Schattenblick →INFOPOOL →PARLAMENT → FAKTEN

PRESSEKONFERENZ/378: Regierungspressekonferenz vom 20. Februar 2012 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Mitschrift der Pressekonferenz - Montag, 20. Februar 2012
Regierungspressekonferenz vom 20. Februar 2012

Themen: Nominierung von Joachim Gauck zum Kandidaten für das Amt des Bundespräsidenten, europäische Schuldenkrise, Berichte über Kürzungen beim Bundeszuschuss der Rentenversicherung, Investitionen in das Feldlager Kundus, Energiewende, Solarförderung, Streik am Frankfurter Flughafen, Ausweisung von syrischen Diplomaten, neue syrische Verfassung

Sprecher: StS Seibert, Kutt (BMI), Kraus (BMWi), Kothé (BMF), Helfer (BMAS), Wackers (BMG), Dienst (BMVg), Maaß (BMU), Peschke (AA), Bauer (BMJ)


Vorsitzender Wefers eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt StS Seibert sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

Vorsitzender Wefers: Herr Seibert hat uns heute sozusagen nichts mitgebracht. Ich habe bei den Kollegen einmal ein bisschen gefragt. Die Themen, die mir genannt wurden, waren die Nachfolge des Bundespräsidenten, Eurokrise und Sparpläne im Bundeshaushalt. Vielleicht fangen wir mit dem Thema Wulff/Gauck an.

Frage: Ich habe heute mit großem Interesse gelesen, dass die Kanzlerin gestern zeitweise um den Bestand der Koalition gefürchtet hat, gewürzt mit Zitaten der Kanzlerin. Können Sie bestätigen, dass der Fall Wulff gestern drohte, zu einem Koalitionseklat, möglicherweise zu einem Koalitionsbruch zu werden?

Noch eine Lernfrage: Wer entscheidet eigentlich - wissen Sie das? - über die Frage Ehrensold, ja oder nein? Ist das eine Entscheidung der Bundesregierung, des Parlaments, von wem auch immer?

StS Seibert: Halten wir die beiden Dinge schön auseinander. - Sie brauchen sich um die Koalition, ihren Bestand und überhaupt um die Bundesregierung gar keine Sorgen zu machen. Die Bundeskanzlerin hat am Freitag als Ziel der Regierungskoalitionsparteien und auch als ihr persönliches Ziel ausgegeben, in dieser Situation mit SPD und Grünen einen gemeinsamen Kandidaten für die Wahl zum Bundespräsidenten der Bundesrepublik Deutschland zu finden, präsentieren zu können. Dieses Ziel hat sie gestern, Sonntagabend, erreicht. Insofern ist das ein gutes Ergebnis für die Koalition, für die Bundesregierung und auch für das Land insgesamt.

Zu der zweiten Frage, so denke ich, wäre das BMI besonders sprechbefugt.

Kutt: Das Gesetz über die Ruhebezüge des Bundespräsidenten regelt den sogenannten Ehrensold. Der Ehrensold steht dem Bundespräsidenten zu, wenn er, so heißt es in § 1 dieses Gesetzes, nach Ablauf seiner Amtszeit oder vorher aus politischen oder gesundheitlichen Gründen aus seinem Amt ausscheidet. Die Entscheidung, ob ein Ehrensold gewährt wird, obliegt nach bisheriger Praxis dem Bundespräsidialamt und nicht der Bundesregierung. So ist es auch im Fall des Rücktritts von Herrn Köhler gehandhabt worden. Geregelt ist dies in der sogenannten Fußnote 8 Anlage 1 der Beamtenversorgungs-Zuständigkeitsanordnung. Wenn ich das kurz zitieren darf: "Die Zuständigkeit für die erstmalige Berechnung und Festsetzung des Ehrensolds für einen aus dem Amt scheidenden Bundespräsidenten verbleibt beim Bundespräsidialamt."

Zusatzfrage: Sie haben mich nun zwar beruhigt, dass ich mir um die Koalition keine Sorgen machen muss. Nichtsdestotrotz gibt es Zitate, die relativ deutlich und klar überliefert worden sind. Bestreiten Sie den Wahrheitsgehalt dessen? Darüber hinaus würde mich interessieren, ob vonseiten des Vizekanzlers irgendwann einmal der Punkt anstand, dass die Koalition auf dem Spiel steht.

StS Seibert: Über interne Aussprachen gibt der Regierungssprecher nie Auskunft. Im Übrigen kann ich es weder bestreiten noch dementieren, weil ich gar nicht dabei war.

Kraus: Hinsichtlich der Frage nach dem Vizekanzler kann ich nur hinzufügen: Ich bin Sprecherin des Wirtschaftsministeriums und kann insofern nicht für ihn als Vizekanzler sprechen.

Zusatzfrage: Wer spricht eigentlich für ihn?

Kraus: Da würde ich einmal in der Partei anfragen.

StS Seibert: Man muss beachten, dass man als Regierungssprecher nur mittelbar zuständig ist, mit den Handelnden - das waren gestern die Vorsitzenden der fünf betroffenen Parteien; auch die Fraktionsvorsitzenden waren zeitweise hinzugezogen - in die Details zu gehen.

Vorsitzender Wefers: Aber der Vizekanzler ist schon Teil der Bundesregierung, oder? Ich bin jetzt nämlich von dieser Antwort ein wenig verwirrt.

StS Seibert: Das ist richtig. Deswegen sage ich, dass gestern - ich glaube, das ist allgemein so wahrgenommen worden - die Vorsitzenden von fünf Parteien gehandelt haben und sich dann so am Abend in der Pressekonferenz präsentiert haben.

Frage: Herr Seibert, ich würde gerne wissen, ob die Kanzlerin von der Entscheidung der FDP gestern Nachmittag überrascht war, auf einmal Herrn Gauck zu unterstützen?

StS Seibert: Es bleibt dabei: Die Kanzlerin hatte am Freitagabend ein Ziel genannt. Nach vielfältigen Überlegungen ist es dazu gekommen, dieses Ziel zu erreichen, indem man Herrn Gauck präsentiert. Es ist ganz normal, dass eine kleine Zahl von Namen und Persönlichkeiten in Erwägung gezogen worden ist. Einige dieser Namen sind in den Medien transportiert worden. Die Suche nach dem höchsten Repräsentanten unseres Staates beinhaltet immer die Abwägung verschiedener Biografien, verschiedener Lebensleistungen in Respekt vor jedem Einzelnen, und doch kann es immer nur einer sein. Dieser gemeinsame Kandidat heißt Joachim Gauck.

Zusatzfrage: Nachdem es gestern Abend die bisher schwierigste Situation der Koalition seit ihrem Bestehen gegeben hat: Wird das Nachwirkungen inhaltlicher Art haben, vielleicht auch mit Blick auf den 4. März, Koalitionsausschuss, oder hat die Kanzlerin nach dem gestrigen Abend bereits mit Herrn Rösler gesprochen?

StS Seibert: Das, was im ersten Teil Ihrer Frage aufscheint, ist ausdrücklich Ihre Wertung, der ich mich nicht anschließe. Die Koalitionsparteien haben gestern ihr Ziel erreicht, nämlich einen gemeinsamen, sogar einen überparteilichen Kandidaten zusammen mit SPD und Grünen zu präsentieren. Jetzt kümmern wir uns wieder um die Tagespolitik, um das, was dringend ansteht, und zwar Eurokrise, Energiewende und anderes, um für die Bürger das Richtige zu tun. Wir haben einen Auftrag. Den nehmen wir gemeinsam wahr und erfüllen ihn gewissenhaft.

Zusatzfrage: Völlig unbenommen. Die zweite Frage war noch nach dem Gespräch zwischen Merkel und Rösler. Gab es nach dem gestrigen Abend vielleicht noch einen gemeinsamen Ausklang, wenn man schon so viel zu feiern hatte?

StS Seibert: Der Abend war schon spät genug, und die Tage sind lang genug gewesen.

Frage: Herr Seibert, warum ist die Linke bei der Suche nach einem gemeinsamen Kandidaten nicht einbezogen worden?

StS Seibert: Ich habe das schon neulich in der Regierungspressekonferenz gesagt. Die Kanzlerin und die Koalitionsparteien wollten auf diejenigen Oppositionsparteien zugehen, mit denen es die größte Übereinstimmung an grundsätzlichen politischen Überzeugungen gibt; das sind SPD und Bündnis 90/Die Grünen. Die Mitglieder der Bundesversammlung, die die Linkspartei stellen wird, sind natürlich herzlich eingeladen, sich um den jetzt gemeinsam präsentierten Kandidaten zu scharen. Es war aber immer klar, dass es Kandidaten geben könnte, auf die sich CDU/CSU und FDP zwar mit SPD und Grünen würden einigen können, aber nicht mit der Linkspartei.

Zusatzfrage: Warum verfährt man bei einem Amt wie dem Amt des Bundespräsidenten, das erklärtermaßen überparteilich ist, so?

StS Seibert: Ich kann nur meine Antwort wiederholen: Es ging darum, dass die größte Übereinstimmung an politischen Grundüberzeugungen mit den Parteien besteht, die genannt wurden. Diese Parteien haben sich zusammengetan. Keine andere Partei, kein Wahlmann oder keine Wahlfrau einer anderen Partei ist in irgendeiner Weise ausgeschlossen, sich diesem Vorschlag anzuschließen.

Frage: Noch eine Lernfrage: Ist der Termin für die Bundesversammlung am 18. März eigentlich schon fixiert?

Ich habe noch eine Nachfrage zu dem Ehrensold: Verstehe ich es richtig, dass letztendlich Beamte im Bundespräsidialamt die hochpolitische Frage entscheiden, ob ein Ehrensold in diesem Fall berechtigt ist oder nicht? Habe ich das richtig verstanden?

Kutt: Ja, die Entscheidung liegt beim Bundespräsidialamt.

StS Seibert: Wenn ich mich nicht täusche, muss der Bundestagspräsident zur Bundesversammlung einladen. Oder sage ich das jetzt falsch? Ehrlich gesagt: Die Frage, ob das jetzt schon ganz formell geschehen ist, überfordert mich an dieser Stelle. Die Einladung würde aber mit Sicherheit nicht von der Bundesregierung ausgehen.

Vorsitzender Wefers: Dort vorne wurde zwar heftig genickt, aber ich glaube, wir können das jetzt nicht definitiv klären.

Frage: Ich habe noch eine Nachfrage zu dem Ehrensold: Herr Seibert, hat die Kanzlerin denn als Kanzlerin eine Meinung, ob der Ehrensold in diesem Fall gerechtfertigt ist?

Die zweite Frage, auch als Lernfrage: Welches sind die wichtigsten Projekte, die die Bundesregierung in den nächsten Wochen und Monaten angehen wird?

StS Seibert: Ich habe einige genannt. Auf ein Projekt kommen wir möglicherweise im Verlauf dieser Pressekonferenz noch zu sprechen. Wir haben noch immer eine dramatische Schuldenkrise innerhalb der Eurozone zu bewältigen und sind auf einem guten Weg, Lösungswege zu finden. Ich glaube, die Energiewende hat nach allgemeiner Überzeugung eine große Priorität in diesem Jahr; auch sie wird vorangetrieben. Darüber hinaus gibt es einige andere Themen, die für uns in diesem Jahr sehr wichtig sind.

Zum Ehrensold: Wir haben dargelegt, dass die Anwendung des Gesetzes über die Ruhebezüge des Bundespräsidenten nach bisheriger Praxis dem Bundespräsidialamt obliegt, und dort sollte auch die Meinungsbildung stattfinden.

Zusatzfrage: Hat also die Bundeskanzlerin keine Meinung in dieser Frage?

StS Seibert: Entscheidend ist die Meinungsbildung, die im Bundespräsidialamt stattfindet.

Frage: Sehe ich das richtig, Frau Kutt, dass das nicht Bestandteil des Gesetzes ist, sondern nur eine Art, wie dieses Gesetz ausgelegt werden könnte? Das heißt, eigentlich ist dann auch der Haushaltsausschuss nicht gebunden, eine eigene Meinung dazu zu entwickeln.

Kutt: Hinsichtlich des Gesetzes über die Ruhebezüge des Bundespräsidenten bezog ich mich auf den 1, wonach sich entscheidet, ob einem Bundespräsidenten ein Ehrensold zusteht oder nicht, wenn er nach Ablauf seiner Amtszeit oder vorher aus politischen oder gesundheitlichen Gründen aus seinem Amt ausscheidet.

Die Entscheidung, ob ein Ehrensold gewährt wird, bezieht sich auf die Fußnote 8 der Anlage 1 in der sogenannten Beamtenversorgungs-Zuständigkeitsanordnung. Dort heißt es, wie ich zitiert habe, dass das Bundespräsidialamt nach bisheriger Praxis zuständig ist, diese Entscheidung zu treffen.

Frage: Was meint denn die Bundeskanzlerin, aus welchem Grund Bundespräsident Wulff zurückgetreten ist, aus politischen oder aus gesundheitlichen Gründen?

StS Seibert: Die Gründe, aus denen Bundespräsident Wulff zurückgetreten ist, hat er selbst in seiner kurzen Ansprache benannt, und dies gilt.

Frage: Frau Kutt, noch eine Nachfrage: Gibt es eine Frist, innerhalb derer über die Zahlung oder Nichtzahlung des Ehrensoldes entschieden werden muss? Wissen Sie das?

Kutt: Eine Frist ist mir nicht bekannt. Aber da sollten Sie, wie gesagt, vielleicht einmal beim Bundespräsidialamt nachfragen.

Frage (zur europäischen Schuldenkrise): Zunächst einmal technisch gefragt: Wenn heute die Euro-Finanzminister Beschlüsse fassen, muss der Beschluss über die Beteiligung des Privatsektors dann vorher, nachher oder parallel gefällt werden? Denn das sind ja zwei Komplexe, die miteinander verbunden sind. Da gibt es Bestandteile, von denen der eine das andere bedingt.

Meine zweite Frage: Nachdem der französische Finanzminister gesagt hat, alles liege jetzt auf dem Tisch, jetzt könne und solle entschieden werden: Vertritt er damit eine Position, in der sich auch die Bundesregierung wiedererkennt?

Kothé: Bei PSI, der Beteiligung des Privatsektors ist es folgendermaßen: Die Finanzminister entscheiden heute über zwei Dinge: die politische Einigung über das zweite Griechenland-Paket und die Beschlüsse, die notwendig sind, um das Verfahren zur Beteiligung des Privatsektors in Gang zu setzen. Wie Sie wissen, muss dann den Gläubigern durch die griechische Regierung erst einmal ein entsprechendes Angebot unterbreitet werden. Dann gibt es wiederum eine zweiwöchige Frist, innerhalb derer dieses Angebot angenommen werden kann. Nach diesen zwei Wochen muss man gucken: Wird das Angebot angenommen oder nicht? Wie hoch ist die Beteiligungsquote usw.? Heute wird dieses Verfahren, wenn dieser Beschluss so getroffen wird, in Gang gesetzt.

Zusatzfrage: Da kommt also kein extra Schritt, in dem die griechische Regierung und der internationale Bankenverband per se erklären, ob sie eine Einigung in Bezug auf das Ausmaß der Beteiligung des Privatsektors erzielt haben? So etwas ist nicht mehr zwischengeschaltet, sondern das läuft dann quasi durch?

Kothé: Es sieht so aus, als wenn eine Einigung ausgehandelt worden wäre. Aber das richtige Verfahren beginnt zeitnah erst dann, nachdem die Eurogruppe den Beschluss gefasst hat. Außer diesem Beschluss der Eurogruppe gibt es nichts.

Zusatzfrage: Und zu der zweiten Frage nach Baroin, der meinte, alles liege auf dem Tisch?

Kothé: Ja, es liegt immer mehr auf dem Tisch. Gestern gab es bei uns auf der Ebene der Staatssekretäre eine vorbereitende Sitzung. Es wurden zwar weitere Fortschritte gemacht, aber es gibt noch einige Punkte, bei denen es noch Klärungsbedarf gibt oder bei denen Entscheidungen notwendig sind. Man kann schon klar sagen: Es liegt eigentlich alles auf dem Tisch. Das heißt aber nicht, dass wir sozusagen bei allen Punkten schon im grünen Bereich sind. Aus unserer Sicht gibt es noch Verhandlungsbedarf.

Frage: Herr Seibert, Frau Kothé, es gibt Berichte, dass der IWF nur einen kleineren Anteil am zweiten Hilfspaket für Griechenland übernimmt. Ich habe die Bundesregierung immer so verstanden, dass die Rolle des IWF eigentlich sehr wichtig ist, einfach weil er auch gewährleistet, dass die Auflagen dann erfüllt werden. Steht das jetzt zur Disposition?

Kothé: Nein. Richtig ist: Die Beteiligung des IWF ist wichtig, nicht nur finanziell, sondern auch deshalb, um die Institutionen als Partner zu haben. Dabei soll es auch bleiben. Aber wie die Ausgestaltung der Beteiligung des IWF im zweiten Programm aussieht, ist noch Gegenstand von Verhandlungen. Darüber gibt es noch keine endgültigen Entscheidungen.

Frage: Frau Kothé, Sie haben gesagt, es seien noch einige Punkte zu verhandeln. Welche sind das?

Kothé: Es gibt insbesondere die berühmte Liste der vorrangigen Maßnahmen. Da gibt es aus unserer Sicht noch Gesprächsbedarf. Weiterhin wird über die Verbesserung der Programmumsetzung gesprochen; auch dieses Thema kennen Sie in verschiedenen Nuancen. Das sind die wichtigsten Hauptblöcke.

Zusatzfrage: Welche Vorschläge gibt es, die Programmumsetzung zu verbessern? Hat die griechische Regierung ein paar Ideen von den Forderungen angenommen, zum Beispiel dass deutsche Finanzbeamte - oder wer auch immer - helfen, eine Finanzverwaltung aufzubauen? Wie muss man sich das vorstellen?

Kothé: Es gibt eine Reihe von Vorschlägen. Ein prominenter Vorschlag ist das Treuhandkonto, um das jetzt einmal kurz zu erwähnen. Es besteht politische Einigkeit darüber, dass man das machen will. Aber auch hier wird hinsichtlich der Ausgestaltung noch verhandelt.

Frage: Gemäß Regierungskreisen aus Athen wird Herr Schäuble heute in der Eurogruppe einen größeren Schuldenschnitt fordern. Ist das richtig?

Kothé: Da die Sitzung der Eurogruppe erst heute Nachmittag stattfindet, bin ich jetzt überrascht. Das kann ich nicht bestätigen.

Frage: Frau Kothé, gehen Sie davon aus, dass es dort heute zu einer Einigung kommen wird?

Kothé: Ich denke, alle arbeiten daran, dass es zu einer Einigung kommen wird. Wir sind zunehmend optimistischer. In den letzten Tagen ist viel passiert. Aber ich möchte jetzt hier nicht spekulieren. Ich denke, alle sind darum bemüht, dass wir zu einem Abschluss kommen. Die Dinge sind auf einem guten Weg.

Zusatzfrage: Was muss denn bei dem Treuhandkonto noch geklärt werden, was die Umsetzung betrifft?

Kothé: Das sind im Prinzip technische Fragen.

Zusatzfrage: Zum Beispiel?

Kothé: Mein Stand ist, dass man sich auf Folgendes geeinigt hat: Es geht in die Richtung, dass Teile der Hilfsgelder auf dieses Konto eingestellt werden und dass dann vorrangig Kreditverpflichtungen Griechenlands aus dem Konto bedient werden können. Aber darüber, wie das prozentual, technisch auszugestalten ist, wird noch gesprochen.

Frage: Ist nach allen Papieren und Daten, die Sie jetzt auf dem Tisch haben, das Ziel der Reduzierung der griechischen Schulden auf 120 % des Bruttoinlandsprodukts bis 2020 erreichbar, oder muss man da etwas mehr machen?

Kothé: Unverändert ist die Schuldentragfähigkeit ein wichtiger Baustein in dem ganzen Hilfspaket. Wir arbeiten daran, dass wir am Ende zu einer realistischen Darstellung kommen, dass dieses Ziel erreicht wird. Wir sind optimistisch, dass dies gelingen wird.

Zusatzfrage: Hängt das Erreichen dieses Ziels von Maßnahmen ab, die mit Reformen oder Gesetzen in Griechenland zu tun haben, oder liegen jetzt andere Daten auf dem Tisch, die dann zu anderen Beschlüssen führen?

Kothé: Das hängt im Ergebnis von vielen Faktoren ab, unter anderem von dem Ausgang des PSI, aber natürlich auch von den strukturellen Maßnahmen, die in Griechenland getroffen worden sind.

Frage: Nachdem im Moment auch einiges auf der Ebene der Zentralbanken und der EZB läuft, würde mich interessieren zu erfahren, ob es aufseiten der Politik, also der Euro-Länder, unter Beteiligung der Zentralbanken noch eine spezielle Gesprächsrunde geben wird, die etwaige Beiträge aus den Anleiheguthaben der Zentralbanken zum Hilfspaket beinhalten? Inzwischen gibt es Meldungen über einen Anleihentausch, über Operationen oder Vorbereitungen auf Ähnliches. Gibt es also aufseiten der Euro-Länder, der Euro-Regierungen Gespräche mit den Zentralbanken, möglicherweise auch mit der EZB, inwiefern deren Anleihen in irgendeiner Weise zu dem Hilfspaket beitragen können?

Kothé: Man ist natürlich vielseitig im Gespräch. Aber dazu gibt es seitens der Bundesregierung keine Gespräche. Wir äußern uns üblicherweise nicht zu Maßnahmen, die die EZB betreffen und die sie in ihrer vollen Unabhängigkeit trifft.

Zusatzfrage: Dazu nur angemerkt: Es geht nicht um die volle Unabhängigkeit der EZB, sondern um Gewinne, die letztendlich durch eine Anleihentransaktion an Staaten vermittelt werden, die sie dann an Griechenland weitergeben sollen. Das ist dann keine Operation mehr, die im unabhängigen Raum der EZB verläuft, sondern Nationalstaaten vereinnahmen Gewinne, die sie potenziell für weitere Beiträge an Griechenland verwenden können. Ist dieser Komplex im Gespräch?

Kothé: Ich habe Berichte darüber gelesen, dass sich die EZB dazu geäußert hat. Aber wie gesagt. Es gibt von unserer Seite keine Stellungnahme dazu.

StS Seibert: Die Frage, ob die EZB Gewinne sozusagen freigibt und an Nationalbanken weiterreicht, hat sie in ihrer Unabhängigkeit zu klären. Nur wenn sie sich für diesen Weg entschiede, wäre zu überlegen, wie mit diesem Geld weiter verfahren würde. Aber die Grundentscheidung ist unabhängig von der EZB ohne Beeinflussung durch die Regierungen der Mitgliedstaaten zu treffen.

Frage: Herr Asmussen hat sich dafür ausgesprochen, den ESM aufzustocken und dafür - dies ist auch hier schon diskutiert worden - Mittel aus dem EFSF zu nehmen. Wie steht das Finanzministerium dazu?

Eine Frage an den Regierungssprecher, Herrn Seibert: Sieht die Bundesregierung das Verhältnis zwischen Deutschland und Griechenland angesichts der vergangenen und der noch immer laufenden Diskussionen über Maßnahmen in Griechenland als belastet an? Da gab es ja durchaus sehr heftige Töne in Athen.

Kothé: Zum Thema ESM: Sie wissen, das ist im Augenblick nicht das Thema, das zur Entscheidung entsteht, sondern das ist, wie im Dezember festgelegt worden ist, Thema im März.

Zusatzfrage: Ich hatte Sie gefragt, ob Sie zu dem Vorstoß von Herrn Asmussen etwas sagen könnten, ob man sich dem anschließt oder nicht.

Kothé: Im Augenblick äußern wir uns dazu nicht. Aus unserer Sicht soll die Diskussion darüber im Zusammenhang mit dem Europäischen Rat im März erfolgen.

StS Seibert: Ich habe mich schon neulich dazu geäußert und gesagt - das wiederhole ich gerne -: Die Grundlage unseres Verhältnisses zu Griechenland und auch die Grundlage unserer Mitwirkung an Rettungspaketen, Hilfspaketen für Griechenland ist der große Respekt vor dem griechischen Volk und vor der Regierung; denn beide, Volk und Regierung, stehen vor gewaltigen Aufgaben. Wir möchten sie dabei unterstützen, diese Aufgaben im Interesse Griechenlands und aller Staaten in Europa zu lösen. Das ist die Grundlage unserer Zusammenarbeit. Wir sind überzeugt, dass das unseren griechischen Partnern bekannt ist. Deswegen sehe ich keine Eintrübung des Verhältnisses.

Frage: Für mich steht noch die Frage im Raum, die der Kollege gestellt hat, nämlich ob Herr Schäuble im Vorfeld des heutigen Treffens verlangt hat, dass der Schuldenschnitt größer wird. Das ist die eine Frage.

Die zweite Frage ist: Welche Gelder sollen bei einem Treuhandkonto fließen, nur die Gelder des neuen Hilfspakets oder auch Gelder aus den Einnahmen des griechischen Staates?

Kothé: Ich kann mich nur wiederholen, es tut mir leid: Mir sind solche Äußerungen oder Forderungen unseres Ministers nicht bekannt. Ich fände es eher ungewöhnlich, dass er so etwas vor dem Treffen der Eurogruppe gemacht haben sollte. Das ist mir nicht bekannt.

Zu dem Treuhandkonto: Es sollen nur die Hilfsgelder fließen. Das ist mein letzter Stand. Wie gesagt: Das alles steht unter dem Vorbehalt der Verhandlungen, die noch im Gange sind, und der Gespräche, die laufen. Über dieses Konto sollen nur die Gelder aus dem Hilfsprogramm laufen und sozusagen keine Gelder aus dem griechischen Staatshaushalt.

Frage: Frau Kothé, noch einmal zu dem Treuhandkonto: Wissen Sie schon, wer das verwaltet? Nähern wir uns da wieder der Idee eines Sparkommissars an, was schon einmal ventiliert wurde?

Die zweite Frage: Sie haben gesagt, es werde noch verhandelt. Wird mit Griechenland verhandelt? Sind sich die anderen Euro-Länder so weit einig, oder gibt es auch innerhalb der anderen Euro-Länder noch unterschiedliche Meinungen?

Kothé: Mein Stand ist, dass wir alle uns einig sind, auch mit Griechenland, was das Treuhandkonto angeht, und dass es jetzt wirklich nur noch um technische Fragen geht.

Zusatzfrage: Sie haben gesagt, es seien noch mehrere Punkte offen. Die Frage nach dem Verhandlungsstand bezog sich auf die gesamte Gemengelage.

Kothé: Die anderen Punkte hatten wir ja, beispielsweise im Zusammenhang mit der Schuldentragfähigkeit. Es gibt schon noch ein paar offene Fragen.

Zusatzfrage: Wer verwaltet das Treuhandkonto? Ist das schon bekannt?

Kothé: Nein, da muss ich im Augenblick passen. Das ist mir nicht bekannt.

Frage: Frau Kothé, noch eine Frage zur Beteiligung des privaten Sektors. Wenn heute der Prozess durch den Beschluss der Euro-Finanzminister angeschoben wird, dann, so sagten Sie, gibt es zunächst einmal eine zweiwöchige Erklärfrist für die privaten Gläubiger. Es ist sicherlich nicht davon auszugehen, dass es eine Zustimmung von 100 Prozent gibt. Was passiert, wenn nur 90 Prozent oder weniger zustimmen? Heißt das, dass dann im Zweifel - wie in einem System kommunizierender Röhren - das Hilfspaket größer werden müsste, was dann die Euro-Staaten aufbringen müssen?

Kothé: Wir haben gesagt, wir brauchen eine hohe Beteiligungsquote, um die ganzen Zielvorgaben zu realisieren. Wenn die Beteiligungsquote, die notwendig ist, definitiv zustande gekommen ist, dann muss darüber entschieden werden, ob sie so angenommen wird und ob sie als ausreichend angesehen wird. Wir sind aber guten Mutes; denn es gab Vorgespräche zwischen den Beteiligten, die eine realistische Option aufgezeigt haben. Wir haben immer darauf hingewiesen, dass wir erst am Ende der Angebotsfrist wissen, ob die notwendige Beteiligungsquote zustande kommt.

Frage: Herr Seibert, Sie haben vorhin gesagt, wir hätten in Europa eine dramatische Schuldenkrise zu bewältigen. Haben Sie speziell Griechenland gemeint?

Meine zweite Frage: Hansen sagte in einem Interview, dass Griechenland keine Gefahr mehr für die Weltwirtschaft bedeute. Anders gesagt: Griechenland ist kein systemischer Faktor mehr für den Euro, für die Eurokrise, und die Eurozone ist eigentlich genug gewappnet, um eine solche Krise zu bewältigen. Teilen Sie diese Ansicht? Dazu hätte ich auch gerne vom Finanzministerium eine Stellungnahme.

StS Seibert: Als ich gesagt habe, wir haben es in Europa mit einer dramatischen Schuldenkrise zu tun, habe ich Griechenland gemeint, aber nicht nur Griechenland. Griechenland ist in vieler Hinsicht ein singulärer Fall. Nichtsdestotrotz betrifft die Schuldenkrise, die überhöhte strukturelle Verschuldung mehrere Länder und auch Deutschland. Obwohl Deutschland sicherlich nicht am schlimmsten dran ist, kann es mit seinem Schuldenstand nicht zufrieden sein. Deswegen hat es einen sehr klaren Pfad beschrieben, wie es von diesem Schuldenstand herunterkommen will. Aber das ist ein Problem, das in Europa in mehreren Ländern - ich möchte sagen: in vielen Ländern - verbreitet ist. Deswegen müssen sich jetzt sicherlich viele Länder auf die Suche nach Lösungswegen machen. Da ist Gott sei Dank schon einiges erreicht worden. Ich erinnere nur an den Fiskalpakt. Die Einführung von Schuldenbremsen in den nationalen Gesetzeswerken mit einem Beinahe-Verfassungsrang ist ein großer Schritt, zeigt aber auch, dass die Notwendigkeit in vielen Ländern vorhanden ist.

Die Ausprägung dieser Schuldenkrise ist unterschiedlich tief. Die Wettbewerbsfähigkeit, die Fähigkeit, Wirtschaftswachstum zu generieren, ist in den einzelnen Ländern Europas sehr unterschiedlich ausgeprägt. Es ist klar, dass es denjenigen Ländern, die in der Lage sind, mit ihrer Wirtschaft Wachstum zu generieren, leichter fällt, aus der Verschuldung herauszukommen.

Zusatzfrage: Könnten Sie noch etwas zu der Frage nach dem Systemfaktor sagen, also ob Griechenland, ob die griechische Krise ein Systemfaktor für die Eurozone und die Schuldenkrise in der Eurozone ist?

StS Seibert: Wenn Sie sich an den Anfang der Schuldenkrise erinnern, dann werden Sie sich daran erinnern, dass die Begründung, warum Griechenland zu helfen sei, immer war, dass die Staaten der Eurozone dies tun müssen, um die Stabilität der Eurozone als Ganzes zu gewährleisten und zu sichern. Das war der Ausgangspunkt aller Überlegungen, und das gilt bis heute.

Frage: Frau Kothé, Sie haben gesagt, der Privatsektor und die griechische Regierung hätten sich auf alle Details der Beteiligung des Privatsektors geeinigt und heute würden nur noch die Beschlüsse gefasst, um zu dem Anleihetausch kommen zu können. Das heißt doch eigentlich im Klartext, dass das PSI heute inhaltlich nicht mehr angefasst wird; denn dann müssten wieder die griechische Regierung und der IIF neu verhandeln.

Kothé: PSI ist sowieso eine Sache, worüber die Minister heute nicht entscheiden. Die Beteiligung wird mit europäischen Mitteln, mit EFSF-Mitteln unterstützt, wie Sie wissen, damit es Anreize gibt, an diesem Programm teilzunehmen. Das ist das Wesentliche. Aber die eigentlichen PSI-Verhandlungen laufen zwischen den Gläubigern und der griechischen Regierung. In diesem Punkt finden heute Abend keine Verhandlungen statt, sondern es wurden sozusagen in Vorverhandlungen die Modalitäten abgesprochen, wie ein solcher Schuldenschnitt zu realisieren ist und erfolgen kann.

Zusatzfrage: Die Frage bezog sich darauf, ob das ganze Paket wieder zum IIF zurückgegeben werden muss, weil womöglich doch noch ein paar Punkte unklar sind, die dazu führen, dass die Finanzminister sagen, dass sie zum Beispiel die 30 Milliarden Euro jetzt nicht auf den Tisch packen wollen.

Kothé: Mein Stand war - zu bewerten haben das natürlich die Minister - , dass man sich da einig geworden ist, dass die Minister heute Abend darüber entscheiden, ob auch sie das so sehen, und dass sie dann die Mittel freigeben, damit der Anleihetausch vonstattengehen kann. Da wird nicht nachverhandelt oder irgendetwas zurückverwiesen.

Frage: Herr Seibert, ich gehe davon aus, dass sich die Position Berlins gegenüber Athen grundsätzlich nicht geändert hat. Aber gibt es nicht eine Verschärfung der Tonlage, wenn man an die Erklärung des griechischen Staatspräsidenten und die Replik des Bundesfinanzministers denkt? Er hat wohl gesagt, dass das griechische Staatsoberhaupt wahrscheinlich schwerhörig sei.

StS Seibert: Diese Bemerkung habe ich nicht gehört. Ich habe sie von Ihnen jetzt gehört, aber ich kenne diesen Ausspruch des Bundesfinanzministers nicht. Ich habe lediglich gehört, dass er gesagt hat, dass es sich dabei möglicherweise um ein Missverständnis handele.

Zusatz: Ich habe das aus dem Griechischen übersetzt. Er hieß, er habe sich wahrscheinlich verhört. Aber es war offen, ob es um Schwerhörigkeit ging oder ob er sich verhört hat.

StS Seibert: Bei Übersetzungen in andere Sprachen erleben wir manchmal irre Dinge; das muss ich sagen. Ich habe nur die Interviewäußerungen des Finanzministers in Erinnerung, wo er, glaube ich, von einem "Missverständnis" spricht, dem möglicherweise der griechische Staatspräsident unterliege, weil es an Herrn Schäubles Haltung zu Griechenland an Respekt nicht fehle.

Kothé: Genauso.

StS Seibert: Ich habe das jetzt aus dem Kopf zitiert. Insofern sollten wir ungenaue Übersetzungen nicht zur Grundlage nehmen.

Zusatzfrage: Das war nicht meine Übersetzung. Ich wusste nicht genau, wie ich das Wort aus dem Griechischen wiedergeben sollte.

Meine Frage: Heute hat der IWF einen Vorschlag unterbreitet, wie das Defizitziel von 120 Prozent erreicht werden kann. Ein Vorschlag besagt, dass auch die Staaten am Schuldenschnitt teilnehmen sollten. Haben Sie dazu eine Position?

StS Seibert: Ich möchte noch einmal grundsätzlich sagen: Das, was ich vorhin gesagt habe, dass Respekt die Grundlage unseres Verhaltens und unseres Verhältnisses zu Griechenland ist, ist ernst zu nehmen. Ich glaube, dass sich das in allen Handlungen und auch in allen Aussagen der Bundesregierung wiederfindet.

Die gemeinsame Arbeit mit Griechenland an Lösungswegen für die sehr schwierige Situation, in der das Land sich befindet und in die dadurch auch die Eurozone geraten ist, dauert nun schon eine ganze Weile an. Bei dieser gemeinsamen Arbeit sind auch schwierige Momente aufgetaucht. Es ist unzweifelhaft - und keine Behauptung der Bundesregierung, sondern eine Behauptung beispielsweise der Troika -, dass die griechische Seite in mancherlei Punkten mit der Umsetzung des Verabredeten und des Zugesagten nicht ganz die Erwartungen erfüllt hat. Daran muss auch erinnert werden dürfen, ohne dass einem unterstellt wird, es fehle an Respekt. Das ist das, was ich dazu sagen möchte.

Deutschland möchte Griechenland helfen, aus dieser Situation strukturell herauszukommen, zu Stabilität und zu Wettbewerbsfähigkeit zu finden. Der sehr regelmäßige Kontakt der Bundeskanzlerin mit Ministerpräsident Papademos auf der Basis großen gegenseitigen Respekts spricht auch für sich.

Vorsitzender Wefers: Jetzt die 120-Prozent-Frage.

Kothé: Ich habe vorhin gesagt - und wiederhole mich an dieser Stelle - , dass, was die Schuldentragfähigkeit betrifft, die Gespräche noch laufen. Ziel ist, diese 120 Prozent realistisch darzustellen, wie wir sagen. Die Forderung, die Sie seitens des IWF zitiert haben, ist auch nichts Neues. Wir haben uns dazu immer so geäußert und haben gesagt: Wir sind dagegen, dass die öffentliche Hand in diese Umschuldung mit einbezogen wird. Die öffentliche Hand leistet den größten Teil dieses Hilfsprogramms. Daran hat sich nichts geändert.

Frage: Frau Kothé, ich habe immer noch nicht ganz verstanden, was es mit PSI und dem, was die Finanzminister heute entscheiden, auf sich hat. Sind die Verhandlungen zwischen der griechischen Regierung und den Privatgläubigern so weit gediehen, dass die Finanzminister heute sagen: Ja, wir beschließen abschließend und endgültig unseren Teil, nämlich diesen sogenannten "sweetener" dazu beizutragen. Oder müssen wir uns darauf einstellen, dass die Finanzminister heute irgendeinen Vorbehalt beschließen? Könnte es sein, dass sie also sagen: Wir steuern unter der Voraussetzung bei, dass so und so viel zusammenkommt.

Kothé: Es ist so, wie ich es vorhin schon gesagt habe: Die Finanzminister beraten darüber und entscheiden. Von daher weiß ich jetzt nicht, was heute Abend entschieden wird. Wie es aussieht, wird es erst einmal sozusagen die Freigabe dieser Mittel sein, wie sie diesen Umtausch flankieren und ihn unterstützen. Das sind diese sogenannten "sweetener". Die endgültige Entscheidung, ob dieser Schuldenschnitt zustande kommt, wird erst nach Ablauf der Angebotsfrist möglich. Dann werden die Finanzminister erneut zu beraten haben, also wenn man weiß, wie hoch diese berühmte Beteiligungsquote ist. Da brauchen wir eben eine hohe Beteiligungsquote.

Frage: Ich bin jetzt irritiert. Ich habe die Aussage von Bundesfinanzminister Schäuble im Kopf, der gesagt hat: Wir werden heute eine Entscheidung als Paket treffen. Sie sagten gerade: Wir werden eine Entscheidung für die Freigabe der Mittel in Sachen PSI treffen. Wenn das Ganze nach zwei Wochen zu Ende geht, werden sich die Finanzminister noch einmal treffen und über das gesamte Paket entscheiden.

Kothé: Wir streben heute eine politische Entscheidung über zwei Dinge an: Das ist einmal PSI, und das ist zweitens das Hilfspaket. Sie wissen auch - und das ist nichts Neues -, dass wir heute erst einmal den Weg für dieses Angebot frei machen können, das morgen, in den nächsten Tagen - wann auch immer - seitens der griechischen Regierung ergehen könnte und dass es dann ungefähr zwei Wochen dauert, bis dieser Prozess in Gang gesetzt werden kann. Das ist das, was wir schon die ganze Zeit gesagt haben. Das ist vom Prozess her klar und ist nichts Neues. Das ist das Verfahren. Erst wenn verbindlich und klar ist, wie viele sich tatsächlich an diesem Angebot beteiligen, welche Beteiligungsquote wir also am Ende erreichen und wenn wir wissen, zu welchem Schuldenschnitt es mit den ganzen Rückkoppelungseffekten auf das ganze Griechenland-Paket kommt, (kann der Prozess in Gang gesetzt werden). Ich glaube, wir haben schon oft versucht, das zu erklären. Das ist zugegebenermaßen auch schwierig. Das ist das Verfahren.

Frage: Frau Helfer, es sind jetzt detailliertere Berichte bekannt geworden, wonach das Finanzministerium überlegt, bei der Rentenversicherung zu sparen. Ich habe eine Verständnisfrage. Es handelt sich um den Bundeszuschuss zur Rente. Dahinter stecken ja gesetzliche Leistungen. Wäre es im Rahmen von Haushaltsberatungen überhaupt möglich, so einen Etatansatz zu streichen?

Helfer: Wir sind noch mitten im Aufstellungsverfahren für den Haushalt. Daher äußern wir uns momentan nicht zu Zwischenständen. Ich kenne noch nicht die konkreten Pläne. Das müssten Sie noch einmal bei meiner Kollegin aus dem Finanzministerium abfragen. Wenn es so weit ist, können wir uns zu den Details auch von dieser Seite aus äußern.

Zusatzfrage: Frau Kothé, wollen Sie bei den Sozialversicherungen Geld einsparen?

Kothé: Auch hier kann ich mich wiederholen. Wir sind in den Gesprächen, was die Eckwerte anbelangt. Diese werden am 21. März im Kabinett behandelt. Zu den Inhalten der laufenden Gespräche äußern wir uns nicht. Das Finanzministerium schaut sich immer alle Ressorthaushalte intensiv an. Weil Konsolidierung eines der wichtigen Projekte dieser Bundesregierung ist, lassen wir da keines aus. Zu einzelnen Ressortplänen in Sachen Einsparmaßnahmen äußern wir uns im Augenblick nicht.

Zusatzfrage: Es gab gleich nach Beginn der Amtszeit der Koalition einen Sparplan. Sehen Sie die Notwendigkeit, dass zu diesen Haushaltseinsparungen weitere hinzukommen müssen, weil sonst das Ziel nicht zu erreichen ist, die Vorgaben der Schuldenbremse zu erfüllen?

Kothé: Wir halten natürlich an dem Ziel der Schuldenbremse fest. Diese wird auch eingehalten. Soweit Konsolidierungsbedarf besteht, arbeiten wir daran.

Frage: Frau Kothé, wenn der Bundesfinanzminister plant, bei den Zuschüssen zu allen Sozialkassen Kürzungen vorzunehmen, so ist es speziell bei der Rentenkasse tatsächlich so, dass der Bundeszuschuss an gesetzliche Leistungen und die Höhe der Renteneinnahmen gekoppelt ist. Es gibt doch eigentlich gar keine Möglichkeit für den Bundesfinanzminister, darauf einfach zuzugreifen.

Kothé: Sie haben gesagt, der Bundesfinanzminister plane. Ich habe das nicht gesagt. Ich habe gesagt: Im Augenblick laufen die Gespräche. Von unserer Seite gibt es dazu keine Details.

Zusatzfrage: Gibt es denn Überlegungen, die Sozialkassen in die Haushaltsaufstellung mit einzubeziehen?

Kothé: Ich habe gesagt: Alle Ressorts werden immer bei den Gesprächen über die Haushaltsaufstellung berücksichtigt und genau angeguckt.

Zusatzfrage: An das Arbeitsministerium: Sehen Sie bei den Einnahmen der Sozialkassen die Möglichkeit, dass wegen der gut laufenden Konjunktur so viel Geld vorhanden ist, dass Sie auf Zuschüsse entsprechend verzichten könnten? Oder fürchten Sie nicht, dass Sie beim nächsten Konjunktureinbruch andersherum wieder das Problem haben?

Helfer: Ich denke, ich habe deutlich gemacht, dass ich jetzt nicht spekulieren möchte. Das ist sowohl von mir als auch vom Finanzministerium so deutlich gemacht worden. Ich möchte mich jetzt nicht zu Befürchtungen äußern. Wir müssen abwarten, wie weiter geplant wird. Dann werden wir das sehen.

Frage: Ein letzter Versuch. Es gibt bekanntermaßen sowohl bei der Rentenversicherung als auch bei der Krankenversicherung hohe Rücklagen. Wäre es möglich, diese Rücklagen im Sinne des Bundeshaushalts zu nutzen?

Helfer: Das wäre rein spekulativ. Ich möchte nicht spekulieren, und deswegen äußere ich mich jetzt nicht weiter dazu.

Zusatzfrage: Könnte das Gesundheitsressort dazu auch etwas sagen?

WACKERS: Ich fürchte für Sie, dass ich mich meiner Kollegin anschließen muss.

Frage: Herr Dienst, können Sie uns erläutern, welche Hintergründe eine Investition von 20 Millionen Euro in das Bundeswehrcamp Kundus hat? Welcher tiefere Sinn und welche politische Zieleinstellung stecken dahinter, noch diese Masse an Geld zu investieren, obwohl das Camp im nächsten Jahr geschlossen werden soll? Was ist das Ziel?

Dienst: Erst einmal muss ich Sie fragen, woher Sie die Information haben, dass das Camp geschlossen wird. Das ist aber eine rein rhetorische Frage; das gebe ich zu.

Wir sind in dem sogenannten Transitionsprozess, der dazu führt, dass ab 2014 die Sicherheit im Land durch die afghanischen Sicherheitskräfte selbst garantiert werden soll. Danach - das ist auch immer wieder zu Protokoll gegeben worden - werden wir uns höchstwahrscheinlich in der Ausbildungs- und Unterstützungsrolle wiederfinden; eine entsprechende Mandatierung natürlich vorausgesetzt. Wir werden für diese Ausbildungs- und Unterstützungsrolle auch nach wie vor eigenes Sicherungspersonal im Land halten müssen. Das ist der grobe Rahmen dessen, was sich nach 2014 abspielen wird.

Diese Ausbildungs- und Unterstützungskräfte bedürfen natürlich auch einer funktionsfähigen Infrastruktur. An dieser funktionsfähigen Infrastruktur wird weiter gearbeitet. Dementsprechend fließen auch weiter Investitionen in das Land.

Zusatzfrage: Das heißt also, Sie investieren in die Infrastruktur der Afghanen? Oder ist möglicherweise denkbar, dass Kundus als zentraler Punkt noch ausgestaltet wird, also auch für das, was Sie eben genannt haben, dass man also von deutscher Seite aus dort weiter aktiv sein wird? Oder ist das Geld dann quasi sozusagen in diesen Übergangsprozess für die afghanische Seite investiert?

Dienst: Letztendlich wird das Geld in die Zukunft Afghanistans investiert; das würde ich als grobe Überschrift nehmen.

Es wird kurzfristig weiter investiert, um die Funktionsfähigkeit der deutschen Infrastruktur zu verbessern und sicherzustellen, und zwar im Sinne der Funktionsfähigkeit für die deutschen Soldaten. Darüber hinaus wäre es natürlich unsinnig, 2014 aus der deutschen Infrastruktur in irgendeine andere rudimentäre Infrastruktur mit den deutschen Kräften zu wechseln, um diese dann komplett den Afghanen zu überlassen.

In solchen Bereichen, wo die Deutschen sich komplett zurückziehen - diese wird es ja auch geben -, sprechen wir von der Räumung der Installationen. Diese werden dann natürlich im Zweifelsfall unter Umständen afghanischen Sicherheitskräften in dem Zustand übergeben, in dem sie zum Zeitpunkt der Räumung sind. Das heißt aber nicht, dass wir, wie gesagt, sofort alle Maßnahmen einstellen, weil selbst die deutschen Soldaten gegebenenfalls bis 2014 davon noch profitieren. Das Gleiche gilt für die Ausrüstung. Wir verbessern die Ausrüstung auch ständig weiter und hören nicht auf einmal auf, diese Verbesserungen einzubringen, nur weil wir sagen: In zwei Jahren reduzieren wir die Truppen dann vielleicht in erklecklicherer Weise als jetzt.

Zusatzfrage BLANK: Das heißt also, dass das Feldlager in Kundus nicht für die deutschen Truppen und die deutschen Soldaten 2013 geschlossen wird, sondern dass das auch nach 2013 von Bundeswehr und deutschen Polizei- und Sicherheitskräften genutzt wird?

Dienst: Ich würde es einmal so formulieren: Es nicht auszuschließen, dass das Lager nach 2014 weiterhin von deutschen Kräften genutzt werden wird. Es gibt ja zwei Schwerpunkte, die wir in Nordafghanistan haben: Das ist einmal das Lager in Masar-i-Scharif sowie das Lager in Kundus. Wie die genaue Ausgestaltung nach 2014 aussieht, wird man dann 2014 sehen. Es wäre aber fatal, heute die Infrastrukturinvestitionen einzufrieren und 2014 auf einmal zu sagen: Ach, eigentlich wäre es gut gewesen, wir hätten im Jahr 2012 mit den Investitionen wie geplant weiter gemacht.

Das ist natürlich immer eine Abschätzung der Notwendigkeiten, die es im Moment gibt, und der angenommenen Perspektive nach 2014. Das ist der berühmte Blick in die Glaskugel, den heute niemand vornehmen kann. Aber Vorsorge und Prophylaxe gehören eben auch zum Planungsprozess mit dazu. 20 Millionen Euro in den Raum zu stellen, ist einfach effekthaschend - vor allem gemessen an den Gesamtkosten des Afghanistan-Einsatzes.

Frage: Herr Dienst, ist es denn richtig, dass sechs neue Unterkunftsgebäude gebaut werden sollen und dass eine Einfriedung für die Erweiterungsfläche des Lagers gebaut werden soll? Dafür muss es ja irgendwelche Planungsüberlegungen und Grundlagen geben. Könnten Sie uns diese bitte erläutern?

Dienst: Sicher gibt es fortlaufend Planungsüberlegungen. Die Planungsüberlegungen haben in einer Steinwüste begonnen. Die hat man zu einem funktionsfähigen Lager aufgebaut, mit allen Sachen, die dazugehören - von Gebäuden über Strom und Wasser bis hin zur entsprechenden Medienversorgung. Von den genannten sechs Gebäuden sind fünf Gebäude bereits durch die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit, die der Auftragnehmer ist, hergestellt worden, und ein Gebäude befindet sich in der Fertigstellung. Von daher ist das auch keine Maßnahme, die erst in zehn Jahren begonnen wird, sondern das sind alles bereits laufende Maßnahmen. Inwieweit und aus welchen Gründen nun noch wie viele Meter Mauer dazukommen, ist letztlich eine Detailfrage; da würde ich Sie bitten, im Hause nachzufragen.

Zusatzfrage: Habe ich das jetzt richtig verstanden: Von diesen sechs neuen Unterkunftsgebäuden gibt es fünf bereits beziehungsweise sind bereits fünf im Bau?

Dienst: Fünf Gebäude sind fertiggestellt, das sechste wartet auf Fertigstellung.

Zusatzfrage: Und diese knapp 20 Millionen sind beschlossene Sache beziehungsweise das Geld wird momentan schon ausgegeben, habe ich das richtig verstanden?

Dienst: Insgesamt reden wir von einem Investitionsvolumen von 52 Millionen Euro. 19 Millionen Euro davon sind in der Perspektive auszugeben. Das ist der Gesamtkontext. Ich sage es aber noch einmal: Es ist eigentlich unsinnig, nun aus der Ecke zu kommen, dass man sofort den Geldhahn zudrehen müsste - als nächstes würde dann die Forderung kommen, den Ausrüstungshahn zuzudrehen -, und so zu tun, als ob jetzt überhaupt nichts mehr nötig wäre und wir mit einem Zeitsprung bis ins Jahr 2014 gehen und dann sowieso am Ende sind.

Zusatzfrage: Herr Dienst, ich habe weder von "unsinnig" noch von "Geldhahn zudrehen" gesprochen; ich habe Sie etwas gefragt, mehr war es gar nicht.

Wenn Sie jetzt sagen, es sind 52 Millionen Euro: Habe ich dann richtig verstanden, dass 32 Millionen Euro - in welchem Zeitraum? - schon verausgabt wurden und jetzt noch 20 Millionen Euro anstehen?

Dienst: Das Gesamtinvestitionsvolumen für neun große Baumaßnahmen sind 52 Millionen Euro. In der Perspektive gehen wir von 19 Millionen aus. Meine Message ist: Es ist eine erkleckliche Summe Geld, die nach wie vor sinnvoll investiert wird.

Frage: Die Aufschlüsselung in 52 Millionen Euro Investitionssumme und 19 Millionen Euro davon in der Perspektive habe ich jetzt einfach noch nicht ganz verstanden. Könnten Sie so freundlich sein, noch einmal zu erklären, was "in der Perspektive" bedeutet? Ist der größere Teil der Summe jetzt schon ausgegeben, oder was bedeutet das jetzt eigentlich?

Meine eigentliche Frage: Das Lager in Talokan soll ja tatsächlich im laufenden Jahr aufgegeben oder übergeben werden. Sind da auch noch irgendwelche Investitionen nötig oder laufen da noch Investitionen? Baut man da sozusagen noch irgendetwas für die Afghanen fertig oder baut man es nicht mehr fertig? Wie ist da der Stand?

Dienst: Das Lager in Talokan wird in dem Zustand geräumt, in dem es sich jetzt befindet, denn dort ist keine Nachnutzung mehr vorgesehen. Der Standort Kundus ist, wie ich das eben ausgeführt habe, gegebenenfalls nach 2014 weiter zu nutzen. In diesem Kontext der Nachnutzung nach 2014 stehen geplante Infrastrukturinvestitionen in Höhe von 19 Millionen Euro. Die haushälterische Anerkennung dafür steht, technisch gesagt, allerdings noch aus.

Aktuell werden in Kundus neun große Baumaßnahmen für ca. 52 Millionen Euro mit Fertigstellungstermin in 2012 umgesetzt. Das sind Maßnahmen zur Verbesserung der sanitätsdienstlichen Versorgung, Schutz der untergebrachten Soldaten und Unterbringung sowie Camperweiterung durch Straßen- und Materialausbau. Zu diesen Baumaßnahmen gehört auch der Bau von Unterkunftsgebäuden und einem Stabsgebäude durch die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit. Dies sind, wie ich Ihnen ausgeführt habe, sogenannte Altaufträge, die in diesem Volumen enthalten sind. Fünf von sechs dieser Unterkunftsgebäude werden schon lange genutzt - die ersten wurden im Mai 2011 bezogen -, das Stabsgebäude steht kurz vor der Fertigstellung und wird in zwei Wochen übergeben.

Das ist die komplette Lage.

Zusatzfrage: Also sind es 52 Millionen Euro plus 19 Millionen Euro?

Dienst: 52 Millionen Euro sind die Altaufträge und 19 Millionen Euro sind das, was perspektivisch - ohne die Billigung des Haushaltes - in Planung steht.

Zusatzfrage: Die 52 Millionen Euro sind also bereits genehmigt, stehen im Haushalt, werden ausgegeben oder sind schon ausgegeben, und die 19 Millionen Euro betreffen Planungen, die noch nicht im Haushalt etatisiert worden sind?

Dienst: So würde ich es auch verstehen.

Frage: Ich wollte eigentlich das Gleiche fragen; Sie hatten sich nämlich eben anders ausgedrückt und gesagt, dass die 19 Millionen Euro in den 52 Millionen Euro enthalten seien. Wir müssen jetzt also von Investitionen für Kundus von etwa 71 Millionen Euro ausgehen?

Dienst: Wenn wir in die Historie gehen, weiß ich nicht, wie viel wir noch für Kundus ausgegeben haben. Die 52 Millionen Euro sind das Paket, das durch den Haushalt abgenickt ist und zurzeit investiert wird; das ist das, wo wir - sozusagen als letztem Baustein - auf die Fertigstellung des sechsten Gebäudes warten. Weiterhin sind 19 Millionen Euro perspektivisch beschrieben. Da warten wir noch auf die Freigabe der Mittel durch den Haushalt. Aber alles in allem ist das eben notwendig, um eine Funktionsfähigkeit auch über 2014 hinaus sicherzustellen. Ein Einsatz kostet Geld.

Frage: Wer ist denn dann letztlich dafür zuständig, zu verhandeln - oder wie immer das entschieden wird -, was mit dem Camp Kundus nach dem Abzug der deutschen Truppen passiert?

Dienst: Das ist eine Frage, die davon abhängt, wie sich die Konfiguration nach 2014 international entwickelt. Erst einmal muss natürlich die afghanische Regierung damit einverstanden sein, wie ein mögliches Design nach 2014 aussehen könnte, dann müssen sich die internationalen Partner im Rahmen eines nach wie vor aufzustellenden UN-Mandates sortieren, wie sie das Regime nach 2014 aufzusetzen gedenken, und dann muss sich die deutsche Bundesregierung Gedanken darüber machen, wie sie sich in dieser Hinsicht einbringt. Da ist der Federführer aber Herr Peschke, der neben mir sitzt.

Vorsitzender Wefers: Und der sich gerade zu Wort gemeldet hat und jetzt das Wort hat.

Peschke: Ich wollte nur einen sachdienlichen Hinweis geben: Gerade die Frage, wie die Nato ihr Engagement bei der Ausbildung und weiteren Ertüchtigung der afghanischen Streitkräfte nach 2014, also nach Ende der Übergabe der vollständigen Sicherheitsverantwortung in afghanische Hände, ausbuchstabieren möchte, ist ein wesentliches Thema des bevorstehenden Nato-Gipfels in Chicago. Dort soll es gerade darum gehen, in welche Richtung man in dieser Frage konkret gehen möchte. Es gab ja die Konferenz in Bonn, wo der Zeitplan bis Ende 2014 und das Faktum, dass man die Afghanen auch danach nicht im Stich lassen möchte, noch einmal explizit festgelegt wurden. Die Ausbuchstabierung der militärtechnischen Ausbildungskomponente ist ein wesentliches Thema des Nato-Gipfels in Chicago und wird sicherlich mit Blick darauf weiter zu konkretisieren sein. Der Gipfel findet im Mai statt, insofern ist, glaube ich, auch für Sie nachvollziehbar der Zeitplan aufgezeigt, in dem sich jetzt die die anstehenden Überlegungen vollziehen werden.

Frage: Ich habe zwei Fragen zur Energiepolitik. Die erste Frage geht an Herrn Seibert: Sie haben heute zweimal betont, dass die Energiewende jetzt vorangetrieben werden solle. Was darf man sich darunter konkret vorstellen? Ich gebe einmal als Information, dass man ja breit durch die Energiebranche, breit durch die deutsche Wirtschaft sehr unzufrieden ist mit dem bisherigen Vorankommen der Energiewende; der BDI und andere Verbände haben sich entsprechend geäußert. Es steht die Forderung im Raum, die Bundeskanzlerin möge das zur Chefsache machen. Ist das mit Ihrer Ankündigung verbunden. Als Unterfrage: Ist man auch seitens der Regierung - wenn Sie sagen "jetzt vorantreiben" - mit dem bisherigen Zustand unzufrieden?

Dann habe ich noch eine Frage an das Bundeswirtschafts- beziehungsweise Bundesumweltministerium: Wie steht es bei der Solarförderung? Es sind ja Gespräche im Gange und man möchte sich irgendwie einigen, ob und wie gekürzt wird. Noch an Frau Kraus die Unterfrage: Wie weit ist man mit dem Netzentwicklungsplan? Zum Thema "Energiewende vorantreiben" wäre das ja vielleicht auch interessant.

StS Seibert: Ich habe dieses Thema erwähnt, weil es in vielerlei Hinsicht und viele Ressorts betreffend in diesem Jahr ein sehr aktives Thema der Bundesregierung sein wird und schon ist. Die Umgestaltung des Energiesystems ist eine sehr umfassende Aufgabe, die viele Ressorts - man könnte fast sagen: nahezu jedes Ressort - betrifft. Die Ministerien arbeiten ihrerseits untereinander eng zusammen, und die Bundeskanzlerin ist ihrerseits in engem Austausch mit allen Ministerien. Insofern ist dieses Thema Chefsache, weil die Bundeskanzlerin ein sehr großes Interesse daran hat, dass die vielfältigen Maßnahmen, die da gesetzlich beschlossen worden sind, nun auch umgesetzt werden. Es ist nicht in dem Sinne Chefsache, in dem das allgemein verstanden wird; es gilt schon noch weiterhin, dass die Ressorts ihrerseits das vorantreiben müssen und auch vorantreiben, was in ihre Zuständigkeit fällt.

Wenn Sie nach der Zufriedenheit fragen: Es war immer klar, dass das ein langer Prozess ist, ein Prozess, bei dem vielerlei Schalter in unserem Land umgelegt werden müssen. Es war auch immer klar, dass das ein Prozess ist, der permanentes Vorantreiben nötig machen wird. So ist es auch.

Kraus: Für das BMWi zum Netzausbau vielleicht folgende Information: Wir erwarten, dass die Übertragungsnetzbetreiber uns im Juni einen ersten Netzentwicklungsplan vorlegen - das steht auch so im Gesetz. Auf Basis dieses Netzentwicklungsplans wird dann von der Bundesregierung ein Bedarfsplangesetz erstellt und dem Bundestag vorgelegt.

Zu den Gesprächen zwischen BMU und BMWi, unter anderem zur Fotovoltaik, haben wir auch an dieser Stelle schon mehrfach darauf hingewiesen, dass die Gespräche laufen. Sie laufen gut und sehr konstruktiv. Wir sind zuversichtlich, dass es sehr bald eine Einigung geben wird.

Maaß: Herr Klinger, dem kann ich mich nahtlos anschließen.

Zusatzfrage: Unter anderem interessiert mich der Punkt "die Gespräche laufen gut und konstruktiv". Es sind offenbar Überlegungen im Raum, dass man sozusagen ein "Du gibst, ich gebe"-Geschäft macht und sagt, der Bundesumweltminister möge bei der Energieeffizienz nachgeben - wo man in Europa nicht so Recht mit der Energiewende vorankommt - und der Bundeswirtschaftsminister möge bei seinen Deckelforderungen bei der Fotovoltaik nachgeben. Ist das unter konstruktiv zu verstehen?

Maaß: Wir werden Sie über die Ergebnisse unterrichten, wenn es fertig ist.

Frage: Ich wollte zum Effizienzstreit nachfragen. Nächste Woche steht ja die Entscheidung im Industrieausschuss in der EU an, und es gab einmal die Erwartung, dass sich Deutschland bis dahin vielleicht positioniert haben würde. Gibt es diese Erwartung immer noch? Wenn ja: In welchem Rahmen wird die Entscheidung über die Positionierung Deutschlands fallen, und wann wird diese Entscheidung verkündet?

Kraus: Sie wird verkündet, sobald es eine Einigung zu verkünden gibt.

Zusatzfrage: Wann wird das Ihrer Einschätzung nach sein?

Kraus: Die Gespräche laufen konstruktiv. Wenn sie sehr konstruktiv laufen, werden sie zu Ende geführt, und dann wird das verkündet.

Zusatzfrage: Wird das Ihrer Erwartung nach vor nächstem Dienstag geschehen oder nicht? Denn nächsten Dienstag findet ja die Sitzung statt, in der sich Deutschland positionieren müsste.

Kraus: Eine Prognose dazu würde ich nur ungern abgeben.

Zusatzfrage: Herr Maaß?

Maaß: Von mir bekommen Sie natürlich auch keine Wasserstandsmeldung. Wir sagen es Ihnen dann, wenn es fertig ist.

Zusatzfrage: Dann vielleicht noch einmal an Herrn Seibert: Das ist ja ein Punkt, wo die Blicke europaweit ein bisschen auf Deutschland gerichtet sind, weil die Effizienzrichtlinie eine der drei großen Säulen der europaweiten 20/20/20-Strategie war. Sehen Sie für das Bundeskanzleramt Bedarf, sich in diesen Streit zwischen den Ressorts, die anscheinend nicht so recht vorankommen, einzuschalten?

StS Seibert: Ich habe, als ich kürzlich dazu gefragt wurde, das gesagt, was ich jetzt gerne wiederholen würde: Dann, wenn es in Europa notwendig ist und wenn die Entscheidungen gefällt werden, wird Deutschland mit einer abgestimmten Position am Tisch sitzen und diese abgestimmte Position mit Kraft vertreten.

Frage: Herr Seibert - und auch an das Arbeitsministerium gewandt -, gibt Ihnen der gegenwärtige Streik am Frankfurter Flughafen, den eine kleine Gewerkschaft dort ausgerufen hat, Anlass, beim Punkte gesetzliche Verankerung der Tarifeinigkeit - ein Punkt, der schon lange von Tarifpartnern angemahnt wird - irgendetwas zu unternehmen? Gibt es da irgendwelche Initiativen oder Pläne, die Tarifeinheit gesetzlich zu verankern?

StS Seibert: Wenn in Deutschland Tarifvertragsparteien Forderungen gegeneinander stellen - so wie es jetzt auch in Frankfurt vorkommt, wo es zu diesem Streik der Vorfeldlotsen geführt hat -, dann geschieht das im Rahmen der verfassungsrechtlich geschützten Tarifautonomie. Weil die verfassungsrechtlich geschützt ist, obliegt es auch nicht der Bundesregierung, nun zu beurteilen, ob eine Streikmaßnahme oder ob Forderungen einzelner Gruppen angemessen sind oder ob so etwas mit geltendem Recht vereinbar ist. Es gilt: Die Tarifautonomie ist verfassungsrechtlich geschützt. Die Bundesregierung nimmt das zur Kenntnis und beobachtet die Vorgänge in Frankfurt, wird hier aber kein Urteil abgeben.

Frage: Ich habe eine Frage an Herrn Peschke: Der Bundesaußenminister hat die Ausweisung eines syrischen Diplomaten und dreier Angestellter der syrischen Botschaft in Berlin veranlasst. Gibt es gegen die Betroffenen handfeste Beweise oder war das, wie die Syrer sagen, eine politische Entscheidung? Ich frage das, zumal das Außenministerium nur Kontakt mit einer Strömung der Opposition hat, die jeden Dialog mit dem Regime ablehnt.

Peschke: Ich glaube, dazu haben wir in der vergangenen oder eher vorvergangenen Woche, als der Schritt vollzogen wurde, Stellung genommen. Die Ausweisung von vier Mitarbeitern der syrischen Botschaft war natürlich eine politische Handlung, die man auch politisch werten muss. Sie gründete sich aber natürlich auf Hinweise, die auch in die politische Gesamtbewertung eingeflossen sind. Eine Ausweisung im Sinne der diplomatenrechtlichen Vorschriften ist aber zum Beispiel nicht zu vergleichen mit einem Gerichtsbeschluss, der sich auf handfeste Ermittlungsergebnisse stützt, sondern ist immer eine politische Handlung.

Was das Zweite, was Sie gesagt haben, betrifft, so möchte ich Ihnen doch klar widersprechen. Deutschland unterhält zu ganz verschiedenen Kräften der syrischen Zivilgesellschaft Kontakte. Wenn Sie meinen, dass wir besonders intensive Kontakte zum syrischen Nationalrat haben, dann gebe ich Ihnen recht - das stimmt. Unsere Kontakte beschränken sich aber nicht darauf, sondern wir haben eine ganz bewusste Kontaktsuche auch mit ganz breiten Kreisen der syrischen Zivilgesellschaft.

Zusatzfrage: Eine Frage an das Bundesjustizministerium: Der Leiter der neuen syrischen Verfassungskommission hat in einem Fernsehinterview betont, dass er die deutsche Verfassung als Vorbild ansieht beziehungsweise dass er sich an der deutschen Verfassung orientiert hat. Gab es in dieser Beziehung Hilfe von der Bundesregierung an die syrische Regierung, oder war das ein Verdienst der syrischen Juristen, die ihre Ausbildung an deutschen Universitäten bekommen haben?

Bauer: Mir ist nicht bekannt, dass es in diesen Fragen einen konkreten Kontakt zur Bundesregierung gegeben hat. Generell ist die deutsche Verfassung ja immer wieder als Vorbild für verschiedene verfassungsgebende Prozesse herangezogen worden. Das ist für uns natürlich immer ein positives Signal. Dass es hier im Vorfeld konkrete Kontakte gegeben hätte, ist mir aber nicht bekannt.


*


Quelle:
Mitschrift der Pressekonferenz - Montag, 20. Februar 2012
http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2012/02/2012-02-20-regpk.html?nn=391778
Presse- und Informationsamt der Bundesregierung
Dorotheenstr. 84, 10117 Berlin
Telefon: 030 18 272-0, Fax: 030 18 10 272-0
E-Mail: internetpost@bpa.bund.de
Internet: www.bundesregierung.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 22. Februar 2012