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BUNDESTAG/6157: Heute im Bundestag Nr. 671 - 11.11.2016


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 671
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Freitag, 11. November 2016, Redaktionsschluss: 09.20 Uhr

1. Bund kann 329,1 Milliarden ausgeben
2. Düsseldorfer Verfasssungsschützer im Zeugenstand
3. Zeuge bestätigt Ausspähung von EU-Zielen
4. Kraftfahrt-Bundesamt widerspricht VW
5. Grüne fordern mehr Bildungsgerechtigkeit


1. Bund kann 329,1 Milliarden ausgeben

Haushalt/Ausschuss

Berlin: (hib/MIK) Der Bund kann im kommenden Jahr 329,1 Milliarden Euro ausgeben. Das beschloss der Haushaltsausschuss in der Nacht zum Freitag nach 14-stündigen Beratungen in der sogenannten Bereinigungssitzung. Das sind 400 Millionen Euro mehr als im Gesetzentwurf der Bundesregierung (18/9200) zum Haushalt 2017 vorgesehen waren. Da die Einnahmen ebenfalls 329,1 Milliarden Euro betragen sollen, ist der Haushalt ausgeglichen. Der Bund will somit zum vierten Mal in Folge auch 2017 keine neuen Schulden machen. Im Vergleich zu diesem Jahr sollen somit die Einnahmen und Ausgaben um insgesamt 12,2 Milliarden Euro (2016: 316,9 Milliarden Euro) erhöht werden.

Für Investitionen stellt der Ausschuss 36,02 Milliarden Euro zur Verfügung. Das sind 2,79 Milliarden Euro mehr als die Regierung eingeplant hatte. Die Einnahmen aus Steuern sollen im kommenden Jahr 301,78 Milliarden Euro betragen. Das sind 746 Millionen Euro weniger als die Regierung vorgesehen hatte. Die Höhe der eingeplanten Steuereinnahmen beruht auf der jüngsten Steuerschätzung. Die sonstigen Einnahmen sollen gegenüber dem Regierungsentwurf um 1,15 Milliarden Euro auf 28,07 Milliarden Euro steigen.

Bei den parlamentarischen Beratungen erhöhte der Ausschuss den Etat des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur um 1,09 Milliarden Euro auf 27,91 Milliarden Euro. Dabei geht es vor allem um eine Erhöhung des Eigenkapitals der Deutschen Bahn AG um eine Milliarde Euro. Erhöht wurden auch die Etats des Auswärtigen Amtes (plus 628,25 Millionen Euro), des Bundesministeriums des Innern um 639,3 Millionen Euro und des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (plus 554,06 Millionen Euro). Diese Mittel sind vor allem gedacht für die Integration von Flüchtlingen, die Bekämpfung von Fluchtursachen und den Antiterrorkampf.

Für das Bundeskanzleramt genehmigte der Ausschuss 316,6 Millionen Euro mehr. Diese Erhöhung geht vor allem in den Bereich der Beauftragten für Kultur und Medien. Um 1,03 Milliarden Euro abgesenkt wurde dagegen der Etat des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales.

Der Etat 2017 soll abschließend in der Woche vom 21. bis 25. November im Deutschen Bundestag beraten und verabschiedet werden.

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2. Düsseldorfer Verfasssungsschützer im Zeugenstand

3. Untersuchungsausschuss (NSU)/Ausschuss

Berlin: (hib/FZA) Der 3. Untersuchungsausschuss (NSU II) des Bundestages hat am Donnerstag Zeugen zu den zwei Sprengstoffanschlägen der rechten Terrorgruppe "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU) in Köln befragt. Einmal mehr ging es dabei auch um die Rolle des Verfassungsschutzes bei der Aufklärung der NSU-Verbrechen.

Ihr erstes Attentat in Köln verübte die Gruppe im Dezember 2000 in einem Lebensmittelgeschäft in der Probsteigasse. Der Sprengsatz war in einem Einkaufskorb versteckt, explodierte erst einen Monat später und verletzte die Tochter des Ladenbesitzers. Drei Jahre später, im Juni 2004, zündete der NSU eine Nagelbombe vor einem Friseurladen in der Keupstraße. Mehrere Menschen wurden zum Teil schwer verletzt. Jahrelang ermittelten die Behörden erfolglos nach den Tätern - bis zur Enttarnung des NSU im November 2011.

Als Zeugin hörte der Ausschuss unter anderem die ehemalige Leiterin des Verfassungsschutzes Nordrhein-Westfalen, Mathilde Koller, an. Koller kann auf eine lange Geheimdienstkarriere zurückblicken. Seit 1978 hat die heute 66-jährige Juristin eine ganze Reihe an Führungspositionen in Verfassungsschutzbehörden bekleidet. Ab 1992 baute sie unter anderem das Landesamt für Verfassungsschutz in Sachsen auf und stand diesem bis 1996 als Präsidentin vor. Von 2009 bis 2012 war sie als Leiterin für die Abteilung Verfassungsschutz im Innenministerium Nordrhein-Westfalen zuständig.

Die Abgeordneten fragten Koller insbesondere nach einem vermeintlichen Verdächtigen, dem Kölner Neonazi Johannes H., der einem Phantombild des Täters in der Probsteigasse verblüffend ähnlich sieht. Koller bestätigte, dass im Februar 2012 eine Mitarbeiterin des Verfassungsschutzes Nordrhein-Westfalen den entsprechenden Hinweis auf Johann H. gegeben habe. H. war den Düsseldorfer Verfassungsschützern wohlbekannt. Er arbeitete zu diesem Zeitpunkt seit mehr als zwanzig Jahren als V-Mann für die Behörde. Auch vor 2012 sei ihr der Name Johann H. "nicht unbekannt" gewesen, sagte Koller und räumte damit indirekt ein: H. war zumindest bis 2012 und wohl auch darüber hinaus für das Amt eine zentrale Quelle im Bereich Rechtsextremismus.

Was den Verdacht gegen H. ebenfalls erhärtete: H. hat als Jugendlicher bereits eine Strafe wegen eines Sprengstoffdeliktes verbüßt. Er gilt als umtriebiger Rechtsaktivist, der seit Ende der 1980er Jahre Mitglied in mehreren verbotenen rechtsextremen Parteien und Kameradschaften war. Wie Obfrau Petra Pau (Die Linke) ausführte, habe H. unter anderem in Kontakt mit dem NSU-Unterstützer Thomas Gerlach gestanden, der mittlerweile Kronzeuge im NSU-Prozess in München ist.

Trotz all dieser Indizien fanden die Behörden keine Hinweise auf eine Verbindung Johann H.'s zum NSU. Bis auf die Ähnlichkeit mit dem Phantombild habe es keine weiteren Anhaltspunkte auf eine Tatbeteiligung gegeben, sagte Koller. H. sei auch selbst zu den Fällen befragt worden, er habe die Vorwürfe abgestritten und Fotos vorgelegt, die beweisen sollen, dass er zum Zeitpunkt der Tat ganz anders aussah als der mutmaßliche Täter. Als V-Mann sei er umgehend abgeschaltet worden, sagte Koller.

Allerdings war die Abschaltung offenbar nicht von Dauer. H. soll später in einem anderen Fall als Quelle reaktiviert worden sein und bis 2015 weiter als V-Mann gearbeitet haben. Das hatte zuvor der Zeuge Burghard Schnieder bestätigt, der unter Mathilde Koller als Gruppenleiter im Verfassungsschutz Nordrhein-Westfalen gearbeitet hat. Inwieweit H. auch aktuell noch für den Verfassungsschutz arbeitet, blieb unklar.

Offen blieb auch, wie die Mitarbeiter von Koller zu dem Urteil kamen, dass es keine Anhaltspunkte für eine Tatbeteiligung H.'s gebe, und warum Schnieder daraufhin trotzdem eilig nach Karlsruhe reiste, um die Generalbundesanwaltschaft einzuweihen. Koller wie auch Schnieder erklärten: Aufgrund des öffentlichen Drucks im Zuge der NSU-Enthüllungen sei man damals sehr um Transparenz bemüht gewesen und habe das laufende NSU-Verfahren in München nicht behindern wollen.

Beide Zeugen bezweifelten darüber hinaus, dass H. überhaupt ein überzeugter Neonazi sei. Sie warfen die Frage auf, ob jemand, der sich selbst dem Verfassungsschutz angedient habe, tatsächlich von seiner rechtsextremen Gesinnung überzeugt sein könne. Schnieder beschrieb H. als Mitläufer, der "eine bürgerliche Existenz" führe. Pau widersprach: Laut Recherchen antifaschistischer Medien sei H. ein militanter Rechtsextremist, der Wehrsportübungen organisiert habe und Waffen besitze.

Obmann Uli Grötsch (SPD) fragte Koller, wie sie die derzeitige Struktur des Verfassungsschutzes in Deutschland bewerte. Insbesondere ging es Grötsch dabei um die Handhabung der sogenannten V-Mann-Führer. An diesem Punkt zeigte sich Koller, die seit 2012 offiziell im Ruhestand ist, kritisch. "Ich bin davon überzeugt, dass der Verfassungsschutz in seiner jetzigen Form nicht die Ergebnisse liefert, die wir erwarten", sagte sie. Daran würde auch das Gesetz zur Verfassungsschutzreform, das der Bundestag im Juli verabschiedet hat und das eine direkte Konsequenz aus der Arbeit des ersten NSU-Ausschusses ist, wenig ändern. Stattdessen müsse man in Sachen Verfassungsschutzgesetz jetzt "komplett neu ansetzen", sagte Koller. Auch ließ sie durchblicken, dass sie es für wahrscheinlich hält, dass der NSU in Nordrhein-Westfalen ein Netzwerk an Unterstützern gehabt haben könnte.

Vergleichsweise kurz befragte der Ausschuss im Anschluss den dritten Zeugen, Michael Muhs. Dieser befand sich in unmittelbarer Nähe des Tatorts, als die Nagelbombe in der Keupstraße detonierte. Der Ausschussvorsitzende Clemens Binninger (CDU) präsentierte mehrere Überwachungsvideos, die zeigen, dass die mutmaßlichen Täter zweimal unmittelbar an Muhs vorbeiliefen, als der gerade auf einer Treppe saß und auf eine Pizzalieferung wartete. Allerdings konnte sich Muhs nach der langen Zeit praktisch an nichts mehr erinnern.

Der 3. Untersuchungsausschuss soll offene Fragen zur Arbeit der staatlichen Behörden bei den Ermittlungen im Umfeld der Terrorgruppe "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU) klären und Handlungsempfehlungen erarbeiten.

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3. Zeuge bestätigt Ausspähung von EU-Zielen

1. Untersuchungsausschuss (NSA)/Ausschuss

Berlin: (hib/wid) Vor dem 1. Untersuchungsausschuss (NSA) hat ein Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes (BND) am Donnerstag bestätigt, Kenntnis von Abhörmaßnahmen gegen Ziele mit Bezug zu verbündeten und befreundeten Staaten besessen zu haben. Der Zeuge T.P. ist seit 2007 in der Außenstelle Rheinhausen tätig, einem Horchposten nahe Freiburg, von wo aus vor allem satellitenbasierte Datenverkehre überwacht werden. Er war hier bis 2011 im Bereich Systemunterstützung eingesetzt und ist seither als Sachgebietsleiter "Produktion" unter anderem für Nachrichtenbearbeitung zuständig. Derzeit nimmt T.P. nach eigenen Worten auch die Funktion des Dienststellenleiters wahr.

Anders als in der bayerischen Außenstelle Bad Aibling hat die amerikanische National Security Agency (NSA) in Rheinhausen keinen Fuß in der Tür. Er wisse das zu schätzen, gab T.P. den Abgeordneten zu verstehen. Die Kooperation mit einem fremden Nachrichtendienst bringe unvermeidlich "Mehraufwand" mit sich: "Es würde das Leben etwas schwerer machen." Rund die Hälfte der Selektoren, die bei der Fernmeldeüberwachung in Rheinhausen zum Einsatz kommen, sei in der Außenstelle selber generiert worden aus Resultaten laufender Abhörmaßnahmen. Die andere Hälfte werde aus der Zentrale in Pullach zugeliefert: "Wir kriegen auch Aufträge, da sind die Selektoren schon dran." Woher solche Aufträge kommen, sei in der Dienststelle nicht bekannt, berichtete der Zeuge und fügte auf Nachfrage nach kurzer Beratung mit seinem Anwalt hinzu: "Da waren auch Aufträge dabei mit EU-Bezug."

In der ersten Jahreshälfte 2014 seien in Rheinhausen die gegen befreundete Ziele gerichteten Suchmerkmale aus dem Verkehr gezogen worden. Im April jenes Jahres entstand in der Zentrale eine entsprechende schriftliche Weisung aus der Feder des Abteilungsleiters Technische Aufklärung Hartmut Pauland. Sie habe Rheinhausen durch ein Versehen mit Verspätung erst im Juni erreicht. Die Außenstelle in Südbaden habe zunächst nicht auf dem Verteiler gestanden. Man sei dort aber vorgewarnt gewesen: "Uns war klar, wo die Reise hinführte." Einige Monate zuvor nämlich, etwa Ende 2013, sei der Außenstelle ein Weisungsentwurf des Unterabteilungsleiters D.B. mit der Bitte um Rückäußerung zugegangen.

Gewünscht worden sei ein sachkundiges Urteil aus Rheinhausen zu den möglichen Folgen der Umsetzung einer solchen Weisung, vor allem der Frage, in welchem Maße ein "Einbruch in der Erfassung" zu erwarten sei. Nach einigen Diskussionen sei in der Außenstelle bereits vor Eintreffen der definitiven Weisung begonnen worden, politisch fragwürdige Suchmerkmale zu deaktivieren, berichtete der Zeuge. Er stellte klar, dass es in der Datenbank des BND nicht möglich sei, Selektoren komplett zu löschen. Man könne sie allenfalls mit einem Ungültigkeitsvermerk versehen.

Seit Sommer 2014 ist der gesamte Selektorenbestand des BND in einer zentralen Datenbank gespeichert. Wie der Zeuge berichtete, waren bis dahin die einzelnen Sachbearbeiter in den Außenstellen recht autonom in der Gestaltung ihrer Lauschprogramme: "Jeder Nachrichtenbearbeiter konnte den Selektor einstellen, von dem er meinte, dass er relevante Informationen liefern wird." Er habe als Sachgruppenleiter bei der Lektüre der ausgehenden Meldungen zwar auch von den genutzten Selektoren Kenntnis genommen, ihren Einsatz aber nicht zu genehmigen gehabt: "Bei Eigensteuerung musste nicht nachgefragt werden. Es gab keine Kontrollinstanz."

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4. Kraftfahrt-Bundesamt widerspricht VW

5. Untersuchungsausschuss/Ausschuss

Berlin: (hib/stu) Das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) verneint die Darstellung des Volkswagenkonzerns, in der Abgasaffäre europäisches Recht eingehalten zu haben. Die dem Bundesverkehrsministerium nachgeordnete Behörde bekräftigte am späten Donnerstagabend im Diesel-Untersuchungsausschuss des Bundestages die Ansicht, wonach VW eine unzulässige Abschalteinrichtung verwendet hat, um die Emissionswerte von Dieselautos zu manipulieren. Diese Haltung sei Grundlage für den Bescheid an VW zum Rückruf von 2,4 Millionen Autos in Deutschland, sagte der KBA-Abteilungsleiter Mark Wummel. Dem Bescheid sei nicht widersprochen worden, er sei rechtskräftig. "Für uns ist die Sache damit klar", sagte Wummel. VW hatte erklärt, anders als in den USA im Einklang mit europäischem Recht gehandelt zu haben.

Der Beamte war auch Mitglied der von Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) nach Auffliegen des VW-Skandals eingesetzten Untersuchungskommission. Diese hatte 53 Dieselmodelle unter die Lupe genommen. Außer bei VW wurden aber keine illegalen Abschalteinrichtungen entdeckt. Eine solche Software ist nach EU-Recht im Grundsatz verboten, aus Gründen des Motorschutzes aber in Ausnahmefällen zulässig. Viele Hersteller nutzten daher sogenannte Thermofenster. Außerhalb eines bestimmten Temperaturbereiches wird die Abgasreinigung dann abgeschaltet oder reduziert. Die Tester hatten bei zahlreichen Autos Zweifel, ob die gewählten Thermofenster noch zulässig sind. Nach Gesprächen mit Herstellern sagen diese Abhilfe zu. Rund 630.000 Autos wurden zurückgerufen, darunter Fahrzeuge von VW, Audi, Porsche, Mercedes und Opel.

Wummel hofft, dass die EU-Regelungen an dieser Stelle genauer gefasst werden. Es sollten die Vorschriften geschärft werden, wann eine Abschalteinrichtung zulässig ist und wann nicht. Neuerdings müssen die Hersteller in Deutschland solche Software vor der Typprüfung anzeigen. Das KBA selbst hat bislang keine Einblicke in die Motorsoftware von Herstellern genommen, um solche Tricksereien aufzudecken. Zwar hätte man sie in Ausnahmefällen anfordern können. Es sei aber nie gemacht worden, weil es bis zur VW-Affäre auch keine Grund gegeben habe, sagte Wummel. Das KBA sei jetzt dabei, das technische Know-how dafür anzuschaffen.

Dass VW eine Betrugssoftware benutzte, war Wummel vor September 2015 nicht bekannt. Das konnte Axel Friedrich, bis 2007 Abteilungsleiter im Umweltbundesamt und heute für die Deutsche Umwelthilfe (DUH) aktiv, nicht verstehen. Abschalteinrichtungen gebe es schon sehr lange. "Das ist keine neue Sache", sagte er im Ausschuss. Friedrich und die DUH testen schon seit Jahren das Abgasverhalten von Dieselfahrzeugen. Rund 500 Straßenmessungen an 150 Modellen hat Friedrich nach eigenen Angaben vorgenommen. Nach Auffälligkeiten an einem VW Passat mit der Euro-Norm 6 wies die Umwelthilfe im Februar 2011 in einem Gespräch das Verkehrsministerium darauf hin. Die Daten seien geeignet gewesen, von einer Abschalteinrichtung auszugehen. Der Verdacht sei "extrem groß" gewesen. Er habe gehofft, dass die Hinweise eigene Messungen durch das Ministerium auslösten. Das sei aber nicht geschehen. Wie das KBA räumte aber auch Friedrich ein, dass die EU-Regeln in Sachen Thermofenster zu ungenau seien. Es stelle sich die Frage, warum in den USA solche Fenster verboten seien, obwohl es sich um die gleichen Motoren wie in Europa handele.

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5. Grüne fordern mehr Bildungsgerechtigkeit

Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung/Antrag

Berlin: (hib/ROL) Die Leistungsfähigkeit des deutschen Bildungswesens hat sich zwar verbessert, deutlich wird aber auch, dass die Herausforderungen für das Bildungssystem vielschichtiger geworden sind. Das schreibt die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in einem Antrag (18/10248) zum nationalen Bildungsbericht. Die Grünen heben unter anderem hervor, dass der allgemeine Anteil der Schüler ohne Abschluss von 4,6 auf 4,9 Prozent zwar nur leicht angestiegen sei, bei den ausländischen Schülern falle der Anstieg jedoch deutlich aus. Er habe sich von 10,7 auf 11,9 Prozent erhöht.

Die Grünen unterstreichen, dass angesichts der aktuellen Zuwanderung die Autoren des Bildungsberichts feststellen, dass dieser besorgniserregende Trend sich in Zukunft weiter verstärken werde. Deshalb müsse die Bundesregierung sich unverzüglich diesen Herausforderungen stellen und der Spaltung der Gesellschaft in Bildungsgewinner und Bildungsverlierer aufgrund von sozialer oder ethnischer Herkunft entgegentreten.

Die Grünen unterstreichen, dass die Folgekosten von zu wenigen, zu wenig passgenauen und zu wenig wirksamen Bildungsangeboten "horrend" seien. "Ein Land, dessen Bildungssystem soziale Ungleichheit verstärkt, statt sie zu verringern, ist zutiefst ungerecht", heißt es im Antrag. Um nachhaltig Bildungsgerechtigkeit in Bildungsinstitutionen zu schaffen und Barrieren abzubauen, müsse das Bildungssystem als Ganzes in den Blick genommen werden: Die Bildungsübergänge müssten besser ineinander übergreifen. Von der Kita bis zur Hochschule müssten Inklusion, Durchlässigkeit und Sprachbildung sich aufeinander beziehend als zentrale Elemente lückenlos verankert werden.

Seit Mitte Oktober öffne der Beschluss der Konferenz der Regierungschefs von Bund und Ländern zur "Neuregelung des bundesstaatlichen Finanzausgleichssystems ab 2020" neue Möglichkeiten. In dieser Vereinbarung hätten die Ministerpräsidenten aller Länder und auch die Bundeskanzlerin zugestimmt, dass das absolute Kooperationsverbot von Bund und Ländern im Schulbereich überwunden werden müsse. Für Kinder und Jugendliche in finanzschwachen Herkunftsregionen sei es dringend erforderlich, dass Bundestag und Bundesrat wie vereinbart "Mitfinanzierungskompetenzen des Bundes im Bereich der kommunalen Bildungs-Infrastruktur für finanzschwache Kommunen" schaffen. Es müsse endlich eine klare Grundlage für die Kooperation in der Bildung im Grundgesetz geschaffen werden. Ein Föderalstaat, der im zentralen Feld der Politik - der Bildungspolitik - nicht zueinander finde, weil eine Mehrheit sich dereinst die Zusammenarbeit prinzipiell verboten habe, lähme sich und versenke sich selbst in der Bedeutungslosigkeit. Kooperation bedeute nicht Zentralisierung. Es gehe darum, den gemeinsamen Rahmen zu setzen und gemeinsam finanzielle Bedingungen zu schaffen, um vor Ort bestmögliche Lösungen für die Modernisierungsanforderungen des 21. Jahrhunderts und die Qualitätsanforderungen der heterogenen Gesellschaft zu ermöglichen.

Ferner bräuchten alle Kinder und Jugendlichen aus finanzschwächeren Familien, egal wo sie wohnen oder zur Schule gehen, gute Bildungsangebote, fordern die Abgeordneten. Deswegen müsse unter anderem das Bildungs- und Teilhabepaket so umgestaltet werden, dass es die Kinder und Jugendlichen besser erreiche. Eine Bestätigung langjähriger grüner Bildungspolitik sieht die Fraktion im Trend zu längerem gemeinsamen Lernen. Die Zahl der Schüler, die kombinierte Schularten mit mehr als einem Bildungsgang besuchen, hätte sich seit 2006 von 700.000 auf 1,1 Millionen erhöht. Chancengleichheit werde durch den Besuch von integrierten Schulformen begünstigt.

Konkret fordern die Grünen unter anderem die Umsetzung der Empfehlungen der Autorengruppe des Bildungsberichts. Sie wollen, dass die Bundesregierung die Frage der Bildungsgerechtigkeit in ihrer verbleibenden Amtszeit zum zentralen Thema macht. Noch in diesem Jahr soll unter Beteiligung des Bundestages gemeinsam mit den Ländern schnellstmöglich eine Öffnung des Grundgesetzes erarbeitet werden und noch vor der nächsten Bundestagswahl im Herbst 2017 soll der Beschluss der Regierungschefs von Bund und Ländern umgesetzt werden.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 671 - 11. November 2016 - 09.20 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 12. November 2016

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