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BUNDESTAG/7322: Heute im Bundestag Nr. 472 - 28.06.2018


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 472
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Donnerstag, 28. Juni 2018, Redaktionsschluss: 15.01 Uhr

1. Attentäter Amri betrieb Drogen-Lieferdienst
2. FDP-Fraktion will Gewerbesteuer ändern
3. AfD will Ende der Urlaubssteuer
4. FDP: Mehr Innovationen wagen
5. Regierung prüft Digitalsteuer
6. Rüstungsexporte aus Bayern
7. Flex-Angebot von Amazon


1. Attentäter Amri betrieb Drogen-Lieferdienst

1. Untersuchungsausschuss/Ausschuss

Berlin: (hib/wid) Vor dem 1. Untersuchungsausschuss ("Breitscheidplatz") hat der frühere Bundesanwalt Bruno Jost seine Auffassung bekräftigt, dass die Berliner Polizei 2016 den späteren Breitscheidplatz-Attentäter Anis Amri "frühzeitig vor Begehung seines Anschlags von der Straße" hätte nehmen können. Der umfangreiche Rauschgifthandel, in den Amri mit Kenntnis der Behörden verstrickt war, hätte für einen Haftbefehl eine ausreichende rechtliche Handhabe geboten, sagte Jost in seiner Vernehmung am Donnerstag. Der heute 69-Jährige hatte als Sonderbeauftragter des Berliner Senats zwischen April und Oktober 2017 Versäumnisse der Behörden im Umgang mit dem späteren Attentäter untersucht und war zu einem vernichtenden Urteil gelangt.

Der Polizei sei bekannt gewesen, dass Amri spätestens seit Mai 2016 in großem Stil und mit zunehmender Intensität in die Berliner Drogenszene eingestiegen sei. "Er handelte mit allem, was schwindelig macht", sagte Jost, sowohl mit Haschisch als auch mit Kokain und weiteren Substanzen. Amri habe Bestellungen entgegengenommen und in der Art eines Lieferdienstes einzelnen Kunden die Ware auch ins Haus gebracht. Dies gehe aus insgesamt 72 abgehörten Telefonaten hervor, deren Inhalt eine Beamtin des Berliner Landeskriminalamts am 1. November 2016 in einem zehnseitigen Bericht zusammengefasst und diesen im Polizeicomputer abgespeichert hatte. Unmittelbare Konsequenzen hatte der Bericht damals nicht.

Seit der rechtskräftigen Ablehnung seines Asylantrags am 11. Juni 2016 sei der Drogenhandel Amris einzige Einkommensquelle gewesen, sagte Jost. Allein das hätte hinreichenden Anlass geboten, ihn hinter Gitter zu bringen. Es habe in Amris Persönlichkeit nichts gegeben, "was gegen einen Haftbefehl sprach". Den Behörden sei auch bekannt gewesen, dass Amri mit seinen Drogengeschäften erhebliche Profite erzielte. Jost erwähnte zwei im Sommer 2016 abgehörte Telefonate zwischen Amri und seiner Mutter in Tunesien. Die alte Frau habe sich gerührt und zzüberschwänglich dafür bedankt, dass ihr Sohn ihr bis dahin bereits in mehreren Raten die für tunesische Verhältnisse gewaltige Summe von 1500 Euro überwiesen habe.

Amri habe in den Gespräch mit seiner Mutter auch erwähnt, dass er vorhabe, nach Tunesien zurückzukehren und einen Lastwagen zu kaufen, um ein Fuhrunternehmen zu eröffnen. Das erforderliche Kapital, mehrere tausend Euro, habe er bereits beisammen. Aus all dem gehe hervor, dass Amris kriminelle Geschäfte deutlich über der "Unerheblichkeitsschwelle" gelegen hätten, sagte Jost: "Das war nicht minimales Niveau."

Jost berichtete, er sei in einer frühen Phase seiner Berliner Tätigkeit eher zufällig auf die Dokumente gestoßen, aus denen hervorging, dass die Behörden über Amris Drogenaktivitäten frühzeitig im Bilde waren. Er habe Mitte April 2017 mit zwei Mitarbeitern, die ihm das Land Berlin zur Verfügung gestellt habe, ein Büro in der Senatsinnenverwaltung bezogen und zunächst das vorliegende Material gesichtet. Viel sei das nicht gewesen, darunter eine summarische Chronologie der Bundesbehörden und eine ausführlichere aus Berlin.

In der Berliner Chronologie habe sich ein Hinweis auf einen "Gesamtvermerk" der Polizei gefunden, den er angefordert habe. Nach einem Monat sei ihm ein zweiseitiges Dokument zugegangen, in dem Amri als harmloser Kleindealer dargestellt worden sein. Es habe sich um eine Kurzfassung des zehnseitigen Originals vom November 2016 gehandelt, in dem von gewerbs- und bandenmäßigen Rauschgifthandel die Rede war, und die bei der Nachsuche im Polizeicomputer ebenfalls ans Licht gekommen sei. In einem Zwischenbericht erhob Jost im Juli 2017 den Vorwurf der Aktenmanipulation im Berliner LKA.

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2. FDP-Fraktion will Gewerbesteuer ändern

Finanzen/Antrag

Berlin: (hib/HLE) Die FDP-Fraktion setzt sich für Änderungen an der Gewerbesteuer ein. In einem Antrag (19/2990), der am Freitag auf der Tagesordnung des Deutschen Bundestages steht, wird die Bundesregierung aufgefordert, Missstände im Gewerbesteuersystem zu beseitigen. Dazu zählt für die FDP-Fraktion, dass im gegenwärtigen System Hinzurechnungstatbestände bei der Gewerbesteuer existieren, so dass nicht erzielte Gewinne besteuert werden würden. "Die Besteuerung der Unternehmenssubstanz darf nicht das Ziel der Besteuerung von Unternehmen sein", heißt es in dem Antrag. Hinzu kämen ständig steigende Gewerbesteuerhebesätze. Langfristig müsse die Gewerbesteuer durch einen höheren Anteil der Gemeinden an der Umsatzsteuer und einem kommunalen Zuschlag mit eigenem Hebesatzrecht auf die zuvor abgesenkte Einkommen- und Körperschaftsteuer ersetzt werden, fordert die FDP-Fraktion.

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3. AfD will Ende der Urlaubssteuer

Finanzen/Antrag

Berlin: (hib/HLE) Die AfD-Fraktion verlangt eine Abschaffung der sogenannten Urlaubssteuer. Dabei handelt es sich um die Hinzurechnung von bestimmten Finanzierungsanteilen zur Gewerbesteuer. Als praktisches Beispiel gibt die AfD-Fraktion in einem Antrag (19/2989) an, dass die Anmietung von Zimmerkontingenten durch Reiseveranstalter in Hotels gewerbesteuerrechtlich inzwischen wie die Anmietung von Werkshallen in der Industrie bewertet wird, was zu Mehrbelastungen insbesondere der Reisebüros in Höhe von 230 Millionen Euro im Jahr führe, wie die AfD-Fraktion unter Berufung auf Angaben des Deutschen Reiseverbandes schreibt. Dabei handele es sich bei den Hotelverträgen nicht um Mietverhältnisse, argumentiert die AfD-Fraktion. Denn der Reiseveranstalter wolle die Zimmerkapazitäten nicht selbst nutzen. Auch bestehe kein Untermietverhältnis zwischen Reiseveranstalter und dessen Kunden. Da die Reisebranche knapp kalkuliere, würden die Mehrbelastungen durch die Urlaubssteuer an die Kunden weitergegeben: "Urlaubsreisen werde als Folge dessen für sozial schwächer gestellte Menschen deutlich erschwert", heißt es in dem Antrag.

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4. FDP: Mehr Innovationen wagen

Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung/Antrag

Berlin: (hib/ROL) Für Deutschland steht viel auf dem Spiel. Der wirtschaftliche Platz an der Weltspitze ist immer stärker von radikalen Innovationen abhängig. Die Zukunftsfähigkeit Deutschlands muss gesichert werden, Bildung und Forschung in den Mittelpunkt gestellt werden. Das schreibt die FDP in ihrem Antrag (19/2988). Sie kritisiert, dass Deutschland zu wenig radikale Innovationen voran treibe und somit die Anschlussfähigkeit in der Spitzentechnologie und in den Märkten von morgen zu verlieren drohe. Während sich die Welt "technologisch rasant wandelt, entschleunigt die Regierung in den Bereichen Bildung, Forschung und Innovation. Statt mit einem Digitalministerium die Herausforderungen der Zukunft anzugehen, verwaltet sie mit einem Heimatministerium die Vergangenheit", schreiben die Liberalen. Die USA und China würden ihre Wirtschaft massiv unterstützen, um im Jahr 2030 die führende Nation im Bereich der künstlichen Intelligenz zu sein. Die weltweit stärksten Biotech- und Pharmaunternehmen hätten ihren Sitz in den USA und der Schweiz. Andere Nationen arbeiteten längst an den Ideen und Märkten von morgen.

Wer keine günstigen Bedingungen für Innovationen schaffe, rutsche ab. Berufsfelder veränderten sich immer schneller, würden verschwinden und neu entstehen. Wer Menschen nicht ermögliche, sich stetig fortzubilden, riskiere ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Und wer nicht die Grundlagen dafür garantiere, dass alle Menschen den technologischen Fortschritt nutzen könnten, schaffe eine Zwei-Klassen-Gesellschaft.

Bildung sei die soziale Frage unserer Zeit. Die Chancen von Bildung, Forschung und Innovation seien riesig. Sie garantierten nicht nur Wohlstand, sondern eröffneten auch Chancen für sozialen Aufstieg, ein selbstbestimmteres Leben und einen unkomplizierteren Staat. Die FDP unterstreicht "weltbeste Bildung von Krippe und Kita über die Digitalisierung in der Schule und die Stärkung der beruflichen Bildung bis hin zum lebenslangen Lernen schafft die Voraussetzungen dafür, dass alle Menschen für die Zukunft gewappnet sind". Wer die neuen Technologien beherrsche, kreativ sei und kritisch denke, könne die Chancen selbstbewusst ergreifen.

Die Bundesregierung müsse ihr Handeln in den Zukunftsthemen an neuen Maximen ausrichten: Stärkung der Eigenverantwortung der Akteure in Schule, Wissenschaft und Forschung sowie mehr Offenheit für Innovationen und neue Technologien. Die Chancen müssen im Vordergrund stehen, nicht die Risiken.

Die FDP fordert, die Chance zu nutzen und eine grundlegende Reform des Bildungsföderalismus auf den Weg zu bringen, die Bund, Ländern und Kommunen eine enge Zusammenarbeit erlaubt. Die Bundesregierung soll die anstehende Aufweichung des Kooperationsverbots dafür nutzen, bundesweit einheitliche und ambitionierte Bildungsstandards durchzusetzen und auch den Digitalpakt Schule voran zu bringen und schnellstmöglich ein Sonderprogramm zur eigenständigen Förderung von Breitbandanschlüssen an Schulen einzurichten. Zudem soll eine Exzellenzinitiative Berufliche Bildung auf den Weg gebracht werden und die Chancen der Digitalisierung stärker für die Weiterentwicklung der beruflichen Bildung genutzt werden. Dafür soll ein Zentrum für digitale Berufsbildung gegründet werden. Zudem sollen Spitzenforscher für Deutschland gewonnen werden und hier gehalten werden. Damit Deutschland als Wissens- und Innovationsstandort seinen Wohlstand und seine international führende Position halten kann, sei Spitzenqualität in Hochschulen und Forschungseinrichtungen unabdingbar. Zudem fordert die FDP die Gründung einer Agentur für radikale Innovationen. Sie soll mit einem international wettbewerbsfähigen Budget ausgestattet werden.

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5. Regierung prüft Digitalsteuer

Finanzen/Antwort

Berlin: (hib/HLE) Die Bundesregierung prüft den von der EU-Kommission vorgelegten Vorschlag einer Digitalsteuer. Angestrebt werden solle eine Lösung unter dem Schirm der OECD, erklärt die Regierung in ihrer Antwort (19/2803) auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (19/2398). Welche Unternehmen unter die Digitalsteuer fallen würden, kann nach Angaben der Regierung noch nicht gesagt werden. Insgesamt unterstützt die Bundesregierung die Bemühungen der EU-Kommission, das Steuerrecht an die Herausforderungen der digitalen Wirtschaft anzupassen.

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6. Rüstungsexporte aus Bayern

Wirtschaft und Energie/Kleine Anfrage

Berlin: (hib/PEZ) Die Fraktion Die Linke erkundigt sich nach Rüstungsexporten aus Bayern im Jahr 2017. Das Bundesland habe als Standort der exportorientierten Rüstungsindustrie nach vorläufigen Angaben der Bundesregierung eine herausgehobene Position eingenommen, heißt es zur Begründung. Die Abgeordneten fragen in der Kleinen Anfrage (19/2905) detailliert nach Produzenten, Produkten und Empfängern.

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7. Flex-Angebot von Amazon

Wirtschaft und Energie/Kleine Anfrage

Berlin: (hib/PEZ) Das "Flex"-Angebot des Internethändlers Amazon beschäftigt die Fraktion Die Linke. In einer Kleinen Anfrage (19/2810) weisen die Abgeordneten auf Parallelen zum Taxi-Dienstleister Uber und seinem Angebot "UberPop" hin und werfen die Frage auf, ob Amazon mit "Amazon Flex" wettbewerbswidrig handele. Außerdem bestehe die Gefahr, dass Arbeitsstandards ausgehöhlt würden. Die Abgeordneten bitten die Bundesregierung um eine juristische Bewertung des Geschäftsmodells.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 472 - 28. Juni 2018 - 15.01 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
Parlamentsnachrichten, PuK 2
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veröffentlicht im Schattenblick zum 29. Juni 2018

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