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PRESSEKONFERENZ/390: Regierungspressekonferenz vom 12. März 2012 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Mitschrift der Pressekonferenz - Montag, 12. März 2012
Regierungspressekonferenz vom 12. März 2012

Themen: Amoklauf eines US-Soldaten in Afghanistan, Besuch der Bundeskanzlerin in Afghanistan, Studie der Universität Stuttgart über Lebensmittelabfälle in Deutschland, Studie des IW Köln zur Neuverschuldung, Finanztransaktionssteuer, finanzielle Hilfen für Griechenland, europäischer Fiskalpakt, Leistungsschutzrecht für Verleger, Insolvenz der Drogeriemarktkette Schlecker, europäischer Verfassungsprozess, Einnahmeüberschüsse der gesetzlichen Krankenkassen, Wahlkampf in Frankreich, Eskalation im Gaza-Konflikt, deutsch-schweizerisches Steuerabkommen

Sprecher: SRS Streiter, Eichele (BMELV), Kothé (BMF), Wiegemann (BMWi), Aden (BMJ), Helfer (BMAS), Wackers (BMG), Peschke (AA)


Vorsitzender Freitag eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt SRS Streiter sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

SRS Streiter: Wie Sie wissen, hat am Wochenende ein US-Soldat bei einem Amoklauf in der Provinz Kandahar in Afghanistan 16 Zivilisten getötet. Bundeskanzlerin Merkel hat noch während ihres Aufenthalts in Masar-i-Scharif mit dem afghanischen Präsidenten Karsai telefoniert und ihm ihre große Bestürzung über diese schreckliche Tat ausgedrückt.

Sie hält sich heute zu einem eintägigen Besuch in Afghanistan auf, bei dem sie vom Generalinspekteur der Bundeswehr, General Volker Wieker, begleitet wird. Das ist das, was ich sagen wollte.

Eichele: Liebe Kolleginnen und Kollegen, Bundesverbraucherministerin Aigner wird morgen hier in der Bundespressekonferenz um 11.30 Uhr eine Studie der Universität Stuttgart über Lebensmittelabfälle in Deutschland vorstellen. In dieser Untersuchung wurde ermittelt, wie viele und welche Abfälle jedes Jahr in der Wirtschaft, im Handel und bei uns allen, den Verbrauchern, entstehen.

Das Bundesverbraucherministerium wird darüber hinaus Ende März eine neue Informationskampagne für Verbraucher starten. Ziel ist es, den Menschen nützliches Wissen und praktische Tipps über den Umgang mit Lebensmitteln zu vermitteln, vom Einkauf und der richtigen Lagerung bis hin zur Verarbeitung.

Parallel dazu wird bereits am kommenden Montag hier in Berlin mit dem Handel und im Handel eine deutschlandweite Aufklärungsaktion über das Mindesthaltbarkeitsdatum gestartet.

Last, but not least werden auf Einladung der Bundesministerin bei einer großen Fachkonferenz am 27. März in Berlin Experten aus Industrie, Handel, Gastronomie und Landwirtschaft, aber auch Verbraucherschützer sowie Vertreter von Kirchen und NGOs gemeinsam über Strategien gegen die Lebensmittelverschwendung beraten. Auch die Einladung zu dieser Konferenz wird Ihnen noch zugehen. Herzlichen Dank!

Frage: Frau Kothé, nachdem wir am Wochenende lesen konnten, dass die Bundesregierung nicht nur 2011 all ihre Sparziele verfehlt hat, sondern dies auch 2012 und 2013 tun wird, würde mich einmal, da sich das offenbar nicht auf Zahlen der Bundesregierung, sondern auf Zahlen des IW in Köln bezieht, interessieren, wie Sie diesen Sachverhalt darstellen.

Kothé: Sie haben ja recht, und das möchte ich am Anfang erst einmal unterstreichen: Es handelt sich um eine Studie eines Forschungsinstituts. Vorab möchte ich Sie vielleicht doch noch einmal an die Zahlen erinnern, die Ihnen auch schon bekannt sind, und darauf hinweisen, dass wir doch eigentlich mit Fug und Recht der Auffassung sind, dass wir in den vergangenen Jahren unseren Haushalt erfolgreich konsolidiert haben. Umgekehrt wird uns manchmal auch in Europa vorgehalten, wir seien zu sparsam und würden zu viel sparen. Wir werden in diesem Jahr wahrscheinlich unser gesamtstaatliches Mittelfristziel von 0,5 Prozent hinsichtlich des strukturellen Defizits erreichen. Wir haben die Vorgaben der Schuldenbremse immer eingehalten. Wir liegen sogar auch unterhalb der ganzen Planwerte, was den europäischen Kontext, den Stabilitäts- und Wachstumspakt usw. angeht; ich kann Ihnen das gerne auch noch einmal im Einzelnen sagen. Von daher halten wir diese Behauptungen und die Schlüsse oder Interpretationen, die aus diesem Gutachten gezogen werden, für unzutreffend.

Richtig ist aber natürlich ein Punkt, nämlich dass - das muss man sagen - hinsichtlich dieses Sparpakets, auf das hier Bezug genommen wird, bestimmte Dinge nicht so umgesetzt worden sind, wie man es ursprünglich angenommen hatte. Ich erinnere an den Punkt FTT. Sie wissen auch, dass wir die Finanztransaktionssteuer bis heute noch nicht in Europa und weltweit eingeführt haben, wie wir es uns seinerzeit irgendwie vorgestellt haben oder gewünscht hätten. Auch bei der Kernbrennstoffsteuer gab es vor einem Jahr Ereignisse, die doch einiges in diesem Bereich verändert haben, auch mit Auswirkungen auf die Finanzpolitik, um nur einmal zwei oder drei Punkte herauszuziehen oder um konkret auf dieses Gutachten einzugehen.

Zusatzfrage: Aber was für ein Fazit zieht man daraus? Ist das Fazit, dass Sie bei dem, was Sie an Einsparungen geplant hatten, in der Tat in einer Reihe von Punkten zurückgeblieben sind und Ihnen die gute Konjunktur und die zusätzlichen Steuereinnahmen dabei geholfen haben, dass Sie bezüglich der globalen Ziele letztendlich dann doch relativ gut ausgesehen haben? Ist das die Folgerung?

Kothé: Die Folgerung ist, dass wir diese Schlussfolgerungen so, wie sie in diesem Gutachten getroffen worden sind, für unzutreffend halten und sagen, dass wir, was den Haushalt anbelangt, in Deutschland deutliche Fortschritte und sehr erfreuliche Fortschritte bei der Konsolidierung gemacht haben.

Frage: Ich habe es auch noch nicht ganz verstanden, was das Fazit anbelangt. Wurden die Sparziele der Bundesregierung eingehalten oder nicht eingehalten?

Kothé: Ich habe gesagt: Seit es dieses Sparpaket gibt, auf das Bezug genommen wird, haben sich einige Dinge verändert. Das ist bekannt. Ich habe zwei wichtige Dinge genannt, nämlich die FTT und die Kernbrennstoffsteuer. Dann kann man natürlich sagen, dies sei verfehlte Haushalts- oder Sparpolitik. Aber es gab ja wohl andere Gründe, die einfach zu Veränderungen geführt haben. Damit sind wir in der Finanzpolitik umgegangen und haben darauf reagiert. Messen lassen wollen wir uns am Ergebnis.

Zusatzfrage: Ist das Ergebnis für 2011, dass Sie das Sparziel, das man sich gesetzt hat, eingehalten haben?

Kothé: Ja, wir haben unsere Haushaltsziele erreicht und übertroffen. Das ist das Ergebnis.

SRS Streiter: Ich wollte das auch noch einmal unterstreichen; nicht, dass das bei Ihnen irgendwie einen falschen Drall bekommt. Ich meine, entscheidend ist ja immer, was hinten herauskommt, und dabei geht es um den Haushalt. Ziel dieses Zukunftspakets vom Sommer 2010 war damals, die Vorgaben der neuen Schuldenregel einzuhalten. Die sind immer eingehalten worden. Die Ziele wurden nicht nur erreicht, sondern auch übertroffen. Um Ihnen das noch einmal ein bisschen anhand von Zahlen deutlich zu machen: Dabei ist ein entscheidendes Kriterium auch die Nettokreditaufnahme. Zum Zeitpunkt, als dieses Zukunftspaket sozusagen geschnürt wurde, nämlich 2010, rechnete man für 2011 mit einer Nettokreditaufnahme in Höhe von 57,5 Milliarden Euro. Im Endergebnis sind 17,3 Milliarden Euro dabei herausgekommen. Für 2012 rechnete man damals mit 40,1 Milliarden Euro. Es werden 26,1 Milliarden Euro dabei herauskommen. Das setzt sich so in die Zukunft fort. Insofern ist der Schluss, der da gezogen wird, hier würden Ziele nicht erreicht, einfach ein völlig falscher. Das Ziel ist ein solider, ausgeglichener Haushalt, und dieses Ziel wird erreicht und ist auch für die Zukunft erreichbar.

Kothé: Genau. Ich denke, um das, was ich vorhin gesagt habe, noch einmal zu ergänzen: (Die Tatsache, dass wir) unser Mittelfristziel - ein nahezu ausgeglichener Haushalt und ein strukturelles Defizit von 0,5 Prozent - dieses Jahr wahrscheinlich einhalten werden, sagt, finde ich, alles.

Frage: Nur zur Klärung: Sind die Zahlen richtig, die dort genannt werden, also dass die für 2011 angepeilten Sparbemühungen nur zu, glaube ich, 42 Prozent erreicht worden sind? Stellen Sie die auch nicht infrage?

Kothé: Doch, die stellen wir infrage; das habe ich gerade gesagt. Ich habe gerade gesagt, dass wir die Schlussfolgerung und die Berechnung, die in diesem Gutachten - - -

Zusatz: Mir geht es nicht um die Schlussfolgerung, sondern um die Zahlen selbst!

Kothé: Auch die Berechnungen hinsichtlich der Bezugsgrößen, die da angestellt werden, halten wir in weiten Teilen für unzutreffend oder für nicht sachgemäß, wenn auch nicht in allen.

Zusatzfrage: Auf wie viel Prozent kommen Sie denn?

Kothé: Wir haben dieses Gutachten heute Morgen nicht in allen Punkten nachgerechnet, dieses Szenario sozusagen alternativ bewertet. Wir haben versucht, das mit den üblichen Haushaltskennziffern zu kommentieren und in einen Zusammenhang zu stellen, ohne jetzt die Einzelheiten dieses Gutachtens aufzudröseln.

Frage: Eines verstehe ich nicht, Frau Kothé: Sie sagen, dieses Gutachten sei falsch und die Zahl 42 Prozent stimme nicht.

Kothé: Nein, das habe ich nicht gesagt.

Zusatzfrage: Sie haben gesagt, das sei in weiten Teilen nicht zutreffend. Jetzt sagen Sie aber, Sie hätten nicht geprüft, was denn zutreffend sei. Das macht Ihre erste Aussage zumindest ein wenig schwierig. Vielleicht können Sie das doch noch ausführen.

Es ist ja wohl so gewesen, dass man sich 2010 auf ein Sparpaket geeinigt und gesagt hat, jedes Ressort solle einen bestimmten Betrag einsparen. Dann hat man, was ja auch ein Verdienst ist, von einer sehr guten konjunkturellen Lage profitiert, was dazu geführt hat, dass die Haushaltseinnahmen gestiegen sind, was aber in erster Linie nichts mit Ihren Sparzielen zu tun hat; das betrifft ja die Ausgaben. Deswegen bezieht sich dieses Gutachten, wenn ich es richtig verstanden habe, vor allem auf die Frage, was man einerseits einsparen wollte und was man andererseits im Endeffekt eingespart hat.

Kothé: Ich habe gesagt: Man hat dem Gutachten dieses damalige Sparpaket unter dem Szenario, wie es damals eben war, zugrunde gelegt. Die Welt hat sich seitdem in vielen Punkten verändert, und zwar mit Auswirkungen auf den Haushalt an verschiedenen Stellen. Von daher habe ich gesagt: Diese Berechnung trägt diesen veränderten Bedingungen nicht Rechnung.

Zusatzfrage: Gilt das Sparpaket von damals also nicht mehr?

Kothé: Natürlich gilt das. Das Sparpaket ist damals beschlossen worden. Es gibt aber auch bestimmte Dinge, die ich schon aufgezählt habe - Pakete, Kernbrennstoffsteuer, FTT usw. - und die sich nicht so entwickelt haben, wie man es sich damals vorgenommen hat. Dinge haben sich anders entwickelt, und wir haben uns angepasst. Im Ergebnis ist es uns wichtig, irgendwo einfach zu sagen: Wir sind auf dem Weg der Konsolidierung gut vorangekommen, und das ist das, was zählt.

Frage: Ich habe daran anschließend zur Klärung eine Frage an Herrn Streiter beziehungsweise Frau Kothé, weil Sie gesagt haben, die ursprünglich zugrunde gelegten Zielsetzungen seien teilweise übertroffen worden: Sind die Einsparungsziele übertroffen worden, oder war die konjunkturelle Entwicklung und damit die Einnahmeseite so gut, dass die Globalzahlen deutlich besser waren, als man ursprünglich vermutet hatte?

SRS Streiter: Wenn ich dazu noch einmal ganz kurz etwas sagen darf: Ich stecke da wirklich nicht in den Details. Ich meine, entscheidend ist doch, dass ein Sparpaket kein Selbstzweck ist. Ein Sparpaket dient dazu, den Haushalt zu konsolidieren. Man muss sich doch am Ergebnis messen lassen. Das Ergebnis kann doch nur heißen: Ist der Haushalt konsolidiert, oder ist er nicht konsolidiert? - Er ist konsolidiert, und er ist sogar stärker als gedacht konsolidiert. Dann ist es doch auch gut.

Frage: Wenn sich die Bundesregierung also auf etwas verständigt, dürfen wir dann nach eineinhalb Jahren nicht nachfragen, auf was sie sich verständigt hat und inwieweit sie es dann eingehalten hat? Wenn es diesen Extraeffekt einer konjunkturell sehr günstigen Lage gegeben hat, kann man dann das, auf das man sich als Sparziel verständigt hat, getrost sein lassen, weil der Haushalt ohnehin ausgeglichen ist, ohne dass man Einschnitte machen muss?

SRS Streiter: Nein, aber Ziel dieses Zukunftspakets war es damals, die Vorgaben der neuen Schuldenregel einzuhalten. Das heißt, es ging darum, die Schuldenregel einzuhalten. Dahin führen viele Wege. Wenn der eine Weg jetzt aus irgendwelchen aktuellen Gründen ein wenig versperrt ist, dann nimmt man halt einen anderen Weg. Aber entscheidend ist doch, dass der Haushalt konsolidiert ist. Frau Kothé hat das ja ausgeführt.

Zusatzfrage: Wann hat sich denn dann die Bundesregierung von diesen Sparzielen verabschiedet, weil die Haushaltsentwicklung so positiv gewesen ist?

SRS Streiter: Niemand hat sich jemals von Sparzielen verabschiedet, sondern es hat sich, wie Frau Kothé schon ausgeführt hat, offenbar im Laufe der Zeit herausgestellt, dass man an einigen Punkten weniger sparen konnte, als man es sich erhofft hatte. Dann hat man halt anderswo mehr gespart und andere Maßnahmen ergriffen. Aber entscheidend ist doch, dass der Haushalt konsolidiert ist und dass die Regel der Schuldenbremse eingehalten wird. Der unterschwellige Vorwurf, der gemacht wird - Deutschland spiele sich sozusagen in Europa als Schulmeister auf und mache zuhause seine Hausaufgabe nicht; darum geht es ja -, zieht einfach nicht.

Frage: Können Sie einmal sagen, wo tatsächlich mehr gespart wurde, als man sich vorgenommen hatte, und wo das nicht mit der beschriebenen, konjunkturell besseren Lage zu tun hat?

SRS Streiter: Das weiß ich nicht. Das weiß das Finanzministerium. Das kann man zur Sicherheit auch noch einmal aufarbeiten.

Kothé: Wir können einzelne Positionen noch einmal im Einzelnen aufarbeiten, wenn Sie es wünschen, aber ich kann mich an dieser Stelle, wie gesagt, wirklich nur wiederholen. Diese Beschlüsse waren nicht alle 1:1 umzusetzen, sondern man hat sich angepasst. Das haben wir jetzt, denke ich, wiederholt gesagt. Aus unserer Sicht ist das Wichtige, dass der Konsolidierungskurs mit dem entsprechenden Ergebnis fortgesetzt worden ist und wir die Ziele übererfüllt haben. Ich denke, wir können bilateral gerne noch einmal auf die Einzelheiten und Annahmen dieses Gutachtens eingehen, wenn das gewünscht ist. Aber das ist ein Gutachten, und es gibt auch die offiziellen Zahlen zur Haushaltsentwicklung und zu den Einzelmaßnahmen, die wir Ihnen immer zur Verfügung stellen und die Sie bei uns auch immer nachlesen und abrufen können. Das Gutachten als solches ist ja kein von der Regierung in Auftrag gegebenes. Ich weiß also auch nicht, ob wir das jetzt in allen Einzelheiten auswerten müssen und es tun werden. Aber in der allgemeinen Form, in der ich es Ihnen gesagt habe, ist das - - -

Frage: Es wäre klasse, wenn wir noch erfahren können, wo mehr gespart worden ist. Das würde mich auch interessieren.

Kothé: Meinen Sie einen Vergleich zu den Annahmen, die es im Gutachten gibt? - Okay.

Zusatzfrage: Ich habe noch eine Frage zur Finanztransaktionssteuer und zu dem Brief, den Herr Schäuble gemeinsam mit Amtskollegen geschrieben hat. Was genau ist Inhalt dieses Briefs? Warum kommt er jetzt?

Kothé: Der ist nicht jetzt geschrieben worden, sondern am 7. Februar.

Zum Inhalt: Das Thema war, auf europäischer Ebene auf die Zeitplanung Einfluss zu nehmen, also mit der dänischen Ratspräsidentschaft ins Gespräch zu kommen und klarzumachen, dass wir das Thema Finanztransaktionssteuer zügig behandelt und diskutiert sehen wollen. Das wurde zusammen mit anderen Finanzministern in diesem Brief zum Ausdruck gebracht, und das auch mit Erfolg: Das Thema wird morgen - anders als ursprünglich einmal in dem Arbeitsprogramm der dänischen Präsidentschaft vorgesehen - auf der Tagesordnung der Sitzung des Ecofin-Rats stehen.

Zusatzfrage: Ist es denn richtig, dass im Finanzministerium ein eigener Vorschlag dazu erarbeitet wird, wie eine Finanztransaktionssteuer aussehen könnte?

Kothé: Nein. Wir setzen uns für diesen Vorschlag der Kommission ein, der jetzt zur Verhandlung steht, und unterstützen ihn, wie wir immer gesagt haben. Wir setzen uns dafür ein, dass auf Basis dieses Vorschlags die weiteren Gespräche laufen und verhandelt wird.

Zusatzfrage: Gibt es keine eigenen Vorschläge?

Kothé: Es gibt keine eigenen Vorschläge.

Frage: Bislang gab es innerhalb der Regierung Unterschiede zwischen dem Wirtschaftsministerium und dem Finanzministerium hinsichtlich der Frage, inwieweit die Finanztransaktionssteuer in Deutschland eingeführt werden soll. Gibt es eigentlich eine abgestimmte Position der Bundesregierung zur Finanztransaktionssteuer und dazu, inwieweit sie eingeführt werden soll?

Kothé: Die unterschiedlichen Auffassungen bestanden, denke ich, nur in Bezug darauf, was Alternativszenarien sind. Dieser Vorschlag, der jetzt in Brüssel auf dem Tisch liegt, ist ja die EU-27-weite Einführung. Das ist die abgestimmte Haltung der Bundesregierung. Aber manch einer überlegt sich auch schon - es wird darüber gesprochen -, was ist, wenn das nicht möglich sein sollte. Dazu hat unser Minister seine Meinung geäußert und gesagt: Er könnte sich vorstellen, eine solche Steuer in der Eurozone einzuführen.

Wiegemann: Das Wirtschaftsministerium geht davon aus, dass die Linie der Bundesregierung weiter verfolgt wird. Das ist die Unterstützung des Richtlinienvorschlags der EU-Kommission zur Einführung einer europaweiten Finanztransaktionssteuer. Diese wird auch vom Bundeswirtschaftsministerium unterstützt.

Zusatzfrage: In der Berichterstattung heute wird der Eindruck erweckt, dass es unter Umständen eine kleinere Lösung als auf Euro-Ebene geben könnte, nämlich dass sich nur acht oder neun Staaten für die Finanztransaktionssteuer stark machen. Ist das auch eine Lösung, die das Bundesfinanzministerium favorisieren könnte?

Kothé: Wir favorisieren eine EU-weite Einführung.

Zusatzfrage: Und wenn diese nicht kommt?

Kothé: Ich habe gesagt, was unser Minister persönlich gesagt, was dann eine für ihn denkbare Lösung ist. Es gibt weitere Szenarien. Aber wir haben immer gesagt: Wir präferieren (eine EU-weite Einführung). Wir wollen mit aller Kraft daran arbeiten, dass es dazu kommt.

Frage: Nur zur Klarheit eine Frage an das Wirtschaftsministerium: Wenn ich mich recht erinnere, taucht in allen möglichen Papieren von Herrn Rösler immer wieder die Formulierung auf, dass er vorschlägt, sich an dem britischen Vorbild einer Stempelsteuer zu orientieren. Das scheint mir etwas anderes zu sein als die Vorschläge, die die Kommission im Moment auf den Tisch legt. Von daher wird mir nicht so ganz klar, was da abgestimmt ist. Ist da etwas abgestimmt? Hat Herr Rösler seinen Vorschlag erst einmal zurückgenommen, bis es Klarheit über den EU-Vorschlag gibt? Oder ist da nichts abgestimmt?

Wiegemann: Wie Frau Kothé schon sagte: Die einheitliche Linie der Bundesregierung ist die Unterstützung des Richtlinienvorschlags der EU-Kommission, eben die europaweite Einführung der Finanztransaktionssteuer. Das hat der Minister unterstützt. Bei dem, was Sie ansprachen, handelt es sich um mögliche Alternativen. Aber wir gehen davon aus, dass die Linie der Bundesregierung weiter gilt und weiter unterstützt wird. Dem habe ich deshalb auch nichts hinzuzufügen.

Frage: Herr Streiter, sieht denn die Bundeskanzlerin die Notwendigkeit, in der Bundesregierung noch einmal in relativ kurzer Frist eine neue Abstimmung über Alternativmodelle in Sachen Finanztransaktionssteuer herzustellen?

SRS Streiter: Das steht im Moment gar nicht an. Das erklärte Ziel der Bundesregierung - ich wiederhole es gerne noch einmal - ist die Einführung einer Finanztransaktionssteuer in allen 27 EU-Mitgliedstaaten. Der Bundesminister hat in seinem Brief auch von einer europaweiten Einführung geschrieben. Da ist überhaupt kein Unterschied zwischen Euro-Ländern, Nicht-Euro-Ländern, EU27 - oder wie auch immer das heißt - gemacht worden.

Letztlich geht es darum, eine europäische Position zu finden. Das heißt: Wenn sich irgendwann einmal abzeichnen sollte, dass das, aus welchen Gründen auch immer, nicht in allen 27 Mitgliedsländern möglich sein würde, muss man eben eine konsensfähige Alternative suchen. Wie das Ding dann heißt - ob das Stempelsteuer, Finanztransaktionssteuer oder wie auch immer heißt -, ist dann auch erst einmal egal. Es geht erst einmal darum, möglichst in allen 27 EU-Ländern eine Steuer auf derartige Geschäfte einzuführen. An diesem Ziel hat sich nichts verändert. Deshalb muss man da auch nichts neu abstimmen.

Frage: Frau Kothé, ich verstehe ein paar Folgerungen aus dem Schuldenschnitt Griechenlands noch nicht. Wenn der IWF 28 Milliarden Euro zusagt, von denen 18 Milliarden Euro frische Mittel sind, würde mich interessieren: Wie teilt sich die übrige Summe auf die verschiedenen Hilfeländer, Euroländer auf?

Sind in der verbleibenden Summe, also 130 Milliarden Euro minus 28 Milliarden Euro, irgendwelche Bestandteile aus dem ersten Griechenland-Paket mit enthalten? Können Sie mir diese Frage ganz einfach beantworten?

Kothé: Ja, ansatzweise. Der IWF hat in Form von Frau Lagarde gestern oder vorgestern angekündigt, dass sich er sich beteiligen wird. Aber die Entscheidung darüber ist noch nicht getroffen. Sie fällt nämlich im IWF-Board. Das soll wohl am Donnerstag der Fall sein.

Nach den Informationen, die ich habe, ist es so, dass 18 Milliarden Euro auf das neue Paket entfallen würden und 10 Milliarden Euro aus dem alten bestätigt sind. Dann würde sich das Volumen des EFSF am Griechenland-II-Paket logischerweise auf 112 Milliarden Euro verringern. Das sind die Zahlen, die ich Ihnen im Augenblick mit auf den Weg geben kann - unter dem Vorbehalt, dass das alles auch so beschlossen wird.

Zusatzfrage: Das heißt, da sind keine Bestandteile enthalten, die quasi vom ersten Paket, das ja außerhalb des EFSF war, auf das zweite angerechnet waren? Wenn man versucht, das auf die nationalen Anteile zurückzurechnen, kommt man also letztendlich auf diesen EZB-Anteil von rund 28 Prozent für Deutschland an den ausstehenden 112 Milliarden Euro?

Kothé: Diese 28 Milliarden Euro (teilen) sich nach unserem Kenntnisstand so auf, dass es 18 Milliarden Euro für das neue (Paket) sind und 10 Milliarden Euro noch aus dem alten (Paket) bestätigt sind.

Zusatzfrage: Die Frage ist ganz einfach: Wie ist das für die anderen Helfer? Gehen sie genauso vor, dass sie das, was noch nicht im ersten Paket verbraucht ist, in das zweite Paket mit hineinnehmen? Kommt das in einen Topf? Wird das aufgerechnet? Auch die Euro-Länder haben ja einen Teil aus dem ersten Paket noch nicht ausgezahlt.

Kothé: Es gibt Mittel aus dem ersten Griechenland-Paket und aus dem zweiten Paket.

Zusatzfrage: Das heißt, das ist ein additiver Prozess oder ein Anrechnungsprozess? Das ist meine Frage.

Kothé: Ich kann Ihnen jetzt nicht ganz folgen, was Sie zusammenaddieren. Deswegen zögere ich. Wir haben gesagt: Es gibt ein neues Griechenland-Paket, das zusätzlich beschlossen worden ist.

Zusatz: Wenn Sie "zusätzlich" sagen, dann ist es für mich klar. Dann kommt das zweite Paket zu dem, was noch aus dem ersten Paket abzuleisten ist, hinzu.

Kothé: Ja.

Frage: Noch einmal zu diesen Milliarden des IWF, damit ich es richtig verstehe: Sind die 18 Milliarden Euro neue Gelder und die 10 Milliarden Euro sind aus dem alten Paket noch übrig? Kommen wir so auf 28 Milliarden Euro?

Kothé: So verstehe ich das. Aber ich bin, mit Verlaub, nicht die Sprecherin des IWF. Das sind die Informationen, die wir jetzt vorliegen haben. Es gibt noch keinen Beschluss des IWF-Board. Wenn Sie eine Bestätigung wollen, so können wir das als deutsches Finanzministerium nicht leisten. Sie müssten sich bitte an den IWF wenden.

Zusatzfrage: Zu meiner eigentlichen Frage: Der Schuldenschnitt für Griechenland wird höchstwahrscheinlich auch ein juristisches Nachspiel haben. Eine Hamburger Kanzlei hat schon mitgeteilt, dass Schadenersatzklagen gegen den Staat Griechenland erhoben werden. Wie sieht das Bundesfinanzministerium das? Sieht es das mit Sorge oder ganz entspannt?

Kothé: Ich kenne (die Meldungen) nicht. Von daher kann ich das nicht kommentieren und kann auch nicht besorgt sein. Die Dinge sind von vielen Experten so intensiv beraten worden. Von daher haben wir jetzt erst einmal keinen Anlass zur Sorge. Ich denke, dass die Dinge so laufen, wie sie beschlossen worden sind und auch so umgesetzt werden. Das ist das Wichtige. Von daher haben wir erst einmal keinen Anlass zur Sorge.

Was konkret die Klage von Einzelpersonen oder Unternehmen anbetrifft, so kann ich hier keine Stellung dazu beziehen. Ich kenne sie nicht.

Frage: Die Beteiligung des IWF ist, wenn man das betrachtet, was an neuen Mitteln dabei ist, deutlich geringer als bei früheren Hilfspaketen. Wie schätzt die Bundesregierung das politisch ein? Ist es eine Enttäuschung für die Bundesregierung, dass der IWF sich nunmehr nur noch zu einem kleineren Anteil an Hilfen beteiligt? Sieht man darin eine Tendenz des IWF, sich möglicherweise aus solchen Operationen in Europa zurückziehen?

Eine zweite Frage: Gibt es irgendwelche Unruhe oder irgendwelche Sorgen aufseiten des Finanzministeriums, dass aus dem Prozess des Fälligwerdens von Kreditausfallversicherungen noch ein zusätzliches Risiko vom Markt her aufkommen könnte?

Kothé: Nein. Keine Unruhe, keine Sorge bei uns.

Zusatzfrage: Die Frage zur Einschätzung des IWF-Anteils?

Kothé: Auch das habe ich eigentlich eben schon gesagt. Wir sind froh und sehen mit Zufriedenheit, dass sich der IWF nach wie vor in einem erheblichen Umfang am Hilfspaket und an den Hilfsmaßnahmen für Griechenland beteiligt.

Frage: Eine Frage zum Zeitplan in Sachen Fiskalpakt: So, wie er jetzt beschrieben wurde, wäre Ende März die erste Lesung. Bis Ende Mai soll verhandelt werden und Mitte Juni soll, wenn ich es richtig in Erinnerung habe, (der Bundesrat zustimmen). Ist das der Fahrplan, wie ihn die Bundesregierung sich vorstellt?

SRS Streiter: Ja.

Frage: Eine Frage an Herrn Streiter und Frau Aden. Am vergangenen Wochenende hat sich die Koalition auf das Leistungsschutzrecht für Verleger geeinigt. Es gab einen Landesparteitag ausgerechnet der bayerischen FDP, wo Frau Leutheusser-Schnarrenberger Landesvorsitzende ist. Dieser Parteitag hat das, was vorher die Koalition beschlossen hat, abgelehnt und hat auch einen Kompromissvorschlag abgelehnt. Wie gedenken denn jetzt Bundesregierung und Justizministerin mit dieser neuen Lage umzugehen?

Aden: Es geht um eine Maßnahme, die im Koalitionsausschuss vereinbart worden ist. Im Koalitionsausschuss sind verschiedene Maßnahmen vereinbart worden, die auch in unterschiedlichen Stadien sind. Der Koalitionsausschuss ist, wie Sie wissen, Angelegenheit der Parteien. Da ging es unter anderem auch um das sogenannte Leistungsschutzrecht. Das, was im Koalitionsausschuss beschlossen worden ist, wird jetzt erst einmal vom Bundesjustizministerium umgesetzt werden. Wir sind gebeten worden, einen Entwurf vorzulegen. Das passiert jetzt auch. Das, was dann passiert, ist Ihnen sicherlich bekannt: Es gibt eine Kabinettsbefassung, und dann geht das in das parlamentarische Verfahren. Die Fraktionen werden sich damit befassen müssen. Diesen Beratungen kann ich nicht vorgreifen. Dazu kann ich Ihnen jetzt nichts sagen.

Zusatzfrage: Aber Frau Leutheusser-Schnarrenberger wird diesen Gesetzentwurf noch vorlegen?

Aden: Sie wird den Entwurf vorlegen. Wichtig ist dabei eines, dass nämlich kein privater Nutzer etwas zahlen müssen oder davon betroffen sein wird.

Frage: Sie haben das Thema Schlecker gerade erwähnt. Mich würde, von wem auch immer in der Bundesregierung, interessieren: Gibt es irgendwelche Töpfe, gibt es irgendwelche finanzielle Ressourcen in der Bundesregierung oder in nachgelagerten Behörden, mit denen für die von Entlassung bedrohten Mitarbeiter eine Transfergesellschaft finanziell unterstützt werden kann?

Helfer: Gegenwärtig können wir die Frage einer Transfergesellschaft nicht beantworten. Eine Entscheidung darüber, ob eine Transfergesellschaft eingerichtet wird, liegt bei dem Unternehmen. Eine wie auch immer geartete Kofinanzierung, die nötig wäre, müsste von anderer Stelle kommen. Es gibt beim Bundesarbeitsministerium keine Töpfe dafür.

SRS Streiter: Ich kann ergänzend sagen: Da gibt es eine ganz klare Regelung. Es gibt eine Bund-Länder-Vereinbarung von 2009, nach der in solchen Fällen das Bundesland zuständig ist, in dem das Unternehmen seinen Sitz hat, also in diesem Fall Baden-Württemberg. Das ist Ländersache.

Frage: Herr Streiter, Herr Peschke, Bundesaußenminister Westerwelle hat am Rande des Außenministertreffens einen neuen Vorstoß für einen europäischen Verfassungsprozess unternommen. Ist dieser Vorstoß, auch die Ankündigung, hierzu ein Treffen mit Kollegen einzuberufen - einzelne Punkte wurden genannt: Wahl des Präsidenten, Volksabstimmung - , mit der Bundeskanzlerin abgestimmt? Unterstützt die Bundeskanzlerin diesen Vorstoß?

Herr Peschke, gibt es schon eine Konkretisierung, wann und in welchem genaueren Kreis diese Initiative beraten werden soll?

SRS Streiter: Ehrlich gesagt weiß ich nicht, ob das abgestimmt ist. Ich könnte mir vorstellen, dass sie gelegentlich darüber gesprochen haben. Es geht ja auch nicht darum, heute irgendetwas zu ändern, sondern es handelt sich dabei um mittel- und langfristige Gedanken, wie es mit Europa weitergeht. Da sehe ich auch gar kein Konfliktpotenzial.

Peschke: In der Tat gibt es in der Bundesregierung zu allen wichtigen europapolitischen Fragen immer eine enge und vertrauensvolle Abstimmung.

Zu dem, was Sie genannt haben: Es ist so, dass man da zwei Sachen unterscheiden muss. Zum einen gibt es derzeit in Europa - auch vorangebracht von Vertretern der Bundesregierung - auf verschiedenen Ebenen in verschiedenen Formaten Gespräche zu Zukunftsfragen der Europäischen Union. In diesem Rahmen wird es auch - voraussichtlich in den nächsten Wochen - ein Treffen verschiedener Außenminister geben, in dem auch Zukunftsfragen der Europäischen Union erörtert werden sollen. Die Außenminister stehen da in einer besonderen Verantwortung; denn sie sind ja gerade für institutionelle Fragen der Europäischen Union und für allgemeine Grundsatzfragen der Europäischen Union zuständig. Insofern ist es logisch, dass auch in diesem Gremium darüber gesprochen wird. - Das ist die eine Sache.

Die andere Sache sind die Themen, die Sie genannt haben. Die stehen zunächst einmal unabhängig davon im Raum. Das betrifft das Thema europäische Verfassung und die Direktwahl eines europäischen Präsidenten. Das sind Themen, die Außenminister Westerwelle unabhängig von konkreten Gesprächsformaten aufgerufen hat - auch ganz klar mit einer mittelfristigen Perspektive, nämlich um die Diskussion über europäische Zukunftsfragen auch jenseits der Überwindung der augenblicklichen Krise zu stimulieren. Das hat er am vergangenen Freitag in Kopenhagen ja nicht zum ersten Mal getan, sondern das hat er schon vorher in öffentlichen Äußerungen gemacht. Insofern sind das Themen, die schon seit einigen Tagen und Wochen im Raum stehen. Es ist ganz klar - der Außenminister hat auch gesagt, dass das aus seiner Sicht so ist -, dass das Fragen sind, die gestellt werden sollten - aber ganz klar mit einer deutlich mittelfristigen Perspektive.

Frage: Ich habe eine Frage an das Finanzministerium und das Gesundheitsministerium. Es gibt Berichte darüber, dass es in der Bundesregierung Überlegungen für eine Paketlösung gebe, was die Verwendung der Überschüsse bei den Krankenkassen anbetrifft.

Da wäre meine Frage an das Gesundheitsministerium: Hat sich an der Haltung - die ich zumindest bislang wahrgenommen hatte -, dass es einen Appell an die Krankenkassen gibt, auf freiwilliger Basis einen Teil der Überschüsse in Form von Prämien an die Versicherten zu geben, dahingehend etwas geändert, dass man jetzt durchaus auch für eine gesetzliche Regelung Sympathien hat, etwa - wie das zu hören ist - in Form einer geringfügigen Senkung des allgemeinen Beitragssatzes? Oder bleibt es dabei, dass Sie an die Krankenkassen appellieren, freiwillig etwas zurückzugeben?

Gibt es auch Gespräche im Rahmen der Haushaltsaufstellung, da eine Gesamtlösung, ein Paket zu schnüren, das auf der einen Seite aus einer Beitragssenkung und einer Kürzung des Bundeszuschusses an den Gesundheitsfonds und auf der anderen Seite aus höheren Zuschüssen des Bundes für die Unterstützung der freiwilligen Vorsorge im Bereich der Pflege bestehen könnte?

Wackers: Vielen Dank; ich habe da jetzt drei Fragen herausgehört.

Sie sehen das ganz richtig, dass es nach wie vor bei dem Appell des Ministers an die finanzstarken Kassen bleibt, die Überschüsse in Form von Prämien auszuzahlen.

Was die Haushaltsberatungen zwischen BMG und BMF betrifft: Diese dauern noch an. Es liegt jetzt eine ganze Reihe von Vorschlägen auf dem Tisch; am Wochenende mögen noch welche dazugekommen sein. Das Ergebnis ist offen, und ich werde da auch nicht vorgreifen.

Wie Sie richtig festgestellt haben, haben wir jetzt die Situation, dass wir parallele Verhandlungen haben: zum einen zu den Eckwerten des Haushalts 2013 und zum anderen zu der geplanten freiwilligen Zusatzvorsorge bei der Pflege. Der Minister hat sich immer dazu bekannt, dass dieses Instrument für einen möglichst weiten Versichertenstamm interessant sein soll, also nicht nur für diejenigen, die Steuern zahlen, sondern auch für die Menschen, die wenige oder keine Steuern zahlen. Das würde dann auf eine Zulage hinauslaufen. Diese Gespräche werden zeitlich parallel geführt. Das ist ein Zufall. Es gibt dort aber nicht die Idee eines Handels oder einen sachlichen Zusammenhang; das müssen wir also zurückweisen.

Zusatzfrage: Erstens. Hält das Bundesgesundheitsministerium eine Beitragssatzsenkung für denkbar oder auch für sinnvoll?

Zweitens. Können Sie sich eine Kürzung des Bundeszuschusses vorstellen oder würden Sie da weiter Widerstand leisten?

Wackers: Mit Verlaub, ich kann zu Einzelvorschlägen jetzt nichts sagen, denn diese müssen im Gesamtzusammenhang gesehen werden. Alles hängt mit allem zusammen, das wissen Sie. Ich werde hier jetzt auch keine Spekulationen anstellen. Die Verhandlungen sind offen und das Ergebnis steht noch nicht fest.

Vorsitzender Freitag: Frau Kothé, können Sie noch etwas dazu beitragen?

Kothé: Eigentlich kann ich im Kern nur das bestätigen, was die Kollegin gesagt hat. Vielleicht noch so viel: Ein Haushalt ist im Ergebnis natürlich immer eine Paketlösung. Wir verhandeln noch über die Eckwerte. Am 21. März sollen die Eckwerte ja ins Kabinett, und werden Sie dann zeitnah über die Ergebnisse unterrichten.

Zusatzfrage: Und Sie gehen davon aus, dass der Bundeszuschuss an die Kassen dabei auch ein Aspekt ist?

Kothé: Natürlich gehört der Haushalt des Gesundheitsministeriums zum Bundeshaushalt - mehr habe ich nicht gesagt. Wir verhandeln im Augenblick über die Eckwerte. Dabei wird natürlich über alle Fragen gesprochen.

Frage: Wenn wir schon keine Details zu dem erfahren, was auf dem Tisch liegt: Könnten wir vielleicht erfahren, was nicht mehr auf dem Tisch liegt? Liegt die Streichung der Praxisgebühr noch auf dem Tisch oder ist die schon vom Tisch genommen worden?

Wackers: Ich möchte Ihnen jetzt kein Déjà-vu zumuten, aber das war hier ja schon am Freitag Thema. Unsere Arbeitsgrundlage ist nach wie vor der Koalitionsvertrag. Dort ist vermerkt, dass eine Überprüfung des Einzugsverfahrens vorgesehen ist. Das steht noch auf der To-do-Liste und ist für dieses Jahr vorgesehen.

Frage: Steht denn jetzt fest, bis wann sich das Finanzministerium und das Gesundheitsministerium darüber verständigen wollen, bis wann es eine Paketlösung geben soll? Mich interessiert nur der Zeitpunkt.

Kothé: Der Zeitpunkt ist derjenige, zu dem die Eckwerte des Haushaltsverfahrens im Kabinett sind. Das ist für den 21. März vorgesehen.

Frage: Meine Frage betrifft Vorschläge, die gestern von Herrn Sarkozy auf einer Wahlveranstaltung gemacht worden sind. Das eine ist, dass Frankreich womöglich seine Beteiligung am Schengen-Abkommen aussetzen wolle, wenn die Immigrationskontrollen nicht verschärft werden. Zweitens ging es um einen "Buy European Act". Ich würde gerne wissen, was die Bundesregierung davon hält. Die Bundeskanzlerin hat ja gesagt, sie unterstütze Herrn Sarkozy, was immer er macht. Gilt das auch für diese beiden Vorhaben?

SRS Streiter: Dazu kann ich Ihnen Folgendes sagen: Der freie Personenverkehr zählt zu den konkretesten und größten Errungenschaften der europäischen Integration und stellt eine Grundfreiheit dar. Die Freizügigkeit innerhalb der EU ist ein hohes Gut. Ich muss Sie jetzt leider um Verständnis bitten, dass wir uns zu Diskussionen im französischen Wahlkampf nicht im Detail äußern.

Vorsitzender Freitag: Da war noch eine Frage zu "Buy European".

SRS Streiter: Dafür gilt das Gleiche. Das sind wirklich sehr spezielle französische Wahlkampfthemen, zu denen die Bundeskanzlerin sich nicht äußert.

Zusatzfrage: Ein "Buy European Act" ist ja kein sehr französisches Thema, oder?

SRS Streiter: Na ja, es spielt jetzt im französischen Wahlkampf eine Rolle.

Frage: Ist es richtig, dass die Bundeskanzlerin einen Auftritt mit Herrn Sarkozy abgesagt hat?

SRS Streiter: Darüber ist mir nichts bekannt.

Zusatzfrage: Auch nicht, dass sie irgendeinen konkret geplanten Termin in Zukunft absagen würde? Ist da irgendetwas im deutsch-französischen Verhältnis abgesagt worden?

SRS Streiter: Ist mir nicht bekannt.

Frage: Herr Peschke, eine Frage zu der Eskalation im Gazastreifen: Israel bombardiert den Gazastreifen seit Tagen massiv. Gibt es aus Sicht der Bundesregierung irgendetwas am israelischen Vorgehen zu kritisieren?

Peschke: Ich kann Ihnen dazu sagen, dass die Bundesregierung und auch der Bundesaußenminister den jüngsten Gewaltausbruch zwischen Israel und den Palästinensern mit Sorge sehen und beide Seiten dringend zur Deeskalation aufrufen.

Im Hinblick auf Ihre Fragestellung möchte ich darauf hinweisen, dass eine wesentliche Ursache der gegenwärtigen Eskalation aus unserer Sicht der Beschluss israelischen Territoriums mit Raketen aus dem Gazastreifen ist. Aus unserer Sicht muss alles unterlassen werden, was die ohnehin schwierigen Bemühungen um Fortschritte im Friedensprozess weiter erschwert.

Zusatzfrage: Die palästinensische Seite sagt aber, Ursache seien hauptsächlich die gezielten Tötungen durch Israel. Wie steht die Bundesregierung zu diesen gezielten Tötungen?

Peschke: Ich werde jetzt keine weiteren Stellungnahmen zu einzelnen Äußerungen von Vertretern aus der Region abgeben. Tatsache ist, dass es zu einer Eskalation gekommen ist. Tatsache ist auch, dass eine erhebliche Anzahl - es gibt da verschiedene Zählungen, aber auf jeden Fall eine erhebliche Anzahl - von Raketen aus dem Gazastreifen die israelische Integrität verletzt haben und Schäden auf israelischem Staatsterritorium hervorgerufen haben. Das ist - das haben wir immer wieder deutlich gemacht - aus unserer Sicht natürlich eine nicht hinnehmbare Verletzung der israelischen Integrität.

Wir müssen einfach sehen, dass in der jetzigen Situation eine weitere Eskalation schlichtweg niemandem hilft. Insofern sind alle Seiten dringlich aufgerufen, einen Ausweg aus der jetzigen Situation zu suchen. Sie wissen, dass es heute in New York auch ein Treffen des Nahost-Quartetts gibt. Wir hoffen, dass die internationalen Bemühungen, wieder Bewegung in den Friedensprozess zu bringen, durch eine weitere Eskalation in und um Gaza nicht zusätzlich erschwert werden.

Zusatzfrage: Herr Peschke, was ist die offizielle Position der deutschen Regierung zu den gezielten Tötungen durch Israel? Es muss doch eine offizielle Position dazu geben.

Peschke: Sie stellen hier einen Begriff in den Raum, den ich in dieser Art und Weise nicht kommentieren kann. Wenn Sie belegbare Fakten bringen, dann kann ich dazu Stellung nehmen, aber zu einem in dieser Weise durch Fakten unbestimmten Rechtsbegriff kann ich von dieser Seite aus keine Stellung nehmen.

Frage: Frau Kothé, Sie könnten mir noch helfen, indem Sie mir den Stand der Dinge in Sachen deutsch-schweizerisches Steuerabkommen sagen. Wann stehen da die nächsten Etappen - einmal mit den Ländern, zum anderen vielleicht auch mit der EU - an? Was sagen Sie zu der Darstellung, dass die Deutschen auf der Bremse stünden und eine Erweiterung der EU-Zinsrichtlinie, also das Verhandlungsergebnis zwischen der EU und den Schweizern, blockierten?

Kothé: Wir sind im Gespräch mit den Ländern und natürlich auch auf europäischer Ebene - das wissen Sie. Einen konkreten Zeitplan kann ich Ihnen hier jetzt nicht nennen, aber es finden Gespräche statt. Wir sind der Auffassung, dass wir nichts blockieren, sondern dass wir im Gegenteil dadurch, dass wir die Frage des bilateralen Abkommens vorantreiben, auch den Prozess auf europäischer Ebene befördern.

Zusatzfrage: Wird es in den nächsten Tagen ein konkretes Gespräch mit den Ländern geben?

Kothé: Wir sind im Gespräch mit den Ländern.


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Quelle:
Mitschrift der Pressekonferenz - Montag, 12. März 2012
http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2012/03/2012-03-12-regpk.html?nn=391778
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veröffentlicht im Schattenblick zum 14. März 2012