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BUNDESTAG/5592: Heute im Bundestag Nr. 106 - 22.02.2016


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 106
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Montag, 22. Februar 2016, Redaktionsschluss: 17.47 Uhr

1. Anhörung zu erleichterten Ausweisung
2. Gefahr durch Cyber-Attacken nimmt zu
3. Krise in der Republik Moldau
4. Einreisesperren in Ägypten


1. Anhörung zu erleichterten Ausweisung

Inneres/Anhörung

Berlin: (hib/STO) Die Pläne der Großen Koalition zur erleichterten Ausweisung von straffälligen Ausländern werden unter Sachverständigen unterschiedlich beurteilt. Dies wurde am Montag bei einer Experten-Anhörung des Innenausschusses zum entsprechenden Gesetzentwurf der CDU/CSU- und der SPD-Fraktion (18/7537) deutlich.

Ziel des Gesetzentwurfes ist es zudem, Asylsuchenden, die Straftaten begehen, konsequenter die rechtliche Anerkennung als Flüchtling zu versagen. Dem Entwurf zufolge soll das Interesse des Staates an einer Ausweisung künftig bereits dann schwer wiegen, wenn ein Ausländer wegen Straftaten "gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum" oder wegen Widerstand gegen Polizisten zu einer Freiheitsstrafe - auch auf Bewährung - verurteilt worden ist und die Tat mit Gewalt oder List oder unter Androhung von Gefahr für Leib oder Leben begangen wurde. Beträgt die Freiheitsstrafe für solche Taten - unabhängig ob zur Bewährung ausgesetzt oder nicht - mindestens ein Jahr, soll das Ausweisungsinteresse als "besonders schwerwiegend" gewichtet werden. Asylsuchenden soll bei einer solchen Verurteilung zur einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr die Rechtsstellung als Flüchtling versagt werden können, weil sie wegen der begangenen Delikte eine "Gefahr für die Allgemeinheit bedeuten".

Ursula Gräfin Praschma vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) sprach sich in der Anhörung dafür aus, dass ihr Haus über entsprechende Strafverfahren gegen Asylsuchenden frühzeitig unterrichtet wird. Ein guter Zeitpunkt dafür sei, wenn eine Anklage erhoben worden ist. Dann könne ihr Haus reagieren und bei tatsächlich betroffenen Flüchtlingen seine Entscheidung zurückstellen und warten, ob es zu einer Verurteilung kommt.

Professor Daniel Thym von der Universität Konstanz hob hervor, dass eine Ausweisung nicht bedeute, dass die betreffende Person notwendigerweise immer auch abgeschoben werden darf. Folge einer Ausweisung aber keine Abschiebung, sei eine Duldung zu erteilen.

Roland Bank von der Vertretung des Hohen UN-Flüchtlingskommissars (UNHCR) in Deutschland sagte mit Blick auf den erweiterten Ausschluss von Asylbewerbern von der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, der UNHCR empfehle dem Gesetzgeber, "den Grundsatz der engen Auslegung der Voraussetzungen ebenso wie das Gebot der sorgfältigen Prüfung im Einzelfall sowohl hinsichtlich der Schwere der Straftat als auch hinsichtlich der Gefährdungsprognose in geeigneter Weise sicherzustellen". Dies könne beispielsweise "durch eine erläuternde Beschließung" erfolgen.

Andreas Günzler vom Republikanischen Anwältinnen- und Anwälteverein betonte unter Verweis auf die Europäische Menschenrechtskonvention, dass ein Ausschluss von der Flüchtlingsanerkennung nicht "zwingend Außer-Landes-Bringung" bedeute. Die Leute werden in Kettenduldungen getrieben", warnte Günzler. Dies wirke nicht integrationsfördernd und sei als kontraproduktiv abzulehnen.

Professor Winfried Kluth von der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg sagte, man werde dann in Duldungen hineinkommen, aber die gesetzgeberische Intention sei es ja, die Aufenthaltsverfestigung für diese Personen, die es mit dem Flüchtlingsstatus geben würde, zu vermeiden. Insofern handele es sich um ein nachvollziehbares gesetzgeberisches Anliegen.

Die Berliner Rechtsanwältin Gilda Schönberg hob ebenfalls hervor, dass eine Ausweisung keine Abschiebung bedeute. Sie führe vielmehr dazu, dass Inhaber einer Aufenthaltserlaubnis diese dann nicht mehr haben und auch nicht mehr erteilt bekommen können. In sehr vielen Fällen sei aber eine Ausreiseverpflichtung nicht durchzusetzen, etwa weil eine Abschiebung in das Herkunftsland nicht möglich sei wie im Falle Syriens. Man würde also "Personengruppen produzieren, die ausgewiesen sind, in Deutschland sind und geduldet werden". Duldungen bedeuten aber größere Schwierigkeiten, sich zu integrieren. Die Erhöhung der Ausweisungszahlen führe zu eher mehr Gefahren, "weil diese Menschen marginalisiert werden".

Kay Ruge vom Deutschen Landkreistag sagte, die Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände begrüße den Gesetzentwurf und die mit ihm verfolgten Ziele. Dies gelte für die leichtere Ausweisung straffälliger Ausländer unabhängig vom Aufenthaltstitel "wie auch die leichtere Versagung der Anerkennung von Schutzsuchenden". Allerdings sei die Beschränkung auf bestimmte Delikte "verwaltungsadministrativ sehr schwierig umzusetzen".

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2. Gefahr durch Cyber-Attacken nimmt zu

Verteidigung/Ausschuss

Berlin: (hib/AW) Die Gefahren durch sogenannte Cyber-Attacken sind in den vergangenen zehn Jahren deutlich gestiegen. Darüber waren sich Experten unterschiedlichster Fachrichtungen in einer öffentlichen Anhörung des Verteidigungsausschusses über die Rolle der Bundeswehr in dieser Form der Kriegsführung am Montag einig.

Die Abhängigkeit und die Verwundbarkeit moderner Gesellschaften nehme mit dem Grad der Digitalisierung und der Vernetzung stetig zu, sagte der Beauftragte der Bundesregierung für Informationstechnologie, Staatssekretär Klaus Vitt. Auf der anderen Seite würden immer neue Arten von Cyber-Attacken entwickelt und die Angreifer zunehmend versierter. Besonderes Augenmerk müsse auf den Schutz kritischer Infrastrukturen, zum Beispiel Stromnetze, gelegt werden, sagte Vitt. Dieser Forrderung schloss sich auch Thomas Kremer, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Telekom, an. Anders als bei der konventionellen Kriegsführung seien vor allem zivile Ziele im Fokus von Cyber-Attacken. Die Angriffe reichten von der Spionage bis zur Sabotage. Staatssekretärin Katrin Suder vom Verteidigungsministerium warnte, dass Cyber-Attacken eine vergleichsweise "kostengünstige" Variante der Kriegsführung unterhalb der Schwelle zum Waffeneinsatz seien. Die Abwehr dieser Gefahren sei eine gesamtstaatliche Aufgabe, die ein hohes Maß an Kooperation zwischen allen staatlichen Institutionen erfordere. Die Bundeswehr müsse sich zur Bewältigung dieser Aufgabe, etwa bei der Gewinnung von Fachpersonal, "neu positionieren", sagte Suder.

Der Politikwissenschaftler Thomas Rid vom King's College in London erläuterte, dass die schwerwiegenden Cyber-Attacken in der Regel von Nachrichtendiensten verübt werden. Vor allem Russland und China hätten in diesem Bereich in den vergangenen Jahren extrem nachgerüstet. So gingen die Cyber-Attacken in der jüngsten Vergangenheit etwa auf den französischen Fernsehsender TV 5, das ukrainische Stromnetz und den Bundestag auf das Konto russischer Nachrichtendienste. Dies ließe sich nachvollziehen, sagte Rid.

Die IT-Wissenschaftlerin Gabi Rodosek von der Bundeswehr-Universität München veranschaulichte, welches Grundproblem besteht, um Netze und Systeme gegen Angriffe zu sichern. Während der Verteidiger alle Sicherheitslücken schließen müsste, durch die ein Angriff erfolgen kann, reiche es dem Angreifer, nur eine einzige Sicherheitslücke zu identifizieren. Der Schlüssel zum Erfolg liege in der Qualifizierung des benötigten Fachpersonals, das heißt die Studiengänge in diesem Bereich müssten gestärkt werden. In den Bereichen IT-Sicherheit und Verschlüsselung hat Deutschland nach Ansicht von Thomas Rid großen Nachholbedarf. Keine deutsche Firma gehöre zu den "global playern". So sei es beispielsweise eine britische Firma gewesen, die den Verfassungsschutz auf die Cyber-Attacke auf den Bundestag aufmerksam gemacht habe. Rid zeigte sich auch skeptisch, ob die Bundeswehr auf Dauer genügend Fachpersonal an sich binden kann. Streitkräfte seien schon wegen ihrer Personalstruktur dafür wenig geeignet. Dies zeigten auch die Erfahrungen der US-Streitkräfte, sagte Rid.

Der Völkerrechtler Michael Bothe machte deutlich, dass eine solche Cyber-Attacke unter bestimmten Umständen als ein bewaffneter Angriff nach Artikel 51 der UN-Charta bewertet und zur Selbstverteidigung auch mit militärischen Mitteln beantwortet werden kann. Dafür müsse der Cyber-Angriff hinsichtlich seines Umfangs und seiner Wirkung mit dem Einsatz von Waffengewalt vergleichbar sein, sagte Bothe. Zudem müsste nachweisbar sein, welcher fremde Staat Urheber der Cyber-Attacke ist. "Selbstverteidigung auf Verdacht" sei unzulässig, betonte Bothe. Ein Cyber-Angriff der Bundeswehr auf einen anderen Staat unterliege aber in jedem Fall dem parlamentarischen Vorbehalt, das heißt der Bundestag müsste dem zustimmen. Dieser Einschätzung stimmte Staatssekretärin Katrin Suder ausdrücklich zu.

Marcel Dickow wies darauf hin, dass die eindeutige Identifizierung eines Angreifers zu einem kaum aufzulösenden Dilemma führe. Es sei zwar möglich, mit forensischen Instrumenten einen Cyber-Angriff zurückzuverfolgen, solche Verfahren seien jedoch extrem langwierig und würden die Mithilfe der Betreiber aller Knotenpunkte im Internet erfordern, die für den Angriff genutzt worden seien, um Spuren zu verwischen. Um den Beginn eines Angriffs und seinen Ablauf eindeutig und schnell zu identifizieren, müsste der Angegriffene sich bereits im System des Angreifers befinden, erläuterte Dickow. "Der Angegriffene wird somit zum Angreifer, sagte der Sicherheitsexperte. Dadurch würde auch die juristische Verwertbarkeit der Beweismittel gefährdet.

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3. Krise in der Republik Moldau

Auswärtiges/Kleine Anfrage

Berlin: (hib/AHE) "Proteste und politische Gefangene in der Republik Moldau" sind Thema einer Kleinen Anfrage der Fraktion Die Linke (18/7534). Die Abgeordneten erkundigen sich darin nach Erkenntnissen der Bundesregierung zu Ausmaß und Urhebern des Korruptionsskandals in dem osteuropäischen Land, bei dem knapp eine Milliarde Euro öffentlicher Gelder veruntreut worden sein sollen sowie zu ihren Erkenntnissen über den "Aufstieg des Oligarchen Vladimir Plahotniuc zur politisch und wirtschaftlich mutmaßlich mächtigsten Person der Republik Moldau". Gefragt wird in diesem Zusammenhang auch nach der Umsetzung der im EU-Assoziierungsabkommen vereinbarten Reformen des Justizsystems. Darüber hinaus thematisieren die Abgeordneten den Fall des ehemaligen Abgeordneten Grigore Pentrenco, der sich nach friedlichem Protest vor dem Sitz der Staatsanwaltschaft seit September 2015 in Untersuchungshaft befinde und aus Sicht der Fragesteller als politischer Gefangener zu betrachten sei.

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4. Einreisesperren in Ägypten

Auswärtiges/Kleine Anfrage

Berlin: (hib/AHE) Ein- und Ausreisesperren gegen politische Aktivisten in Ägypten thematisiert die Fraktion Die Linke in einer Kleinen Anfrage (18/7511). Die Abgeordneten erkundigen sich unter anderem nach dem Fall des ägyptischstämmigen deutschen Staatsbürgers und Wissenschaftlers Atef Botros, der zu den Aufständen des "Arabischen Frühlings" forsche und nun bei der Einreise am Flughafen Kairo zurückgewiesen worden sei. Gefragt wird unter anderem auch danach, wie die Bundesregierung angesichts solcher Fälle ihre Unterstützung der ägyptischen Regierung bei der Reorganisation des Sicherheitsapparates beurteilt.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 106 - 22. Februar 2016 - 17.47 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 24. Februar 2016

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