Schattenblick → INFOPOOL → PARLAMENT → FAKTEN


BUNDESTAG/5873: Heute im Bundestag Nr. 387 - 22.06.2016


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 387
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Mittwoch, 22. Juni 2016, Redaktionsschluss: 16.25 Uhr

1. Wenig Bedarf an abschaltbaren Lasten
2. Erweiterter Einsatz vor der Küste Libyens


1. Wenig Bedarf an abschaltbaren Lasten

Wirtschaft und Energie/Anhörung

Berlin: (hib/HLE) In einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Wirtschaft und Energie am Mittwoch haben Experten derzeit nur einen geringen Bedarf an abschaltbaren Lasten zur Entlastung des Stromnetzes konstatiert. Dieses "Werkzeug" sei aber entwicklungsfähig. Grundlage der Anhörung war die von der Bundesregierung vorgelegte Verordnung über Vereinbarungen zu abschaltbaren Lasten (18/8561), die das Ziel hat, das Elektrizitätsversorgungssystem durch eine bessere Laststeuerung effizienter zu machen. Großen und flexiblen Stromverbrauchern wird damit die Möglichkeit gegeben, den Netzbetreibern gegen Vergütung abschaltbare Lasten zur Verfügung zu stellen, durch die der Stromverbrauch gesenkt werden kann.

Eva Hauser vom Institut für ZukunftsEnergieSysteme wies darauf hin, die bisher gesammelten Erfahrungen mit den Abrufen abschaltbarer Lasten würden "nicht auf einen wirklich bedeutenden gegenwärtigen Bedarf an solchen abschaltbare Lasten" hinweisen. Daher sollten andere Konzepte zur Erschließung zusätzlicher abschaltbarer Lasten genutzt werden. Mit der bisherigen Verordnung sei eine Art Gemischtwarenladen geschaffen worden, was von den Unternehmen nicht angenommen worden sei. Zudem seien bestehende andere Produkte wie die "Minutenreserve" verdrängt worden. Der Verordnungsgeber müsse "mehr Mut" haben, forderte Hauser.

Johannes Kindler (Bird & Bird) bewertete die Verordnung "eindeutig positiv". Die Instrumente sollten weiterentwickelt werden, damit sich auch kleine Unternehmen beteiligen könnte. Kindler regte an, auch im Industriebereich zuschaltbare Lasten zu vergüten: "Die Zuschaltbarkeit ist für die Energiewende von besonderem Interesse, weil damit spontan Überschüsse der Erneuerbaren aufgenommen werden können."

Andreas Jahn (Regulatory Assistant Projekct) legte dar, die bisherigen Erfahrungen mit den abschaltbaren Lasten würden die Auffassung der Bundesnetzagentur bestätigen, die sich gegen eine neue Verordnung ausgesprochen hatte. Die Verordnung sei kein Instrument, um die Energiewende zu befördern.

Für den Verband der chemischen Industrie betonte Christof Bauer, abschaltbare Lasten seien Vorsorge für ein zunehmend gestresstes Stromnetz in der Hoffnung, dass man diese nicht brauche. Durch die von der Regierung vorgesehene Mindestanschlussspannung für abschaltbare Lasten von 20 kV würden zu viele Anbieter ausgeschlossen. Dadurch würden Marktteilnehmer diskriminiert. Auch sollte das Angebot sofort abschaltbarer Lasten besser honoriert werden. Diese Forderung wurde auch von Michael Niese (Wirtschaftsvereinigung Metalle) erhoben. Die Wirtschaftsvereinigung begrüßte die Verordnung insgesamt. Da in Zukunft nicht mehr so viele und nicht mehr so nahe gelegene Kraftwerke zur Verfügung stehen würden, seien Alternativen notwendig.

Markus Stobrawe (Amprion) erklärte, aus Sicht eines Übertragungsnetzbetreibers stellten die abschaltbaren Lasten ein Zusatzwerkzeug dar, das bisher gut funktioniert habe und die Netzbetreiber bei der Erfüllung ihrer Aufgaben unterstütze. Die Übertragungsnetzbetreiber müssten aber auch ohne dieses Zusatzwerkzeug auskommen. Einschränkend stellte Stobrawe fest: "Aufgrund des geringen Potenzials von abschaltbaren Lasten in Süddeutschland und der eingeschränkten Verfügbarkeit können abschaltbare Lasten weder den Netzausbau noch den Bedarf an Netzreserve in Süddeutschland reduzieren." Auch Jochen Bammert (Transnet) sprach von einem Zusatzwerkzeug. Es zeichne sich insgesamt jedoch ein Paradigmenwechsel ab. Die Energieerzeugung folge nicht mehr der Last, sondern die Last müsse der Energieerzeugung folgen.

Laut Definition der Bundesregierung können zuverlässig zur Verfügung stehende abschaltbare Lasten für Systembilanzzwecke und zur Engpassentlastung eingesetzt werden. Sofort abschaltbare Lasten könnten darüber hinaus "in der akuten Gefahrensituation der Unterfrequenz" eingesetzt werden. Wie es in der Verordnung weiter heißt, werden die abschaltbaren Lasten durch Ausschreibungen ermittelt. Es werde zwei Produktkategorien zu zunächst je 750 Megawatt geben. Eine Kategorie seien sofort abschaltbare Lasten, die die Abschaltleistung automatisch frequenzgesteuert und unverzögert ferngesteuert herbeiführen könnten. Die zweite Kategorie seien schnell abschaltbare Lasten, deren Abschaltleistung ferngesteuert innerhalb von 15 Minuten herbeigeführt werden könne. Aus Sicht der Engpassentlastung sei der Zeitraum von 15 Minuten als sehr schnell einzustufen, heißt es. Die Verordnung ist bis zum 1. Juli 2022 befristet.

*

2. Erweiterter Einsatz vor der Küste Libyens

Auswärtiges/Antrag

Berlin: (hib/AHE) Die Beteiligung der Bundeswehr an der EU-Operation SOPHIA (EUNAVFOR MED) im Kampf gegen Schleuser im südlichen und zentralen Mittelmeer soll erweitert werden. Neben der bisherigen Aufgabe, "Menschenschmuggel und Menschenhandelsnetzwerke" zu unterbinden, soll sich die Bundeswehr am Informationsaustausch, an der Ausbildung und am Kapazitätsaufbau der libyschen Küstenwache und Marine beteiligen sowie auf Hoher See zur Durchsetzung des Waffenembargos der Vereinten Nationen gegenüber Libyen beitragen. Wie aus einem Antrag (18/8878) der Bundesregierung hervorgeht, sollen dafür wie bisher bis zu 950 Soldaten eingesetzt werden können. Die Kosten des bis Ende Juni 2017 laufenden Mandats werden auf 45,3 Millionen Euro beziffert. Über den Antrag berät das Bundestagsplenum erstmals am Freitagnachmittag.

Die Bundeswehr soll nicht nur im Rahmen der Seeraumüberwachung die "Aufdeckung und Beobachtung von Migrationsnetzwerken unterstützen", sondern auch "auf Hoher See Schiffe anhalten und durchsuchen, beschlagnahmen und umleiten, bei denen der Verdacht besteht, dass sie für Menschenschmuggel oder Menschenhandel benutzt werden". Zudem gelte für alle im Rahmen von EUNAVFOR MED eingesetzten Schiffe die völkerrechtliche Verpflichtung zur Hilfeleistung für in Seenot geratene Personen. Das Einsatzgebiet der Operation erstreckt sich laut Antrag über die Meeresgebiete südlich Siziliens vor der Küste Libyens und Tunesiens innerhalb der Region des mittleren und südlichen Mittelmeers. Hinzu komme der Luftraum über diesen Gebieten. Ausgenommen seien Malta sowie das umschließende Seegebiet innerhalb von 25 nautischen Meilen und die Territorialgewässer Libyens.

Libyen bleibe auch weiterhin das primäre Transitland der Migrationsbewegungen von Nordafrika über See nach Europa, führt die Bundesregierung aus. Begründet liege dies in der weiterhin instabilen Sicherheitslage und der fehlenden staatlichen Kontrolle über weite Küstenbereiche. Außerdem entwickle sich Libyen seit 2014 zunehmend zu einem Ort der terroristischen Bedrohung, insbesondere durch die Terrororganisation "Islamischer Staat" in direkter Nachbarschaft der Europäischen Union.

Der Präsident des Präsidialrates der libyschen Einheitsregierung habe eine Einladung an die EU ausgesprochen, Vorschläge zur Ausbildung libyscher Sicherheitskräfte zu unterbreiten. "Auf dieser Basis erfolgt die Erweiterung der Operation um maritime Ausbildung", heißt es im Antrag weiter. Sie sei an den bestehenden und zu erwartenden Bedarf in Libyen angepasst und solle einen Beitrag zum Aufbau funktionierender staatlicher Strukturen leisten und damit auch die Einheitsregierung stärken. Die Bundesregierung ersucht den Bundestag um Zustimmung zu dem erweiterten Einsatz, "wobei sie davon ausgeht, dass eine parlamentarische Mandatierung nur für die bisherige Aufgabe der Bekämpfung des Menschenschmuggels und für die Erweiterung um die Aufgabe der Bekämpfung des illegalen Waffenschmuggels" erforderlich sei. "Die neuen Aufgaben des Informationsaustausches, der Ausbildungstätigkeit und des Kapazitätsaufbaus auf Hoher See oder außerhalb Libyens in Drittstaaten, einschließlich EU-Mitgliedstaaten, sowie die Seenotrettung nach allgemeinem Völkerrecht werden hingegen nicht als zustimmungspflichtig erachtet."

Die Bundesregierung beruft sich auf das Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen von 1982, das Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität aus dem Jahr 2000 und das Zusatzprotokoll gegen die Schleusung von Migranten auf dem Land-, See- und Luftweg zum Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität, ebenfalls aus dem Jahr 2000. Das Mandat fuße zudem insbesondere auf dem Beschluss des Rates der Europäischen Union vom Mai 2015 (GASP 2015/778) und dessen letzter Änderung vom Juni 2016 sowie auf den Resolutionen 2240 (2015) und 2292 (2016) des Sicherheitsrates des Vereinten Nationen.

*

Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 387 - 22. Juni 2016 - 16.25 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
PuK 2 - Parlamentskorrespondenz
Platz der Republik 1, 11011 Berlin
Telefon: +49 30 227-35642, Telefax: +49 30 227-36191
E-Mail: mail@bundestag.de
Internet: www.bundestag.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 25. Juni 2016

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang