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PRESSEKONFERENZ/363: Regierungspressekonferenz vom 27. Januar 2012 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Mitschrift der Pressekonferenz - Freitag, 27. Januar 2012
Regierungspressekonferenz vom 27. Januar 2012

Themen: steigende Zahl der Hinrichtungen im Irak, Termine der Bundeskanzlerin (informelles Treffen der Mitglieder des Europäischen Rats in Brüssel, Integrationsgipfel, Kabinettssitzung, Besuch der Volksrepublik China)
weitere Themen: Reise des Bundesaußenministers in den Nahen Osten und nach Ägypten, Reise des Bundesentwicklungsministers nach Jordanien, in die palästinensischen Gebiete, nach Israel und nach Kenia, Personalie, Vorratsdatenspeicherung, Entführung eines deutschen Staatsangehörigen in Nigeria, positive Entwicklung der Steuereinnahmen, Kapitalausstattung des ESM, deutsch-schweizerisches Steuerabkommen, Empfang der Unternehmergruppe "Club 2013" im Kanzleramt

Sprecher: StS Seibert, Peschke (AA), Lesch (BMZ), Reifschneider (BMZ), Kothé (BMF), Teschke (BMI), Bauer (BMJ)


Vorsitzender Freitag eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt StS Seibert und die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

StS Seibert: Guten Tag, meine Damen und Herren! Ich wollte mit Ihnen kurz über das Thema Irak sprechen. Die Bundesregierung ist außerordentlich bestürzt über die steigende Zahl der Hinrichtungen im Irak. Berichten zufolge wurden allein am 19. Januar, vor wenigen Tagen also, an einem Tag bis zu 34 Personen im Irak hingerichtet, unter ihnen zwei Frauen. Sie wissen das ist, glaube ich, auch weltweit bekannt , dass die Bundesregierung die Todesstrafe als eine besonders inhumane Strafe ablehnt, und zwar, wo immer sie verhängt und vollstreckt wird. Über die Vollstreckung der Todesurteile in jedem einzelnen Fall hinaus ist es aber doch auch die wachsende Zahl der Exekutionen im Irak, die die Bundesregierung nun wirklich in große Sorge versetzt. Uns sind die Gründe für diese Entwicklung bisher unklar.

Die Bundesregierung appelliert ausdrücklich an die irakische Regierung, die Verhängung und Vollstreckung der Todesstrafe für die Zukunft auszusetzen und deren Abschaffung politisch ins Auge zu fassen. Wir wollen gegenüber der Regierung in Bagdad gemeinsam mit unseren EU-Partnern unsere Ablehnung dieser Hinrichtungen und der Todesstrafe insgesamt zum Ausdruck bringen und werden deswegen eine gemeinsame Demarche vornehmen.

Dann hätte ich jetzt, wie am Freitag üblich, den Blick auf die öffentlichen Termine der Bundeskanzlerin in der kommenden Woche:

Zunächst einmal wird die Bundeskanzlerin am kommenden Montag, den 30. Januar, in Brüssel am informellen Treffen der Mitglieder des Europäischen Rats teilnehmen. Wir haben Sie darüber an dieser Stelle schon gestern ausführlich informiert; deswegen mache ich es kurz. Dieser informelle Gipfel wird um 15 Uhr, wie es üblich ist, mit der Begegnung mit dem Präsidenten des Europäischen Parlaments beginnen, in diesem Fall dem neuen Präsidenten des Europäischen Parlaments Martin Schulz. Gegen 15.30 Uhr wird dann die Arbeitssitzung dieses informellen Treffens beginnen. Es wird schwerpunktmäßig um die Themen Wachstum und Beschäftigung sowie um den Fiskalvertrag gehen. Außerdem sollen auf dem informellen Gipfel eben auch die Verhandlungen über den neuen Fiskalvertrag politisch abgeschlossen werden.

Für Dienstag, den 31. Januar, lädt die Kanzlerin nun schon zum 5. Integrationsgipfel ins Kanzleramt ein. Der erste hat 2006 stattgefunden. Er wurde auch diesmal wieder von der Integrationsbeauftragten, von Staatsministerin Maria Böhmer, vorbereitet. Er wird um 12.30 Uhr beginnen und um 15.30 Uhr enden. Die Integration der Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland ist eine Schlüsselaufgabe dieser Bundesregierung. Diese Schlüsselaufgabe geht sie mit dem Nationalen Aktionsplan Integration nachhaltig und strukturell an. Dieser Plan, dessen Vorstellung ein Schwerpunkt des diesjährigen Integrationsgipfels ist, ist nach unserer Überzeugung ein echter Qualitätsschub bei der Integration; denn er setzt klare Ziele, die überprüfbar und messbar sind. Er legt konkrete Maßnahmen fest. Dadurch werden die Integration und das Erreichen von Zielen verbindlicher gemacht.

Ich will Ihnen nur die Themen nennen, die im Mittelpunkt sowohl des Plans als damit auch des Integrationsgipfels am Dienstag stehen. Es sind die Themen "Sprachförderung", "Migranten im öffentlichen Dienst", "bürgerschaftliches Engagement" und "Medien". Insbesondere das Thema "Migranten im öffentlichen Dienst" wird zum ersten Mal aufgegriffen. Die Überzeugung, die dem zugrunde liegt, ist die, das sich die wachsende Vielfalt in der Bevölkerung unseres Landes auch angemessen im öffentlichen Dienst widerspiegeln sollte. Das heißt praktisch: Wir brauchen mehr Migranten in Kindergärten, in Schulen, bei der Polizei, bei der Feuerwehr und in der Verwaltung. Zum Abschluss des Integrationsgipfels wird es um 15.30 Uhr eine Pressekonferenz im Infosaal des Kanzleramtes geben.

Am Mittwoch, 1. Februar, wird, wie üblich, um 9.30 Uhr das Kabinett unter der Leitung der Bundeskanzlerin tagen.

Am Mittwochnachmittag wird die Kanzlerin, wie Sie möglicherweise schon gehört haben, zu einem mehrtägigen Besuch nach Peking und in das südchinesische Kanton, auf Chinesisch Guangzhou, reisen.

Am Donnerstag, den 2. Februar, wird sie in Peking von Ministerpräsident Wen Jiabao mit militärischen Ehren begrüßt. Es sind auch offizielle Gespräche mit dem Staatspräsidenten Hu Jintao, mit dem Vorsitzenden des Nationalen Volkskongresses Wu Bangguo und natürlich mit Ministerpräsident Wen Jiabao vorgesehen. Die Kanzlerin wird an der chinesischen Akademie für Sozialwissenschaften in Peking außerdem eine Rede zu finanz- und währungspolitischen Fragen halten. Sie wird sich außerdem mit Deutschland-Alumni treffen.

In Kanton stehen dann eine Unternehmensbesichtigung, die Teilnahme an einem Wirtschaftsforum mit einer kurzen Ansprache sowie ein Zusammentreffen mit deutschen und chinesischen Wirtschaftsvertretern an. Ministerpräsident Wen Jiabao wird die Bundeskanzlerin übrigens nach Kanton begleiten.

Wir werden Ihnen am 31. Januar hier in der Bundespressekonferenz um 9.15 Uhr in einem detaillierten Briefing mehr über Sinn, Zweck und Ablauf dieser Reise erzählen können. Dann werden Herr Heusgen, der außenpolitische Berater, und Prof. Röller, der wirtschaftspolitische Berater der Bundeskanzlerin, hier sein. - Das wär's!

Peschke: Ich möchte Ihnen eine Reise von Außenminister Westerwelle ankündigen. Außenminister Westerwelle wird am Sonntag zu einem mehrtägigen Besuch in den Nahen Osten und nach Ägypten aufbrechen. Stationen dieser Reise werden Ägypten, Jordanien, Israel und die palästinensischen Gebiete sein.

Der Außenminister wird am Sonntag und am Montag in Amman mit dem jordanischen Außenminister und dem jordanischen Premierminister zusammentreffen. Er wird am Montag und Dienstag nach der ja jetzt abgeschlossenen Parlamentswahl Gespräche in Kairo führen, und zwar mit der Übergangsregierung, mit dem Vorsitzenden des Militärrats und mit verschiedenen Vertretern politischer Parteien. Er wird in Kairo auch mit Vertretern der koptischen Minderheit zusammentreffen, um sich über die Lage der christlichen Minderheit in Ägypten zu informieren.

Im Anschluss daran wird Außenminister Westerwelle in Israel mit dem israelischen Außenminister, dem israelischen Verteidigungsminister und dem Premierminister zusammentreffen. In den palästinensischen Gebieten wird er mit Präsident Abbas und dem palästinensischen Premierminister zusammentreffen.

Ziel der Reise ist es natürlich, in Jordanien, in den palästinensischen Gebieten und in Israel wie es die Kanzlerin gestern auch in dem Telefonat mit dem israelischen Premierminister getan hat auf eine Fortführung des Nahost-Friedensprozesses zu dringen. Der Außenminister wird vor Ort dafür werben, dass jetzt vertrauensbildende Maßnahmen ergriffen werden, damit die Gespräche, die ja gerade erst leise begonnen haben, fortgeführt werden können. Das ist eine sehr komplizierte Angelegenheit, aber aus unserer Sicht so wichtig, dass wir versuchen wollen, mit den Mitteln unserer sowie natürlich auch der europäischen Diplomatie dafür zu sorgen, dass der Prozess, der gerade erst begonnen hat, nicht wieder zum Erliegen kommt.

In Ägypten geht es darum, sich ein Jahr nach Beginn der Revolution und des Umbruchs ein Bild von der Lage vor Ort zu verschaffen. Es geht darum, dafür einzutreten, dass der Prozess der Reformen und der Demokratisierung fortgesetzt wird. Dazu gehört natürlich auch eine möglichst baldige, vollständige Übergabe der Macht in zivile Hände. Das werden die Themen der Gespräche in Ägypten sein. Natürlich ist auch wichtig, dass er dort mit Vertretern der politischen Parteien zusammenkommen wird, die jetzt in dem gerade gewählten Parlament eine Rolle spielen. Das sind ja Kräfte, die in dieser Form erstmals prominent in die politische Arena treten. Es ist natürlich wichtig, sich einen Überblick darüber zu verschaffen, wie und mit welchen Zielen diese Parteien die politische Zukunft Ägyptens gestalten wollen.

Lesch: Ich darf nicht gleich mit einer Reiseankündigung anschließen: Der Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Dirk Niebel wird vom 29. Januar bis zum 3. Februar nach Jordanien, in die palästinensischen Gebiete, nach Israel und nach Kenia reisen. Er wird in allen Ländern hochrangige politische Gespräche führen und Projekte der deutschen Entwicklungszusammenarbeit besuchen.

Dabei steht im Nahost-Teil der Reise das Thema Wasser, das ja ein sehr wichtiges Thema für die Region ist, im Mittelpunkt. Die Synergie mit der Reise des Außenministers ist gewollt und drückt sich insbesondere darin aus, dass der Termin beim palästinensischen Premierminister Fayyad gemeinsam wahrgenommen werden wird.

Im Zentrum des zweiten Reiseteils, Kenia, steht die Dürrekatastrophe am Horn von Afrika. Dort möchte sich der Minister unter anderem in der Region Turkana im Norden Kenias selbst von der Umsetzung der Hilfsmaßnahmen überzeugen.

Ich habe Ihnen gleich noch einen neuen Kollegen vorzustellen: Herr Felix Reifschneider ist seit wenigen Tagen bei uns in der Pressestelle und ersetzt Frau Puls, die unseren Pressebereich verlassen wird. Er stellt sich Ihnen selbst vor.

Reifschneider: Guten Tag! Mein Name ist Felix Reifschneider. Ich bin 33 Jahre alt und habe gut fünf Jahre Berufserfahrung im Bereich der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Ich bin neuer Ansprechpartner für Sie und freue mich auf die Zusammenarbeit. Vielen Dank.

Vorsitzender Freitag: Das tun wir auch. Herzlich willkommen und auf gute Zusammenarbeit!

Frage: Herr Peschke, was ist Sinn und Zweck der Reise (des Bundesaußenministers) nach Israel, nachdem die letzte Runde der Verhandlungen wieder gescheitert ist? Wie lange sollen diese Verhandlungen noch weitergehen? Jetzt wird seit 20 Jahren verhandelt. Israel bewegt sich keinen Millimeter, der Siedlungsausbau geht weiter. Meine Frage ist: Soll das noch einmal 20 Jahre dauern? Wie lange sollen diese Verhandlungen dauern?

Peschke: Heute kann Ihnen seriöserweise niemand sagen, wie lange die Verhandlungen noch dauern werden. Wichtig ist, dass diese Verhandlungen in der Substanz überhaupt erst einmal richtig beginnen. Vor wenigen Wochen gab es nach den Bemühungen des Nahost-Quartetts und dem Fahrplan, den das Nahost-Quartett vorgelegt hat, zunächst Vorgespräche, um einen Einstieg in substanzielle Verhandlungen zu ermöglichen. Wir hoffen und drängen gemeinsam mit unseren internationalen Partnern in der Europäischen Union und darüber hinaus darauf, dass das zarte Pflänzchen des wieder aufgenommenen Gesprächskontakts jetzt weiter wachsen kann und er nicht wieder unterbrochen wird. Es gibt aus unserer Sicht nur einen Weg zu einem gerechten und fairen Frieden im Nahen Osten, zu einer Zwei-Staaten-Lösung. Dieser Weg führt über Verhandlungen. Deswegen muss der Weg solcher Verhandlungen beschritten werden, so schwierig das ist und so viele Hindernisse auch immer auf diesem Weg liegen mögen.

Sinn der Reise ist es, sowohl in Israel als auch in den palästinensischen Gebieten dafür zu werben, dass Schritt für Schritt ein Einstieg in substanzielle Verhandlungen geschaffen wird und dass es gelingt, über vertrauensbildende Maßnahmen die Voraussetzungen für solche Verhandlungen zu schaffen. Dass das schwierig ist, muss, glaube ich, angesichts der langen und schwierigen Vorgeschichte niemand extra erwähnen. Aber wir wollen genauso wie die Hohe Beauftragte der Europäischen Union, die in dieser Woche vor Ort war und mit der es eine enge Abstimmung gegeben hat, und die Bundeskanzlerin im gestrigen Gespräch mit dem israelischen Premierminister einfach unseren Beitrag als Bundesregierung dazu leisten, den Prozess der Verhandlungen zu unterstützen.

Zusatzfrage: Nun hat sich Ihr Minister mehrfach gegen Druck auf Israel ausgesprochen. Wieso sollte Israel überhaupt Konzessionen machen, wenn kein Druck vonseiten der EU, der Bundesregierung oder der USA kommt?

Peschke: Ich weiß jetzt nicht, was Sie konkret mit "Druck" meinen. Es gibt dabei zwei Aspekte: Wir drängen darauf, und zwar gegenüber beiden Seiten gleichermaßen, dass sich beide Seiten konstruktiv auf einen Prozess der Verhandlungen einlassen und konstruktiv und substanziell an solchen Verhandlungen mitwirken. Das ist eine Forderung, die wir beiden Seiten gegenüber mit gleichem Nachdruck erheben.

Zum Zweiten gibt es verschiedene Hindernisse, die einer erfolgreichen Durchführung und dem Abschluss von Verhandlungen entgegenstehen können. Sie wissen, dass die Bundesregierung auch gegenüber Israel das gilt für die gesamte Bundesregierung, auch für den Außenminister ihre kritische Haltung zum Siedlungsbau immer wieder sehr deutlich gemacht hat.

Frage: Herr Seibert, die Termine in Brüssel fangen für die Kanzlerin ja nicht mit dem EU-Gipfel an, sondern es wird unter anderem ein Vortreffen mit Herrn Sarkozy und Herrn Monti geben. Gehen Sie davon aus, dass die drei nach dem Vortreffen mit einer abgestimmten Position auch zu dem deutschen Beitrag für die Rettungsschirmen in die Verhandlungen gehen werden?

StS Seibert: Vortreffen dieser Art sind vor Europäischen Räten ausgesprochen üblich. Einmal trifft man sich mit diesem, einmal mit jenem, in diesem Fall mit den beiden, dem französischen Präsidenten und dem italienischen Ministerpräsidenten. Sie dienen einer Absprache und einer Einstimmung auf die kommende Diskussion. Zum deutschen Beitrag für die Rettungsschirme und zur Höhe der Rettungsschirme überhaupt ist alles gesagt, und es gibt keinen Grund, bis Montagmittag irgendwelche Veränderungen zu erwarten.

Frage: Ich möchte gerne noch einmal etwas zum Gipfel wissen. Die Kanzlerin hat ja gesagt, das Thema Griechenland werde nicht im Vordergrund stehen, weil der Troika-Bericht bis dann noch nicht vorliegen werde. Wenn Herr Rehn jetzt sagt, Griechenland brauche mehr Geld, was weiß dann Herr Rehn, was Sie nicht wissen? Andersherum gefragt: Hat Herr Rehn die Bundesregierung schon in irgendeiner Weise davon unterrichtet, dass man sich auf die Bereitstellung größerer Mittel einstellen muss?

Zweitens würde ich gerne wissen, ob Sie davon ausgehen, dass bei diesem Gipfel auch die Frage einer möglichen Beteiligung privater Gläubiger an Hilfen für Griechenland eine Rolle spielen wird. Auch dazu gibt es Äußerungen sowohl von Rehn als auch von Juncker, die zumindest mir zu indizieren scheinen, dass dieses Thema am Montag aufkommen kann.

Vielleicht noch eine protokollarische Frage an das Finanzministerium: Was hören Sie denn von Griechenland, insbesondere von der laufenden Verhandlungsrunde mit den Banken? Tut sich da irgendetwas, oder ist Stille im Lande?

StS Seibert: Ich weiß nicht, was Herr Rehn weiß und was wir angeblich nicht wissen. Ich weiß aber, dass, wenn wir aus Griechenland etwas über die dortige Lage und über den Stand der Umsetzung der Programme erfahren, wir es nicht von Herrn Rehn erfahren werden, sondern über den Troika-Bericht. Das ist das bewährte Verfahren. Insofern glaube ich, dass Spekulationen dieser Art im Moment auch gar keinen Sinn haben. Sie sind eigentlich eher geeignet, Verunsicherung zu schüren. Für die Bundesregierung bleibt es bei dem geplanten Ablauf, weil nämlich dieser geplante Ablauf dafür sorgt, dass man auf der Basis von Fakten und nicht von Annahmen und Vermutungen diskutiert. Die Troika wird also einen Bericht erstellen, aus dem hervorgehen wird, wie sie die Umsetzungsfortschritte Griechenlands beurteilt.

Die Privatschuldnerbeteiligung muss ausgehandelt werden. Die Gespräche mit den Griechen über ein neues Programm von Maßnahmen und von Reformen müssen vorangebracht werden; denn es war verabredet worden, dass ein zusätzlicher griechischer Beitrag zur Sanierung des Landes erfolgen müsse. Außerdem ist es aus unserer Sicht notwendig auch das sagen wir nicht zum ersten Mal , dass sich alle wesentlichen politischen Kräfte in Griechenland zu diesem Programm bekennen. So war es in Irland, und so war es in Portugal. Dort haben sich die wichtigen politischen Kräfte zu den dortigen Programmen bekannt - mit dem Erfolg, dass es in beiden Ländern auch erheblich vorangeht. Das Ganze ist also als ein Paket anzusehen; an dieser Stelle stehen wir.

Zusatzfrage: Gehen Sie davon aus, dass der Punkt, dass sich auch öffentliche Gläubiger beteiligen müssen, schon am Montag eine Rolle in den Diskussionen spielen wird?

StS Seibert: Ich gehe davon aus, dass man nun erst einmal die notwendigen Verhandlungen zwischen den Privatgläubigern und den Griechen zu ihrem Ende kommen lässt. Wir sind auch zuversichtlich, dass ein Ende herbeizuführen ist - auf der Basis des Rahmens oder in dem Rahmen, der im Dezember abgesteckt worden war.

Kothé: Uns liegen zu Griechenland wie Sie wissen, sind wir an diesen Verhandlungen nicht beteiligt die gleichen Informationen oder Äußerungen der griechischen Regierung und des Bankenverbandes vor, die Sie auch kennen. Wir sind zuversichtlich, wie Herr Seibert es eben gesagt hat, dass die Verhandlungen zu einem Abschluss kommen können.

Frage: Herr Teschke, zur Vorratsdatenspeicherung. Es gibt dieses Gutachten im Auftrag des Justizministeriums. Mich interessiert, ob Sie die Erkenntnisse, die darin festgehalten werden, teilen, ob das einen Einfluss auf Ihre Position beziehungsweise die Verhandlungen zwischen den Häusern hat und ob diese Information letzter Teil der Frage im Hinblick auf das EU-Verfahren bezüglich der Umsetzung dieser Vorratsdatenspeicherungsrichtlinie irgendwie relevant ist.

Teschke: In der Tat hat uns diese Studie heute Morgen auch erreicht. Wir haben sie bekommen, und sie befindet sich derzeit in der Prüfung. Eine erste Durchsicht hat ergeben, dass wir schon etwas erstaunt darüber sind, dass die Schlussfolgerung lauten soll, dass die Vorratsdatenspeicherung infrage gestellt wird oder sinnlos ist. Das Max-Planck-Institut selbst spricht in der Studie von einer Momentaufnahme. Die Gutachter führen selbst aus, dass es nur eine sehr unsichere statistische Datengrundlage gibt und dass man vor allen Dingen auf die Durchführung systematischer empirischer Untersuchungen verzichtet hat. In dem Gutachten selbst heißt es wohl, dass die Daten nicht mit belastbaren Zahlen quantifizierbar seien. Das alles zeigt uns, dass das eine sehr unsichere empirische Faktenbasis ist, die die ganze Studie vor allen Dingen doch erst einmal ein bisschen in Frage stellt.

Ich möchte vor allen Dingen auf den Abschlussbericht verweisen, den das BKA bereits im April 2011 vorgelegt hat. Es gibt einen Stand der statistischen Datenerhebung im BKA, den Sie sich vielleicht auch noch einmal besorgen sollten. In diesem sind sehr interessante Zahlen dazu enthalten.

Für uns steht fest und ist völlig klar, dass die Strukturen organisierter und terroristischer krimineller Netzwerke nur mit der Vorratsdatenspeicherung aufgedeckt und aufgeklärt werden können. Seit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im März 2010 hat das BKA insgesamt 5.500 Auskunftsersuchen an Provider gestellt. In mehr als 80 Prozent der Fälle gab es keine Antwort. In der Praxis hängen also Kriminalitätsbekämpfung und polizeiliche Erfolge mehr und mehr vom Zufall ab. Das ist für das BMI und auch für die nachgeordneten Behörden natürlich kein tragbarer Zustand.

Um auf die Verhandlungen mit der EU-Kommission zu sprechen zu kommen: Diese Studie hat für uns insofern keinerlei Relevanz, dass natürlich feststeht, dass die Bundesregierung eine EU-Richtlinie umsetzen muss. Wir sehen das BMJ ganz klar in der Pflicht, der Richtlinie nachzukommen und einen Gesetzentwurf vorzulegen, der die Vorgaben erfüllt. Zu den Vorgaben gehört unter anderem eben eine sechsmonatige Mindestspeicherfrist.

Bauer: Es ist eine vom BMJ beauftragte Studie angesprochen worden. Insofern möchte ich dazu gerne etwas sagen.

Kurz zu dieser Studie selber: Sie wurde von der kriminologischen Abteilung des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Strafrecht in Freiburg unter Gesamtverantwortung des Institutsleisters Prof. h.c. Hans-Jörg Albrecht erstellt. Sie sind alle herzlich eingeladen, sich persönlich ein Bild von dieser Studie und ihren Ergebnissen zu machen. Wir haben sie im Internet veröffentlicht. Auf der Homepage www.bmj.de ist die Studie insgesamt abrufbar und auch ausgekoppelt die Schlussfolgerungen der Gutachter selber einsehbar, die am Ende der Studie veröffentlicht sind und die wir noch einmal isoliert mit eingestellt haben, weil sie eine Art Zusammenfassung darstellt.

Kurz zum Inhalt, der hier schon angesprochen worden ist. Im Kern geht aus unserer Sicht um Folgendes: Dass die Praktiker in den Ermittlungsbehörden dieses Instrument Vorratsdatenspeicherung gerne hätten, wissen wir seit Langem, und das wissen Sie alle seit Langem. Die interessante Frage ist nun gerade, ob sich dieses Bedürfnis, das von den Praktikern gesehen wird, mit harten empirischen Fakten belegen und untermauern lässt.

Auf der einen Seite gibt es den Wunsch nach diesem Ermittlungsinstrument. Auf der anderen Seite gibt es einen Grundrechtseingriff mit einer erheblichen Streubreite, wie das Bundesverfassungsgericht auch gesagt hat. Es ist eine Streubreite, die dazu führen kann, dass man ein diffuses, bedrohliches Gefühl des Beobachtetseins hat und dass eine unbefangene Wahrnehmung der Grundrechte in vielen Bereichen beeinträchtigt werden kann. Das sind die Worte des Bundesverfassungsgerichts.

Insofern ist die Frage, ob sich dieses Bedürfnis, das als gefühlter Bedarf gesehen wird, so von Fakten rechtfertigen lässt, dass ein solcher weitreichender Grundrechtseingriff davon getragen werden kann und sollte. Das ist die politische Frage, die uns seit Langem beschäftigt.

Insofern ist, so denke ich, auch ein Beitrag für diese Debatte, dass jetzt ein Gutachten vorliegt, in dem die Forscher genau dieser Frage nachgegangen sind. Sie haben alles, was an empirischem Material vorliegt, herangezogen. Sie haben nicht nur das Material in Deutschland herangezogen, sondern sie haben auch den Blick über die Grenzen in das europäische Ausland geworfen und haben Länder mit herangezogen, in denen es zum Teil eine Vorratsdatenspeicherung gibt, zum Teil aus den Ihnen bekannten Gründen aber auch keine Vorratsdatenspeicherung gibt da ist Deutschland ja nach wie vor nicht alleine.

Die Forscher haben auch den Evaluationsbericht herangezogen, den die Europäische Kommission im letzten Jahr vorgelegt hat, in dem umfangreiche Umfragen durchgeführt wurden.

Zusammengefasst ist das Gesamtergebnis aus unserer Sicht und auch aus Sicht der Forscher, wenn Sie es nachlesen : Es gibt den gefühlten Bedarf nach der Vorratsdatenspeicherung, aber empirisch lässt sich das durch das vorliegende Material nicht belegen. Das ist für uns schon ein interessantes Ergebnis. Das werden wir jetzt natürlich in die rechtspolitische Diskussion einbringen. Allen relevanten Personen ist dieses Gutachten zugeschickt worden. Es ging auch an die Europäische Kommission, und zwar an Kommissarin Malmström sowie an Kommissarin Reding. Sie alle sind eingeladen, sich auch ein eigenes Bild davon zu machen.

Wir sehen es als Bestätigung für den Vorschlag der Bundesjustizministerin, der seit Langem auf dem Tisch liegt, nämlich gerade keine anlasslose flächendeckende Speicherung aller Daten vorzunehmen, sondern nur bei konkretem Anlass die vorhandenen Daten einzufrieren, damit sie später wieder für die konkreten Zwecke des Ermittlungsverfahrens aufgetaut werden können.

Zusatzfrage: Herr Bauer, was hat die Studie gekostet?

Herr Seibert, was bedeutet das aus Sicht der Bundeskanzlerin? Die ganze Diskussion begleitet uns schon eine ganze Weile. Ist die Kanzlerin bei weiterer Verhärtung der inhaltlichen Position der beiden Häuser der Auffassung, dass dieser Streit sich irgendwie beilegen lässt? Wenn ja, wann?

Bauer: Zunächst kurz zu den Kosten: Die genauen Kosten sind mir nicht bekannt. Die Antwort müsste ich nachreichen.

StS Seibert: Zunächst einmal muss man sagen, dass es außerhalb des BMJ noch nicht möglich war, in der Bundesregierung und in den anderen Ressorts diese Studie schon inhaltlich auszuwerten. Deswegen können wir sie auch noch nicht bewerten. Das hat Herr Teschke schon dargelegt.

Die Regelung der Vorratsdatenspeicherung ist ein schwieriges rechtspolitisches Problem. Man könnte sagen: Es ist vielleicht eines der schwierigsten rechtspolitischen Probleme, die sich derzeit stellen. Deswegen ist es auch nicht ganz verwunderlich, dass man sich diesem Problem in unterschiedlichen Ressorts durchaus mit unterschiedlichen Blickpunkten annähern kann.

Es bleibt für die Bundesregierung, für die Bundeskanzlerin dennoch dabei: Deutschland ist zur Umsetzung der EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung verpflichtet. Wir sind bereits einem Vertragsverletzungsverfahren ausgesetzt. Es gibt also eine Notwendigkeit zur Neuregelung. Dieses zeigt: Erst einmal muss man die Studie inhaltlich auswerten. Dann wird es weiterer sehr intensiver und sehr konstruktiver Gespräche zwischen den beiden betroffenen Ressorts bedürfen, um zu einer Einigung zu kommen. Einen Zeitpunkt kann ich Ihnen nicht nennen.

Frage: Herr Seibert, verstehe ich Sie richtig, dass für die Bundeskanzlerin noch nicht der Zeitpunkt gekommen ist, zwischen diesen beiden Ministerien vielleicht vermittelnd einzugreifen?

Herr Teschke, hat das BMI eine ähnliche Studie in Arbeit, die seine Position untermauert? Oder gibt es sie schon? Wie ist da die Lage?

StS Seibert: Das Kanzleramt ist natürlich immer wieder mit beiden Ressorts im Gespräch.

Zusatzfrage: Also Sie vermitteln schon?

StS Seibert: Es wird gesprochen.

Zusatz: Und nicht vermittelt.

Teschke: Ich kann an der Stelle vor allen Dingen noch einmal auf diesen Abschlussbericht des BKA vom April des vergangenen Jahres verweisen. Ich kann auf eine Reihe von Beispielfällen verweisen, die es aus der polizeilichen Praxis gibt. Diese können Sie auch auf unserer Homepage www.bmi.bund.de finden.

Dieser Abschlussbericht ist, glaube ich, sehr umfangreich. Zumindest zeigt er Ihnen sehr deutlich, welche Folgen die Nicht-Beauskunftung von Anfragen des BKA hat. In 82 Prozent der Fälle konnte keine Aufklärung mehr erfolgen. 12,22 Prozent der Fälle sind unvollständig. Nur in 5 Prozent der Fälle konnte erst zu einem späteren Zeitpunkt beziehungsweise wesentlich erschwert der Fall aufgeklärt werden. Insofern zeigt das die hohe Relevanz, die das Mittel der Vorratsdatenspeicherung für die Sicherheitsbehörden hat.

Frage: Herr Teschke, ist der gerade noch einmal von Bauer vorgestellte Gegenvorschlag der Bundesjustizministerin hinsichtlich des sogenannten Quick-Freeze-Verfahrens, also die ab einem bestimmten Zeitpunkt durchzuführende Speicherung der Daten nach richterlichem Beschluss anzuwenden, für Sie eigentlich viel zu wenig und deshalb in keinem Fall eine viert-, fünft- oder sechsbeste Option? Oder ist das nur nicht die beste Option?

Teschke: Beim Quick-Freeze-Verfahren muss ich Sie einfach auf das verweisen, was in der EU-Richtlinie steht. In der EU-Richtlinie wird ganz klar das Quick-Freeze-Verfahren ausgeschlossen. Insofern kommt das für uns, die wir an einer Umsetzung der EU-Richtlinie interessiert sind, nicht infrage.

Bezogen auf den Fall der Zwickauer Terrorzelle sehen wir beispielsweise in ganz eklatanter Weise, wie wichtig das Mittel wäre. Es wäre ja interessant zu erfahren, mit wem Frau Zschäpe innerhalb der letzten sechs Monate telefoniert hat. Das würde vielleicht auch dabei helfen, aufzuklären, welche Kontakte Frau Zschäpe hatte. Sie schweigt bislang. Wir könnten anhand dieser Vorratsdaten sehr klar sehen, wer eventuell zu einem Netzwerk der Zwickauer Terrorzelle gehörte. Insofern sehen wir anhand allein dieses Beispiels schon, wie wichtig das Mittel wäre. Von daher kann ich nur sagen: Das Quick-Freeze-Verfahren würde auch in diesem Fall nichts bringen, weil zwei der Verdächtigten tot sind und Frau Zschäpe schweigt.

Bauer: Vielleicht darf ich an der Stelle ganz kurz zu einigen Punkten ergänzen, die angesprochen wurden. Hinsichtlich der Daten des Bundeskriminalamtes wollte ich darauf hinweisen ich weiß nicht, ob das identisch mit dem Abschlussbericht ist, den Sie, Herr Teschke, erwähnt haben , dass sich auch das Gutachten, das wir in Auftrag gegeben haben, mit Erhebungen des Bundeskriminalamtes auseinandersetzt. Es schätzt diese im Ergebnis als "nicht geeignet für die Abschätzung der Auswirkungen des Wegfalls der Vorratsdatenspeicherung auf die Aufklärungsquote ein". Das können Sie im Einzelnen auf S. 76 der Untersuchung nachlesen.

Da geht es, wie gesagt, um eine Erhebung des Bundeskriminalamtes. Ob das identisch mit dem ist, was Sie gerade auf dem Tisch haben, weiß ich natürlich nicht. Ich wollte es nur der Vollständigkeit halber gesagt haben.

Zum Quick-Freeze-Verfahren, weil es eben angesprochen wurde: Auf europäischer Ebene läuft gerade die Überarbeitung der Richtlinie. Das hat die Ministerin zuletzt heute Morgen in einem Interview im Hessischen Rundfunk deutlich gemacht. Vielleicht ist auch dieses Gutachten ein Beitrag für die Überlegungen. Die Europäische Kommission beschäftigt sich ja auch mit dem Quick-Freeze-Verfahren. Sie wissen vielleicht, dass im Rahmen dieser Evaluation ein Gutachten zum Quick-Freeze-Verfahren von der Kommission eingeholt wird.

Frage: Herr Teschke, mich würde interessieren, zu welchem Zeitpunkt Sie die Studie bekommen haben. Sie sprachen von heute Morgen. War das, bevor sich die Bundesjustizministerin im Hessischen Rundfunk geäußert hat und bevor die Meldungen über die Agenturen liefen?

Teschke: Wann wir die Studie genau bekommen haben, kann ich Ihnen nicht sagen. Ich weiß nur, dass wir heute Morgen um 10 Uhr die Studie noch nicht hatten.

Zusatzfrage: Herr Bauer, es geht ja auch darum, wie die Kommunikation zwischen beiden Häusern ist. Deshalb frage ich nach. Sie sagen, dass Sie regelmäßig miteinander sprechen. Ich habe gerade einen etwas anderen Eindruck. Wann ist denn die Studie sowohl an die EU als auch an die Ressorts weitergeleitet worden?

Bauer: Ich kann Ihnen das im Einzelnen nicht auf Stunde und Minute darlegen, weil das nicht Sache der Pressestelle ist. Es gibt zum einen eine gebundene Fassung dieser Studie. Das ist ein dickes Buch von 270 Seiten. Das ist gestern mit einem größeren Verteiler in Papierform herausgegangen. Es ist auch an die beteiligten Ressorts innerhalb der Bundesregierung gegangen. Es ist an die Länder gegangen. Zumindest im Moment liegt diese Studie allen relevanten Personen davon gehen wir aus vor. Sie wurde, was die Papierform angeht, gestern auf den Weg gebracht. Wann genau der E-Mail-Verteiler bedient wurde, entzieht sich im Moment meiner Kenntnis.

Frage: Herr Bauer, können Sie kurz erläutern, warum diese Studie in Ihren Augen ein wirkliches Pfund ist, wenn die Autoren selber schreiben, dass es nur eine Momentaufnahme sei und sie auf einer unsicheren statistischen Datenlage beruhe?

Bauer: Wie gesagt: Was die Forscher ausgewertet haben, sind die Datengrundlagen, die man im Moment hat. Das Gutachten ist auf eine so breite Datengrundlage wie möglich gestellt worden. Das, was an Aufklärungsquoten und Statistiken in Deutschland, aber auch im europäischen Ausland vorhanden ist, haben die Forscher, soweit es ihnen möglich war, in die Überlegungen und die Bewertung mit einbezogen. Das ist der Stand.

Es war vorhin nach den Kosten gefragt worden, also ob man mit sehr großem Aufwand vielleicht noch anderes empirisches Material gewinnen könnte. Da geht sicherlich immer mehr. Das ist dann eine Frage, wie weit man den Aufwand treiben möchte. Das, was an empirischem Material vorhanden ist, ist ausgewertet worden.

Teschke: Vielleicht kann ich das noch einmal ergänzen. Im Gutachten selbst heißt es, dass die Gutachter insbesondere die Auswirkungen des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 2.3.2010 zur Vorratsdatenspeicherung nicht mit belastbaren Zahlen zu quantifizieren vermochten.

Frage: Es ist immer wieder schön, wie die Ministerien sich ergänzen wollen, wenn sie sich eigentlich widersprechen. Ich habe noch eine Frage in Ergänzung der Frage des Kollegen vorher: Wir wissen jetzt, seit wann die Studie in gedruckter Form verschickt worden ist, Herr Bauer. Seit wann liegen denn die Ergebnisse der Studie oder die Studie selbst bereits in elektronischer Form vor?

Bauer: Auch da bin ich nicht in die Einzelheiten eingeweiht, denn das ist nicht Sache der Pressestelle. Das Ganze hatte natürlich, so wie es bei jedem Gutachten ist, einen Vorlauf. Da geht es um die Frage: Wann ist das Gutachten in einer veröffentlichungsfähigen Form freigegeben worden, um dann auch an den Verteiler zu gehen? Das wird jetzt kurzfristig vorher der Fall gewesen sein, ohne dass ich Ihnen im Moment Daten nennen könnte.

Zusatz: Ich würde mich freuen, wenn Sie es nachreichen können.

Vorsitzender Freitag: Vielleicht können Sie die Informationen über die Kosten der Studie und den Zeitpunkt der Fertigstellung dann gemeinsam per E-Mail an unser Büro senden, und das wird dann weitergeleitet.

Frage: Ich möchte zunächst das Außenministerium bitten, ein paar erklärende Worte zum Informationsstand der verschleppten Personen in Nigeria zu sagen.

Peschke: Ich muss Ihnen dazu leider sagen, dass wir nach Lage der Dinge davon ausgehen müssen, dass ein deutscher Staatsangehöriger in Nordnigeria entführt wurde. Der Krisenstab und die Botschaft sind mit Hochdruck darum bemüht, den Fall aufzuklären und zu lösen. Einen substanziellen Fortschritt kann ich Ihnen hier noch nicht vermelden.

Frage: In Ergänzung dazu: Herr Peschke, können Sie uns denn sagen, wie viele Deutsche weltweit insgesamt entführt sind? Haben Sie darüber einen Überblick?

Peschke: Dazu kann ich Ihnen keine summarischen Zahlen nennen. Sie wissen, dass wir allein im Moment mit mehreren Fällen gleichzeitig befasst sind. Wir haben den Fall in Nordnigeria, wo wir davon ausgehen müssen, dass ein deutscher Staatsangehöriger entführt wurde. Wir haben einen Fall in Pakistan, wo wir davon ausgehen müssen, dass ein deutscher Staatsangehöriger, ein Entwicklungshelfer, entführt wurde. Wir haben einen Fall in Nordostäthiopien, wo wir es nach wie vor damit zu tun haben, dass zwei deutsche Staatsangehörige mit Verdacht auf Entführt vermisst werden. Das sind die prominentesten Fälle, die derzeit im Krisenstab behandelt werden. Eine komplette summarische Aufstellung kann ich Ihnen aber nicht geben.

Frage: Eine Frage an das Finanzministerium: Die Steuereinnahmen haben sich ja im vergangenen Jahr sehr positiv entwickelt, wie Ihr Haus meldet. Meine Frage ist: Wagen Sie einen Ausblick auf das begonnene neue Jahr? Wird sich dieser Trend fortsetzen, wie ja das Kieler Institut für Weltwirtschaft meint?

Kothé: Wir haben vor kurzem unseren Monatsbericht mit den Zahlen vom Dezember letzten Jahres veröffentlicht, und das ist jetzt auch bei uns im Internet eingestellt. Das sind die Zahlen, auf die sich heute auch die Berichterstattung fokussiert hat. Zur Frage, wie das Jahr, das gerade begonnen hat, abschließen wird: Ein wissenschaftliches Institut mag da modellhaft hochrechnen; wir tun das nicht, dafür ist es zu früh. Da müssten Sie einfach den Verlauf abwarten.

Frage: Im Zusammenhang mit dieser positiven Tendenz bei den Steuereinnahmen: Ist eigentlich inzwischen geklärt, wie viele Tranchen Deutschland in diesem Jahr zur Kapitalausstattung des dauerhaften europäischen Rettungsmechanismus aufwendet? Ist es jetzt definitiv so, dass zweimal 3,4 Milliarden Euro gezahlt werden und damit auch haushälterisch verkraftet werden müssen?

Kothé: Beim vergangenen Treffen der Eurogruppe wurden die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass man früher einzahlen kann, dass Einzahlungen also vorgezogen werden kann. Über das genaue Vorgehen ist aber noch zu entscheiden; es ist also noch keine Entscheidung getroffen worden.

Frage: Frau Kothé, ich habe eine Detailfrage zu Ihrem Monatsbericht, und zwar im Zusammenhang mit den Ländersteuern das ist der letzte Absatz des Fließtextes; ich weiß nicht, ob Sie das jetzt beantworten können, und bitte gegebenenfalls um eine spätere Beantwortung : Die Ländersteuern sind im letzten Monat deutlich gesunken, insgesamt im Jahr aber nicht. Ist das eine jahreszeitliche Entwicklung, die sich jedes Jahr wiederholt, oder ist da irgendetwas Besonderes passiert? Die Ländereinnahmen bei Erbschaftssteuer, Rennwett- und Lotteriesteuer, Feuerschutz- und Biersteuer sind überall deutlich zum Teil sehr deutlich zurückgegangen. Wird nicht mehr geerbt, wird kein Bier mehr getrunken, spielen die Leute nicht mehr Lotto? Sie nennen in Ihrem Bericht für viele andere Steigerungen oder Rückgänge Gründe; hier, bei den Ländersteuern, aber nicht. Deswegen frage ich an dieser Stelle noch einmal nach, weil zum Beispiel die Feuerschutzsteuer um 47 Prozent zurückgegangen ist, was uns natürlich sehr beunruhigt. Vielen Dank.

Kothé: Es ist eine interessante Frage, warum zum Beispiel die Biersteuer und die Feuerschutzsteuer zurückgegangen sind. Ich muss gestehen, dass ich das im Augenblick leider nicht beantworten kann. Wir werden Ihnen die Antwort aber gerne nachreichen.

Vorsitzender Freitag: Vielen Dank, Frau Kothé. Das gibt mir Gelegenheit, noch einmal auf eine Bitte unserer Mitglieder hinzuweisen: Wir freuen uns sehr, dass Sie in der Lage sind, Informationen nachzureichen. Viele Kollegen gerade schreibende Kollegen haben das Bedürfnis, das möglichst am frühen Nachmittag oder bis 16 Uhr zu erhalten, damit es auch noch rechtzeitig in die Blätter eingearbeitet werden kann.

Frage: Frau Kothé, wenn Sie keinen Ausblick auf das neue Jahr wagen mögen, können Sie aber vielleicht doch das abgelaufene Jahr ein wenig bewerten. Sind diese Einnahmen deutlich über den Erwartungen oder hatten Sie damit gerechnet, dass es 7,9 Prozent mehr Steuereinnahmen gibt?

Kothé: Natürlich ist das vergangene Jahr überdurchschnittlich gut verlaufen. Das hatten wir ja auch im Zusammenhang mit dem Bundeshaushalt schon bewertet, als wir die vorläufigen Ergebnisse vorgestellt haben.

Frage: Auch an das Finanzministerium: Einem Interview Ihres Ministers von heute habe ich entnommen, dass noch strittige Fragen mit der EU-Kommission in Sachen deutsch-schweizerisches Steuerabkommen ausgeräumt worden seien. Mich würde interessieren, ob diese Vereinbarung, dieser Abgleich mit Brüssel zur Folge hat, dass noch einmal irgendetwas an diesem Steuerabkommen verändert werden muss.

Zweitens würde mich interessieren, welchen Eindruck der Minister hinsichtlich der Erfolgschancen, dieses Abkommen letztendlich doch noch durch den Bundesrat zu bekommen, hat. Die Signale vom Bundesrat hören sich jedenfalls alles andere als vielversprechend an.

Kothé: Es ist richtig unser Minister hat das heute in einem Interview, das, glaube ich, morgen veröffentlicht wird, gesagt , dass es da Überlappungen inhaltlicher Art gab, die wir mit der Kommission diskutieren. Das ist jetzt erfolgt. Jetzt geht es weiter, jetzt werden die Gespräche mit den Ländern fortgesetzt. Wir sind zuversichtlich, dass diese Gespräche konstruktiv geführt werden und dass das Abkommen, wie geplant, zum 1. Januar 2013 in Kraft treten kann.

Zusatzfrage: Muss da noch einmal herangegangen werden, muss da als Folge der Gespräche mit Brüssel noch einmal etwas verändert werden?

Kothé: Soweit ich weiß nicht.

Frage: Mit Blick auf die Antwort auf eine parlamentarische Anfrage habe ich noch eine Frage an Sie, Herr Seibert: Ist es eigentlich ein üblicher Vorgang, dass Spendensammelvereine im Kanzleramt empfangen werden und dass es bei dieser Gelegenheit auch ein Foto mit der Kanzlerin geben kann, oder war es ein singulärer Vorgang, dass sich im Jahre 2009 der "Club 2013" im Kanzleramt getummelt und mit Herrn de Maizière damals als Kanzleramtschef gesprochen hat? In der Antwort heißt es, es habe auch einen Fototermin mit Frau Merkel gegeben.

StS Seibert: Das ist auch genau der Sachverhalt. Es gab einen Besuch einer niedersächsischen Unternehmergruppe im Bundeskanzleramt beim damaligen Chef des Bundeskanzleramts, Thomas de Maizière. Diesem Besuch bei Herrn de Maizière war ein kurzer Fototermin mit der Bundeskanzlerin in der sogenannten Sky Lobby Sie kennen das im siebten Stock vorgeschaltet. So etwas dauert üblicherweise wenige Minuten. Die Bundeskanzlerin macht im Verlaufe des Jahres unzählige solche Fototermine mit den unterschiedlichsten Gruppen. Weitere Kontakte der Bundeskanzlerin mit dieser Unternehmergruppe hat es nicht gegeben.

Zusatzfrage: Noch einmal ganz konkret gefragt: Dass es viele solcher Kontakte auch mit Unternehmern gibt, weiß ich sicherlich, aber konkret ist das ja wohl ein Club, dessen großes Ziel es ist beziehungsweise gewesen sein soll, Spenden für die niedersächsische CDU einzuwerben. Von daher ist das ja schon ein spezifischer, eher parteibezogener Anlass. Sind solche parteibezogenen Anlässe im Kanzleramt auch häufiger?

StS Seibert: Erstens. Ein Treffen mit Unternehmern ist für einen Kanzleramtsminister ganz genauso normal wie ein Treffen mit Gewerkschaftern, mit Kirchenvertretern oder mit Vertretern anderer wichtiger gesellschaftlicher Gruppen.

Zweitens. Spenden an politische Parteien gehören in unsere Demokratie. Sie sind, Gott sei Dank, streng und transparent durch das Parteiengesetz geregelt. Es sind sicherlich immer wieder und zwar zu allen Zeiten auch mal Menschen im Kanzleramt gewesen, die Parteispenden in die unterschiedlichsten Richtungen gemacht haben. Dies war ein Treffen mit einer Unternehmergruppe. Ich glaube, wir sollten aufpassen, nicht jeden Kontakt eines Politikers mit der Wirtschaft oder mit Vertretern anderer gesellschaftlicher Gruppen zu diskreditieren. Unserer Demokratie und auch dem guten Regieren nützt es, wenn die Handelnden vielfältige Gesprächskontakte haben auch in die Wirtschaft.

Zusatzfrage: Nur damit ich nichts Falsches berichte: Dies war also ein Treffen mit einer Unternehmergruppe, und nicht mit einem Club, der Spenden für die CDU sammelt?

StS Seibert: Ich weiß, dass sich diese Unternehmergruppe einen bestimmten Namen gibt. Ich sage ja: Es ist möglich, dass aus dieser Unternehmergruppe durchaus auch Spenden geleistet werden. Der Sinn dieses Treffens war aber mit Sicherheit nicht das Einsammeln von Spenden. Das war vielmehr ein Gespräch des damaligen Bundeskanzleramtsministers mit dieser niedersächsischen Unternehmergruppe alles im Rahmen von Recht und Gesetz und damit in Ordnung.


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Quelle:
Mitschrift der Pressekonferenz - Freitag, 27. Januar 2012
http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2012/01/2012-01-27-regpk-breg.html?nn=391778
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veröffentlicht im Schattenblick zum 31. Januar 2012