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BUNDESTAG/7622: Heute im Bundestag Nr. 774 - 17.10.2018


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 774
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Mittwoch, 17. Oktober 2018, Redaktionsschluss: 13.02 Uhr

1. Warnung vor Urananreicherungs-Ausstieg
2. Digitalisierung im Bildungswesen
3. Weg frei für Änderung der Lkw-Maut
4. Ausschuss billigt GKV-Entlastungsgesetz


1. Warnung vor Urananreicherungs-Ausstieg

Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit/Anhörung

Berlin: (hib/suk) Die Forderung von Bündnis 90/Die Grünen und Linksfraktion, Urananreicherung und Brennelementeherstellung in Deutschland zu beenden, wird von Experten höchst unterschiedlich bewertet. Besonders umstritten ist die Frage, ob mit dem geforderten Ausstieg Verfassungs-, Völker- oder EU-Recht gebrochen werden würde. Das wurde in einer Anhörung des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit am Mittwochvormittag, 17. Oktober 2018, deutlich. Beide Fraktionen haben einen entsprechenden Gesetzentwurf (19/964) bzw. einen Antrag (19/2520) vorgelegt. Darin fordern sie, die Betriebserlaubnis für Anlagen Urananreicherung und Brennelementeherstellung zu beenden und diese stillzulegen. Die Abgeordneten argumentieren, diese Maßnahmen seien im Zuge des deutschen Atomausstiegs nötig.

Der Rechtsanwalt Stefan Wiesendahl betonte in seiner Stellungnahme, die Beendigung der Urananreicherung und die Brennelementeherstellung ließen sich nur "sehr bedingt" mit dem Ausstieg aus der friedlichen Nutzung der Kernenergie vergleichen, da sie bereits in der Risikobewertung "grundlegend unterschiedlich" seien. Ein Ausstieg würde sowohl gegen Eigentumsrechte wie die Berufsfreiheit verstoßen, zudem gebe es dagegen erhebliche Europarechtliche Bedenken, weil er sich auf die Warenverkehrsfreiheit auswirken würde. Das Haftungsrisiko sei "signifikant hoch". Rechtsanwalt Herbert Pösser sagte, eine einseitige Lösung Deutschlands aus den entsprechenden Verträgen sei erst im Jahr 2042 möglich;. Zudem gebe es nach dem Vertrag von Cardiff, bei dem ein Rücktritt Deutschlands erst 2016 möglich wäre, die Pflicht, Bau und Betrieb von Urananreicherungsanlagen zu fördern und nicht zu beeinträchtigen. Bei einem Ausstieg drohten erhebliche Schadenersatzansprüche. Zu einer gänzlich anderen Bewertung kam die Rechtsanwältin Dörte Fouquet: Sie sehe keine grundlegenden verfassungsrechtlichen oder europarechtlichen Bedenken, die gegen den geforderten Ausstieg sprächen. Vielmehr müsse "die Kette geschlossen" und die Verbreitung von Kernbrennstoffen auf dem Boden der Bundesrepublik eingestellt werden. Es sei das souveräne eines jeden Staates, seine Energiequellen selbst auszuwählen.

Auch der Jurist Professor Wolfgang Ewer sagte, die Forderungen wären verfassungs- und unionsrechtskonform. Dafür bedürfe es eines "legitimen Ziels", das nicht davon abhängig sei, ob es neue Erkenntnisse zum Risiko der Urananreicherung und Brennelementeherstellung gebe: Dies sei auch bei unveränderter Risikolage möglich.Je nach der gegebenen Frist für die Beendigung der Techniken könnten Entschädigungszahlungen nötig sein.

Zu dem Schluss, der geforderte Ausstieg sei verfassungskonform, kommt auch der Der Jurist Ulrich Wollenteit. Wie man eine Ausstiegsgesetzgebung entsprechend gestalte, habe das Bundesverfassungsgericht spätestens mit seiner Entscheidung aus dem Dezember 2016 erklärt. Es habe dem Gesetzgeber einen "weiten Einschätzungs- und Entscheidungsspielraum" eingeräumt - die Entscheidung, auf eine Hochrisikotechnologie zu verzichten, sei ein legitimer Grund. Mit einer Ausstiegsfrist von ein bis drei Jahren könnten auch Entschädigungszahlungen vermieden werden.

Für Professor Joachim Wieland von der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer ist klar, dass die friedliche Nutzung der Kernenergie von einer politischen Entscheidung des Gesetzgebers abhängig ist. Zwar müsse der Vertrauensschutz berücksichtigt werden, aber seit den 1970er Jahren gebe es den durchgehenden Tenor des Bundesverfassungsgerichts, wonach der Umgang mit der Kernenergie vom Parlament abhängig sei. Zudem seien völkerrechtliche Verträge durch den Gesetzgeber kündbar. Der ehemalige Botschafter und Ständige Vertreter der Bundesrepublik Deutschland bei dem Büro der Vereinten Nationen und bei anderen internationalen Organisationen in Wien, Friedrich Däuble, wies darauf hin, es sei von erheblicher sicherheitspolitischer Bedeutung, dass Deutschland weiterhin eine "substantielle Mitsprache" in den Gremien habe, in denen Atomverträge - etwa mit dem Iran - verhandelt würden. Dabei gehe es auch um die Festlegung internationaler Sicherheitsstandards für Atomanlagen. Wer dabei nicht Mitglied des Gouverneursrates sei, dem höre "kein Mensch zu".

Holger Bröskamp, ehemaliger Geschäftsführer der GNS Gesellschaft für Nuklear-Servie mbH, wies darauf hin, dass Anlagen zur Urananreicherung "nicht vergleichbar" mit Kernkraftwerken seien, wenn es um das potentielle Risiko gehe. Hier würden weder Kernspaltung noch Kettenreaktionen stattfinden, entstünden auch keine Spaltprodukte oder Nachzerfallswärme.

Jan-Christian Lewitz, Physiker bei der Lewitz LTZ Consulting GmbH, betonte, die in Rede stehenden Anlagen seien in Sachen Risiko "relativ unbedeutend" und nicht vergleichbar mit Atomkraftwerken. Es herrsche in der Bundesrepublik beim Umgang mit Stoffen eigentlich das Prinzip "Wiederverwendung vor Verwertung vor Entsorgung" - nur radioaktive Stoffe würden anders behandelt werden und es müsse Endlager geben, in denen sie eine Million Jahre sicher gelagert werden könnten. Dabei gebe es "das Abfallproblem technisch nicht".

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2. Digitalisierung im Bildungswesen

Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung

Berlin: (hib/ROL) Die Digitalisierung in Schulen und Universitäten muss vorangetrieben werden. Das war überwiegend der Tenor beim Öffentlichen Fachgespräch zum Thema "Digitalisierung in Schule, Ausbildung und Hochschule" vor dem Ausschuss für Bildung Forschung und Technikfolgenabschätzung am Mittwochvormittag in Berlin. Vorlagen zum Fachgespräch waren die Drucksachen (19/3440) und (18/9606).

Alexander Classen, Geschäftsführer der Digitalen Hochschule NRW, FernUniversität Hagen, machte deutlich, dass die Digitalisierung für alle "Leistungsdimensionen" einer Hochschule von Bedeutung sei. Digitalisierung müsse zum Normallfall der akademischen Wissensvermittlung werden. Die Beurteilungs- und Verwendungsfähigkeit neuer Medien müsse gesteigert werden.

Man dürfe die Fehler der letzten 30 Jahre bei der Digitalisierung im Bildungswesen nicht wiederholen oder fortsetzen. Das mahnte Ira Diethelm an, Universitätsprofessorin für Didaktik der Informatik an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg. Deshalb sei es nötig Digitalisierung in allen Fächern gemeinsam mit dem Leitfach Informatik umzusetzen, Medienpädagogen an Schulen zu etablieren, Schulen nachhaltig und adäquat technisch auszustatten und die Lehrerbildung voran zu treiben. Zudem plädierte sie dafür, das Kooperationsverbot für Forschung und Entwicklung, also auch speziell für die Forschungsförderung, abzuschaffen. Ziel müsse ein innovatives und zukunftsfähiges Bildungssystem sein, das den großen Herausforderungen im Bildungsbereich nachkomme und bestmögliche Bildungschancen für alle Schülern gewährleiste. Dafür plädierte Birgit Eickelmann, Professorin am Lehrstuhl für Schulpädagogik, Institut für Erziehungswissenschaft an der Universität Paderborn. Investitionen in Bildung und in Schulen sollten auch in Deutschland mehr als bisher als Investitionen in die Zukunft unseres Landes verstanden werden.

Professorin Monika Gross, Vizepräsidentin für Digitale Infrastrukturen der Hochschulrektorenkonferenz (HRK), Präsidentin der Beuth Hochschule für Technik Berlin, machte deutlich, dass im Bereich der digitalen Lehre aus Sicht der Hochschulrektorenkonferenz vor allem die Nachhaltigkeit berücksichtigt werden müsste. Vor der Vergabe von einmaligen Mitteln zur Anschubfinanzierung sollten Konzepte erarbeitet werden, wie die etablierten Strukturen auch künftig aus laufenden Haushaltsmitteln und mit vorhandenen Ressourcen aufrechterhalten werden können. Angesichts begrenzter Ressourcen der Hochschulen sollten die geplanten Digitalisierungsvorhaben durch ein angemessenes Verhältnis zwischen der Höhe der eingesetzten Mittel und der Größe der zu erreichenden Zielgruppe gekennzeichnet sein.

Professor Bardo Herzig, Direktor des Zentrums für Bildungsforschung und Lehrerbildung, Institut für Erziehungswissenschaft an der Universität Paderborn, unterstrich, dass die durch Digitalisierung und Mediatisierung induzierten Veränderungsprozesse fundamental für die Gesamtgesellschaft seien und eine zentrale Bedingung im Hinblick auf die Sicherung Deutschlands als wettbewerbsfähigen Wirtschafts- und Wissenschaftsstandort darstellten. Digitale Medien würden ihre Potentiale allerdings erst in didaktisch kompetentem Umfeld entfalten können. In diesem Zusammenhang warb Herzig auch für eine bessere Lehrerausbildung.

"Der beste Start ins digitale Zeitalter findet ohne Computer statt." Das sagte Professor Gerald Lembke, von der Dualen Hochschule Baden-Württemberg. Die Aussagen von Politikern, Vertretern der IT-Branche und der Medien klängen so, als ob die Digitalisierung alternativlos sei. Verschiedene Studien hätten ergeben, dass die förderlichsten Punkte für einen guten Unterricht "transparente Leistungserwartung" (Feedback), "klare Strukturierung und inhaltliche Klarheit der Lerninhalte" (Roter Faden), "Lehrer-Schüler-Verhältnis" (Lernklima) und "kooperatives Lernen" (Methodenvielfalt) seien. So zeigten empirische Befunde, dass konkret der Einsatz von Laptops und mobilen Geräten im Unterricht die Lernleistungen nicht verbessere. Unter bestimmten Voraussetzungen komme es sogar zur Verschlechterung der Lernergebnisse. Diese würden bei bestimmten Schülerpersönlichkeiten vor allem durch das hohe Ablenkungs- und Suchtpotenzial eines exzessiven Digitalkonsums determiniert.

Professor Udo Lemke, Geschäftsführer bei Provadis Partner für Bildung und Beratung in Frankfurt am Main, machte deutlich, dass die Digitalisierung in der Bildung so gestaltet werden müsste, dass die Chancen und Potenziale genutzt werden können, die durch neue Technologien, Lernformate und intelligente Lernarrangements möglich seien. Hierdurch würden klassische Formen des Lernens nicht grundsätzlich abgelöst, sondern sinnvoll ergänzt. Lernen sei und bleibe ein sozialer Kernprozess, der in der Gemeinschaft zwischen Lernenden und Lehrer geschehe, der zumindest für allgemeinbildende Schulen und Erstausbildung auch zukünftig größtenteils in Präsenz geschehen sollte. Ekkehard Winter, Mitglied des Forums Bildung Digitalisierung und Geschäftsführer der Deutschen Telekom Stiftung, Bonn sagte: "Es geht um Bildung in der Digitalisierung, nicht um Digitalisierung in der Bildung." Es müsse um die Frage gehen, wie sich Bildungsprozesse angesichts des digitalen Wandels verändern und entwickeln - nicht, wie diese digitaler gestaltet werden können. Zudem würden digitale Medien den pädagogischen Handlungsspielraum erweitern und könnten damit zu Bildungsgerechtigkeit beitragen.

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3. Weg frei für Änderung der Lkw-Maut

Verkehr und digitale Infrastruktur/Ausschuss

Berlin: (hib/HAU) Der Verkehrsausschuss hat mit den Stimmen von Unions- und SPD-Fraktion den Weg frei gemacht für eine Änderung der Lkw-Mautsätze ab 1. Januar 2019. In der Sitzung am Mittwoch stimmte der Ausschuss für den von der Bundesregierung vorgelegten "Entwurf eines Fünften Gesetzes zur Änderung des Bundesfernstraßenmautgesetzes" (19/3930) in der durch Anträge der Koalitionsfraktionen geänderten Fassung. Die Fraktionen der AfD, der FDP und von Bündnis 90/Die Grünen stimmten gegen die geplante Neuregelung. Die Linksfraktion enthielt sich. Änderungsanträge der Oppositionsfraktionen fanden keine Mehrheit. Am Donnerstag soll der Gesetzentwurf durch den Bundestag verabschiedet werden.

Ziel des Gesetzes ist es laut Bundesregierung, die Mautsätze auf der Basis des Wegekostengutachtens 2018 bis 2022 zu aktualisieren und eine rechtliche Grundlage für die Anlastung der Kosten der Lärmbelastung zu schaffen. Mit der Neuregelung sollen der Vorlage zufolge in den Jahren 2019 bis 2022 Mehreinnahmen in Höhe von 4,16 Milliarden Euro erzielt werden.

Wie die Regierung in der Begründung zu ihrem Gesetzentwurf schreibt, enthält das Wegekostengutachten Berechnungen zu den externen Kosten aus Luftverschmutzung und Lärmbelastung, die seit einer Änderung des EU-Rechts im Jahr 2011 zusätzlich angelastet werden können. Mit der Einführung von Gewichtsklassen sollen zudem zwei Entschließungen des Bundestages umgesetzt werden. "Insbesondere im Hinblick auf leichtere Nutzfahrzeuge mit einem zulässigen Gesamtgewicht zwischen 7,5 und 18 Tonnen soll die Verursachergerechtigkeit im Vergleich zu den bisherigen Achsklassen weiter erhöht werden", schreibt die Bundesregierung. Außerdem will die Regierung Elektro-Lkw von der Lkw-Maut befreien.

Die auf Vorschlag von CDU/CSU- und SPD-Fraktion eingefügten Änderungen sehen nun auch eine Mautbefreiung bis 2020 für mit Erdgas betriebene Lkw vor. Außerdem haben die Fraktionen eine Anregung des Bundesrates aufgegriffen und "land- und forstwirtschaftliche Fahrzeuge mit einer bauartbedingten Höchstgeschwindigkeit von 40 km/h" von der Maut befreit.

Mit der Mautänderung werde die Erfolgsgeschichte der Lkw-Maut fortgeschrieben, zeigte sich die Unionsfraktion während der Ausschusssitzung erfreut. Die Einführung von Gewichtsklassen als zusätzliche Berechnungsgrundlage komme gerade handwerklichen Betrieben zugute. Mit der Mautbefreiung von Gas-Lkw solle zudem ein Anreiz zur Anschaffung solcher klimaschonenden Fahrzeuge geschaffen werden, sagte der Unionsvertreter.

Die Einführung von Gewichtsklassen führe zu mehr Verursachergerechtigkeit, hieß es von Seiten der SPD-Fraktion. Auf dem richtigen Weg befinde man sich auch mit der Mautbefreiung für Gas-Lkw. Noch zu reden sei über eine Bemautung von Fernbussen, die im Gesetz nicht vorgesehen ist.

Die AfD-Fraktion begrüßte die Regelungen "im Grundsatz". An einigen Punkten würden die Änderungen aber zu kurz greifen, wurde kritisiert. Als Beispiel führte der Fraktionsvertreter an, dass mit synthetischen Kraftstoffen betriebene Lkw (E-Fuels) in Sachen Mautbefreiung nicht berücksichtigt worden seien. Nach Ansicht der AfD hätten zudem EURO VI-Lkw zeitlich beschränkt von den Luftverschmutzungskosten befreit werden sollen.

Auch aus Sicht der FDP-Fraktion fehlt dem Entwurf ein Anreiz, auf EURO VI-Lkw umzurüsten. Nicht nachvollziehbar ist für die Liberalen der dem Wegekostengutachten zugrunde liegende kalkulatorische Zins von 3,3 Prozent. Es sei zu befürchten, dass als Folge der Mautänderung sowohl die Verbraucherpreise als auch der Wettbewerbsdruck im Transportgewerbe steigen, sagte der FDP-Vertreter. Die Mauterhöhung ist aus Sicht der Linksfraktion im Sinne einer Gebührengleichstellung zwischen Straßen und Schiene richtig. Es sei zu erhoffen, dass die Senkung der Trassenpreise auf der einen Seite und die Erhöhung der Lkw-Mautsätze auf der anderen Seite eine Trendwende zugunsten der Schiene auslösen, sagte der Fraktionsvertreter. Kritik übte er daran, dass Fernbusse nicht bemautet werden und die Einnahmen der Maut nach wie vor ausschließlich der Straße zugutekommen sollen.

Auch der Vertreter der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen äußerte sich positiv mit Blick auf die zu erhoffende Trendwende. Richtig sei es auch, die Lärm- und Luftverschmutzungskosten in die Mautgebühren einfließen zu lassen. Allerdings geschehe das beim Lärm nur zu 28 Prozent und bei Luftverschmutzung nur zu 75 Prozent. Hier müsse das Vollkostenprinzip gelten, sagte der Fraktionsvertreter. Problematisch sei auch, dass die Mautlücke der Fahrzeuge zwischen 3,5 Tonnen und 7,5 Tonnen nicht geschlossen worden sei. Es gebe eine erhebliche Zunahme von Lkw in dieser Gewichtsklasse auf den Autobahnen, sagte er.

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4. Ausschuss billigt GKV-Entlastungsgesetz

Gesundheit/Ausschuss

Berlin: (hib/PK) Der Gesundheitsausschuss des Bundestages hat das von der Regierung vorgelegte Versichertenentlastungsgesetz (19/4454) in geänderter Fassung beschlossen. In der Schlussberatung am Mittwoch wurden noch 16 Änderungsanträge der Regierungsfraktionen mehrheitlich angenommen. Für den geänderten Gesetzentwurf votierten die Fraktionen von Union, SPD und Bündnis 90/Die Grünen. Die Fraktionen von AfD und Linken enthielten sich, die FDP stimmte gegen die Vorlage. Der Gesetzentwurf soll am Donnerstag im Bundestag verabschiedet werden.

Anträge der Fraktionen von AfD (19/4538), FDP (19/4320) und Die Linke (19/102; 19/4244) fanden im Ausschuss keine Mehrheit. In den Anträgen ging es um die Krankenkassenbeiträge für ALG-II-Bezieher und freiwillig versicherte Selbstständige sowie Vorschläge zur künftigen Finanzierung der GKV.

Mit dem Versichertenentlastungsgesetz soll in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) ab 2019 die vollständige paritätische Finanzierung wieder eingeführt werden. So wird der Zusatzbeitrag, der bisher nur von den Versicherten getragen wird, künftig wieder zu gleichen Teilen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern bezahlt. Die Beitragszahler sollen mit dem Gesetz um insgesamt rund acht Milliarden Euro pro Jahr entlastet werden.

Der Gesetzentwurf sieht auch eine Entlastung kleiner Selbstständiger vor, die sich in der GKV versichern wollen. Demnach soll der monatliche Mindestbeitrag für Selbstständige ab 2019 halbiert werden. Der Ausschuss verständigte sich darauf, die Mindestbemessungsgrundlage noch stärker abzusenken, als ursprünglich geplant. Ferner sollen Krankengeld und Mutterschaftsgeld auch bei Selbstständigen beitragsfrei ausgezahlt werden.

Zugleich sollen die Krankenkassen dazu verpflichtet werden, "passive" Mitgliedschaften zu beenden, um eine weitere Anhäufung von Beitragsschulden zu verhindern. Angesichts der zum Teil hohen Rücklagen von Krankenkassen sollen diese dazu verpflichtet werden, ihre Finanzreserven abzuschmelzen. Die Rücklagen dürfen dem Entwurf zufolge künftig eine Monatsausgabe nicht mehr überschreiten. Überschüssige Beitragseinnahmen müssen ab 2020 innerhalb von drei Jahren abgebaut werden. Krankenkassen mit einer Reserve von mehr als einer Monatsausgabe dürfen ihren Zusatzbeitrag nicht anheben. Zugleich soll der sogenannte Risikostrukturausgleich (RSA) reformiert werden. Schließlich soll ehemaligen Zeitsoldaten ab 2019 ein einheitlicher Zugang zur GKV ermöglicht werden. Die Soldaten erhalten ein Beitrittsrecht zur freiwilligen Versicherung in der GKV und nach Ende ihrer Dienstzeit einen Beitragszuschuss, der anstelle der Beihilfe gezahlt wird. Der Ausschuss beschloss darüber hinaus noch eine befristete Regelung für wenige Altfälle, die nun entscheiden dürfen, ob sie in die GKV wechseln wollen.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 774 - 17. Oktober 2018 - 11.47 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 19. Oktober 2018

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