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BUNDESTAG/6388: Heute im Bundestag Nr. 140 - 08.03.2017


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 140
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Mittwoch, 08. März 2017, Redaktionsschluss: 12.35 Uhr

1. Grünes Licht für mehr Videoüberwachung
2. Ausschuss billigt Arzneimittelreform
3. Baurechtsnovelle passiert Ausschuss
4. MINT-Talente im Bildungswesen


1. Grünes Licht für mehr Videoüberwachung

Inneres/Ausschuss

Berlin: (hib/STO) Der Innenausschuss hat den Weg für das von der Bundesregierung vorgelegte "Videoüberwachungsverbesserungsgesetz" (18/10941) frei gemacht. Gegen die Stimmen der Oppositionsfraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen verabschiedete das Gremium am Mittwochvormittag die Vorlage, die am Donnerstag zur abschließenden Beratung auf der Tagesordnung des Bundestagsplenums steht, mit den Stimmen der Koalitionsmehrheit.

Der Gesetzentwurf sieht Änderungen des Bundesdatenschutzgesetzes vor mit dem Ziel, bei einem Einsatz von Videoüberwachungsmaßnahmen in Einrichtungen des öffentlichen Schienen-, Schiffs- und Busverkehrs und öffentlich Anlagen wie Sportstätten und Einkaufszentren festzuschreiben, dass der Schutz von Leben, Gesundheit oder Freiheit dort befindlicher Personen "als ein besonders wichtiges Interesse" gilt. Diese Wertung soll bei der Abwägung über den Einsatz von Videoüberwachungsmaßnahmen zu berücksichtigen sein.

Die CDU/CSU-Fraktion sprach von einem vernünftigen und maßvollen, aber sehr notwendigen Gesetz. Sie verwies unter anderem auf Fälle sogenannter S- oder U-Bahn-"Schubser" und betonte, dass Videoüberwachung zwar kein Allheilmittel sei, aber bei der Prävention der Abschreckung von Straftätern dienen und vor allem im repressiven Bereich helfen könne, Täter zu überführen.

Auch die SPD wertete die Neuregelung als vernünftigen Vorschlag, mit dem der Gesetzgeber nicht übermäßig auf entsprechende Vorfälle reagiere. Man müsse anerkennen, dass in Deutschland eine Vielzahl öffentlich zugänglicher Anlagen von Privaten betrieben werden. Ihnen müssten zur Ermöglichung von Videoüberwachung klare Regeln vorgegeben werden,

Die Fraktion Die Linke begründete ihre Ablehnung unter anderem damit, dass die bestehenden Regelungen zur Videoüberwachung bereits vollkommen ausreichten. Auch seien die Effekte einer solchen Überwachung strittig. So trage sie beim "Black-Box"-Verfahren nicht zur Gefahrenabwehr bei, da niemand dabei hinter der Videokamera sitze, der bei etwaigen Vorfällen intervenieren könne.

Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen verwies ebenfalls darauf, dass eine präventive Wirkung der Videoüberwachung nicht nachweisbar sei. Eine Terrororganisation wie der sogenannte Islamische Staat sei bei Anschlägen vielmehr dankbar für Videoaufzeichnungen. Natürlich müsse es an neuralgischen Punkten auch Videoüberwachung geben, doch hätte es einen "viel maßvolleren" Vorschlag gebraucht.

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2. Ausschuss billigt Arzneimittelreform

Gesundheit/Ausschuss

Berlin: (hib/PK) Der Gesundheitsausschuss des Bundestages hat die jüngste Arzneimittelreform der Bundesregierung mit einigen wichtigen Änderungen gebilligt. Für den Gesetzentwurf (18/10208) zur Stärkung der Arzneimittelversorgung in der GKV (AMVSG) votierten am Mittwoch die Fraktionen von Union und SPD. Die Linksfraktion enthielt sich der Stimme, die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen stimmte gegen den Entwurf, der am Donnerstag (9. März) im Bundestag beschlossen werden soll.

Die Gesetzesvorlage fußt unter anderem auf den Ergebnissen eines Pharmadialogs und beinhaltet neben Regelungen zur Kostendämpfung auch Anreize für die rasche Bereitstellung innovativer Medikamente. In der Schlussberatung wurden noch 19 Änderungsanträge beschlossen.

Ein zentraler Bestandteil des ursprünglichen Entwurfs wurde in den Beratungen wieder gestrichen. Bei neuen Medikamenten sollte die freie Preisbildung im ersten Jahr nach Markteinführung nur noch bis zu einem Schwellenwert in Höhe von 250 Millionen Euro gelten. Bei Umsätzen über diesem Wert wären Rabatte fällig geworden. Auf diese Regelung wird nun verzichtet.

Dafür werden die vereinbarten Erstattungsbeträge für Arzneimittel nun doch öffentlich gelistet. Ursprünglich war hier Geheimhaltung vorgesehen, um den Pharmastandort Deutschland zu stärken und Spielraum für die Preisvereinbarung zu schaffen. Nach Kritik in der Expertenanhörung zu dem Gesetz nahmen die Regierungsfraktionen von diesem Plan wieder Abstand.

Dem Gesetzentwurf zufolge wird das seit 2010 geltende Preismoratorium für erstattungsfähige Arzneimittel bis Ende des Jahres 2022 verlängert. Erhöht ein Hersteller den Abgabepreis, steht den Kostenträgern ein Preisabschlag in derselben Höhe zu. Dies betrifft jene Medikamente, für die noch kein Festbetrag festgelegt worden ist. Allerdings wird ab 2018 eine Preisanpassung entsprechend der Inflationsrate neu eingeführt.

Künftig sollen außerdem die Besonderheiten von Kinderarzneimitteln bei der Nutzenbewertung stärker berücksichtigt werden. Für Antibiotika wird zudem die Resistenzsituation bei der Nutzenbewertung mit einbezogen. Im Fall von neuen Forschungsergebnissen wird die Wartefrist für eine erneute Bewertung des Zusatznutzens verkürzt. Ärzte sollen ferner besser über die Ergebnisse der Nutzenbewertung informiert werden.

Was Arzneimittel zur Krebsbehandlung (Zytostatika) angeht, entfällt die Ausschreibungsmöglichkeit der Krankenkassen. Das soll die Versorgungssicherheit erhöhen. Bislang können Kassen die Herstellung und Lieferung der kostspieligen Zytostatika mit Hilfe von Ausschreibungen an jene Apotheken mit dem günstigsten Preis vergeben.

Zugleich werden jedoch Rabattverträge zwischen Krankenkassen und Pharmafirmen ermöglicht und die Verhandlungsmöglichkeiten über die sogenannte Hilfstaxe für Apotheker erweitert. Auch die Impfstoff-Ausschreibungen fallen nach einer jüngsten Änderung künftig weg.

Um Lieferengpässe zu vermeiden, erhalten die zuständigen Bundesoberbehörden die Möglichkeit, von den Arzneimittelherstellern Informationen über die Absatzmenge und das Verschreibungsvolumen einzufordern.

Das Gesetz soll 2017 in Kraft treten. Es bedarf nicht der Zustimmung des Bundesrates.

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3. Baurechtsnovelle passiert Ausschuss

Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit/Ausschuss

Berlin: (hib/SCR) Kommunen sollen künftig im Innenbereich stärker nachverdichten können. Eine neue Baugebietskategorie "Urbanes Gebiet" in der Baunutzungsverordnung soll das Nebeneinander von Gewerbe, Freizeit und Wohnen erleichtern und planerisch eine "nutzungsgemischte Stadt der kurzen Wege" ermöglichen. Einen entsprechenden Gesetzentwurf der Bundesregierung (18/10942) verabschiedete der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit am Mittwoch mit Stimmen der Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD in geänderter Fassung. Die Fraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen enthielten sich. Ein Vertreter der Unions-Fraktion stimmte gegen den Entwurf.

Der Entwurf enthält zudem Anpassungen an europarechtliche Regelungen. So besteht auch im Baugesetzbuch (BauGB) laut Bundesregierung Änderungsbedarf, um die Richtlinie 2014/52/EU (UVP-Änderungsrichtlinie) in nationales Recht umzusetzen. Weitere Regelungen des Entwurfs zielen auf die Erleichterung des Wohnungsbaus sowie auf Probleme mit Nebenwohnungen insbesondere auf ost- und nordfriesischen Inseln.

Mit dem Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen wird unter anderem die geplante Regelung zum beschleunigten Verfahren im Außenbereich (Paragraph 13b BauGB-neu) enger gefasst. Der Regierungsentwurf sieht vor, befristet ein beschleunigtes Verfahren analog Paragraph 13a BauGB zuzulassen, wenn es sich um einen Bebauungsplan mit einer Grundfläche von bis zu 10.000 Quadratmetern zur Begründung von Wohnungnutzung handelt, der an im Zusammenhang bebaute Ortsteile anschließt. Dieses Verfahren kann nach dem Änderungsantrag nur dann Anwendung finden, wenn das förmliche Verfahren zur Aufstellung eines Bebauungsplans bis zum 31. Dezember 2019 eingeleitet wird und ein Satzungsbeschluss gemäß Paragraph 10 Absatz 1 BauGB bis zum 31. Dezember 2021 gefasst wird.

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4. MINT-Talente im Bildungswesen

Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung/Ausschuss

Berlin: (hib/ROL) "Kein MINT-Talent soll verloren gehen. Jeder soll passgenau gefördert werden." Das forderte Sven Baszio, Geschäftsführender Vorstand der Stiftung Jugend forscht, beim Öffentliches Fachgespräch zum Thema "MINT-Bildung in Deutschland" am Mittwochvormittag in Berlin vor dem Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung. Unter MINT-Fächern versteht man die Fächer Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik. Baszio unterstich, dass der Wettbewerb "Jugend forscht" seit 1965 MINT-Förderung betreibe und sich mehr als eine Viertelmillion Kinder und Jugendliche seitdem an dem Wettbewerb beteiligt hätten. Baszio forderte, diese Fächer im Bildungswesen mehr als bisher zu etablieren. Schulische und außerschulische Forschungsmöglichkeiten müssten zusammen gebracht werden.

Jenseits der Förderung im MINT-Bereich sei es auch wichtig, die Neugierde der zu erhalten, betonte Michael Fritz, Vorsitzender des Vorstands der Stiftung "Haus der kleinen Forscher". Möglichkeiten sich in MINT-Fächern auszuprobieren, hinterließen Spuren in den Köpfen der Kinder. Die heute Sechsjährigen seien noch 2080 im Beruf. "Niemand kann sich vorstellen, wie dann die Anforderungen sein werden", betonte Fritz.

Alle müssten sich auf eine drastische Beschleunigung der Digitalisierung von Wirtschaft und Gesellschaft einstellen. Das betonte Stephan Noller, Mitgesellschafter der Computerfirma Calliope in Berlin. Derzeit halte das Bildungssystem mit dieser Entwicklung nicht ausreichend Schritt. Sowohl im Einsatz digitaler Mittel, um den Unterricht interessanter und individueller zu gestalten, wie auch bei der direkten Vermittlung digitaler Kenntnisse und Fertigkeiten werde zu wenig getan.

Christian Rittelmeyer, bis 2003 Professor für Erziehungswissenschaft am Pädagogischen Seminar der Universität Göttingen, begrüßte ebenfalls die Initiative für mehr MINT-Förderung im Bildungswegen. Er betonte, dass dadurch aber nicht die übrigen und insbesondere künstlerischen Schulfächer aus dem Blick geraten dürften. Es gebe wissenschaftliche Erkenntnisse, dass es eine "konstitutive Wechselbeziehung zwischen künstlerischen und MINT-Fächern gibt", betonte Rittelmeyer.

Nathalie von Siemens, Sprecherin des Nationalen MINT-Forums, forderte eine Allianz für Qualitätssicherung, die Erarbeitung einheitlicher, akzeptierter Qualitätskriterien sowie die Finanzierung von MINT-Bildungsforschung und Begleitforschung. Das Nationale MINT Forum vertritt über 30 nicht profitorientiere Institutionen und Vereinigungen.

Obwohl MINT-Fächer für zukünftiges Innovations- und Wachstumspotential stünden, seien die Frauen in den deutschen Innovationssystemen unterpräsentiert, unterstich Ulrike Struwe, Geschäftsführerin der Geschäftsstelle des Kompetenzzentrums Technik - Diversity - Chancengleichheit der Fachhochschule Bielefeld und Leiterin der Geschäftsstelle Nationaler Pakt für Frauen in MINT-Berufen. Es ginge insgesamt darum, mehr Frauen für MINT-Fächer zu gewinnen. Interessierte Mädchen würden zu oft Entmutigungserfahrungen machen. Deutschland sei auf das Potential gut ausgebildeter Frauen auch in MINT Fächern dringend angewiesen.

Heike Wiesner, Professorin für Betriebliche Informations- und Kommunikationssysteme an der Hochschule für Wirtschaft und Recht in Berlin, betonte, dass laut einer europäischen Studie durch die Beschäftigung von mehr Frauen im IT-Bereich das gesamte Bruttoinlandsprodukt für Europa um neun Milliarden Euro steigen könnte. Derzeit würden lediglich 17,8 Prozent der Frauen in Deutschland im IT-Bereich arbeiten, dieser Anteil liege unter dem EU-Durchschnitt. Sie bemängelte, dass Frauen in der Fachkultur von MINT-Fächern oft nicht willkommen geheißen würden. Das müsste sich dringend ändern.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 140 - 8. März 2017 - 12.35 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 10. März 2017

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