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BUNDESTAG/7236: Heute im Bundestag Nr. 386 - 07.06.2018


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 386
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Donnerstag, 7. Juni 2018, Redaktionsschluss: 15.56 Uhr

1. Zeuge sieht NRW-Behörden entlastet
2. Entschädigung für AKW-Betreiber
3. AfD will nationale Einlagensicherung
4. FDP will Rechte des Bundestages sichern
5. Entwicklung von Baulandpreisen


1. Zeuge sieht NRW-Behörden entlastet

1. Untersuchungsausschuss/Ausschuss

Berlin: (hib/wid) Vor dem 1. Untersuchungsausschuss ("Breitscheidplatz") hat der ehemalige Sonderermittler der nordrhein-westfälischen Landesregierung Bernhard Kretschmer sein Gutachten zum Fall Anis Amri verteidigt. Trotz der politischen Brisanz des Themas mit Blick auf die bevorstehende Landtagswahl im Mai 2017 habe die damalige rot-grüne Landesspitze keinerlei Vorgaben gemacht oder Erwartungen an das Ergebnis geäußert, sagte Kretschmer in seiner Vernehmung am Donnerstag. Vielmehr habe die Staatskanzlei immer wieder betont, dass er seiner Tätigkeit völlig frei sei: "Wenn ich Fehler gefunden hätte, wäre das auch in das Gutachten hineingekommen."

Die damalige Landesregierung hatte den in Gießen lehrenden Straf- und Europarechtler im Januar 2017 beauftragt, mögliche Behördenversäumnisse im Umgang Anis Amri, dem Urheber des verheerenden Terroranschlags auf dem Berliner Breitscheidplatz, zu untersuchen. Dieser war in NRW als Asylbewerber gemeldet. Ende März legte Kretschmer einen Bericht mit einem weitgehend entlastenden Befund vor: "Große Fehler habe ich in NRW nicht aufspüren können", sagte er auch vor dem Ausschuss, wo er im übrigen seine Einschätzung bekräftigte, die für die Sicherheit an Rhein und Ruhr Zuständigen hätten den späteren Attentäter Amri frühzeitig als gefährlich erkannt, sich aber durch Umstände, die außerhalb ihrer Verantwortung lagen, an wirksamen Maßnahmen gehindert gesehen.

So sei bereits im Februar 2016 in der Sicherheitskonferenz in NRW von Amri die Rede gewesen und die Möglichkeit erwogen worden, ein Abschiebungsanordnung nach Paragraph 58a des Aufenthaltsgesetzes gegen ihn zu erlassen. Dies hätte allerdings nur auf Grundlage der Erkenntnisse der "Ermittlungskommission Ventum" des Landeskriminalamtes geschehen können, die das Umfeld des radikalislamischen Predigers Abu Walaa beobachtete. Dort hatte auch Amri Anschluss gefunden, der in der EK "Ventum" als "Nachrichtenmittler" geführt wurde. Trotz wiederholter Nachfragen des LKA habe es der zuständige Generalbundesanwalt aber abgelehnt, die Ermittlungsakten freizugeben, um einen wichtigen Informanten, der unter der Chiffre "VP01" im Kreis um Abu Walaa agierte, nicht in Gefahr zu bringen.

Um Amri loszuwerden, hätten die Zuständigen daher auf ein zügiges Asylverfahren gesetzt. Allerdings erhielt Amri erst am 28. April 2016 Gelegenheit, in Dortmund seinen Asylantrag einzureichen. Diese Terminierung, betonte Kretschmer, habe wiederum nicht im Ermessen der NRW-Behörden gestanden; zuständig gewesen sei das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF). Amri hatte bei seiner Einreise aus Italien im Juli 2015 ein Asylgesuch gestellt. Dass dann bis zum offiziellen Asylantrag neun Monate verstrichen, sei mit der Überlastung des BAMF durch die damalige Flüchtlingswelle zu erklären.

Seit dem 11. Juni 2016 war Amris Asylantrag rechtskräftig abgelehnt und der Mann somit ausreisepflichtig. Doch stellten sich die Behörden seines Heimatlandes Tunesien quer. Amri in Abschiebegewahrsam zu nehmen, war nach Kretschmers Worten deswegen keine Option. Eine Inhaftierung war nach damaliger Rechtslage unzulässig, wenn sich eine Abschiebung aus Gründen, die nicht der Ausländer selbst zu vertreten hatte, absehbar über einen Zeitraum von drei Monaten hinaus verzögerte. Hätte man Amri nachweisen können, dass er seinen Pass vernichtet hatte, wäre das ein Grund gewesen, den er selbst zu vertreten gehabt hätte. Doch wussten die Behörden nach Kretschmers Worten nicht einmal, ob er bei seiner Ausreise aus Tunesien 2011 überhaupt Ausweisdokumente besessen hatte. Dass die Berliner Polizei im April 2016 ein Telefonat Amris abgehört hatte, aus dem hervorging, dass er bis kurz zuvor noch über einen tunesischen Pass verfügte, war in NRW unbekannt.

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2. Entschädigung für AKW-Betreiber

Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit/Gesetzentwurf

Berlin: (hib/SCR) Mit Änderungen im Atomgesetz wollen die Koalitionsfraktionen die rechtlichen Grundlagen für die Entschädigung von Energiekonzernen in Folge des 2011 von der schwarz-gelben Regierung beschlossenen Atomausstieges legen. Hintergrund des Gesetzentwurfes der Fraktionen CDU/CSU und SPD (19/2508) ist ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Dezember 2016 (1 BvR 2821/11), das den Atomkraftwerksbetreibern bestimmte Ausgleichsansprüche einräumt. Der Gesetzentwurf soll am Freitag in erster Lesung beraten werden.

Die schwarz-gelbe Regierung hatte Ende 2010 zunächst Laufzeitverlängerungen gegenüber dem Atomausstieg von 2002 beschlossen und für bestimmte Kraftwerke zusätzliche Strommengen vergeben. Nach der Reaktorhavarie im japanischen Fukushima am 11. März 2011 beschloss die damalige Regierung mit dem 13. Gesetz zur Änderung des Atomgesetzes vom 31. Juli 2011, die Laufzeitverlängerungen und Elektrizitätsmengen-Erhöhungen zurückzunehmen und den Atomausstieg bis zum 31. Dezember 2022 zu vollenden.

Mit dem Gesetzentwurf will die Bundesregierung im Atomgesetz regeln, dass die AKW-Eigentümer einerseits einen Anspruch auf einen Ausgleich für bestimme Investitionen in ihre Anlagen zwischen dem 28. Oktober 2010 und dem 16. März 2011 haben. Voraussetzung ist laut Gesetzentwurf, dass die "Investitionen allein auf Grund des Entzugs der zusätzlichen Elektrizitätsmengen [...] wertlos geworden sind". Einen weiteren Ausgleichsanspruch haben laut Gesetzentwurf andererseits die Betreiber der AKW Brunsbüttel, Krümmel und Mülheim-Kärlich, "soweit die diesen Kernkraftwerken [...] ursprünglich zugewiesenen Elektrizitätsmengen bis zum Ablauf des 31. Dezember 2022 nicht erzeugt und nicht auf ein anderes Kernkraftwerk übertragen werden". Mit den Änderungen im Atomgesetz soll zudem das entsprechende Verwaltungsverfahren geregelt werden.

Die voraussichtliche Belastung des Bundeshaushaltes durch die Ausgleichszahlungen lässt sich laut Gesetzentwurf bisher nicht beziffern.

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3. AfD will nationale Einlagensicherung

Finanzen/Antrag

Berlin: (hib/HLE) Die AfD-Fraktion lehnt die von der EU angestrebte Vergemeinschaftung der Einlagensicherung im Rahmen der Bankenunion strikt ab und fordert den Erhalt der nationalen Einlagensicherung. Es dürfe keine Verlagerung von Risiken auf die europäische Ebene geben, heißt es in einem Antrag der AfD-Fraktion (19/2573). Die Bundesregierung soll bei Verhandlungen auf EU-Ebene die Vermeidung von Risiken für den deutschen Steuerzahler, die Beendigung des Prinzips der Systemrelevanz bei Banken, die Beibehaltung der Prinzipien der Subsidiarität und der Eigenverantwortung in den Vordergrund stellen. "Hingegen sollte sie Versuchungen einer Hinführung zu einer Transfer- und Haftungsunion widerstehen", heißt es. Hingewiesen wird in dem Antrag auf den Appell von 154 deutschen Wirtschaftsprofessoren gegen die EU-Pläne. Außerdem erinnert die AfD-Fraktion die Koalition von Union und SPD an einen ihrer Anträge (18/7644) aus der vergangenen Legislaturperiode, in dem sich beide Fraktionen gegen die EU-Pläne ausgesprochen hätten: "Es darf den Mitgliedstaaten nicht ermöglicht werden, die Folgen nationaler politischer Entscheidungen und daraus resultierende Bankrisiken auf einen gemeinschaftlichen Fonds zu verlagern", zitiert die AfD-Fraktion aus dem Antrag der Koalitionsfraktionen.

Die Einführung der dritten Stufe der Bankenunion mit einer endgültigen Vergemeinschaftung der Einlagensicherung bezeichnet die AfD-Fraktion als "unverantwortlich, unabhängig davon, ob notleidende Kredite bei europäischen Bankinstituten zuvor reduziert werden oder nicht". Neben weiteren Vorschlägen zur Bankenregulierung enthält der AfD-Antrag auch die Forderung an die Europäische Zentralbank, die Aufkäufe von Staatsanleihen einzustellen. Außerdem sollen die Banken gezwungen werden, mehr Eigenkapital für Staatsanleihen zu hinterlegen. Deutschland sollte zudem über die Ablehnung der Vergemeinschaftung der Einlagensicherung hinausgehen und sich dafür einsetzen, den Euro-Rettungsfonds ESM abzuwickeln statt ihn zu einem Europäischen Währungsfonds (EWF) auszubauen. "Durch diesen Schritt könnte eine Abwälzung von Verlusten durch Bankpleiten auf den europäischen insbesondere deutschen Steuerzahler abgewendet werden", erwartet die AfD-Fraktion.

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4. FDP will Rechte des Bundestages sichern

Finanzen/Antrag

Berlin: (hib/HLE) Die FDP-Fraktion verlangt eine Sicherung der Beteiligungsrechte des Deutschen Bundestages bei der Entscheidung über die sogenannte Letztsicherung für den europäischen Bankenabwicklungsfonds. In einem Antrag der FDP-Fraktion (19/2578) wird die Bundesregierung aufgefordert, "bei der für den Eurogipfel am 28./29. Juni 2018 in Aussicht gestellten Einigung auf die Einführung einer Letztsicherungsfunktion (sogenannter fiscal backstop) für den europäischen Bankenabwicklungsfonds (Single Resolution Fund - SRF) durch den Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) die Beteiligungsrechte des Bundestages umfassend zu wahren. Der Deutsche Bundestag stellt fest, dass dies insbesondere bedeutet, dass zur Einführung einer solchen Letztsicherung ein Beschluss des Plenums des Bundestages mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen erforderlich ist."

Die FDP begründet ihren Vorstoß mit der Ankündigung der Bundesregierung, beim Eurogipfel Ende Juni wichtige Entscheidungen herbeiführen zu wollen und bezieht sich auf Angaben von Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD), wonach eine Einigung über eine Letztsicherung für den Einheitlichen Abwicklungsfonds angestrebt werde. Danach soll in den Fällen, in denen das von den europäischen Banken in den Bankenabwicklungsfonds eingezahlte Kapital für eine Bankenrestrukturierung oder -abwicklung nicht ausreicht, der ESM aus seinem aus Steuermitteln stammendem Kapital Kredite gewähren. Das führe zu einer deutlichen Erhöhung des Risikos für den Bundeshaushalt, warnt die FDP-Fraktion. Mit den derzeit diskutierten Regelungen über eine Entscheidung für eine Letztsicherung in einer akuten Bankenschieflage könnte über die ESM-Mittel verfügt werden, ohne den Deutschen Bundestag zu beteiligen. "So liefen die durch das Bundesverfassungsgericht (Urteil vom 18. März 2014 - 2 BvR 1390/12) geforderten Beteiligungsrechte des Bundestages, die bislang bei allen ESM-Instrumenten gelten, leer", stellt die FDP-Fraktion fest. Über eine solche schwerwiegende Umgestaltung der haushaltspolitischen Gesamtverantwortung könne der Deutsche Bundestag nur mit Zweidrittelmehrheit entscheiden.

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5. Entwicklung von Baulandpreisen

Bau, Wohnen, Stadtentwicklung und Kommunen/Antwort

Berlin: (hib/PEZ) In der Diskussion um steigende Baukosten hat die Bundesregierung auf die wachsenden regionalen Unterschiede in Deutschland verwiesen. Der starke Preisanstieg bei unbebauten Grundstücken betreffe vor allem Gegenden mit hohem Preisniveau, schreibt sie in der Antwort (19/2345) auf eine Kleine Anfrage (19/1863) der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Der Unterschied zwischen Regionen mit niedrigem und Regionen mit hohem Preisniveau lag demnach 2016 bei 220 Euro auf den Quadratmeter bezogen, das sind fast 30 Prozent mehr als 2008 (170 Euro). Die Zahlen stammen von örtlichen Gutachterausschüssen. Deutschlandweit stieg der Preisindex für Bauland laut Statistischem Bundesamt in dieser Zeit um 35 Prozent. Die Entwicklungen bei Grundstücken, auf denen Mehrfamilienhäuser entstehen sollten, verliefen ähnlich.

In der Antwort stellt die Bundesregierung darüber hinaus Baulandpreise für 2016 dar; am günstigsten war der Grund für Eigenheimbauer in Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und Thüringen (40 Euro pro Quadratmeter im Durchschnitt), am teuersten in den Stadtstaaten Hamburg (480 Euro) und Berlin (280 Euro). Die kostspieligsten Flächenländer waren Hessen und Nordrhein-Westfalen (190 Euro). Auf kommunaler Ebene war München das teuerste Pflaster mit einem Quadratmeterpreis von 1.600 Euro.

Zur Spekulation mit Bauland erklärt die Bundesregierung, dazu lägen keine Zahlen vor. Indes listet sie detailliert nach Jahr und für ausgewählte Städte die Zahl der Baugenehmigungen auf - und die der Baufertigstellungen. Die Unterschiede zwischen diesen Kennziffern variieren teils deutlich zwischen den aufgeführten Städten. Keine Aussagen trifft die Bundesregierung auch zu einer möglichen Ausgestaltung der geplanten Grundsteuer C, mit der Kommunen den Druck auf Grundstückseigentümer verstärken können sollen, auf Baugrundstücken tatsächlich zu bauen. Das Thema werde in einer geplanten Kommission im Bauministerium eine Rolle spielen, heißt es. Überlegungen müssten im Zusammenhang mit einer generellen Reform der Grundsteuer entschieden werden, welche nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts bis spätestens 31. Dezember 2019 erfolgen muss.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 386 - 7. Juni 2018 - 15.56 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
Parlamentsnachrichten, PuK 2
Platz der Republik 1, 11011 Berlin
Telefon: +49 30 227-35642, Telefax: +49 30 227-36191
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veröffentlicht im Schattenblick zum 9. Juni 2018

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