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BUNDESTAG/6048: Heute im Bundestag Nr. 562 - 29.09.2016


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 562
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Donnerstag, 29. September 2016, Redaktionsschluss: 16.36 Uhr

1. Merkel-Äußerung bewirkte Kursänderung des BND
2. Behörden schöpften keinen Verdacht
3. Linke will Manager-Gehälter deckeln
4. Mindestbeitrag für Selbstständige
5. Neue Chance für Medizinbibliothek


1. Merkel-Äußerung bewirkte Kursänderung des BND

1. Untersuchungsausschuss (NSA)/Ausschuss

Berlin: (hib/wid) Mit ihrer Bemerkung, befreundete Staaten sollten einander nicht bespitzeln, hat Kanzlerin Angela Merkel (CDU) den Bundesnachrichtendienst (BND) in erhebliche Verlegenheit gestürzt. Dies berichtete ein seinerzeit zuständiger Unterabteilungsleiter am Donnerstag dem 1. Untersuchungsausschuss (NSA). Erst aus Anlass dieser Äußerung Merkels habe der damalige BND-Präsident Gerhard Schindler erfahren, dass auch die eigene Behörde in ihrer Fernmeldeaufklärung Selektoren "steuerte", die zur Ausspähung von Regierungsstellen und anderen Zielen in EU- und Nato-Ländern geeignet waren, sagte der Zeuge D.B. Der heute 56-jährige war von Juli 2011 bis Oktober 2014 als Unterabteilungsleiter zuständig für Nachrichtenbearbeitung in der Abteilung Technische Aufklärung (TA).

"Abhören unter Freunden, das geht gar nicht", hatte Merkel am 23. Oktober 2013 erklärt, nachdem bekannt geworden war, dass die amerikanische National Security Agency (NSA) ihr Mobiltelefon belauscht hatte. Seine erste Reaktion darauf sei gewesen, berichtete der Zeuge, dass er sich die Frage gestellt habe: "Wie wirkt sich das konkret auf unsere Steuerung aus?" Die Äußerung Merkels habe im BND einigen Wellenschlag erzeugt: "Es gab dazu Gespräche." Präsident Schindler habe sich mit der Abteilung TA in Verbindung gesetzt und sich sowohl schriftlich als auch mündlich über die Verwendung der Selektoren unterrichten lassen. Er habe anschließend persönlich das Kanzleramt informiert und von dort die strikte Weisung mitgebracht, die Ausspähung von EU- und Nato-Partnern umgehend zu beenden.

Er selber habe am 28. Oktober 2013 im Beisein eines zuständigen Referatsleiters den entsprechenden Anruf Schindlers entgegengenommen, berichtete der Zeuge. Er habe in den folgenden Wochen überdies Gelegenheit gehabt, die Vorgänge im Kanzleramt persönlich zu erläutern. Er sei zwei Jahre später auch Ansprechpartner der "Task Force" gewesen, der Ermittlergruppe, die das Parlamentarische Kontrollgremium (PKGr) eingesetzt hatte, nachdem die Information über die Verwendung politisch fragwürdiger Selektoren durch den BND auch dort angekommen war.

Der Zeuge betonte allerdings, er selbst habe bereits im Frühjahr 2013, also vor Beginn der Snowden-Affäre, die bisherige Praxis, auch Verbündete ins Visier zu nehmen, kritisch hinterfragt. Bis dahin habe es für die Prüfung der Zulässigkeit eines Suchmerkmals in der Fernmeldeaufklärung nur zwei Kriterien gegeben. Das eine sei die Frage gewesen, ob ein Selektor ins Auftragsprofil des BND passte. Das andere, ob deutsche "Grundrechtsträger" betroffen waren. Bürger oder Institutionen anderer, auch verbündeter, Länder seien nicht relevant gewesen.

Im Frühjahr 2013 habe er in einer der wöchentlichen Referatsleiterbesprechungen erstmals die Frage aufgeworfen, ob es nicht einer eigenen Weisung bedürfe, um mehr Rechtssicherheit zu gewinnen, sagte der Zeuge. Einen "konkreten Anlass", ein "besonderes Ereignis", wodurch das Thema zwingend auf die Tagesordnung gekommen wäre, habe es nicht gegeben. Die Teilnehmer der Besprechung seien sich einig gewesen, dass möglicherweise ein Regelungsbedarf, aber "kein unmittelbarer Handlungsbedarf" vorliege. Sie hätten deshalb die Amtsspitze auch nicht eingeweiht.

Er selber habe dann bis September in mehreren Varianten einen Weisungsentwurf entwickelt und im August einige der problematischen BND-Selektoren auch schon abschalten lassen. Die Weisung des Präsidenten habe seine Vorarbeiten aber überholt, sagte der Zeuge.

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2. Behörden schöpften keinen Verdacht

5. Untersuchungsausschuss/Ausschuss

Berlin: (hib/Stu) Das Umweltbundesamt (UBA) hat schon länger deutlich erhöhte Werte für Stickoxide bei Diesel-Pkw gemessen, aber keinen Verdacht, dass dies auf illegale Manipulationen zurückzuführen ist. Das erklärte Martin Schmied, UBA-Abteilungsleiter für Verkehr, Lärm und Raumentwicklung, am Donnerstag im Abgas-Untersuchungsausschuss des Bundestages. Im Schnitt aller eigenen Messungen seien vierfach erhöhte Werte festgestellt worden. Man könne daraus aber nicht auf Manipulationen schließen, sondern sei davon ausgegangen, dass dies technisch erklärbar sei.

Die Messungen des Amtes, die von externen Auftragnehmern vorgenommen werden, hätten nichts mit den Überprüfungen für die Typgenehmigung von Fahrzeugen zu tun, stellte Schmied klar. Letztere bedienen sich des Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ), der schon länger als unzureichend gilt. Der vom UBA verwendete Fahrzyklus namens "Artemis" soll die Realemissionen widerspiegeln. "Wir müssen ein realistisches Abbild der Emissionen des Pkw-Verkehrs wiedergeben", sagte Schmied. Die Daten fließen ein in das Handbuch Emissionsfaktoren des Straßenverkehrs. Das umfangreiche europaweite Datenwerk gibt es seit 1995 und ist auch Grundlage für die Planung der Kommunen. Die aktuelle Version stammt von 2014. Schmied hält eine schnelle Überarbeitung vor dem Hintergrund der VW-Dieselaffäre für nötig. Es gebe plötzlich massenhaft Daten von Fahrzeugen der aktuellen Euro-6-Norm.

An der Untersuchungskommission des Verkehrsministeriums nach Bekanntwerden der Dieselaffäre war das Umweltbundesamt nicht beteiligt. An den Messungen hat das UBA nichts auszusetzen, man hätte sie laut Schmied analog vorgenommen. Hinter der Schlussfolgerung des Abschlussberichts, es habe bei den untersuchten Autos keine verbotenen Manipulationen gegeben, würde er aber ein Fragezeichen setze, erklärte Schmied.

Geladen waren am Donnerstag auch Vertreter der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt), die dem Bundesverkehrsministerium untersteht. Auch seine Behörde habe keinen Verdacht auf illegale Abschalteinrichtungen bei der Abgasnachbehandlung gehabt und auch keinen Anlass für einen Verdacht, sagte Mitarbeiter Jost Gail. Die BASt hat in der Vergangenheit mit Feldüberwachungen von in Betrieb befindlichen Fahrzeugen deren Abgaswerte gemessen.

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3. Linke will Manager-Gehälter deckeln

Wirtschaft und Energie/Antrag

Berlin: (hib/HLE) Die Linksfraktion fordert eine Kürzung der Gehälter von Managern. Die Fraktion fordert in einem Antrag (18/9838), die Bundesregierung solle die gesetzlichen Vorgaben schaffen, "dass die Gesamtbezüge eines einzelnen Vorstandsmitgliedes nicht mehr als das Zwanzigfache eines sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in der untersten Lohn- und Gehaltsgruppe betragen dürfen".

Angesichts des Dieselabgas-Skandals und vor dem Hintergrund der Verwicklung der Deutschen Bank in dubiose Hypothekengeschäfte in den USA entstehe der Eindruck, "dass ein extremes Missverhältnis zwischen Leistung und Bezügen existiert und zudem die hoch bezahlte Tätigkeit offensichtlich nahezu ohne persönliche Verantwortung und Haftung erfolgt - dies auch bei organisiertem Rechtsbruch des Konzerns". So verdiene ein VW-Vorstandsmitglied ein Mehrhundertfaches eines Mitarbeiters der untersten Entgeltstufe. Unangemessen hohe Vorstandsvergütungen seien auch in vielen anderen Unternehmen zu finden.

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4. Mindestbeitrag für Selbstständige

Gesundheit/Antwort

Berlin: (hib/PK) Die Bundesregierung lehnt eine Abschaffung der sogenannten Mindestbemessungsgrenze für Selbstständige in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) ab. Dies stünde im Widerspruch zum Solidarprinzip der GKV und wäre mit erheblichen Beitragsausfällen zulasten der Solidargemeinschaft verbunden, heißt es in der Antwort (18/9742) der Regierung auf eine Kleine Anfrage (18/9566) der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Auch die freiwillig Versicherten hätten für einen umfassenden Versicherungsschutz angemessene Beiträge zu zahlen. Für freiwillige Mitglieder in der GKV habe der Gesetzgeber daher Mindestbeiträge vorgeschrieben. Allerdings würden derzeit mögliche Wege geprüft, wie die Beitragsregelungen für gesetzlich versicherte Selbstständige weiterentwickelt werden könnten. Dabei würden mögliche Kosten sehr genau bewertet. Auch eine Absenkung der Mindestbemessungsgrenzen für Selbstständige wäre mit erheblichen Mindereinnahmen für die GKV verbunden.

Die Bundesregierung weist in ihrer Antwort darauf hin, dass Selbstständige aufgrund ihrer freien unternehmerischen Tätigkeit nicht des gleichen Schutzes der Solidargemeinschaft bedürfen wie abhängig Beschäftigte. Deswegen gälten für sie besondere Regelungen in Bezug auf ihre Beitragsbemessung und die Mindestbeiträge. Allerdings gebe es Selbstständige, die keine stabilen wirtschaftlichen Verhältnisse erreicht hätten. Bedürftige Selbstständige könnten eine verringerte Mindestbemessungsgrenze in Höhe von derzeit 1.452,50 Euro beantragen.

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5. Neue Chance für Medizinbibliothek

Gesundheit/Antwort

Berlin: (hib/PK) Die Zentralbibliothek Medizin (ZB MED) in Köln/Bonn könnte ungeachtet der auslaufenden Bund-Länder-Förderung bestehen bleiben. Wie die Bundesregierung in ihrer Antwort (18/9735) auf eine Kleine Anfrage (18/9570) der Fraktion Die Linke schreibt, ist der Beschluss der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz (GWK) von Bund und Ländern, die Förderung der Leibniz-Einrichtung bis 2019 einzustellen, nicht gleichbedeutend mit einer Schließung der ZB MED.

So strebten das Landesministerium für Innovation, Wissenschaft und Forschung in NRW und das Bundesgesundheitsministerium gemeinsam an, den Transformationsprozess der ZB MED so zu gestalten, dass die Wiederaufnahme der Einrichtung in die Leibniz-Gemeinschaft beantragt werden könne. Um den Prozess voranzubringen, sei kurzfristig ein Interimsmanagement für die Leitung der ZB MED bestellt worden. Nun sei zunächst eine Bestandsaufnahme geplant. In der Folge würden dann Erhalt, Zugang, Weiterentwicklung und Finanzierung des Angebots geprüft.

Die GWK hatte am 24. Juni 2016 beschlossen, die Bund-Länder-Förderung für die ZB MED mit Ablauf des Jahres 2016 zu beenden und in eine Auslauffinanzierung bis einschließlich 2019 übergehen zu lassen.

Die Bundesregierung hatte in ihrer Antwort (18/8695) auf eine vorherige Kleine Anfrage (18/8520) der Linksfraktion erklärt, dass die Nachfrage nach klassischen Bibliotheksleistungen seit Jahren zurückgehe. Gefragt seien verstärkt digital verfügbare Informationen. Der Senat der Leibniz-Gemeinschaft vermisse eine überzeugende Strategie, mit der die ZB MED den Wandel von der klassischen Bibliothek zu einem modernen Fachinformationszentrum gestalten wolle.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 562 - 29. September 2016 - 16.36 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 1. Oktober 2016

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