Schattenblick → INFOPOOL → PARLAMENT → FAKTEN


BUNDESTAG/6645: Heute im Bundestag Nr. 398 - 26.06.2017


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 398
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Montag, 26. Juni 2017, Redaktionsschluss: 14.51 Uhr

1. Disput über Prävention gegen Islamismus
2. Keine Flugverbotszone über Gorleben
3. Forschung zu »Coffee-to-go-Bechern«
4. 4,61 Milliarden Euro für Schienenprojekte
5. Schwarzarbeit leicht rückläufig
6. Tagung zur EU-Wirtschaftspolitik


1. Disput über Prävention gegen Islamismus

Inneres/Anhörung

Berlin: (hib/HAU) Die von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in einem Antrag (18/10477) erhobene Forderung nach einer bundesweiten Präventionsstrategie gegen gewaltbereiten Islamismus stößt bei Experten auf Zuspruch aber auch auf Skepsis. Das wurde während einer öffentlichen Anhörung des Innenausschusses am Montag deutlich.

Er stimme der Forderung nach einer nationalen Präventionsstrategie zu, sagte Peter Neumann vom Kings College London. Die Koordination zwischen Bund, Ländern und Kommunen und zum Teil auch innerhalb dieser Ebenen laufe nicht optimal und müsse dringend verbessert werden. Das Fehlen einer solchen Strategie ist aus Sicht von Wiebke Steffen, wissenschaftliche Beraterin und Gutachterin des Deutschen Präventionstages, ein wesentlicher Grund für die wenig befriedigende Situation der Prävention des gewaltbereiten Islamismus.

Sindyan Qasem vom Zentrum für Islamische Theologie in Münster sagte hingegen, aufgrund der damit einhergehenden Normierungen und Normalisierungen seien vereinheitlichte bundesweite Praktiken an sich abzulehnen. Viel eher würden auf lokale und regionale Gegebenheiten reagierende Praktiken von national vereinheitlichten Qualitätsstandards und komparativen Evaluationsverfahren profitieren. Skeptisch zeigte sich auch Götz Nordbruch von der Bundesarbeitsgemeinschaft religiös begründeter Extremismus. Eine Zentralisierung von Ansätzen und Maßnahmen über landes- und bundespolitische Gremien stehe einer lokalen Anbindung und Umsetzung von Präventionsangeboten "potenziell entgegen", sagte er. Die Bedeutung lokaler Ansätze müsse daher auch in der künftigen Präventionspolitik "gestärkt und weiter ausgebaut werden", forderte er.

Prävention existiere nicht im Vakuum, betonte Neumann. "Ich bin mittlerweile davon überzeugt, dass wir nicht nur eine Präventionsstrategie brauchen, sondern eine Anti-Terrorismusstrategie", sagte er. Eine solche Strategie müsse die drei Bereiche - Repression, Prävention, Integration - miteinander ausbalancieren und effektiv aufeinander abstimmen.

Hazim Fouad vom Landesamt für Verfassungsschutz Bremen warnte davor, mit Projektmitteln für Präventionsprogramme strukturelle Defizite ausgleichen zu wollen. So seien Schulprojekte zu begrüßen. Sie brächten aber nichts, wenn auf der anderen Seite Schulsozialarbeiterstellen gestrichen würden oder die Klassengrößen explodierten. "Erfolgreiche Projekte müssen in Regelstrukturen überführt werden", forderte er. Seiner Ansicht nach müsste es in jedem Bundesland ein Präventionsnetzwerk geben, was derzeit aber noch nicht der Fall sei. Fouad wies daraufhin, dass es bundesweite Koordinierungen auf der Ebene der Behörden und auf der Ebene der Zivilgesellschaft gebe. "Was fehlt, ist eine Gremium, in dem sowohl alle behördlichen sowie alle zivilgesellschaftlichen Träger der Präventions- und Deradikalisierungsarbeit an einem Tisch sitzen", sagte er.

Der in der Öffentlichkeit oft kritisierte "Flickenteppich" sei eine große Stärke, befand Nordbruch. Durch die ganz verschiedenen Akteure könnten so auch die ganz unterschiedlichen Ursachen für die Radikalisierung in den Blick genommen werden. Die Verankerung der Präventionsstrategien auf lokaler Ebene dürfe durch eine nationale Strategie nicht in Frage gestellt werden, betonte der Vertreter der Bundesarbeitsgemeinschaft religiös begründeter Extremismus.

Für eine strikte Trennung bei der Förderung von Präventions-, Bildungs- und Integrationsmaßnahmen sprach sich Sindyan Qasem aus. Gleichzeitig kritisierte er das Fehlen empirischer Belege für als feststehend geltende Annahmen wie etwa jene, dass Religiosität zu einem höheren Radikalisierungspotenzial führt.

Es gehe darum, jeweils individuelle Lösungen zu finden, sagte Holger Schmidt, Leiter des Kompetenzzentrums für Deradikalisierung im Bayrischen Landeskriminalamt. Wer sich an zivilgesellschaftliche Träger wende, dem solle kein Programm übergestülpt werden, sagte er. Seiner Ansicht nach existieren in den Bundesländern die benötigten Strukturen. Notwendig sei aber, "dass in den einzelnen Bereichen konkrete Ansprechpartner vorhanden sein müssen". Schmidt sprach sich für Förderstrukturen mit längeren Zeiträumen aus. Ansonsten werde es für die zivilgesellschaftlichen Organisationen sehr schwierig, qualifiziertes Personal zu bekommen.

Nur eine bundesweite Strategie könne einen gesamtgesellschaftlichen, ressortübergreifenden, ganzheitlichen Ansatz gewährleisten, sagte Wiebke Steffen. Damit könne die Zuständigkeit zivilgesellschaftlicher Akteure gesichert und die "Versicherheitlichung" der Prävention durch die Dominanz von Polizei und Verfassungsschutz vermieden werden, sagte die wissenschaftliche Beraterin und Gutachterin des Deutschen Präventionstages.

*

2. Keine Flugverbotszone über Gorleben

Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit/Antwort

Berlin: (hib/SCR) Die Bundesregierung sieht keine Notwendigkeit, über zentralen Zwischenlagern für hochradioaktiven Atommüll Flugbeschränkungen zu erlassen. Gegenüber Atomkraftwerken und größeren Forschungseinrichtungen bestehe ein deutlich geringeres Gefahrenpotential, schreibt die Bundesregierung in einer Antwort (18/12790) auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (18/12666). In den vergangenen drei Jahren fanden im Bereich des Transportbehälterlagers Gorleben 85.577 Überflüge ziviler Flugzeuge in einem Umkreis von neun Kilometern statt, heißt es in der Antwort mit Verweis auf Daten der Deutschen Flugsicherung. Zur Zahl der militärischen Überflüge kann die Bundesregierung keine Angabe machen.

*

3. Forschung zu »Coffee-to-go-Bechern«

Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit/Antwort

Berlin: (hib/SCR) Das Bundesumweltministerium will die "ökologische Bedeutung des zunehmenden Verbrauchs an Einwegbechern" erforschen lassen. Teil des Forschungsvorhabens sind zudem Aussagen zur abfallwirtschaftlichen Bedeutung und Ressourcenrelevanz der Becher sowie mögliche Maßnahmen, um den Verbrauch zu reduzieren. Das Forschungsvorhaben befindet sich aktuell im Vergabeverfahren. Dies geht aus einer Antwort der Bundesregierung (18/12766) auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (18/12625) hervor. Hintergrund des Forschungsvorhabens ist demnach eine Prüfbitte der Umweltministerkonferenz.

*

4. 4,61 Milliarden Euro für Schienenprojekte

Verkehr und digitale Infrastruktur/Unterrichtung

Berlin: (hib/HAU) In die Bundesschienenwege sind im Jahr 2015 4,61 Milliarden Euro investiert worden. Das geht aus dem von der Bundesregierung vorgelegten "Verkehrsinvestitionsbericht für das Berichtsjahr 2015" (18/12764) hervor. Die bereitgestellten Bundes- und EU-Mittel für die Aus- und Neubauvorhaben nach dem geltenden Bedarfsplan beliefen sich der Unterrichtung zufolge auf 1,06 Milliarden Euro.

Zur Finanzierung von Ersatzinvestitionen in das bestehende Netz hätten der Bund und die Eisenbahninfrastrukturunternehmen des Bundes (EIU) mit Wirkung zum 1. Januar 2015 eine zweite Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung (LuFV II) abgeschlossen, heißt es in der Vorlage. In dieser ist nach Regierungsangaben während der Vertragslaufzeit (2015-2019) ein Infrastrukturbeitrag des Bundes in Höhe von durchschnittlich jährlich mehr als 3,3 Milliarden Euro vorgesehen. Im Jahr 2015 hätten die EIU nach eigenen Angaben Investitionen in Höhe von 3,64 Milliarden Euro in das Bestandsnetz getätigt. Nach Abzug des Infrastrukturbeitrages des Bundes in Höhe von 3,35 Milliarden Euro beläuft sich der Eigenbetrag der EIU damit auf 288 Millionen Euro.

Im Bereich der Bundesfernstraßen ergaben sich der Unterrichtung zufolge im Jahr 2015 Ausgaben in Höhe von 6,5 Milliarden Euro, davon 5,3 Milliarden Euro an Investitionen. Für Bauleistungen zur Kapazitätserweiterung auf den Bundesfernstraßen seien 2015 insgesamt 1,5 Milliarden Euro aufgewendet worden. Fertiggestellt worden seien auf den Bundesautobahnen 46,5 Kilometer Neubaustrecken und 78,9 Kilometer Erweiterungsstrecken. Zudem seien im Berichtsjahr 2015 bundesweit elf Ortsumgehungen mit einer Länge von insgesamt 66 Kilometern vollständig fertiggestellt worden. 40 Ortsumgehungen mit einer Gesamtlänge von 202,3 Kilometern hätten sich Ende des Berichtsjahres im Bau befunden, schreibt die Regierung.

Die Kosten für den Radwegebau an Bundesstraßen - einschließlich der Erhaltung von Radwegen - werden mit 80,2 Millionen Euro beziffert. Etwa 236 Kilometer Radwege an Bundesstraßen seien 2015 fertiggestellt worden.

Für den Lärmschutz beim Neu- und Ausbau von Bundesfernstraßen (Lärmvorsorge) seien 82 Millionen Euro und für den Lärmschutz an bestehenden Bundesfernstraßen (Lärmsanierung) weitere 54 Millionen Euro ausgegeben worden. "Damit wurden im Berichtsjahr 22 Kilometer Lärmschutzwälle (einschließlich Steilwälle) und 31 Kilometer Lärmschutzwände errichtet sowie rund 9.300 Quadratmeter Lärmschutzfenster eingebaut", heißt es in der Vorlage.

Die Ausgaben für die Bundeswasserstraßen umfassen den Angaben zufolge für die Bereiche Investitionen, Betrieb und Unterhaltung sowie Verwaltung ein Gesamtvolumen von 1,84 Milliarden Euro im Jahr 2015. Die Gesamtausgaben für Investitionen in die Bundeswasserstraßen hätten einschließlich der Infrastrukturbeschleunigunsprogramme und EU-Mittel 760,1 Millionen Euro betragen. Davon seien in Erhaltung und Ersatz der verkehrlichen Infrastruktur 593 Millionen Euro und für Aus- und Neubaumaßnahmen 102 Millionen Euro investiert worden. Zu den Schwerpunkten der Investitionen in die Bundeswasserstraßen gehörten die Fortsetzung der begonnenen Aus- und Neubauvorhaben sowie die Erhaltung der vorhandenen Wasserstraßen und ihrer Anlagen, schreibt die Regierung.

*

5. Schwarzarbeit leicht rückläufig

Finanzen/Unterrichtung

Berlin: (hib/HLE) Der Umfang der Schwarzarbeit in Deutschland könnte leicht rückläufig sein. Unter Berufung auf wissenschaftliche Untersuchungen schreibt die Bundesregierung in ihrem als Unterrichtung (18/12755) vorgelegten 13. Bericht über die Auswirkungen des Gesetzes zur Bekämpfung der illegalen Beschäftigung, der geschätzte Umfang der sogenannten Schattenwirtschaft könnte von 341 Milliarden Euro im Jahr 2013 auf 336 Euro im Jahr 2016 zurückgegangen sein. Bezogen auf das Bruttoinlandsprodukt wäre dies ein Rückgang von 12,1 auf 10,8 Prozent. Deutschland liege damit im Vergleich zu den OECD-Ländern mit der Größe seiner Schattenwirtschaft im Mittelfeld, heißt es. Umfang und Entwicklung der Schwarzarbeit genau zu messen, sei aber nicht möglich, betont die Bundesregierung und stellt fest: "Dies liegt in der Natur der Schwarzarbeit, die sich als Teil der Schattenwirtschaft in der Regel im Verborgenen abspielt und sich der statistischen Erfassung entzieht."

Besonders lohnintensive Branchen seien von Schwarzarbeit und illegaler Beschäftigung betroffen. Genannt werden von der Bundesregierung unter anderem das Baugewerbe, das Gaststätten- und Beherbergungsgewerbe sowie das Transportgewerbe.

*

6. Tagung zur EU-Wirtschaftspolitik

Europa/Unterrichtung

Berlin: (hib/JOH) Die Themen der achten Tagung der Konferenz im Rahmen der Europäischen Parlamentarischen Woche vom 30. Januar bis 1. Februar 2017 in Brüssel sind Gegenstand einer Unterrichtung (18/12814) durch die Delegation des Deutschen Bundestages in der Interparlamentarischen Konferenz über Stabilität, wirtschaftspolitische Koordinierung und Steuerung in der Europäischen Union.

Im Zentrum der Beratungen stand danach neben dem Fiskalvertrag als Teil der nationalen Wirtschaftspolitik unter anderem die Rolle finanzieller Unterstützungsprogramme und des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) bei der Sicherung der Stabilität des Euro.

An der Tagung hatten unter Leitung von Ralph Brinkhaus (CDU) insgesamt vier Bundestagsabgeordnete teilgenommen.

*

Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 398 - 26. Juni 2017 - 00.00 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
PuK 2 - Parlamentskorrespondenz
Platz der Republik 1, 11011 Berlin
Telefon: +49 30 227-35642, Telefax: +49 30 227-36191
E-Mail: mail@bundestag.de
Internet: www.bundestag.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 28. Juni 2017

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang