung auf den 10. Juli terminiert. Ziel der Bundesregierung ist es, ein möglichst schnelles Inkrafttreten dieser beschlossenen Dinge zu bewirken. Als Verfahrensbeteiligte beabsichtigt die Bundesregierung, dem Bundesverfassungsgericht diejenigen Gesichtspunkte darzulegen, die für eine schnelle Ratifizierung und ein schnelles Inkrafttreten dieser Regelwerke sprechen. Dazu muss man diesem Verfahren beitreten, damit man sich dort äußern kann.

Nicht vorenthalten möchte ich Ihnen einen weiteren Beschluss des Bundeskabinetts: Für die Weiterbildungsbranche gibt es erstmals eine verbindliche untere Lohngrenze. Das Bundeskabinett hat heute die entsprechende Verordnung für die Aus- und Weiterbildungsdienstleistungen zur Kenntnis genommen. Mit der Verordnung wird ein Mindestlohn für die Beschäftigten im pädagogischen Bereich der Branche der Aus- und Weiterbildungsdienstleistungen festgesetzt. Die Höhe des Mindeststundenlohns beträgt in Westdeutschland und Berlin 12,60 Euro, in Ostdeutschland 11,25 Euro. Diese Verordnung soll Anfang August 2012 in Kraft treten. Es wird auch ein Urlaubsanspruch von 26 Arbeitstagen darin festgeschrieben. - So weit der Bericht aus dem Bundeskabinett!

Mishra: Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich will ihnen einen neuen Kollegen vorstellen, nämlich Herrn Moritz Ballensiefen, der sich Ihnen gleich auch kurz selbst vorstellen wird. Er das zu Ihrer Information wird bei uns vor allen Dingen für Forschungsthemen verantwortlich sein. Wenn Sie also wissen wollen, wie das neu entdeckte Higgs-Teilchen funktioniert, oder Ähnliches wissen wollen, dann können Sie sich neben den bekannten Personen auch an ihn wenden. Er wird sich kurz selbst vorstellen.

Ballensiefen: Guten Tag zusammen! Vielen Dank für die Möglichkeit, mich hier noch einmal kurz vorstellen zu dürfen. Mein Name ist Moritz Ballensiefen. Ich bin von Haus aus Politikwissenschaftler, habe in Düsseldorf als freier Journalist gearbeitet, bin danach in die Pressestelle des Innovationsministeriums in Nordrhein-Westfalen gewechselt und war zuletzt im Forschungszentrum in Jülich beschäftigt. Jetzt bin ich seit Neuestem hier in der Pressestelle des BMBF tätig und, wie Herr Mishra schon ausgeführt hat, gerne für Ihre Fragen speziell im Bereich der Forschungsförderung zuständig. Ich freue mich auf die Zusammenarbeit mit Ihnen. Vielen Dank!

Vorsitzender Freitag: Vielen Dank, Herr Ballensiefen. Herzlich willkommen in der Bundespressekonferenz. Wir freuen uns auf eine gute Zusammenarbeit.

Schäfer: Bevor ich zu einer weiteren Ankündigung komme, möchte ich nur das, was Herr Streiter gerade aus dem Kabinett vorgetragen hat, nämlich den Beschluss, eine europäische Mission für den Südsudan zu unterstützen, dadurch ergänzen, dass ich Ihnen sage das wird Ihnen nicht neu sein , dass die Lage im Südsudan, dem jüngsten Staat der Staatengemeinschaft, dessen Geburtsstunde wir etwa vor 12 Monaten erlebt haben, aber auch die Problematik zwischen dem Sudan und dem Südsudan die Bundesregierung weiterhin beschäftigen. Es gibt dabei eine Fülle von Herausforderungen, mit denen die beiden Staaten gemeinsam und allein umgehen müssen. Unter anderem gibt es dort zurzeit, wie Sie wissen, mühsam unter internationaler Anteilnahme gestoppte kriegerische Auseinandersetzungen zwischen beiden Staaten in verschiedenen Grenzregionen. Dabei haben wir es mit ganz vielen Binnenflüchtlingen zu tun. Wir gehen davon aus, dass es dort wahrscheinlich mehr als 170.000 Menschen gibt, die geflohen sind, und 500.000 Menschen, die zurzeit in den umkämpften Gebieten ohne Versorgung sind.

Ich sage Ihnen das deshalb, weil heute der Außenminister entschieden hat, weitere 5 Millionen Euro an humanitärer Hilfe freizugeben, die genau für diesen Personenkreis die Menschen, die ohne jegliche Versorgung sind und deren soziale Not und Hunger wir mit diesen Mitteln bekämpfen wollen beziehungsweise für Hilfsorganisationen zur Verfügung stehen, die das Geld dort einsetzen werden, um die Not zu lindern, soweit es geht.

Die Reiseankündigung ist in der Tat folgende: Der Außenminister wird morgen und übermorgen zu einer Reise aufbrechen, zuerst nach Moskau und dann nach Paris.

Bei seinem dritten bilateralen Besuch in Moskau wird der Außenminister unter anderem seinen russischen Amtskollegen Lawrow treffen. Dabei wird es um bilaterale Fragen im Verhältnis zwischen Deutschland und Russland gehen, aber auch ganz besonders um den Austausch über internationale Probleme. Sie können sich denken, dass es angesichts der dramatischen Lage in Syrien ganz besonders um gemeinsame Bemühungen gehen wird, für ein Ende der Gewalt in Syrien zu sorgen. Es wird aber darüber hinaus morgen in Moskau auch eine Begegnung des Außenministers mit Politikern und Vertretern der russischen Zivilgesellschaft geben. Dabei geht es um ein Gespräch über aktuelle Entwicklungen in der russischen Gesellschaft.

Am Freitag wird der Außenminister schließlich in Paris an einer sehr großen und breit angelegten Konferenz der französischen Regierung teilnehmen, die die Freunde des syrischen Volkes in Paris zusammenbringt. Nachdem es bereits am letzten Wochenende in der sogenannten "Action Group" der P5 mit einigen arabischen Staaten und der Türkei darum gegangen ist, in einer breiten Koalition den Druck auf das Assad-Regime für ein Ende der Gewalt noch einmal zu intensivieren, geht es jetzt auch genau darum sowie darum, nun auf der Grundlage des Friedensplans von Kofi Annan einen Einstieg in einen politischen Übergangsprozess zu finden. Der Minister hat gestern in Paris gesagt, dass die Verbrechen von Assad unverzeihlich seien und dass es jetzt wirklich an der Zeit sei, dafür zu sorgen, dass es endlich zu einem Ende der Gewalt kommt, und zu verhindern, dass es in der Region zu einem Flächenbrand kommt.

Die syrische Opposition wird auch in Paris anwesend sein. Das ist natürlich sehr wichtig dafür, dass es überhaupt einen vernünftigen Übergangsprozess in Syrien geben kann. Die Bundesregierung setzt darauf, dass die verschiedenen Oppositionsgruppen aus Syrien nach ihrem Treffen in dieser Woche in Kairo nun auch in Paris gemeinsam zu mehr Geschlossenheit finden werden. Das ist eine Voraussetzung dafür, dass es friedlichen Wandel in Syrien geben kann.

Frage: Ich wollte kurz hören, ob sich am Gesetzentwurf zum Sorgerecht im Vergleich zum Referentenentwurf, der vorher vorlag, noch irgendetwas geändert hat oder ob alles so geblieben ist. Es gab ja wohl noch ein paar Diskussionen um das beschleunigte Verfahren innerhalb der Koalition.

Zimmermann: Am beschleunigten, vereinfachten Verfahren hat sich nichts geändert. Es ist halt vorgesehen, dass die Väter bei Gericht ihren Antrag stellen können, wenn es vorher nicht zur gemeinsamen Sorgeerklärung kam, und dass das Gericht dann in einem vereinfachten, beschleunigten Verfahren entscheiden kann, wenn die Mutter zu dem Antrag des Vaters entweder gar keine Stellung nimmt oder aber Gründe vorträgt, die ersichtlich nichts mit dem Kindeswohl zu tun haben, etwa wenn sie dem Antrag des Vaters nur aus dem Grund nicht zustimmt, dass sie sagt, sie möchte ganz allein für ihr Kind sorgen. Daran hat sich nichts geändert.

Es gab noch kleinere Änderungen. Die betrafen zum Beispiel den Bereich des Einvernehmens der Eltern über den Wechsel der Alleinsorge. Der jetzt beschlossene Regierungsentwurf entscheidet sich dafür, die gegenwärtige rechtliche Regelung beizubehalten, wobei bei Einvernehmen der Eltern über den Wechsel der Alleinsorge eine gerichtliche Kontrolle des Kindeswohls zu erfolgen hat. An der insoweit anderslautenden Fassung des Referentenentwurfs wurde nicht festgehalten. Grund hierfür ist, dass sich das Bedürfnis für eine gerichtliche Kontrolle aus dem Umstand ergibt, dass es in diesen Fällen zu einem vollständigen Austausch des Sorgeberechtigten kommt. Das war der Grund, weswegen hierbei noch eine Änderung vorgenommen wurde. Aber im Wesentlichen ist es bei den Regelungen aus dem Referentenentwurf geblieben.

Wir haben den jetzt beschlossenen Regierungsentwurf auf unserer Homepage eingestellt. Eine Pressemitteilung wurde auch bereits versandt.

Frage: Was das Kindeswohl ist, ist ja im Einzelfall vielleicht ein interpretationsfähiger Begriff. Enthält das Gesetz denn scharfe Kriterien, um abzugrenzen, was dem Kindeswohl dient und was nicht, also worauf sich die Mutter zu Recht berufen kann und worauf nicht?

Zimmermann: Nein, was dem Kindeswohl im Endeffekt dient, ist dann natürlich eine Einzelfallentscheidung der Gerichte. Das heißt, wenn die Mutter in ihrer Stellungnahme Gründe angibt, die das Kindeswohl durchaus betreffen können, dann kommt es auch zu einem normalen familiengerichtlichen Verfahren, in dem eben diese ganzen Gründe auch geprüft werden und in dem der zuständige Richter dann im Einzelfall darüber entscheidet, was aus seiner Sicht nach Prüfung aller relevanten Umstände die für das Kind beste Lösung ist. Aber das ist jetzt kein Katalog, und es wäre auch nicht wirklich möglich, jeden Einzelfall gesetzlich zu regeln.

Frage: Ich habe drei kurze Fragen. Zum einen möchte ich wissen, warum es nicht eine Schlichtungsstelle für alle Verkehrsträger gibt. Es gibt, glaube ich, schon eine für die Bahn. Zweite Frage: Warum sind Geschäftsreisende nicht dabei und können sich auf dieses Verfahren stützen? Dritte Frage: Warum sollen sich die Airlines nur freiwillig an diesem Verfahren beteiligen? Warum sind sie nicht verpflichtet, sich dieser Schlichtungsstelle zu unterwerfen?

Zimmermann: Ich kann gerne mit der letzten Frage beginnen. Es gibt ja auch bereits Schlichtungsstellen in anderen Bereichen wie in der Versicherungsbranche, die sehr erfolgreich arbeiten. Man hat geschaut, wie die arbeiten. Ich denke, es ist relativ nachvollziehbar, dass eine Schlichtung, die auf Freiwilligkeit beruht, von vornherein eine viel größere Akzeptanz findet, als wenn man jemanden gesetzlich zu einer Schlichtung zwingen würde. Das Prinzip der Schlichtung beruht ja gerade darauf, dass sich die Parteien an einen Tisch setzen und eine einvernehmliche Lösung finden. Insofern setzten wir hierbei auf die Freiwilligkeit, die ja auch bereits von den großen Verbänden der deutschen und ausländischen Luftfahrtgesellschaften angenommen wurde. Die haben sich mit der freiwilligen Teilnahme an diesem Schlichtungsmodell einverstanden erklärt. Daher ergibt es, um auch ein erfolgreiches Schlichtungsverfahren zu implementieren, per se Sinn, dass wir auf Freiwilligkeit setzen.

Das geht auch ein bisschen in Ihre erste Frage zu einer Schlichtungsstelle für alle über. Es wurde eine Einigung mit den großen Fluggesellschaften getroffen. Man will diesen Fluggesellschaften jetzt die Möglichkeit geben, privatrechtlich Schlichtungsstellen einzurichten, die als Schlichtungsstellen anerkannt werden können, wenn sie gewisse Kriterien erfüllen. Auch dies ist quasi ein Baustein dieses freiwilligen und nach unserer Auffassung sehr erfolgreichen Schlichtungsmodells.

Die dritte Frage betraf die Geschäftsreisenden. Die Schlichtung an sich ist ja ein typisches Instrument zur schnellen und kostengünstigen Durchsetzung von Verbraucherrechten. Wie ich bereits sagte, gibt es bereits in anderen Bereichen etwa im Versicherungsbereich ebenfalls sehr erfolgreich arbeitende Schlichtungsstellen, die ebenfalls auf die Verbraucherschlichtung abstellen. Wenn man sich das anschaut, dann muss man sich einmal den Unterschied klarmachen, was einen Verbraucher im Gegensatz zu einem Unternehmer oder einem Kaufmann auszeichnet. Das ist normalerweise ein klassisches Über-/Unterordnungsverhältnis, wenn man als Verbraucher einem Unternehmen gegenübersteht. Das heißt, man ist wirtschaftlich und rechtlich normalerweise nicht auf gleicher Augenhöhe und ist als Verbraucher besonders schutzbedürftig. Diese Schutzbedürftigkeit ist nicht dermaßen gegeben, wenn ein Unternehmer oder Kaufmann einem anderen Unternehmer gegenübersteht. Das ist der Grund, aus dem in diesem Gesetzentwurf Verbraucherrechte geregelt werden.

Frage: Warum sind denn die Pauschalreisenden ausgenommen? Sind die nicht schutzbedürftig?

Zimmermann: Die Pauschalreisenden sind nicht generell ausgenommen. Die Frage, ob Pauschalreisende der Schlichtung unterfallen, ist maßgeblich davon abhängig, welche Ansprüche gegen wen geltend gemacht werden. Nimmt der Pauschalreisende nämlich das Luftfahrtunternehmen in Anspruch, dann kann er das geplante Schlichtungsverfahren wie jeder andere Fluggast auch nutzen. Nimmt er aber den Pauschalreiseveranstalter in Anspruch auf reiserechtlicher Grundlage, weil mit seinem Hotel irgendetwas nicht in Ordnung war oder sonstige reiserechtliche Probleme bestanden , dann kann er dieses Schlichtungsverfahren nicht nutzen. Diese pauschale Aussage, dass Pauschalreisende nicht von dem Gesetzentwurf erfasst werden, ist also so nicht richtig.

Frage: Herr Streiter, ohne Deutschland kann der ESM ja nicht starten. Hat denn die Bundesregierung eine Vorstellung, eine Ahnung oder einen Wunsch in Bezug darauf, wann dieses ganze Verfahren so weit abgeschlossen sein wird, dass es dann mit dem ESM losgehen kann?

SRS Streiter: Ja. Die Bundesregierung sollte sich natürlich zurückhalten, wenn es um die Äußerung von Wünschen gegenüber anderen Verfassungsorganen geht. Aber es gibt ja jetzt mit dem 10. Juli schon einmal einen Termin, und da das ja Eilverfahren sind, wird das halt irgendwie eilig entschieden werden.

Frage: Herr Kotthaus, beim EU-Gipfel war avisiert worden, dass die Spanier mit ihrem Antrag bis zum 9. dieses Monats zu Potte kommen. Es sieht so aus, als wenn das nicht passieren wird. Haben Sie Informationen darüber, wie es mit dem spanischen Antrag vorangeht? Haben Sie zweitens immer noch die Erwartung, dass die Finanzminister am 9. entscheiden können? Ist Ihnen drittens ein neuer Termin bekannt möglicherweise der 20. Juli , der inzwischen als Ausweichtermin für eine Entscheidung in den Blick gefasst worden sein soll?

Kotthaus: Vielen Dank für die Frage. Für eine Entscheidung brauchen wir, wie es früher in dieser Reklame hieß, drei Dinge: Feuer, Pfeife, Stanwell. - Nein, wir brauchen jetzt einfach zuerst einmal einen Antrag. Der Antrag ist gestellt worden. Zweitens brauchen wir dann einen Bericht der Troika. Auf dieser Basis kann dann auch ein Vorschlag dazu gemacht werden, wie das Programm aussehen könnte. Erst darüber könnte dann auch die Eurogruppe entscheiden, allerdings immer jeweils, nachdem zuhause die erforderlichen nationalen Verfahren durchgeführt worden sind.

Wir sind in Bezug auf Spanien momentan bei dem Stadium des Antrags. Der ist gestellt worden. Die Troika ist oder war in Spanien; ich überschaue momentan nicht ganz genau, ob sie noch vor Ort ist oder die Arbeiten vor Ort schon abgeschlossen hat. Als nächsten Schritt warten wir jetzt sozusagen auf den Bericht der Troika, bevor man dann einmal zu der Phase kommen kann, zu schauen, wie das Programm und die Bedingungen genau aussehen. Dann müsste in Deutschland, bevor eine Entscheidung gefällt werden könnte, wiederum der Bundestag konsultiert werden beziehungsweise der Bundestag müsste zustimmen, dass wir dieses Programm dann auch durchführen. Da sind wir einfach noch nicht. Der nächste Schritt, der Troika-Bericht, fehlt also. Wenn wir den haben werden, dann werden wir darüber nachphilosophieren können, wie schnell es gehen kann, dass wir zu einer Entscheidung kommen.

Nach dem jetzigen Stand werden sich die Finanzminister der Eurogruppe am Montag, den 9., treffen. Das ist das übliche Treffen. Aber ich habe mangels dieses nächsten Schrittes, des Berichts, bis jetzt keine Hinweise darauf, dass wir dann schon am 9. darüber werden entscheiden können.

Zusatzfrage: Bevor die europäischen Finanzminister entscheiden, muss also schon der Bundestag gehört werden, wenn ich das richtig sehe. Ist das dann technisch alles noch zu machen, selbst dann, wenn die Troika Ihnen nach dieser Pressekonferenz den Bericht zugehen ließe? Wäre das rein theoretisch möglich?

Kotthaus: Es ergibt keinen Sinn, darüber zu spekulieren, was wann, wo und wie wäre. Jetzt brauchen wir erst einmal den Bericht. Von dort aus kann man dann weiter schauen, welche nächsten Schritte in welcher Form erforderlich sind, möglich sind und berechenbar sind. Zurzeit gehe ich davon aus, dass die Themen Spanien, Irland, Portugal und Griechenland sicherlich allesamt auch wieder beim Treffen der Eurogruppe am Montag diskutiert werden. Aber ohne einen Bericht, ohne ein Programm und ohne sich vorher mit dem Bundestag ins Benehmen gesetzt zu haben, können wir auch keine Entscheidung treffen.

Zusatzfrage: Ist Ihnen das Datum 20. Juli als Ausweichtermin schon einmal untergekommen?

Kotthaus: Ich werde hier nicht über irgendeinen Termin spekulieren, bevor ich keine Basis habe, auf der ich spekulieren kann. Ohne eine solide Basis dazu gehört einfach der nächste Bericht - hat es also keinen Sinn, hier irgendwelche Daten in den Raum zu stellen, die dann eventuell wieder überholt sind oder nach vorne oder nach hinten gezogen werden. Ich weiß es nicht.

Frage: Ich habe noch einmal eine etwas allgemeinere Frage. Herr Streiter, der slowakische Ministerpräsident Fico hat gestern schon gesagt, die Geduld der Öffentlichkeit sei ausgeschöpft, was Hilfen an klamme Euroländer angehe. Es sei immer schwieriger, den Menschen zu erklären, warum man noch mehr Geld gewährt. Wie ist eigentlich der Eindruck der Bundesregierung vom deutschen Volk, auch im Zusammenhang damit, dass die Kanzlerin gesagt hat, Deutschlands Kraft sei nicht unendlich? Gibt es also möglicherweise auch ein gefühltes Ende der Geduld in Deutschland? Wie empfindet das die Bundesregierung?

SRS Streiter: Sie haben die Antwort ja schon selbst gegeben: Die Bundeskanzlerin hat mehrfach gesagt "Deutschlands Kraft ist nicht unendlich", und so empfindet sie das. Ansonsten hätte sie das ja nicht gesagt.

Zusatzfrage: Das eine Wort von der Kraft hatte ich bis jetzt immer auf die Finanzkraft Deutschlands bezogen, nicht so sehr auf die Geduld. Aber das betrifft beides. Habe ich das jetzt richtig verstanden?

SRS Streiter: Der Schwerpunkt liegt natürlich auf der Finanzkraft. Das eine hängt ja mit dem anderen zusammen.

Frage: Wie bewertet die Kanzlerin denn die Aussagen von Herrn Seehofer? Gibt es darin eine Androhung eines Koalitionsbruches, oder sehen Sie das nicht so?

SRS Streiter: Dazu hat sich Herr Seehofer ja selbst eingelassen und gesagt, er habe das Wort Koalitionsbruch nie in den Mund genommen. Nach allen Quellen, die man so zur Verfügung hat, hat er es ja auch nicht in den Mund genommen. Er hat das klargestellt, und die Bundeskanzlerin wird mit ihm wunderbar zusammenarbeiten, wie es bisher auch der Fall war.

Zusatzfrage: Ist man bei der Angst vor dem europäischen Monsterstaat auf einer Linie, oder sieht das die Bundeskanzlerin anders?

SRS Streiter: Wir wollen ja nicht ins Detail gehen. Das Wort vom europäischen Monsterstaat hat Herr Seehofer in den Mund genommen, und Sie werden, glaube ich, nicht viele finden, die es auch in den Mund nehmen. Aber der ist ja auch völlig frei in seiner Formulierung, und die Bundeskanzlerin wird ihm da auch keine Vorschriften machen. Aber er hat ja klargestellt, dass er das so nicht gesagt hat und so nicht gemeint hat. Insofern gibt es da jetzt auch keinen Alarm.

Frage: Nachdem die Sprecher bei der letzten Sitzung der Bundespressekonferenz noch nicht über eine mögliche Blockade oder angebliche Blockade und Ankündigungen von Finnland im Hinblick auf Anleihenkäufe am Markt informiert waren, möchte ich heute noch einmal nachfragen, Herr Kotthaus: Sind Sie inzwischen von Finnland darüber informiert worden möglicherweise auch von den Niederlanden , dass bei etwaigen Marktkäufen der beiden Rettungsfonds oder des jetzigen Rettungsfonds das betreffende Land blockieren würde? Haben Sie dazu inzwischen auf einer offiziellen Schiene etwas von Finnland gehört?

Kotthaus: Zurzeit laufen in Brüssel, auf telefonischer Ebene und auf ähnlichem Wege die üblichen Vorbereitungen für die Sitzung der Eurogruppe am Montag. Dazu hat auch gestern und vorgestern wieder die "Euro Working Group" in Brüssel getagt. Dabei wurden im Nachgang zum Europäischen Rat sicherlich auch die verschiedenen Themen angesprochen und die verschiedenen Absätze diskutiert. Es gibt eine Diskussion darüber, wie das alles umzusetzen ist. Sie wissen, dass darin steht: Es muss von den zuständigen Räten umgesetzt werden. Dabei ist man. Man wird im Rahmen dieser Diskussion sicherlich auch Fragen klären müssen, was Finnland, die Niederlande oder auch andere Staaten betrifft, die die Beschlüsse des Europäischen Rates dann im Detail auslegen und interpretieren.

Ich habe momentan noch keine Möglichkeit, Ihnen ganz klar zu sagen, wie sich die Holländer und die Finnen dabei genau aufstellen werden. Es gibt dazu keine schriftliche Einlassung. Es gibt, wie gesagt, einen Diskussionsstand innerhalb der "Euro Working Group". Ich vermute, das wird dann sicherlich auch bei der Sitzung der Eurogruppe diskutiert werden. Aber ich bin momentan nicht in der Lage, Ihnen die klaren Positionen dieser Staaten, die Sie erwähnt haben, aufzufächern und sie zu interpretieren. Es gibt einen andauernden Diskussionsprozess das ist richtig , aber mit welchem Ergebnis der dann enden wird, kann ich Ihnen noch nicht sagen.

Frage: Herr Streiter, lassen Sie es mich noch einmal versuchen: Gestern gab es das Treffen der Teilnehmer am Bürgerdialog im Kanzleramt. Unter den 20 ersten Themen, die dabei von den Bürgern genannt wurden, kam nicht einmal das Wort Euro vor. Ist das eigentlich für die Bundesregierung ein Indiz dafür, dass sich die Bürger gut aufgehoben fühlen, oder dafür, dass sie sich womöglich gar nicht für dieses Thema interessieren? Wie sieht das die Bundesregierung?

SRS Streiter: Ich meine, das kann man nun so nehmen, wie es ist. Es gab Vorschläge, sehr viele Vorschläge, Tausende Vorschläge. Es wurden 10 Vorschläge gewählt, zum Teil natürlich interessens- und Lobby-gesteuert. Das ist so, wie es ist. Das steht für sich. Ich meine, das muss man einfach zur Kenntnis nehmen.

Frage: Eine Frage zum Thema logistische Planung und Abzug von Truppen und Material aus Afghanistan. Gestern hat sich Washington mit Islamabad über eine Wiederöffnung der Nachschub- und damit auch Rückzugswege geeinigt. Welche Wirkung hat die Planung des Abzugs auf die Bundeswehr? Wird sie sich weiter auf die verschiedenen Möglichkeiten in Bezug auf Abzug in Richtung Norden und den Lufttransport konzentrieren? Oder bezieht die Bundeswehr in die Planung auch den Abzug über Pakistan ein? Oder wird sie sagen, dass die innenpolitische Situation in Pakistan so unsicher ist, dass diese Einigung nicht unbedingt auf Dauer gelten muss?

Paris: Letzteres möchte ich gar nicht bewerten, sondern das wird die Zukunft zeigen.

Wir sind froh darüber, dass es heute eine entsprechende Beschlussfassung der pakistanischen Regierung gegeben hat, diese Wege wieder für die Nato zu öffnen. Wir sind Teil der Nato. Wir sind Teil des Engagements von ISAF in Afghanistan. Ich glaube, der Minister hat gestern anlässlich seines Besuchs ziemlich deutlich gemacht, dass Afghanistan aufgrund nicht vorhandener unmittelbarer Seewege und aufgrund einer recht schwierigen Nachbarschaft nicht sehr viele Ausgänge hat. Wenn es schon wenig Ausgänge gibt und es öffnet sich einer mehr, dann wäre man nicht gut beraten, wenn man in den Planungen nicht berücksichtigen würde, dass es jetzt einen zweiten Ausgang gibt.

Wir sind derzeit in der Planungsphase für die Rückverlegung unserer Kräfte und des Materials. Natürlich beteiligen wir uns an den Planungen, die auch die Nato macht. Sie müssen immer daran denken, dass wir dort nicht allein sind, sondern es ist eine Vielzahl von Staaten in Afghanistan und auch aus Afghanistan heraus unterwegs. Insofern werden wir uns bis zum Herbst des Jahres abstimmen, wie wir günstigerweise unsere Belange für die Rückverlegung durchsetzen können. Ob sie über den Norden oder ob sie auch über den Weg Pakistan erfolgen kann, kann ich abschließend nicht sagen. Aber wir beziehen es natürlich selbstverständlich in unsere Planungen mit ein.

Zusatzfrage: Die Preise, die die pakistanische Regierung gefordert hat, waren sehr hoch. Jetzt sind sie offenkundig gesenkt worden. Gelten solche finanziellen Forderungen insgesamt für die ISAF? Oder kann jedes Land extra verhandeln, zum Beispiel die Bundesregierung mit der pakistanischen Regierung?

Paris: Darüber, wer konkret mit wem über Preise verhandelt, möchte ich abschließend nicht spekulieren. Sie wissen, dass wir gewisse Transportkapazitäten haben, die auch vertraglich vereinbart sind. SALIS ist hier ein Stichwort. Das ist der Lufttransport über die großen Maschinen aus Afghanistan heraus. Da haben wir im Verbund verhandelt, und man kann auch als einzelner Staat noch einmal nachverhandeln und sozusagen mehr Flugstunden kaufen.

Wie gesagt: Wir sind Teil eines gesamten Prozesses in Afghanistan. Wir haben unsere Aufgaben jetzt erst einmal dort zu erledigen. Wir haben parallel unsere Planungen zu vollziehen, wie wir die Rückverlegung aus Afghanistan heraus organisieren. Das machen wir natürlich für uns, für unsere Dinge. Aber das machen wir auch im Verbund mit unseren Partnern vor Ort. Insofern möchte ich mich hier nicht darüber ergießen, wie unsere Verhandlungsstrategien sind, um allein durchaus steigenden Preisen nicht auch noch eine Steigerung nach oben zu ermöglichen.

Zusatz: Der Basar ist offen.

Paris: Wenn Sie es so sagen, möchte ich das nicht dementieren.

Schäfer: Ich kann, wenn ich darf, ergänzen, dass bereits gestern die Pakistanis auf förmlichem und diplomatischem Wege die Bundesregierung über diese Entscheidung unterrichtet haben. Wir werten das als ein wichtiges Zeichen, dass Pakistan bereit ist, konstruktiv an Lösungen für die Probleme in der Region und mit Afghanistan mitzuwirken.

Frage: Ich weiß nicht, wer zuständig ist, ob das Justiz- oder das Wirtschaftsministerium. Vor Kurzem hat das Europäische Parlament das Urheberrechtsschutzabkommen ACTA verworfen. Mich würde interessieren, wie die Bundesregierung diese Entscheidung bewertet. Mich würde zum anderen interessieren, ob das jetzt bedeutet, dass dieses hoch umstrittene Abkommen damit vom Tisch ist und wie es mit dem Thema "Urheberrechtsschutz im Internet" weitergeht.

Zimmermann: Vielen Dank! - Das EU-Parlament hat heute soeben dieses ACTA-Abkommen abgelehnt. Ich kann darauf hinweisen, dass die Bundesjustizministerin bereits des Öfteren ausgeführt hat, dass es gut sei, dass dieses Thema jetzt auch auf europäischer Ebene behandelt werde. Die Bundesjustizministerin hat sich heute Morgen sehr ausführlich im "Morgenmagazin" geäußert. Zu der Frage, wie es jetzt weitergehen soll, kann ich Ihnen mitteilen, dass sie sich auch dazu geäußert hat.

Das ACTA-Abkommen selbst enthält Teile zu Produkt- und Markenpiraterie. Diese sollten in einem gesonderten Abkommen geregelt werden. Das ist jetzt aber keine Sache, die von sich aus automatisch läuft. Man kann jetzt nicht dieses bestehende ACTA-Abkommen in einen Urheberrechtsteil und einen Teil Produkt- und Markenpiraterie aufteilen, sondern es muss jetzt so laufen, dass ein neues Verfahren in Gang gesetzt und dann auch durchgeführt wird, wo diese Probleme alle auf den Tisch kommen.

Vorsitzender Freitag: Gibt es aus dem Wirtschaftsministerium dazu eine Ergänzung?

Schneid: Ich habe nichts zu ergänzen.

Frage: Herr Paris, inwieweit war der MAD an der "Operation Rennsteig" beteiligt?

Paris: Der MAD ist, wie man landläufig sagt, der Geheimdienst der Bundeswehr. Es gibt nach meiner Kenntnis keine Informationen, keine Kontexte beim MAD, die mit dem Begriff "Operation Rennsteig" belegt werden können oder belegt worden sind.

Es ist so: Der MAD und nicht wir hat im Fall des "Thüringer Heimatschutzes" im Rahmen seiner gesetzlichen Zuständigkeit Informationen zu Bundeswehrsoldaten in der rechtsextremistischen Szene Thüringens gesammelt. Dazu wurden in den Jahren 1999 bis 2003 auch nachrichtendienstliche Mittel eingesetzt. Das ist dem MAD per Gesetz auch erlaubt, nämlich Informationen in der rechten Szene zu sammeln, sofern Bundeswehrsoldaten betroffen sind, um festzustellen ob und gegebenenfalls welche Bundeswehrangehörige dieser Szene zugehören.

Es ist so, dass der MAD bei entsprechenden Zufallsfunden per Gesetz angehalten ist, diese Informationen auch an andere Stellen weiterzugeben, wie beispielsweise das Bundesamt für Verfassungsschutz oder auch andere zuständige Behörden. Das sind Landesämter für Verfassungsschutz, das können aber auch Staatsanwaltschaften und Polizeien sein.

Das ist in der Vergangenheit auch passiert. In Bezug auf den Untersuchungsausschuss, der derzeit im Deutschen Bundestag eingerichtet ist, ist seitens des MAD entsprechendes Aktenmaterial übersandt worden. Dieses Aktenmaterial liegt seit vergangener Woche der Geheimschutzstelle des Deutschen Bundestages vor. Nunmehr ist es entschuldigen Sie nicht meine Aufgabe, das abschließend zu beurteilen, sondern das ist Aufgabe des eingerichteten Gremiums des Deutschen Bundestages. Das ist das, was ich Ihnen dazu sagen kann.

Zusatz: Ich habe dazu noch einige Nachfragen. Nur zur Klarheit: Es gab eine Parallele oder eine eigenständige Operation des MAD, um zu sehen, welche Bundeswehrsoldaten in der rechtsextremen Szene Thüringens aktiv sind. Die Erkenntnisse wurden an das Bundesamt für Verfassungsschutz und vermutlich auch an das Landesamt weitergeleitet. Aber das war es dann auch. Es gab ansonsten keinen organisatorischen Link.

Paris: Ich tue mich schwer mit dem Begriff "Operation". "Operation" heißt immer: Man hat etwas vor Augen, und damit macht man dann eine bestimmte Operation. Im polizeilichen Jargon sagt man gerne: Man richtet eine besondere Aufbauorganisation oder gar eine Ermittlungsgruppe oder so etwas dazu ein.

Es ist so, dass der MAD eine Institution ist, die permanent tätig ist. Sie geht tagtäglich ihren gesetzlichen Aufgaben nach jeden Tag. Immer, wenn Sachverhalte festgestellt werden, die beispielsweise einen rechtsextremen Bezug haben, geht der MAD diesen Dingen nach. Er schaut aber primär, ob das die Bundeswehr, das innere Gefüge der Bundeswehr betrifft. Ist das nicht der Fall, werden diese Erkenntnisse an andere Ämter weitergegeben. Das ist einfach dem Konstrukt des Verbundes der Sicherheitsbehörden in Deutschland geschuldet. Der MAD hat, bezogen auf die Bundeswehr, eine spezielle Aufgabe. Macht er ich sage das in Anführungszeichen Zufallsfunde, lässt er das nicht irgendwo liegen, sondern sagt: Das ist interessant, aber nicht für unsere Arbeit. Wir geben es deshalb weiter. Dann wird es an anderer Stelle entsprechend aufgenommen.

Ich kann nicht abschließend beantworten, ob das in Bezug auf die sogenannte "Operation Rennsteig", die ja keine Begrifflichkeit des MAD ist, gelaufen ist. Ich kann es nicht ausschließen. Ich weiß es schlichtweg nicht. Ich kann Ihnen nur darstellen, dass es in Bezug auf den "Thüringer Heimatschutz" solche Aktenergebnisbewegungen gegeben hat. All das, wozu wir jetzt seitens des Untersuchungsausschusses des Deutschen Bundestages aufgefordert worden sind, haben wir, soweit das bisher möglich war, an den Untersuchungsausschuss weitergegeben.

Ich möchte in diesem Moment ergänzen, dass wir dem Verfahren des Bundesamtes für Verfassungsschutz folgen werden, dass die Abgeordneten auch in einer Stelle des MAD die Akten ohne die sogenannten Schwärzungen einsehen können, die ja aufgrund des Quellenschutzes vorgenommen werden, der diesen Akten regelmäßig immanent ist.

Zusatzfrage: Wann wird das sein?

Paris: Wir arbeiten daran, das so schnell wie möglich zur Verfügung zu stellen. Ich gehe davon aus, dass das voraussichtlich noch in dieser Woche so sein wird. Aber ich kann Ihnen den genauen Zeitpunkt nicht nennen. Das muss jetzt aufbereitet werden. Es muss dafür eine entsprechende Stelle gesucht werden. Sobald wir damit fertig sind, werden wir es dem Ausschusssekretariat übermitteln.

Zusatzfrage: Auf den Terminus "eigenständige Operation" bin ich ja nur gekommen, weil Sie selber den Zeitraum 1999 bis 2003 genannt haben. Daraus geht ja hervor, dass es eben nicht eine normale Routinehandlung war, sondern dass Sie auch aufgrund eines bestimmten Anlasses vorgegangen sind. Können Sie sagen, was das für ein Anlass war? Können Sie uns ein bisschen mehr als das sagen, was Sie gesagt haben, nämlich dass es offenbar Bundeswehrsoldaten im "Thüringer Heimatschutz" gegeben hat?

Paris: Das kann ich nicht. Auch wenn ich es könnte, wäre ich dazu nicht befugt.

Frage: Die Akteneinsicht erfolgt von Ihrer Seite aus, dass Sie das also angeboten haben. Das erfolgt nicht auf Antrag des "NSU"-Ausschusses.

Paris: Es gibt entsprechende Beschlüsse des Ausschusses, die auch den MAD betreffen. Das haben wir entsprechend aufgearbeitet. Diese Akten liegen seit letzter Woche dort, sind aber mit diesen sogenannten Schwärzungen versehen. Diese Schwärzungen werden regelmäßig durch die Behörden vorgenommen, weil diese Akten voll von Inhalten sind, die Grundrechte Dritter betreffen. Das ist der sogenannte Quellenschutz.

Jetzt hat das Bundesamt für Verfassungsschutz, wie Sie heute Morgen haben erfahren können, entschieden, dass die Akten den Ausschussmitgliedern in einer entsprechenden Stelle in ungeschwärzter Form zur Einsicht vorgelegt werden. Das ist eine Entscheidung des Bundesamtes für Verfassungsschutz. Der MAD folgt dieser Entscheidung und legt die Akten ungeschwärzt den Mitgliedern des Untersuchungsausschusses "NSU" des Deutschen Bundestages vor.

Vorsitzender Freitag: Herr Beyer, die Kollegen haben Sie nicht direkt angesprochen. Möchten Sie für das Bundesinnenministerium noch einmal zu dem ganzen Komplex etwas sagen?

Beyer: Das kann ich gerne machen, weil es gerade thematisch passt. Herr Paris hat ja den Bogen schon gespannt.

Das kann ich auch bestätigen. Es ist von unserer Seite aus so, dass es diese Möglichkeit der Akteneinsicht gibt.

Ich beginne mit der Chronologie, weil wir in den letzten Tagen einige Fragen dazu hatten, wann denn alle Informationen an die Gremien des Deutschen Bundestages gehen. Wir sehen unsere Rolle das will ich eingangs sagen natürlich darin, die dafür vorgesehenen Gremien des Deutschen Bundestages bei ihrer Wahrnehmung der Kontrollfunktion gegenüber den Geheimdiensten und bei der Wahrnehmung des Untersuchungsauftrages des Untersuchungsausschusses "NSU" des Deutschen Bundestages zu unterstützen. Das tun wir durch Weitergabe von Informationen, durch Unterrichtung der Gremien und auch durch Überlassung von Akten; auch konkret in dem Fall, der seit Mitte vergangener Woche eine Rolle spielt, nämlich Akten aus der sogenannten "Operation Rennsteig" beim Bundesamt für Verfassungsschutz.

Wie Sie wissen, gab es Mitte vergangener Woche eine Information des Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz an unser Haus. Daraufhin erging eine Anweisung an das Amt in Köln, entsprechend schriftlich darzulegen und zu berichten, wie sich die Umstände der Aktenvernichtung zugetragen haben. Das ist noch Ende vergangener Woche erfolgt, sodass bereits am Freitag das Bundesinnenministerium einen entsprechenden Bericht an die Gremien des Deutschen Bundestages geben konnte.

In einem zweiten Schritt hat unser Haus das Bundesamt für Verfassungsschutz um ergänzende schriftliche Informationen gebeten. Diese sind inzwischen auch eingegangen. Die Berichte des Bundesamtes für Verfassungsschutz werden zurzeit im Bundesinnenministerium ausgewertet. Parallel haben wir auch im Interesse der Transparenz in dieser Frage diese Berichte dem Untersuchungsausschuss und dem Parlamentarischen Kontrollgremium zugeleitet.

In einem weiteren Schritt jetzt kommen wir zu der Frage sind alle beim Bundesamt für Verfassungsschutz vorhandenen Akten zur sogenannten "Operation Rennsteig" und Akten zum "Thüringer Heimatschutz", die damit im Zusammenhang stehen, dem Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages zugeleitet worden.

Zu dem, was heute angesprochen worden ist, also die Einsicht in Akten, die normalerweise zum Schutz von Persönlichkeitsrechten, aber auch zum Schutz von Leib und Leben mit einer sogenannten Sperrerklärung versehen werden und deswegen geschwärzt werden müssen: In einem einmaligen Vorgang sind den Mitgliedern des Untersuchungsausschusses diese Akten zugänglich gemacht worden, dass sie Einblick in die ungeschwärzte Fassung der Akten beim Bundesamt für Verfassungsschutz nehmen können.

Ich kann noch hinzufügen, dass die am 11. November 2011 vernichteten Akten, um die es vergangene Woche in der Berichterstattung ging, aufgrund von parallelen Dokumenten in anderen Akten weitestgehend rekonstruiert werden konnten. Auch diese Akten stehen den Mitgliedern des Untersuchungsausschusses zur Kenntnisnahme zur Verfügung.

Ich wollte das noch hinzufügen, weil der Zeitlauf der letzten Tage etwas zurückliegt. Wir fanden wichtig, das einzuklammern.

Frage: Ich habe noch diverse Nachfragen. Ich stelle sie
hintereinander, wenn es erlaubt ist.

Herr Paris, was war der Anlass dafür, diese Operation, wie ich sie weiterhin nenne, 1999 zu starten? Hatte das etwas mit dem Verschwinden von Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe zu tun, das ja ungefähr in diese Zeit fällt?

Zweite Frage: Arbeitet der MAD mit V-Leuten? Waren da V-Leute eingesetzt?

Dritte Frage: Können Sie etwas zur aktuellen Größe des MAD sagen?

Paris: Ich hoffe wegen der letzten Frage auf eine SMS ich spreche ein bisschen , weil die Information nicht auf meinem Zettel steht.

Darüber hinaus: Die Arbeitsweise des MAD, regelt sich nach Recht und Gesetz. Danach handelt der MAD. Insoweit gebe ich keine Auskünfte darüber, wie er das en détail tut. Er handelt aber nach Recht und Gesetz.

Ich kann Ihnen nicht sagen, was 1999 der Anlass gewesen ist, weil ich nicht der Pressesprecher des Militärischen Abschirmdienstes bin. Auch wenn ich es wäre, würde ich es Ihnen wahrscheinlich nicht sagen können, weil solche Dinge in der Regel der Geheimhaltung unterliegen. Ich kann Ihnen einfach nur das sagen, was mir hier als Faktum vorliegt, dass es im Fall des "Thüringer Heimatschutzes" seitens des MAD im Rahmen seiner gesetzlichen Zuständigkeit, also im Rahmen seiner Zuständigkeit als die Stelle für Extremismusabwehr in der Bundeswehr, Informationen zu Bundeswehrsoldaten in der rechtsextremistischen Szene Thüringens gegeben hat und dort auch gesammelt worden sind. Das ist ein Faktum. Das haben sie nach ihrem gesetzlichen Auftrag so bearbeitet. Dazu wurden auch in den Jahren 1999 bis 2003 nachrichtendienstliche Mittel eingesetzt. Nach Recht und Gesetz hat auch der MAD die Möglichkeit, das zu tun.

Das war sozusagen das Engagement des MAD in dieser Zeit. Was der Anlass dafür war, kann ich Ihnen nicht beantworten, weil ich es schlichtweg nicht weiß. Ich füge aber hinzu: Auch wenn ich es wüsste, dürfte ich es wahrscheinlich nicht sagen. Insofern ist es das, was ich Ihnen derzeit zu dieser Frage hier so sagen kann.

Wenn Sie letztendlich auf die "Operation Rennsteig" abstellen, habe ich Ihnen eben versucht zu verdeutlichen, dass es meines Wissens beim MAD keinen ich nenne das einmal so Vorgang in dem Sinne "Operation Rennsteig" gegeben hat, also der berühmte Aktendeckel, wo "Operation Rennsteig" draufsteht. Ich kann aber mitnichten ausschließen, dass irgendwelche Operationen im Kontext dieser sogenannten "Operation Rennsteig" auch seitens des MAD eingeflossen sind. Das ist möglich. Ich kann es aber nicht abschließend sagen und bewerten.

Jetzt habe ich die SMS gesehen, die offensichtlich auch das ist sehr ordentlich Herr Kotthaus bekommt: Es gibt beim MAD rund 1.200 Dienstposten.

Zusatzfrage: Eine letzte Nachfrage: Können Sie eine generelle Bewertung über das Problem Rechtsextremismus und Bundeswehr Stand heute vornehmen? Gibt es regionale Schwerpunkte?

Paris: Nein. Dass es regionale Schwerpunkte gibt, ist mir nicht bekannt. Wir haben immer einmal wieder dieses Problem des Rechtsextremismus in der Bundeswehr. Das ist schade. Aber es ist auch ein Stück weit gesellschaftliche Normalität. Wir haben auch mit anderen Formen des Extremismus in der Bundeswehr zu tun. Dort, wo das durch Vorgesetzte und durch den MAD erkannt wird, wird dagegen vorgegangen, und zwar mit aller Härte.

Frage: Sie sprachen von anderen Formen des Extremismus, die auch in der Bundeswehr möglich sind. Gibt es Erkenntnisse über islamisch geprägten Extremismus in der Bundeswehr?

Paris: Nicht in der Ausprägung, wie wir es beim Rechtsextremismus kennen. Aber es gibt dort auch die einen oder anderen Fälle, wo wir einmal genauer hinschauen. Ich kann Ihnen von keinem Fall berichten, wo wir über das sprechen, was in Ihrer Frage steht, dass wir wirklich Hinweise auf Mitglieder islamistischer Organisationen oder Ähnliches haben.

Frage: Herr Paris, was heißt "mit aller Härte"? Was blüht Bundeswehrangehörigen, wenn sie

Paris: Alle Möglichkeiten, die das Dienstrecht und gegebenenfalls auch das Strafrecht hergeben. Das sind immer zwei parallele Dinge, die dann stattfinden. Das Disziplinarrecht hat eine breite Palette, die bis zur Entlassung aus dem Dienst führen kann.

Frage: Kurze Frage an das Innenministerium. Herr Beyer, haben Sie womöglich schon Erkenntnisse zu dem Geiseldrama in Karlsruhe, die Sie uns mitteilen können?

Beyer: Dazu kann ich Ihnen nichts mitteilen. Ich würde Sie bitten, sich an die Landesbehörden zu wenden.

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Quelle:
Mitschrift der Pressekonferenz vom 4. Juli 2012
http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2012/06/2012-07-04-regpk.html?nn=391778
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veröffentlicht im Schattenblick zum 6. Juli 2012