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BUNDESTAG/5764: Heute im Bundestag Nr. 278 - 11.05.2016


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 278
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Mittwoch, 11. Mai 2016, Redaktionsschluss: 17.57 Uhr

1. Handy von V-Mann Corelli aufgetaucht
2. Regionale Baukultur und Fremdenverkehr
3. Koalition will Syrien-Anrainer stärken
4. Grüne: Pläne zu Pkw-Maut zurückziehen
5. Braunkohlesanierung fortsetzen
6. Drohende Streckenstilllegungen verhindern


1. Handy von V-Mann Corelli aufgetaucht

3. Untersuchungsausschuss (NSU)/Ausschuss

(hib/rik) Im 3. Untersuchungsausschuss (NSU II) gibt es eine überraschende Wendung. Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) und die Bundesregierung informierten die Ausschussmitglieder am Mittwochnachmittag in nichtöffentlicher Sitzung darüber, dass im BfV ein Handy gefunden wurde, das dem im März 2014 verstorbenen V-Mann "Corelli" gehört hat. Wie der Ausschussvorsitzende Clemens Binninger (CDU) nach der Sitzung sagte, lag das Handy rund vier Jahre lang unbeachtet in einem Panzerschrank der Behörde, bevor es im vergangenen Juli bei einem routinemäßigen Bürowechsel gefunden wurde. Erst vor wenigen Tagen konnte das Mobiltelefon dem ehemaligen V-Mann zugeordnet werden. "Corelli" soll das Gerät vier Monate lang genutzt haben, bevor er es 2012 bei der Aufnahme in ein Zeugenschutzprogramm dem BfV übergab. Nach Angaben Binningers befinden sich auf dem Handy zahlreiche Bild-Dateien und Kontakte, die nun ausgewertet werden sollen.

Binninger und andere Ausschussmitglieder äußerten ihr Unverständnis über den Vorgang. Sie erinnerten daran, dass das Parlamentarische Kontrollgremium im Oktober 2014 den ehemaligen Grünen-Abgeordneten Jerzy Montag als Sonderermittler eingesetzt hat, um das Wirken und den überraschenden Tod "Corellis" zu untersuchen. Umso unverständlicher sei es, dass erst jetzt das Handy entdeckt wurde, das möglicherweise wichtige Erkenntnisse über ihn liefern könne. Der Neonazi "Corelli" hatte fast zwei Jahrzehnte lang für den Verfassungsschutz als V-Mann gearbeitet und stand in dieser Zeit auch in Kontakt mit Mitgliedern des "Nationalsozialistischen Untergrunds". Im April 2014 wurde er tot in seiner Wohnung gefunden. Nach dem Bericht des Sonderermittlers Montag hatte sein Ableben eine natürliche Ursache.

Petra Pau von der Linksfraktion sagte, der Fall des verschwundenen Handys bestärke nicht ihr Vertrauen in die Bereitschaft des Bundesamts für Verfassungsschutz, den NSU-Komplex umfassend aufzuklären. Nach Überzeugung der Grünen-Abgeordneten Regina Michalik muss der Ausschuss jetzt klären, ob nur "organisatorische Fehler" für das jahrelange Verschwinden des Handys verantwortlich seien "oder ob da andere Dinge im Raum stehen". Der CDU-Abgeordnete Armin Schuster sagte mit Bezug auf den Verfassungsschutz, er wolle jetzt "nicht in der Haut des Amtschefs stecken".

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2. Regionale Baukultur und Fremdenverkehr

Tourismus/Ausschuss

Berlin (hib/wid) Ferien unterm Reetdach - ein Geschäftsmodell, mit dem Vermieter im Ostseebad Ahrenshoop die gewinnträchtigsten Erfahrungen gemacht haben. Unterkünfte in traditioneller Bauweise werden von Touristen stärker nachgefragt, sind also einträglicher zu vermarkten als regional untypische Allerweltsgebäude. Urlauber suchen das Authentische und Unverwechselbare. Architektur und Fremdenverkehr können also voneinander profitieren, doch besteht zwischen beiden Sektoren bislang viel zu wenig Austausch und Synergie. So lautet der Befund einer Studie über "Regionale Baukultur und Tourismus", die das Bundesumweltministerium und das ihm nachgeordnete Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung 2013 in Auftrag gegeben haben, und die am Mittwoch im Tourismusausschuss vorgestellt wurde.

Zwei Jahre lang haben Mitarbeiter der Kölner COMPASS-Tourismusberatung und des Aachener Architekturbüros HJPplaner rund 50 Fremdenverkehrsorte in acht Regionen untersucht. Neben Ahrenshoop, wo das Reetdach ein auch von der Gemeinde mit einer strikten Bausatzung sorgsam gehütetes Markenzeichen ist, wurden der Fläming mit seinen historischen Stadtkernen, das sächsische Löbau mit einem Architekturensemble der klassischen Moderne, die Lutherstädte mit ihrem Weltkulturerbe, das Eichsfeld, wo eine Naturparkverwaltung die Dorfverschönerung fördert, das Weinbaugebiet Unterfranken, das Altmühltal und der Südschwarzwald auf modellhafte, aber auch abschreckende Beispiele hin betrachtet.

"Baukultur ist mehr als der ästhetische Ausdruck einzelner Gebäude, auch mehr als historisches Erbe. Sie ist wichtiger Bestandteil einer integralen Stadtentwicklung", betonte Gabi Kautz vom Umweltministerium. Nach ihren Worten verfolgen die Auftraggeber mit der Studie das Ziel, die Kommunikation und den Austausch zwischen Bauwesen und Tourismussektor zu stärken. Daran fehle es bisher. Es gehe darum, historische Bausubstanz zu bewahren, aber auch, moderne, regionaltypische Architektur zu schaffen. Das Ministerium will deswegen ein bis 2019 befristetes Forschungsvorhaben ausschreiben, an dem sich Regionen mit Modellprojekten beteiligen können. Ein weiteres Ergebnis der Initiative war die Gründung eines Netzwerks "Baukultour" mit einem gleichnamigen Internetauftritt.

Das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung hat nach den Worten von Anca Carstean erst in den letzten Jahren sein Forschungsinteresse der Baukultur im ländlichen Raum zugewandt, nachdem es sich bis dahin vor allem mit städtischem Bauen befasst hatte. Dass Architektur für den Tourismus "unglaublich wichtig" sein könne, betonte auch Carstean, und zitierte den Tourismusdirektor von Baiersbronn, der einen modernem Holzbau in seiner Gemeinde mit den Worten kommentiert habe: "Der Fritz hat es geholt, der Anselm hat es gesägt und der Jogi hat es eingebaut, und dann sagen die Leute: Das ist gut, das sind wir." So werde regionale Identität gestärkt.

"Baukultur ist gelebte Wirtschaftsförderung", sagte Frank Pflüger von Aachener Büro HJPplaner. Hochwertige Bauten steigerten die Attraktivität einer Region. Hier liege ein "Schatz für die Entwicklung im ländlichen Raum". Die Studie habe gezeigt, dass es "viele Ansätze" und "hohe Potenziale" gebe. Zu den Empfehlungen der Gutachter zählt abgesehen von einer engeren Vernetzung zwischen Architektur und Tourismus auch eine konsequentere Verknüpfung von öffentlicher Förderung mit Qualitätserfordernissen in der Baukultur.

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3. Koalition will Syrien-Anrainer stärken

Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung/Antrag

Berlin: (hib/JOH) Die Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD wollen die Staaten um Syrien sowie Libyen bei der Aufnahme von Flüchtlingen stärker unterstützen. In einem Antrag (18/8393), über den der Bundestag am morgigen Donnerstag ab 10 Uhr erstmals berät, fordern sie die Bundesregierung unter anderem auf, die Planungssicherheit der Hilfswerke der Vereinten Nationen zu erhöhen. So solle sie bei europäischen und internationalen Partnern für die fristgerechte Erfüllung gegebener Zusagen werben. Außerdem soll sie Einfluss auf die EU-Kommission nehmen, um zu erreichen, dass im Rahmen des Mehrjährigen Finanzrahmens 2014 bis 2020 neue Prioritäten gesetzt werden. Zentral sei die Umwidmung weiterer Mittel und die Ausrichtung der Außen- und Nachbarschaftsinstrumente auf die regionale Krise im Nahen Osten, schreiben die Abgeordneten.

Weitere Forderungen befassen sich mit der Zusage der internationalen Gemeinschaft, eine flächendeckende Absicherung des Schulunterrichts für alle Kinder in den Aufnahmestaaten herzustellen. In diesem Zusammenhang soll die Bundesregierung auch die internationale Initiative "No-lost-Generation" des Kinderhilfswerks UNICEF unterstützen. In Libyen soll sie zudem Maßnahmen zur Stabilisierung ergreifen, indem sie den Friedensprozess, den wirtschaftlichen Wiederaufbau, die Stärkung staatlicher Strukturen sowie die Aufnahme und Versorgung von Flüchtlingen entwicklungspolitisch fördert.

In der Begründung des Antrages heißt es, die unmittelbare Nachbarschaft Europas leide unter Flucht und Vertreibung auf besondere Weise, da im Nahen Osten gleich mehrere Staaten überdurchschnittlich stark betroffen seien. So habe allein der Libanon bisher zirka 1,1 Millionen syrische Flüchtlinge bei 4,5 Millionen einheimischer Bevölkerung aufgenommen. Für die Anrainerstaaten Syriens sei dies mit "erheblichen Herausforderungen auf den jeweiligen Wohnungs- und Arbeitsmärkten, bei den Versorgungsinfrastrukturen sowie für die Bildungs- und Gesundheitssysteme verbunden", heißt es in dem Antrag.

Für die Fraktionen steht fest, dass die Bewältigung dieser Herausforderungen "für die künftige Stabilität dieser Staaten sowie die weitere Entwicklung der Migration nach Deutschland und Europa entscheidend sein" wird. Sie verweisen darauf, dass sich etwa 90 Prozent der syrischen Flüchtlinge noch in der Region befinden und dort durch die deutsche und internationale Unterstützung immer noch erreicht werden können. Darüber hinaus betonten sie, dass die verausgabten Mittel in der Region sehr viel effizienter eingesetzt werden könnten als in Deutschland. So habe ein eingesetzter Euro dort die zehn bis 20-fache Wirkung.

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4. Grüne: Pläne zu Pkw-Maut zurückziehen

Verkehr und digitale Infrastruktur/Antrag

Berlin: (hib/MIK) Die Bundesregierung soll die Pkw-Maut zurückziehen und den Konflikt mit der EU-Kommission beenden. Dies fordert die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in einem Antrag (18/8397), der am Donnerstag im Bundestag beraten wird. Deshalb soll die Regierung einen Entwurf zur Aufhebung des Gesetzes zur Einführung einer Infrastrukturabgabe für die Benutzung von Bundesstraßen vom 8. Juni 2015 vorlegen.

Die als Infrastrukturabgabe bezeichnete Pkw-Maut diskriminiere Ausländer und verstoße in mehrfacher Hinsicht gegen das Recht der Europäischen Union, heißt es in dem Antrag.

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5. Braunkohlesanierung fortsetzen

Haushalt/Antrag

Berlin: (hib/MIK) Die Braunkohlesanierung durch die Lausitzer und Mitteldeutsche Bergbau-Verwaltungsgesellschaft mbH (LMBV) soll fortgesetzt werden. Dies fordert die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in einem Antrag (18/8396), den der Bundestag am Donnerstag erstmals beraten wird.

Deshalb soll sich die Bundesregierung dafür einsetzen, dass sowohl der Bund als auch die Länder Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen ein LMBV-Folgeabkommen zur Braunkohlesanierung vereinbaren und in diesem Rahmen ausreichend Finanzmittel zur Verfügung stellen. Weiter soll schnellstmöglich ein Gutachten zur Abschätzung der noch anfallenden Kosten in Auftrag gegeben und volle Transparenz darüber hergestellt werden, welche Schäden an Gewässern, Böden, Häusern und der Infrastruktur durch die Tagebaue entstanden sind. Damit soll verhindert werden, dass Steuergelder für neue Bergbauschäden aufgewendet werden.

Die aktuelle Situation im Braunkohlerevier der Lausitz lässt erahnen, welche großen Herausforderungen und Folgekosten die Braunkohlenutzung nach sich zieht, schreibt die Fraktion zur Begründung. Je früher die Braunkohlenutzung beendet werde, umso eher würden Schäden vermieden. Die Lage in den Braunkohlerevieren mache deutlich, dass die Nachsorge nicht mit Ablauf des Jahres 2017 abgeschlossen sein werde. Dazu komme, dass der sich anbahnende Verkauf der Braunkohlesparte von Vattenfall die Rahmenbedingungen für den weiteren Fortgang der Braunkohlesanierung erheblich verändern könnte.

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6. Drohende Streckenstilllegungen verhindern

Verkehr und digitale Infrastruktur/Antrag

Berlin: (hib/MIK) Es soll keine Kürzungen bei Regionalisierungsmitteln in Ostdeutschland geben. Dies fordert die Fraktion Die Linke in einem Antrag (18/8392), der am Donnerstag im Bundestag beraten wird. Deshalb soll die Bundesregierung umgehend einen Verordnungsentwurf zum Regionalisierungsgesetz beschließen und dem Bundesrat zur Zustimmung zuleiten, mit dem die Mittelaufteilung unter Anlehnung an den Kieler Schlüssel so gestaltet wird, dass kein Land über die vereinbarte Laufzeit des Regionalisierungsgesetzes hindurch im Vergleich zum Vorjahr weniger Mittel und jedes Land mindestens eine Dynamisierung von 1,25 Prozent je Jahr erhält.

Nach langer Blockadehaltung der Bundesregierung seien die Ministerpräsidenten insbesondere der Ost-Länder von ihr überrumpelt worden, schreiben die Abgeordneten. Es sei im Ergebnis vereinbart worden, dass die östlichen Bundesländer nicht nur relativ, sondern in absoluten Zahlen weniger Mittel erhalten würden, als sie nach dem alten Verteilerschlüssel erhielten. Deshalb würden nun Streckenstilllegungen in den östlichen Bundesländern drohen, die in einigen Ländern bereits konkret angekündigt worden seien.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 278 - 11. Mai 2016 - 17.57 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 13. Mai 2016

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