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BUNDESTAG/7735: Heute im Bundestag Nr. 887 - 19.11.2018


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 887
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Montag, 19. November 2018, Redaktionsschluss: 14.55 Uhr

1. Grüne fordern Klimaforschung zu stärken
2. Regierung: Kaum Talente-Auswanderung
3. Zentrum für Künstliche Intelligenz
4. Stand zur Mindestausbildungsvergütung
5. Details zu Digitalgremien


1. Grüne fordern Klimaforschung zu stärken

Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung/Antrag

Berlin: (hib/ROL) Klimaforschung ist die Grundlage jeder effektiven, nachhaltigen und verantwortungsvollen Klimapolitik. Sie untersucht die Wirkungsmechanismen der Klimakrise. Deren erste Folgen sind bereits für viele Menschen im Alltag spürbar. Das schreiben Bündnis 90/ Die Grünen in ihrem Antrag (19/5816), in dem sie die Bundesregierung auffordern, ein Rahmenprogramm zur Klima- und Klimafolgenforschung über 100 Millionen Euro pro Jahr zu beschließen.

Die Forschungsergebnisse der Klima- und Klimafolgenforschung seien über die Wissenschaft hinaus von größter Bedeutung für Politik und Gesellschaft, da sie sich mit den verbliebenen Möglichkeiten der menschengemachten Erderhitzung beschäftigen und gleichzeitig die Konsequenzen erforschen, falls zu wenig im Sinn des Klimaschutzes getan wird.

Die Finanzierung der Klima- und Klimafolgenforschung werde der gesellschaftlichen Bedeutung dieses Forschungsbereichs seit Jahren nicht gerecht. An den Universitäten, den Hochschulen für angewandte Wissenschaften, den außeruniversitären Forschungseinrichtungen sowie Klimaforschungsinstituten in Deutschland werde Klimaforschung auf internationalem Spitzenniveau betrieben. Dies sei allerdings zunehmend nicht wegen, sondern trotz der Förderpolitik der Bundesregierung der Fall. Die exzellente Forschungsarbeit brauche eine bessere Finanzierung durch öffentliche Drittmittelgeber, Wissenschaftsfreiheit, Wertschätzung und eine effizientere Wissenschaftskommunikation.

So müssten die globalen Modelle auf die lokalen Bedingungen "heruntergebrochen" werden, um regionale und lokale Auswirkungen mit größerer Tiefenschärfe prognostizieren zu können (sog. Downscaling). Bestehende Beobachtungssysteme gelte es auszubauen und disziplinübergreifend in Datenbanken zusammenzuführen, um auch bio-geochemische oder marine Prozesse besser modellieren zu können. Wenn komplexe Gesamtsysteme wie der Golfstrom im Atlantik oder die Permafrostböden in der sibirischen Tundra als Folge der Klimakrise erst einmal "kippen", sei es für ein menschliches Umsteuern zu spät und eine selbstverstärkende Kettenreaktion der globalen Erhitzung könnte in Gang geraten. Das Wissen über solche Kippelemente müssten daher ausgebaut werden.

Denn obwohl bereits viele mögliche Kipp-Punkte identifiziert seien, bestehe doch weiterhin eine hohe Unsicherheit darüber, ab welcher Temperatur ganze Ökosysteme kippen und wie die Auswirkungen auf einzelne Lebensbereiche seien. Erst durch eine stärkere interdisziplinäre Verankerung der Klimafolgenforschung wären dazu fundiertere Aussagen möglich. So wisse man bisher beispielsweise nicht, welche neuen Krankheiten sich in Deutschland und weltweit verbreiten, wenn die globale Temperatur steigt. Der Landwirtschaft drohe bei regelmäßigen Hitzewellen oder Starkregenfällen eine Dauerkrise. Doch auch andere Wirtschaftszweige - von der Fischerei bis zum Tourismus - stünden vor gewaltigen Herausforderungen, auf die es bisher zu wenige Antworten gebe.

Zudem sei die Klimaforschung auch eine Frage der zivilen Sicherheit: Während sich Bevölkerungsschützer vor Ort, aber auch große Rückversicherer längst intensiv über die Auswirkungen der Klimakrise Gedanken machten, spielten sie im Rahmenprogramm der Bundesregierung "Forschung für zivile Sicherheit" keine Rolle. Es sei wichtig zu wissen, wie die kritischen Infrastrukturen für die Bewältigung von neuen Extremereignissen wie Starkregen oder Dürren sicher gemacht werden können, um diese Erkenntnisse in Szenarien der Behörden einfließen zu lassen und auf die Folgen der Klimakrise adäquat reagieren zu können.

Die Grünen fordern die Bundesregierung daher auf, ein Rahmenprogramm zur Klima- und Klimafolgenforschung zu beschließen, das ressortübergreifend alle Förderaktivitäten der Bundesregierung im Bereich der Klima- und Klimafolgenforschung verknüpft, weiterentwickelt und stärkt. Es sollen Schwerpunkte im Bereich der Klimamodellierung, regionaler und sektoraler Aspekte der simulierten Klimaänderung gesetzt werden. Zudem soll die Klimafolgenforschung, insbesondere bezüglich regionaler Unterschiede und Interaktionen mit anderen gesellschaftlichen oder wirtschaftlichen Wandlungsprozessen, gesetzt werden. Insbesondere biologische, chemische, geologische, ozeanographische, meteorologisch, geophysikalische und glaziologische Langzeitmessungen sollen verstetigt und intensiviert werden.

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2. Regierung: Kaum Talente-Auswanderung

Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung/Antwort

Berlin: (hib/ROL) Deutschland ist für hoch qualifizierte Arbeitskräfte ein attraktives, weltoffenes Land. Auch die amtliche Statistik deutet nicht auf eine "Abwanderung hochqualifizierter Deutscher" ins Ausland in nennenswerten Ausmaß hin. Das schreibt die Bundesregierung in ihrer Antwort (19/5763) auf die Kleine Anfrage der AfD-Fraktion (19/5249). Die Bundesregierung teile nicht die Einschätzung der AfD, dass internationale Wissenschaftlermobilität zu einer Reduktion der Forschungsqualität in Deutschland beitrage. Zeitweilige Aufenthalte von Wissenschaftlern im Ausland seien Teil der wissenschaftsimmanenten "Brain Circulation", die - wie internationale Kooperationen insgesamt - zum Wesen von Wissenschaft gehöre.

Nach Kenntnis der Bundesregierung sei die Reputation der deutschen Wissenschaft im internationalen Wettbewerb hoch. Beispielhaft nennt die Bundesregierung als Quellen die Wahrnehmung wissenschaftlicher Veröffentlichungen mit in Deutschland ansässigen Autoren (Bibliometrie) und Berichte über diverse Wissenschafts- und Innovationsindikatoren. Bereits 2005 habe eine Analyse im Wissenschaftsmagazin "Nature" in dem Artikel "The scientific impact of nations" Deutschland in die sogenannte "premier league" eingeordnet. Seitdem hätten sich die Indikatoren, die als Maß für die Qualität von Publikationen verwendet worden seien, in der Regel noch verbessert. Zudem belege der "Unesco Science Report, Towards 2030" aus dem Jahr 2015 die Leistungsfähigkeit Deutschlands im Vergleich zu anderen Ländern und regionalen Gruppen anhand einer Vielzahl von Indikatoren. Deren Dokumentation liefere eine transparente Datenbasis für die hohe Reputation Deutschlands.

Auf Ebene der Studenten weise Deutschland eine positive Mobilitätsbilanz mit einem deutlich höheren Anteil an einreisenden als ausreisenden Studenten auf. Der vom Deutschen Akademischen Austauschdienst und dem Deutschen Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung jährlich herausgegebene Bericht "Wissenschaft Weltoffen 2018" dokumentiere die Mobilität von Studenten und Wissenschaftlern, wonach 235.858 Studenten nach Deutschland eingereist und 137.700 ausgereist seien. Datenbasis hierfür sei die internationale Studierendenstatistik der UNESCO.

Auf Ebene der wissenschaftlichen Autoren sei das Verhältnis von Einreisenden zu Ausreisenden nahezu ausgeglichen. Der Bericht "Wissenschaft Weltoffen 2018" führe für Deutschland 81.656 einreisende Wissenschaftler gegenüber 85.857 ausreisenden Wissenschaftlern auf. Datenbasis seien dabei die bibliometrischen Daten aus dem Science, Technology and Industry (STI)-Scoreboard der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD).

Da nach Einschätzung der Bundesregierung Deutschland ein attraktives Land für hoch qualifizierte Arbeitskräfte sei und die Bundesregierung die von der AfD geäußerte Vermutung zum Abwanderungssaldo von Talenten nicht teilt, lehnt die Bundesregierung eine Engführung ihrer Kommunikation mit Interessen- und Berufsverbänden und weiteren Akteuren auf eine "Ursachenforschung von Abwanderung und Brain Drain" ab. Gleichwohl entwickle das Bundesministerium für Arbeit und Soziales zusammen mit weiteren Ministerien eine neue Fachkräftestrategie im Dialog mit Sozialpartnern, Kammern, Ländern und der Bundesagentur für Arbeit aufbauend auf der Partnerschaft für Fachkräfte. Schwerpunkt werde dabei unter anderem auch eine Nationale Weiterbildungsstrategie sein.

Die Sorge der AfD im Hinblick auf die Berufsgruppe der Ärzte wird von der Bundesregierung nicht geteilt. Laut Statistik der Bundesärztekammer (BÄK) sei die Gesamtzahl der ins Ausland abwandernden Ärzte rückgängig. Gleichzeitig hebe die BÄK den wichtigen Beitrag von Ärzten aus dem Ausland zur Aufrechterhaltung der Versorgung gerade in ländlichen Gebieten hervor.

Es sei der Bundesregierung bekannt, dass insbesondere Universitäten und (auch medizinische) Forschungseinrichtungen in den USA und Großbritannien durch herausragende Einzelvereinbarungen sowohl in Bezug auf wissenschaftliche Freiheiten als auch im Hinblick auf die Höhe der Vergütung traditionell große internationale Anziehungskraft entfalten würden. Das deutsche Wissenschaftssystem dagegen zeichne sich durch seine sehr gute wissenschaftliche Basis in der Breite - also jenseits sehr weniger Spitzenorte, seine oftmals über lange Zeiträume verlässliche Finanzierung sowie seine auch interdisziplinäre Vielfalt an Institutionen und Forschungsthemen auf hohem wissenschaftlichen Niveau aus.

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3. Zentrum für Künstliche Intelligenz

Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung/Kleine Anfrage

Berlin: (hib/ROL) Deutschland soll zu einem weltweit führenden Standort bei der Erforschung von künstlicher Intelligenz (KI) werden. Hierzu wollte die Bundesregierung auf Grundlage der Plattform Lernende Systeme ein Nationales Forschungskonsortium für künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen zusammen mit Frankreich aufbauen und konsequent auf Anwendungen in allen Feldern der Forschungs- und Innovationsstrategie ausrichten. Laut FAZ vom 1. Oktober wird es dieses geplante deutsch-französische Forschungszentrum in der angestrebten Form nicht geben. Das schreibt die FDP-Fraktion in ihrer Kleinen Anfrage (19/5634). Die FDP fragt unter anderem, wie das nun geplante virtuelle Netzwerk aus verschiedenen Institutionen aussehen soll und möchte wissen, ob die Bundesregierung zwischen Frankreich und Deutschland weiterhin eine im Vergleich zu anderen europäischen Staaten vertiefte Zusammenarbeit bei der KI-Forschung betreiben will.

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4. Stand zur Mindestausbildungsvergütung

Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung/Kleine Anfrage

Berlin: (hib/ROL) Im Koalitionsvertrag haben SPD, CDU und CSU vereinbart, bis zum 1. August 2019 eine Mindestausbildungsvergütung im Berufsbildungsgesetz zu verankern. Konkrete Ziele dieser Maßnahme und Berechnungsgrundlagen für die Höhe der Vergütung wurden jedoch nicht genannt. Das schreibt die FDP-Fraktion in ihrer Kleinen Anfrage (19/5713).

Die FDP möchte gerne wissen, wie sich nach Kenntnis der Bundesregierung die Zahl der Auszubildenden in den Kleinstbetrieben (bis 10 Mitarbeiter) in den vergangenen zehn Jahren entwickelt hat und wie sich die Zahl der jungen Menschen, die die Sekundarstufe II an weiterführenden Schulen besuchen und abschließen, sowie die Anzahl der Studienanfänger verändert haben. Auch interessiert die FDP, in wie weit die Ausbildungsvergütungen in den vergangenen zehn Jahren in den einzelnen Berufen gestiegen seien.

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5. Details zu Digitalgremien

Ausschuss Digitale Agenda/Kleine Anfrage

Berlin: (hib/LBR) Mit der Frage, wie die Steuerung und Koordination zwischen den unterschiedlichen digitalpolitischen Gremien sichergestellt wird, um eine konsistente Agenda zu ermöglichen beschäftigt sich die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in einer Kleinen Anfrage (19/5707). In der Vorbemerkung heißt es, dass kaum ersichtlich sei, inwieweit die Staatsministerin für Digitalisierung, der Digitalrat, das Digitalkabinett, die Datenethikkommission und die beiden neu eingesetzten Enquete-Kommissionen inhaltlich und von den Zuständigkeiten voneinander abzugrenzen sind oder sich ergänzen und überschneiden. Daher möchte die Fraktion wissen, welche konkreten Aufgabenteilungen und Schnittmengen es zwischen den Aufgabenbereichen gibt und wie der Informationsaustausch zwischen den Gremien organisiert ist. Zudem fragen die Abgeordneten, ob geplant ist, der Staatsministerin für Digitalisierung zukünftig ein eigenes Budget für Projekte im Bundeshaushalt zur Verfügung zu stellen und wie viele Sitzungen des Digitalkabinetts im Jahr 2019 geplant sind. Auch erkundigt sich die Fraktion unter anderem danach, ob an der im Koalitionsvertrag in Aussicht gestellten Schaffung einer "Digitalagentur" festgehalten werde.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 887 - 19. November 2018 - 14.55 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 20. November 2018

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