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PRESSEKONFERENZ/358: Kanzlerin Merkel und Präsident Mahmoud Abbas, 19.01.12 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung
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Mitschrift der Pressekonferenz in Berlin - Donnerstag, 19.01.2012
Pressestatements von Bundeskanzlerin Angela Merkel und dem Präsidenten der Palästinensischen Autonomiebehörde, Mahmoud Abbas

(Die Ausschrift des fremdsprachlichen Teils erfolgte anhand der Simultanübersetzung)


BK'in Merkel: Meine Damen und Herren, ich freue mich sehr, dass der palästinensische Präsident Mahmoud Abbas heute einmal wieder in Deutschland ist. Er hat hier umfangreiche Gespräche geführt. Sie wissen, dass wir in sehr permanentem, kontinuierlichem Kontakt sind.

Die jüngsten Gespräche zwischen Israel und den Palästinensern in Jordanien sind aus unserer Sicht ein guter Ausgangspunkt. Sie sollten genutzt werden, um aus dieser Situation in richtige Verhandlungen zu kommen. Wir haben über den Stand dieser Gespräche gesprochen. Leider gibt es noch nicht sehr viele Fortschritte, aber wir werden auch von unserer Seite alles dafür tun auch in Gesprächen mit der israelischen Seite , hier doch noch einen Fortschritt zu erreichen. Die jordanische Initiative das will ich ausdrücklich sagen; König Abdullah war ja auch in Deutschland ist sehr, sehr wichtig, und es ist gut, dass beide Seiten die israelische Seite und die palästinensische Seite diese Initiative aufgegriffen haben. Es geht darum, eine Zwei-Staaten-Lösung für einen jüdischen Staat Israel und einen palästinensischen Staat zu finden. Die Zeit drängt; wir sehen, dass im arabischen Raum sehr viele Veränderungen im Gange sind. Es wäre daher ein großer Beitrag, wenn wir hier einen Fortschritt sehen könnten.

Wir haben auch über die Frage gesprochen, welche Situation im Westjordanien und im Gazastreifen herrscht. Wir haben von unserer Seite den Präsidenten ermutigt, den Versöhnungsprozess voranzubringen. Deutschland unterstützt sehr aktiv die palästinensischen Gebiete. Wir wollen, dass dort eine wirkliche wirtschaftliche Entwicklung stattfinden kann. Wir können auch sagen, dass das im Westjordanland an vielen Stellen bereits gelungen ist. Wir werden die palästinensische Behörde auch jetzt wieder mit 42,5 Millionen Euro für finanzielle und technische Zusammenarbeit unterstützen.

Wir haben auch über die Entwicklung in der Region gesprochen. Ich habe von meiner Seite und da sind wir einer Meinung auch gesagt: Die Gewalt in Syrien muss enden. Man muss hier auch eine sehr klare Sprache gegenüber Herrn Assad finden. Ich glaube, wir sollten darauf hinwirken, dass diese klare Sprache auch im UN-Sicherheitsrat zum Ausdruck kommt. Wir wollen, dass das syrische Regime versteht, dass ein Festhalten an der Gewalt und ein Festhalten an der Macht keinen Frieden bringen. Die Lage in Syrien ist natürlich auch für die Lage in der gesamten arabischen Region von großer Bedeutung.

Noch einmal herzlich willkommen bei uns hier in Berlin! Deutschland wird seine Unterstützung für den Friedensprozess weiter deutlich machen. Wir werden das auch noch einmal durch Kontakte mit Israel unterstreichen. Wir hoffen, dass die Gespräche in Jordanien doch noch zu einem guten Ende führen.

P Abbas: Vielen Dank! Wir danken Frau Bundeskanzlerin Merkel und der deutschen Bundesregierung für die großartige Unterstützung, die für die Stabilität und Sicherheit in unserer Region sowie auch für den Aufbau der Institutionen eines palästinensischen Staates geleistet wird. Diese Unterstützung für den Frieden in unserer Region bekommen wir sowohl materiell als auch politisch.

Wir haben der Frau Bundeskanzlerin über alle laufenden Kontakte zur Belebung des Friedensprozesses, die unter der Schirmherrschaft des Bruderstaates Jordanien und des Quartetts stattfinden, unterrichtet. Wir halten uns daran, ernsthafte Verhandlungen auf festen Grundlagen durchzuführen, die auf die internationale Legitimität und auf die Entscheidungen des Quartetts, die am 23. September 2011 getroffen worden sind, bauen.

Wir sind auch auf die israelischen Praktiken auf (palästinensischem) Boden eingegangen; denn wenn der Siedlungsbau und die Besetzung Ostjerusalems fortgesetzt würden, dann würde dies den Friedensprozess torpedieren. Dies gilt auch für die Praktiken der israelischen Siedler, die Bäume und Moscheen in Brand stecken und die Bürger angreifen.

Ich habe der Frau Bundeskanzlerin des Weiteren Informationen darüber gegeben, welche Entwicklungen bisher bei der nationalen Versöhnung erzielt wurden. Wir danken diesbezüglich für ihre Unterstützung!

Wir haben auch über die Lage in der arabischen Region gesprochen. Wir hoffen sehr, zu Stabilität und Frieden im Nahen Osten zu kommen.

Die bilateralen palästinensisch-deutschen Beziehungen entwickeln sich prächtig. Die deutsche Bundesregierung hat mit den Palästinensern einen Lenkungsausschuss gebildet, der uns bei der Errichtung der Institutionen eines unabhängigen palästinensischen Staates hilft. Dafür danken wir der Bundeskanzlerin noch einmal.

Frage: Herr Präsident, was veranlasst Sie dazu, zu glauben, dass Deutschland im Konflikt zwischen Israel und Palästina helfen könnte? Wie Sie wissen, ist Deutschland aufgrund seiner Geschichte aber nicht nur deswegen einer der zuverlässigsten Freunde Israels. Was macht Sie also so zufrieden? Zumindest scheinen Sie zufrieden zu sein.

Frau Bundeskanzlerin, einerseits wünscht sich die deutsche Außenpolitik ja eine Versöhnung, ein "Agreement" oder wie immer man es nennen möchte zwischen Fatah und Hamas; andererseits wird aber, sobald es (zu Verhandlungen) kommt, gesagt: Wir reden nicht mit Terroristen. Wie kann dieser Knoten durchschlagen werden?

P Abbas: Dass Deutschland ein Freund Israels ist, stört uns nicht, denn Deutschland ist sowohl ein Freund Israels als auch ein Freund von uns. Aufgrund dieser Stellung, die Deutschland hat, kann Deutschland eine wichtige Rolle im Friedensprozess spielen; denn der Frieden ist sowohl für Israel als auch für die Palästinenser, für die Region und für die ganze Welt wichtig. Aus diesem Blickwinkel erwarte ich, dass keine der Parteien übersensibel auf den deutschen Standpunkt reagiert. Deswegen kann Deutschland eine gute Rolle spielen.

BK'in Merkel: Ich glaube, dass der Knoten, der im Augenblick zu durchschlagen ist, noch woanders liegt. Präsident Abbas hat die Hoheit für die Außenpolitik und auch für die Verhandlungen im Friedensprozess; insofern ist er die legitimierte Persönlichkeit, die auch mit der israelischen Seite sprechen kann. Der Knoten liegt aber eigentlich darin, dass man einen Weg findet, Verhandlungen zu beginnen. Man ist jetzt schon ein Stück vorangekommen, und zwar dahingehend, dass vorrangig über Sicherheit und über Grenzen gesprochen wird. Es ist ganz wichtig, dass hier Fortschritte gezeigt werden und dass jede Seite sieht, dass guter Wille vorhanden ist; das gilt für die palästinensische Seite und das gilt sicherlich auch für die israelische Seite. Deshalb glaube ich, dass wir hieran arbeiten müssen. Das Zeitfenster lässt diese Möglichkeit im Grund auch offen. Deshalb werde ich beziehungsweise wird die deutsche Seite natürlich auch zusammen mit der Europäischen Union und zusammen mit Großbritannien und mit Frankreich nach den jetzigen Gesprächen schauen, dass wir auch mit der israelischen Seite sprechen. Das brauchen wir hier aber nicht coram publico zu machen.

Frage: Frau Bundeskanzlerin, die Europäische Union war im vergangenen Jahr gespalten, was die Ausrufung eines unabhängigen Palästinenserstaates angeht. Sehen Sie in der jetzigen Phase eine größere Geschlossenheit der Europäer? Erwarten Sie, dass die Amerikaner beziehungsweise Präsident Obama im Wahljahr überhaupt noch ein wichtiger Akteur sein können, oder fallen die USA bei den Versuchen, im Nahen Osten Frieden zu stiften, derzeit eigentlich aus?

Herr Präsident, fürchten Sie, dass bei einer Veränderung der politischen Lage in Ägypten möglicher einer Ihrer wichtigsten Verbündeten ausfällt?

BK'in Merkel: Ich glaube, dass wir alle gemeinsam auch mit den Vereinigten Staaten von Amerika, trotz Wahljahr diesen Prozess flankieren können. Die Agenda, die dabei gegangen werden müsste, ist eigentlich auch recht klar. Europa kann da durchaus unterstützend tätig werden.

Wir haben unterschiedliche Auffassungen bezüglich der Frage: Ist es sinnvoll oder ist es nicht sinnvoll, jetzt eine Anerkennung des palästinensischen Staates zu erklären? Das lässt uns als Europa aber trotzdem ganz einheitlich in der Frage agieren, dass es zu Verhandlungen kommen sollte. Präsident Abbas hat die Frage der Anerkennung des palästinensischen Staates ja auch von seiner Seite für einen bestimmten Zeitraum zurückgestellt und hat gesagt: Worum es geht, ist Frieden, ist eine Zwei-Staaten-Lösung, sind Grenzen und sind Sicherheit. Er hat also auch Verständnis dafür geäußert, dass die Sicherheit ein wichtiger Punkt ist. Darauf bauen wir jetzt auf, und eigentlich sind alle in Europa der Meinung, dass man daraus Verhandlungen werden lassen sollte.

P Abbas: Wir, die Palästinenser, wissen ganz genau, dass die palästinensische Sache von allen Völkern in der arabischen Welt und auch in der ganzen Welt unterstützt wird. Eine Änderung in Ägypten oder in irgendeinem anderen Regime bedeutet überhaupt nicht, dass sich der Blick des ägyptischen Volkes für die palästinensische Sache ändert. Wir sind vielmehr zuversichtlich, dass, egal wer Ägypten regiert, diese Regierung den Willen des Volkes hinsichtlich der Unterstützung der palästinensischen Sache erfüllen wird. Insofern fühlen wir uns überhaupt nicht gestört von irgendwelchen Veränderungen, die hier oder dort stattfinden. Solange die Völker diese Veränderungen wollen, sind auch wir mit diesen Veränderungen (einverstanden).

Frage: Frau Bundeskanzlerin, wenn die Verhandlungen in Jordanien jetzt zu keinen Ergebnissen führen würden, könnte das dann in irgendeiner Weise die deutsche Position, was die palästinensische Staatlichkeit angeht, verändern?

Herr Präsident, Sie haben die Freundschaft Deutschlands gelobt. Hätten Sie sich in der Frage der Aufnahme in die Vereinten Nationen dennoch eine andere Position Deutschlands gewünscht? Erwarten Sie, dass es diese andere Position eventuell in naher Zukunft geben wird?

BK'in Merkel: Ich beantworte solche spekulativen Fragen ja nicht, sondern ich sage einfach: Wir wollen jetzt hilfreich dabei sein das Zeitfenster ist ja noch nicht geschlossen, die Gespräche in Jordanien laufen noch , dass es zu einem Ergebnis kommt. Wir alle wissen, dass es schon viele Versuche gegeben hat. Insofern lassen wir uns da nicht ermutigen. Jetzt sind wir erst einmal wieder in einer Situation, in der überhaupt beide Seiten miteinander sprechen. Das war viele Monate lang nicht der Fall. Diese Situation wollen wir jetzt nutzen.

P Abbas: Ich sagte, dass wir den Standpunkt Deutschlands und auch die Unterstützung, die wir bekommen, sehr hoch schätzen. Wir bekommen wirklich auf allen Gebieten Unterstützung von Deutschland; der Fingerabdruck Deutschlands ist überall auf dem palästinensischen Boden sichtbar. Was die Anerkennung oder Nicht-Anerkennung betrifft, so erkennen wir die Position Deutschlands an und haben Respekt vor dieser Ansicht.


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Quelle:
Mitschrift der Pressekonferenz - Donnerstag, 19. Januar 2012
http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2012/01/2012-01-19-merkel-abbas.html?nn=391778
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veröffentlicht im Schattenblick zum 21. Januar 2012