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BUNDESTAG/6223: Heute im Bundestag Nr. 737 - 14.12.2016


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 737
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Mittwoch, 14. Dezember 2016, Redaktionsschluss: 16.12 Uhr

1. Schwarzarbeit wird bekämpft
2. Keine Mehrheit für Dragoner-Antrag
3. DBS zieht positives Paralympics-Fazit
4. Expertenkritik an Arzneimittelreform


1. Schwarzarbeit wird bekämpft

Finanzen/Ausschuss

Berlin: (hib/HLE) Der Finanzausschuss hat weitere Maßnahmen zur Bekämpfung der Schwarzarbeit beschlossen. Mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPO sowie der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen stimmte der Ausschuss am Mittwoch dem von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Bekämpfung der Schwarzarbeit und illegalen Beschäftigung (18/9958) zu. Die Fraktion Die Linke enthielt sich. Die Koalitionsfraktionen hatten zuvor noch einige Änderungen vorgenommen. Ein Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 890/Die Grünen wurde abgelehnt.

Der Entwurf sieht neue Kompetenzen für die Schwarzarbeitsbekämpfungsbehörden der Länder vor. So müssen Ausweispapiere in Zukunft nicht nur der Zollverwaltung, sondern auch Bediensteten der zuständigen Landesbehörden vorgelegt werden. Die Landesbehörden erhalten zudem weitere Prüfungsbefugnisse. Zollbehörden dürfen in Zukunft Daten aus dem Zentralen Fahrzeugregister des Kraftfahrt-Bundesamtes abfragen. Außerdem sind Verbesserungen in der behördlichen Informationstechnologie geplant.

Zu den weiteren Maßnahmen gehört der Ausschluss von Bewerbern, die bereits Vorschriften zur Verhinderung von Schwarzarbeit in Konflikt gekommen sind, von der Teilnahme an Ausschreibungen. Bisher wurden solche Bewerber schon von Bauaufträgen ausgeschlossen. Künftig erfolgt auch ein Ausschluss von Liefer- und Dienstleistungsaufträgen.

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2. Keine Mehrheit für Dragoner-Antrag

Haushalt/Ausschuss

Berlin: (hib/SCR) Die Fraktion Die Linke ist im Haushaltsausschuss mit einem Antrag zum Berliner Dragoner-Areal (18/9790) gescheitert. Die Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD stimmten gegen die Vorlage. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen stimmte mit den Linken.

In dem Ende September eingebrachten Antrag wird die Bundesregierung aufgefordert, die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) anzuweisen, den Kaufvertrag mit einem österreichischen Investor rückabzuwickeln und in Folge das Grundstück dem Land Berlin anzubieten.

Kürzlich wurde bekannt, dass die BImA inzwischen eine Rückabwicklung des Kaufvertrages eingeleitet hat.

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3. DBS zieht positives Paralympics-Fazit

Sport/Ausschuss

Berlin: (hib/HAU) Ein positives Fazit der Paralympics 2016 in Rio de Janeiro zogen Vertreter des Deutschen Behindertensportverbandes (DBS) am Mittwoch im Sportausschuss. Anders als die Olympischen Sommerspiele von Rio hätten sich die Paralympics zu "Spielen des Volkes" entwickelt, sagte DBS-Präsident Friedhelm Julius Beucher. Die im Vergleich zu den Olympischen Spielen radikal gesenkten Eintrittspreise hätten für volle Hallen und Stadien gesorgt. Für die Sportler, die sonst ihre Auftritte oft nur vor Freunden und Verwandten hätten, sei dies ein beeindruckendes Erlebnis gewesen, betonte der DBS-Präsident.

Der für den Leistungssport zuständige DBS-Vizepräsident Karl Quade, Delegationsleiter in Rio, betonte, man habe mit Platz sechs in der Nationenwertung das sportliche Ziel erreicht. Die Sportler des DBS hätten 18-mal Gold, 25-mal Silber und 14-mal Bronze gewonnen. "Bis auf Tennis haben wir in allen Sportarten Finalplatzierungen erzielt", sagte Quade. Besonders erfreulich sei, dass viele der deutschen Starter ihre persönlichen Bestleistungen verbessert hätten.

Die sportliche Qualität der gesamten Paralympics wird laut Quade nicht zuletzt durch die 209 erzielten Weltrekorde belegt. Was die Nationenwertung angeht, so hätten - in Abwesenheit der russischen Mannschaft - China, Großbritannien, die Ukraine und die USA dominiert. Die vom Internationalen Paralympischen Komitee (IPC) aufgrund von Dopingverstößen gegen das gesamte Paralympics-Team Russlands verhängte Sperre nannte der DBS-Vizepräsident "ein starkes Signal". Dass der Ausschluss der Russen richtig gewesen sei, belegten nicht zuletzt die Erkenntnisse aus dem durch die Welt-Anti-Doping Agentur (Wada) in Auftrag gegebenen McLaren-Report, sagte Quade.

Neben der sehr positiven Zuschauerresonanz vor Ort zeigte er sich auch über den Umfang der TV-Übertragungen erfreut. 65 Stunden hätten ARD und ZDF von den Paralympics berichtet, so Quade. Angesprochen darauf, dass die öffentlich-rechtlichen Sender die Übertragungsrechte an den Olympischen Spielen verloren habe, sagte DBS-Präsident Beucher, man sei mit ARD und ZDF in guten Gesprächen was die Übertragung der Paralympics angeht.

Das Thema Doping griff DBS-Vizepräsident Quade auf Nachfrage nochmals auf. Es habe in Rio 38 Dopingkontrollen bei deutschen Athleten gegeben, die alle negativ ausgefallen seien. Wieviel Kontrollen es insgesamt gegeben habe, könne er nicht sagen. Das IPC halte sich da sehr bedeckt, so Quade. Bekannt geworden seien aber drei positive Proben.

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4. Expertenkritik an Arzneimittelreform

Gesundheit/Anhörung

Berlin: (hib/PK) Der Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Stärkung der Arzneimittelversorgung (AMVSG) ist unter Gesundheitsexperten umstritten. Mit der Novelle sollen einerseits die Preise für neue, hochwertige Arzneimittel effektiver gedeckelt werden. Andererseits werden die Ergebnisse des sogenannten Pharmadialogs umgesetzt mit dem Ziel, die Branche und den Standort zu stärken. Vertreter der Ärzteverbände und der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) sowie Einzelsachverständige äußerten sich anlässlich einer öffentlichen Anhörung des Gesundheitsausschusses über die Novelle am Mittwoch auch in ihren schriftlichen Stellungnahmen kritisch über wichtige Details der Reform.

Mit dem Gesetzentwurf (18/10208) wird das Verfahren zur Nutzenbewertung und Preisbildung von Arzneimitteln in der GKV weiterentwickelt. Zugleich sollen neue Wirkstoffe möglichst schnell für Patienten verfügbar sein.

Bei neuen Medikamenten soll die freie Preisbildung im ersten Jahr nach Markteinführung künftig nur noch bis zu einem Schwellenwert in Höhe von 250 Millionen Euro gelten. Liegen die Umsätze darüber, werden Rabatte fällig. Die vereinbarten Erstattungsbeträge bleiben geheim. Damit soll nach Darstellung der Bundesregierung der Pharmastandort Deutschland gestärkt und Spielraum für die Preisvereinbarung geschaffen werden.

Zugleich wird das seit 2010 geltende Preismoratorium für erstattungsfähige Arzneimittel bis Ende des Jahres 2022 verlängert. Erhöht ein Hersteller den Abgabepreis, steht den Kostenträgern ein Preisabschlag in derselben Höhe zu. Dies betrifft jene Medikamente, für die noch kein Festbetrag festgelegt worden ist. Allerdings wird ab 2018 eine Preisanpassung entsprechend der Inflationsrate neu eingeführt.

Künftig sollen außerdem die Besonderheiten von Kinderarzneimitteln bei der Nutzenbewertung stärker berücksichtigt werden. Für Antibiotika wird zudem die Resistenzsituation bei der Nutzenbewertung mit einbezogen. Im Fall von neuen Forschungsergebnissen wird die Wartefrist für eine erneute Bewertung des Zusatznutzens verkürzt. Ärzte sollen besser über die Ergebnisse der Nutzenbewertung informiert werden.

Was Arzneimittel zur Krebsbehandlung (Zytostatika) angeht, entfällt dem Entwurf zufolge die Ausschreibungsmöglichkeit der Krankenkassen. Bislang können Kassen die Herstellung und Lieferung der kostspieligen Zytostatika mit Hilfe von Ausschreibungen an jene Apotheken mit dem günstigsten Preis vergeben. Zugleich sollen Rabattverträge zwischen Krankenkassen und Pharmafirmen ermöglicht und Verhandlungsmöglichkeiten über die sogenannte Hilfstaxe für Apotheker erweitert werden.

Um Lieferengpässe zu vermeiden, erhalten die zuständigen Bundesoberbehörden die Möglichkeit, von den Arzneimittelherstellern Informationen über die Absatzmenge und das Verschreibungsvolumen einzufordern.

Sehr kritisch zu dem Entwurf äußerten sich die Bundesärztekammer (BÄK) und die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) sowie die Krankenkassen. Die Mediziner lehnen an mehreren Stellen im Gesetzentwurf "eine mitgestaltende Rolle der pharmazeutischen Unternehmer" ab. Dabei geht es etwa um die Nutzenbewertung der Medikamente. Die Ärzte befürchten neben einem zu großen Einfluss der Pharmafirmen auch unzureichende Strategien zum Schutz der Antibiotika. Die Krankenkassen werteten auch die höhere Vergütung für Apotheker als falsches Signal. Laut GKV-Spitzenverband ist hier mit 115 Millionen Euro Mehrausgaben pro Jahr zu rechnen.

Die Ärzte rügten die geplante Geheimhaltung des Erstattungsbetrages. Dies stehe dem Transparenz- und Wirtschaftlichkeitsgebot in der GKV entgegen. Vor allem bei teuren Medikamenten gegen Krebs müssten die tatsächlichen Therapiekosten beurteilt werden können. Die Umsatzschwelle von 250 Millionen Euro greife in der Praxis kaum, da nur wenige Arzneimittel diese Grenze überschritten. Die höchsten Umsätze erzielten neue Medikamente auch erst im zweiten oder dritten Jahr nach der Markteinführung, das erste Jahr sei somit nicht repräsentativ.

Der Verzicht auf eine öffentliche Listung der Erstattungsbeträge stößt auch beim AOK Bundesverband auf heftige Gegenwehr. Damit reagiere der Gesetzgeber auf die von den Pharmafirmen behaupteten Erlösprobleme, während das drängende Problem der "immer schneller steigenden Arzneimittelpreise" nicht gelöst werde. Die Regelung werde nicht zu Einsparungen, sondern zu höheren Kosten führen. Mit der Umsatzschwelle von 250 Millionen Euro sei angesichts der wenigen betroffenen Präparate die Erwartung einer Ersparnis in zweistelliger Millionenhöhe ungerechtfertigt. Ohne Ausschreibungsoption für Zytostatika verzichte die GKV zudem auf ein Einsparpotenzial von 600-800 Millionen Euro, ohne dass die Versorgung der Krebspatienten verbessert werde.

Auch der GKV-Spitzenverband warnte mit Blick auf die Umsatzschwelle vor einem weiterhin "systematischen Fehlanreiz" für viele Pharmafirmen, "die Preisfreiheit im ersten Jahr gewinnbringend auszunutzen". Nur über eine rückwirkende Geltung des Erstattungsbetrages ab dem ersten Tag der Einführung könnten faire Arzneimittelpreise erreicht werden.

Eine Sachverständige aus Österreich empfahl in der Anhörung, bei der öffentlichen Listung der Erstattungsbeträge zu bleiben. Die Listenpreise für Medikamente seien in Deutschland besonders hoch, und viele europäische Länder nähmen Deutschland als Referenzmarkt. Es sei somit auch in anderen Ländern ein Preisanstieg zu befürchten, wenn die Erstattungsbeträge geheim blieben.

Der Verband der forschenden Pharmaunternehmen (vfa) sprach von ungerechtfertigten Sparmaßnahmen, die zu einer verschlechterten Versorgung führten und nannte die Einführung des Umsatzschwellenwertes und die Verlängerung des Preismoratoriums.

Der Pharmakologe Ulrich Schwabe von der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg hielt der Bundesregierung eine verfehlte Strategie zur Kosteneindämmung vor. In dem Entwurf würden die wirklichen Ursachen für die stark steigenden Arzneimittelausgaben nicht berücksichtigt. Schwabe rechnete in seiner Stellungnahme vor, dass die hohen Ausgaben im Widerspruch zu den Zielen des Arzneimittelmarktneuordnungsgesetzes (AMNOG) stünden. Die bisherigen Einsparungen blieben weit hinter den Erwartungen zurück.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 737 - 14. Dezember 2016 - 16.12 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 20. Dezember 2016

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