Schattenblick → INFOPOOL → PARLAMENT → FAKTEN


BUNDESTAG/5473: Heute im Bundestag Nr. 673 - 17.12.2015


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 673
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Donnerstag, 17. Dezember 2015, Redaktionsschluss: 15.52 Uhr

1. Avramopoulos im Innenausschuss
2. Zeuge berichtet über Selektorenprüfung
3. Linke fordert Reform der Patientenberatung
4. Grüne wollen Krisenprävention verstärken
5. Tagung der Ostseeparlamentarier
6. Kein Direktzugang zur Physiotherapie


1. Avramopoulos im Innenausschuss

Inneres/Ausschuss

Berlin: (hib/STO) Der Innenausschuss hat am Donnerstag mit dem EU-Kommissar für Migration, Inneres und Bürgerschaft, Dimitris Avramopoulos, über die europäische Flüchtlingspolitik beraten. Avramopoulos unterrichtete die Abgeordneten über die jüngsten Vorstöße der Europäischen Kommission etwa zur Einrichtung neuer Grenzkontrolleinheiten. Um die Freizügigkeit in der EU zu erhalten, müsse man die Außengrenzen besser schützen.

Er verwies darauf, dass Herausforderungen wie der Flüchtlingszuzug oder terroristische Bedrohungen kein Land alleine bewältigen könne. Vielmehr müsse man zusammenstehen, um koordinierte Ansätze zur Bewältigung dieser Herausforderungen zu finden. Zugleich mahnte er unter anderem Fortschritte bei der Umverteilung von Flüchtlingen an und plädierte für einen besseren Informationsaustausch der EU-Staaten bei der Terrorbekämpfung.

Die CDU/CSU-Fraktion beklagte ein Versagen in der Europäische Union bei der Bewältigung der Flüchtlingskrise und verwies auf Mängel in EU-Mitgliedsstaaten bei der Umsetzung von Lösungsinitiativen. So seien etwa von geplant 160.000 Flüchtlingen noch keine 1.000 in der EU verteilt worden.

Die SPD-Fraktion thematisierte ebenfalls Umsetzungsprobleme bei der europäischen Bewältigung der Flüchtlingskrise. Sie verwies darauf, dass die Bevölkerung in Deutschland hier nach Fortschritten frage. Zugleich erkundigte sie sich, in welche Richtung die anstehende Reform des sogenannten Dublin-Verfahrens im Asylrecht gehen soll.

Die Fraktion Die Linke fragte, wie in den sogenannten Hot Spots für Flüchtlinge in Griechenland und Italien menschenwürdige Aufnahmekapazitäten sichergestellt werden sollen. Auch wollte sie unter anderem wissen, wie dort für faire Verfahren gesorgt werde.

Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ging gleichfalls auf die Ausgestaltung der Hot Spots ein. Da die betroffenen Menschen dort bis zur Weiterverteilung bleiben sollten, bräuchten diese Hot Spots eine gewisse Infrastruktur. Davon sei jedoch auf der Insel Lesbos nichts zu sehen.

*

2. Zeuge berichtet über Selektorenprüfung

1. Untersuchungsausschuss (NSA)/Ausschuss

Berlin: (hib/wid) Ein Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes (BND) hat am Donnerstag dem 1. Untersuchungsausschuss (NSA) erneut die Vorgänge geschildert, die im Spätsommer 2013 zu der Entdeckung führten, dass die amerikanische National Security Agency (NSA) in der gemeinsam betriebenen Abhöranlage in Bad Aibling politisch fragwürdige Suchmerkmale eingespeist hatte. Nach den Enthüllungen des früheren NSA-Mitarbeiters Edward Snowden über die Aktivitäten von US-Diensten in Deutschland seien deren Kollegen in Pullach hellhörig geworden, sagte der Zeuge H.K. Der ausgebildete Luft- und Raumfahrtingenieur ist seit 1985 beim BND, seit 2003 als Referatsleiter in der Abteilung T2. Zu seinen Untergebenen zählte Dr. T., der im August 2013 den Auftrag erhalten hatte, den Bestand der in Bad Aibling genutzten NSA-Selektoren kritisch durchzusehen.

Der Zeuge erinnerte sich, wie damals Dr. T. zu ihm gekommen sei und gesagt habe: "Hier läuft was schief." Er habe sich mit dem Problem aber nicht weiter befasst, sagte H.K., sondern T. an den Unterabteilungsleiter D.B. verwiesen, der den Prüfauftrag erteilt hatte. Zu der Frage, wie D.B. auf die Idee gekommen sei, den Selektorenbestand unter die Lupe nehmen zu lassen, sagte der Zeuge: "Manchmal hört der D.B. das Gras wachsen." Der Mann habe ein "feines Gespür, wie sich Dinge entwickeln können". Nachdem im Sommer 2013 die Medien wochenlang über Snowdens Enthüllungen berichtet hatten, habe D.B. offenbar geahnt, "dass sich das ein bisschen exotisch entwickelt". Schließlich lagen jetzt Verdachtsmomente vor. "Ich denke schon, dass er die Befürchtung gehabt hat, das die NSA nicht unbedingt uns alles im Vorfeld gesagt hat."

Dabei sei es zunächst nur um die Frage gegangen, ob unter den von der NSA gelieferten Suchmerkmalen Selektoren "mit einem gewissen Deutschland-Bezug" waren, "die wir unter Umständen einfach nicht erkannt hatten", vermutete der Zeuge. Im Laufe der Untersuchung kamen dann annähernd 40.000 NSA-Selektoren zutage, die zur Ausspähung von Zielen in befreundeten Ländern und Mitgliedsstaaten der Europäischen Union geeignet waren. Festgestellt wurde auch, dass der Bestand zu einem Prozent Selektoren umfasste, die für den BND technisch unlesbar waren. Dies sei bei keiner der vorherigen Routineüberprüfungen aufgefallen.

Der Zeuge schloss aus, dass bereits damals im August 2013 die 3.300 BND-eigenen Selektoren entdeckt wurden, die ebenfalls zur Ausspähung europäischer Ziele geeignet waren und später deaktiviert und in einer eigenen "Ablehnungsliste" zusammengefasst wurden. Von diesem Fund unterrichtete der BND-Präsident das Kanzleramt erst Ende Oktober 2013, wie das Parlamentarische Kontrollgremium (PKGr) in dieser Woche feststellte. Der Auftrag an Dr. T. habe sich allein auf NSA-Selektoren bezogen. Ein Vermischung von Selektoren eigener und fremder Herkunft erklärte der Zeuge für unwahrscheinlich: "Es gibt keine Migration von fremden Selektoren in unsere Datenbank. Das geht nicht so ohne weiteres. Wir wollen ja nicht unsere Datenbank versauen."

Selbstverständlich gebe es Parallelen zwischen Suchmerkmalen von BND und NSA, weil die Aufklärungsinteressen beider Dienste in vielen Bereichen identisch seien. Es könne deshalb auch vorkommen, dass ein Nachrichtenbearbeiter beim BND einen interessanten Selektor eines anderen Dienstes in den eigenen Bestand übernehme. Dies geschehe aber in keinem Fall automatisch, betonte der Zeuge.

*

3. Linke fordert Reform der Patientenberatung

Gesundheit/Antrag

Berlin: (hib/PK) Mit der Auftragsvergabe der Unabhängigen Patientenberatung an die Firma Sanvartis werden nach Ansicht der Fraktion Die Linke bewährte Strukturen ohne Not zerschlagen. In einem Antrag (18/7042) fordern die Abgeordneten nun eine grundlegende Reform der Strukturen.

Die bisherige Beratungsqualität habe bundeseinheitlich auf sehr hohem Niveau gelegen, getragen von unabhängigen, gemeinnützigen und patientennahen Organisationen wie Sozialverbänden, Verbraucherzentralen und Patientenstellen. Mit Wirkung zum 1. Januar 2016 sei dem gemeinnützigen Trägerverbund der Unabhängigen Patientenberatung Deutschland (UPD) das Projekt entzogen und dem Callcenter-Unternehmen Sanvartis übertragen worden.

Die Firma übernehme derzeit die Kundenkommunikation im Auftrag vieler Krankenkassen, Ärzteverbände und Pharmaunternehmen. Die Krankenkassen seien aber nicht nur Geldgeber, sondern häufig auch Gegenstand von Beratungen und Beschwerden der Versicherten. Hier stehe die unabhängige Patientenberatung infrage.

Die Linke fordert in ihrem Antrag eine dauerhafte Finanzierung der unabhängigen Patientenberatung und eine Abkehr von dem Verfahren, alle sieben Jahre die Fördersumme neu zu vergeben. Die Patientenberatung sollte zudem nicht aus Versicherten-, sondern auch Steuergeldern finanziert werden. Der Beirat müsse zu einem unabhängigen Gremium von Wissenschaftlern umgestaltet werden.

Mit der Beratung sollten künftig Organisationen beauftragt werden, die mit institutioneller Patientenberatung befasst seien. Die Linke fordert außerdem, ein neues Amt des Patientenbeauftragten des Bundestages einzurichten und dafür die Funktion des Patientenbeauftragten der Bundesregierung abzuschaffen.

Seit 2006 erbringt die UPD an 21 regionalen Stationen in Deutschland den kostenlosen Beratungsservice. Das Angebot wird so intensiv genutzt, dass die Regierung unlängst eine Ausweitung der Leistung beschlossen hat. Die Förderphase wurde gesetzlich von fünf auf sieben Jahre verlängert, die Fördermittel von 5,2 auf neun Millionen Euro jährlich erhöht. Die aktuelle Förderphase endet am 31. Dezember 2015.

Die Fachleute der UPD beraten Bürger in rechtlichen, medizinischen und psychosozialen Gesundheitsfragen. Thematische Schwerpunkte sind unter anderem Patientenrechte, Behandlungsfehler, psychische Erkrankungen und Leistungen von Kostenträgern. In den vergangenen Jahren war die UPD aufgrund der großen Nachfrage an ihre Kapazitätsgrenzen gestoßen.

*

4. Grüne wollen Krisenprävention verstärken

Auswärtiges/Antrag

Berlin: (hib/JOH) Die Faktion Bündnis 90/Die Grünen fordert die Bundesregierung in einem Antrag (18/7046) auf, ihre diplomatischen Anstrengungen sowie die zivile Krisenprävention zu verstärken, um aktuelle Krisen beizulegen. So sollten Rüstungsexporte in Krisengebiete und an Staaten mit einer "hoch problematischen Menschenrechtslage" gestoppt und ein Wechsel zu einem fairen Handel mit Entwicklungsländern eingeleitet werden. Außerdem will die Fraktion regionale Friedensansätze unter Einbeziehung der Zivilgesellschaft stärken, etwa in Syrien, Afghanistan, im Irak oder in Libyen. Die Bundesregierung, betonen die Abgeordneten, sollten sich im Rahmen der Vereinten Nationen "vehement" für politische Lösungen einsetzen beziehungsweise laufende Verhandlungsprozesse konsequent und mit Nachdruck unterstützen.

Nach Ansicht der Grünen erlebe die Welt derzeit eine "Tragödie historischen Ausmaßes". Mehr als 60 Millionen Menschen seien weltweit durch Krieg, Verfolgung, die Klimakrise und existenzielle Not gezwungen, ihre Heimat zu verlassen. Um die sich daraus ergebenden Herausforderungen zu bewältigen, brauche es "eine große humanitäre und politische Anstrengung", betont die Fraktion. Für zentral hält sie zum einen, die in Deutschland und der EU Ankommenden besser zu registrieren, zu versorgen und zu integrieren. Diese Maßnahmen müssen jedoch durch langfristige Strategien und Projekte ergänzt werden, deren Ziel es sein müsse, die Perspektivlosigkeit der Menschen in ihren Heimatregionen abzumildern.

Die Fraktion verweist darauf, dass die Hilfsbedarfe der Vereinten Nationen (UN) in den meisten Krisenregionen nach wie vor nur zu knapp 49 Prozent gegenfinanziert seien. seien. Sie kritisiert die Bundesregierung scharf dafür, die Grundbeiträge für die UN nicht ausreichend erhöht und somit nicht für eine langfristige Planbarkeit gesorgt zu haben.

*

5. Tagung der Ostseeparlamentarier

Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung/Unterrichtung

Berlin: (hib/JOH) Die Ergebnisse der 24. Ostseeparlamentarierkonferenz vom 30. August bis zum 1. September 2015 in Rostock-Warnemünde stehen im Zentrum einer Unterrichtung (18/7033) durch die sechsköpfige Delegation des Bundestages. Darin heißt es, die Repräsentanten der Ostsee-Anrainerstaaten hätten sich auf eine verstärkte Zusammenarbeit in der Region verständigt. So solle unter anderem die grenzüberschreitende Kooperation im Bereich des Sozial- und Gesundheitswesens ausgeweitet und vertieft werden.

*

6. Kein Direktzugang zur Physiotherapie

Gesundheit/Antwort

Berlin: (hib/PK) Die Bundesregierung lehnt einen Direktzugang von Patienten zur Physiotherapie in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) ab. Vor einer Therapie müsse eine qualifizierte Diagnostik stehen. Die dafür erforderlichen medizinischen Kenntnisse und Fähigkeiten seien in Deutschland nicht Teil der Ausbildung von Physiotherapeuten, schreibt die Regierung in ihrer Antwort (18/6974) auf eine Kleine Anfrage (18/6794) der Fraktion Die Linke.

Mit der Vorgabe, dass in Deutschland Heilmittel nur auf ärztliche Verordnung abgegeben werden dürfen, sollen Gesundheitsgefahren für die Patienten ausgeschlossen werden. Ferner diene der Arztvorbehalt auch der nötigen Mengensteuerung, denn Vertragsärzte unterlägen unmittelbarer dem Wirtschaftlichkeitsgebot der GKV als die Heilmittelerbringer. Die Ärzte sorgten dafür, dass es nur in solchen Fällen zu Behandlungen komme, in denen dies medizinisch notwendig sei.

In anderen Ländern seien Direktzugänge zu Physiotherapeuten möglich, dies habe mit einem anderen Verständnis des Berufes und einer unterschiedlichen Ausbildung zu tun. In den meisten Ländern sei überdies der Direktzugang nur für Selbstzahler oder über Privatversicherungen möglich.

Nach einer Studie der physiotherapeutischen Berufsverbände (WCPT) bestehe zwar in zwölf der 28 EU-Mitgliedstaaten die Möglichkeit des Direktzugangs. Aber nur in vier Staaten gelte dies auch für physiotherapeutische Behandlungen, die über die Sozialversicherung beziehungsweise öffentlich finanziert würden. Dabei seien die Leistungen auch stark eingeschränkt.

*

Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 673 - 17. Dezember 2015 - 15.52 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
PuK 2 - Parlamentskorrespondenz
Platz der Republik 1, 11011 Berlin
Telefon: +49 30 227-35642, Telefax: +49 30 227-36191
E-Mail: mail@bundestag.de
Internet: www.bundestag.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 19. Dezember 2015

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang