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BUNDESTAG/7583: Heute im Bundestag Nr. 735 - 08.10.2018


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 735
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Montag, 8. Oktober 2018, Redaktionsschluss: 15.57 Uhr

1. Streit um EU-Tierschutzrichtlinie
2. Versicherungspflicht für Selbstständige
3. Expertenauswahl im Digitalrat
4. Fragen zum Verkauf der Patientenberatung


1. Streit um EU-Tierschutzrichtlinie

Petitionen/Ausschuss

Berlin: (hib/HAU) Nach Aussage des Parlamentarischen Staatssekretärs im Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, Hans-Joachim Fuchtel (CDU), ist die 2010 in Kraft getretene EU-Tierversuchsrichtlinie in Deutschland "eins zu eins" umgesetzt worden. Die EU habe die Umsetzung durch die Bundesregierung vollständig akzeptiert, sagte Fuchtel während einer öffentlichen Sitzung des Petitionsausschusses am Montag.

Dem widersprach Corina Gericke, stellvertretende Vorsitzende des Vereins Ärzte gegen Tierversuche, die die in der Ausschusssitzung diskutierte Petition mit der Forderung des Verbots von Tierversuchen mit dem Schweregrad "schwer" und der Kritik, das deutsche Tierschutzrecht verstoße gegen die EU-Tierversuchsrichtlinie, vorgelegt hat. Die EU-Richtlinie sehe unter anderem "eine Obergrenze für Schmerzen, Leiden und Ängste vor, die in Tierversuchen nicht überschritten werden darf". Dies stelle ein Verbot der sogenannten "schwerstbelastenden Tierversuche" dar, sagte die Petentin. Gleichzeitig habe die EU eine Ausnahmeregelung eingefügt. Danach könnten Mitgliedsstaaten "in Ausnahmefällen" eine vorläufige Maßnahme zur Genehmigung beschließen. Deutschland, so Gericke, habe von dieser Ausnahmeregelung Gebrauch gemacht, diese aber "falsch ungesetzt und falsch formuliert". Im deutschen Recht reiche statt des "Beleges eines besonderen Ausnahmefalles" die "wissenschaftlich begründete Darlegung", die ohnehin für alle Tierversuche gefordert werde. "Das Ziel der Richtlinie, dass schwerstbelastende Tierversuche nicht mehr regelmäßig sondern nur in Ausnahmefällen stattfinden sollen, bleibt unberücksichtigt", kritisierte die Petentin.

"Ein generelles Verbot von Versuchsvorhaben, die der Belastungskategorie ,schwer' zuzuordnen sind, ist nach der EU-Tierversuchsrichtlinie nicht möglich", sagte hingegen Staatssekretär Fuchtel. Dies gelte es zur Kenntnis zu nehmen. Im Übrigen sei die richtlinienkonforme Umsetzung aus Sicht der Bundesregierung durch das Tierschutzgesetz in Deutschland erfolgt. Erst im März diesen Jahres sei im Rahmen der jährlichen Gespräche unter Fachleuten auch seitens der EU dieser Standpunkt unterstrichen worden.

Was den Verweis auf Rechtsgutachten angeht, die von der Petentin angeführt worden waren und die die deutsche Regelung als verfassungswidrig bezeichnen würden, sagte Fuchtel, es sei nicht ungewöhnlich, dass es in der Gesellschaft verschiedene Meinungen gebe. Die Frage sei, welche die herrschende ist.

Dieser Argumentation vermochten die Petentin und die sie begleitende Juristin Davina Bruhn nicht zu folgen. Die Richtlinie sei "definitiv nicht eins zu eins umgesetzt worden", sagte Bruhn. Als Beispiel führte sie unter anderem auf, dass in der Richtlinie von "langanhaltenden Belastungen und Schmerzen" die Rede sei. Das sei in Deutschland "zu Lasten des Tierschutzes" als "längerandauernd" umgesetzt worden. Auch sei als Folge der gesetzlichen Umsetzung in Deutschland keine Abgrenzung zwischen schweren und schwerstbelastenden Versuchen vorhanden. "Für ein Verbot schwerstbelastenden Tierversuche hat die EU-Richtlinie einen Handlungsspielraum erlassen, den der Gesetzgeber nicht aufgegriffen hat", sagte Bruhn.

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2. Versicherungspflicht für Selbstständige

Arbeit und Soziales/Ausschuss

Berlin: (hib/CHE) Eine Versicherungspflicht für Selbstständige in der Kranken- und Rentenversicherung wird von einer Mehrheit von Sachverständigen begrüßt, auch wenn Details zu der Ausgestaltung einer solchen Pflicht derzeit noch nicht ausdiskutiert sind. So lautete der Tenor in einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Arbeit und Soziales am 8. Oktober 2018. Zur Debatte stand ein Antrag (19/1034) der Fraktion Die Linke für eine bessere soziale Absicherung von Solo-Selbstständigen. Eher skeptisch bewerteten die geladenen Experten dagegen den Vorschlag nach Mindesthonoraren für Selbstständige, angelehnt an den Mindestlohn für angestellte Beschäftigte. Auch die Unterscheidung zwischen Solo-Selbstständigen und Selbstständigen wurde von der Mehrheit als unpraktikabel bezeichnet.

Die Linke verlangt unter anderem, alle bisher nicht abgesicherten Selbstständigen in die Versicherungspflicht der gesetzlichen Rente einzubeziehen, die Mindestbeitragsbemessung in der gesetzlichen Krankenversicherung zu senken und die Arbeitslosenversicherung für alle Selbstständigen zu öffnen. Die Renten-Beiträge der Selbstständigen sollen sich dabei nach deren tatsächlichem Einkommen (Gewinn vor Steuern) richten. Zur Vermeidung von Altersarmut verlangen die Abgeordneten die Fortführung der Rente nach Mindestentgeltpunkten, also eine Erhöhung der Entgeltpunkte unter bestimmten Bedingungen, und die Einführung der Solidarischen Mindestrente.

Solo-Selbstständige hätten einen hohen Schutzbedarf, führte Markus Hofmann vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) aus. Es mache darüber hinaus grundsätzlich Sinn, alle Erwerbstätigen in die sozialen Sicherungssysteme mit einzubeziehen. Alles andere sei nur Stückwerk, sagte Hofmann. Die Notwendigkeit einer Versicherungspflicht gibt es auch aus Sicht der Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände (BDA). Deren Vertreter Gerald Friedrich merkte jedoch an, dass es den Selbstständigen freigestellt sein solle, ob sie eine private oder gesetzliche Kranken- und Rentenversicherung wählen. Der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftler Eckart Bomsdorf votierte ebenfalls für eine Versicherungspflicht, allerdings müsse noch geklärt werden, wie die Einstiegsbedingungen dafür aussehen könnten. Im Übrigen dürfe man nicht so tun, als sei Selbstständigkeit automatisch eine prekäre Angelegenheit. Im Gegenteil, habe diese auch viele Vorteile, so Bomsdorf. Reinhold Thiede von der Deutschen Rentenversicherung Bund betonte, der Anteil von Selbstständigen, die später Grundsicherung im Alter bekämen, sei überproportional hoch. Deshalb sei eine Versicherungspflicht sinnvoll. Die Unterscheidung in Solo-Selbstständige und Selbstständige bezeichnete er jedoch als nicht praktikabel, da es für die Rentenversicherung einen ungeheuren Aufwand bedeute, regelmäßig zu prüfen, ob jemand solo-selbstständig oder selbs tständig sei, so Thiede.

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3. Expertenauswahl im Digitalrat

Ausschuss Digitale Agenda/Antwort

Berlin: (hib/LBR) Bei der Berufung von Experten in den Digitalrat habe "eine interdisziplinäre Mischung von Personen, die das gesamte Spektrum der Digitalisierung breit abdecken" stattgefunden. Das geht aus der Antwort (19/4642) der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage (19/4260) der AfD-Fraktion hervor. Bei den ausgewählten Experten handele sich ausdrücklich nicht um Verbandsvertreter, sondern um Einzelpersonen, die aufgrund ihrer Persönlichkeiten und individuellen Netzwerke ausgewählt wurden. Über die Höhe der Aufwandsentschädigungen für die zehn Mitglieder des Digitalrats sei noch nicht abschließend entschieden, heißt es in der Antwort weiter. Die unabhängigen Experten aus Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft sollen die Bundesregierung mit ihrer Fachexpertise beim Querschnittsthema Digitalisierung unterstützen. Bereits im Koalitionsvertrag hatten sich die Regierungsparteien auf die Einsetzung des Gremiums verständigt. Am 22. August 2018 wurden die Fachleute in das Beratungsgremium berufen.

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4. Fragen zum Verkauf der Patientenberatung

Gesundheit/Kleine Anfrage

Berlin: (hib/PK) Mit dem Verkauf der Unabhängigen Patientenberatung Deutschland (UPD) an die Careforce-Gruppe befasst sich die Fraktion Die Linke in einer Kleinen Anfrage (19/4709). Die Privatisierung der UPD vor zwei Jahren habe große Bedenken hinsichtlich der künftigen Qualität und Patientenorientierung ausgelöst. Nun sei das bisherige Trägerunternehmen der UPD, Sanvartis, von privaten Investoren gekauft worden.

Angesichts des Verkaufs müsse überprüft werden, ob die Bedingungen zur Gewährung der Fördergelder für die Patientenberatung noch eingehalten werden. Die Abgeordneten wollen von der Bundesregierung nun Details über die neue Eigentümerstruktur erfahren. Zudem sollen die möglichen Rechtsfolgen des Verkaufs eingeschätzt werden.

Seit Januar 2016 hatte die Callcenter-Firma Sanvartis die UPD betrieben. Zuvor wurde der Auftrag von einer Bietergemeinschaft aus Sozialverband VdK, Verbraucherzentrale Bundesverband und Verbund unabhängige Patientenberatung (VuP) wahrgenommen.

Der GKV-Spitzenverband hatte sich 2015 im Einvernehmen mit dem Patientenbeauftragten der Bundesregierung für die Neuvergabe entschieden. Zugleich wurde die Förderphase von fünf auf sieben Jahre verlängert. Die Fördermittel wurden von 5,2 auf neun Millionen Euro jährlich erhöht.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 735 - 8. Oktober 2018 - 15.57 Uhr
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veröffentlicht im Schattenblick zum 10. Oktober 2018

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