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BUNDESTAG/5469: Heute im Bundestag Nr. 669 - 16.12.2015


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 669
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Mittwoch, 16. Dezember 2015, Redaktionsschluss: 18.08 Uhr

1. WM 2006: Geldflüsse weiter ungeklärt
2. Tourismuschancen durch Klimawandel
3. Mehr Krankengeldausgaben kein Drama


1. WM 2006: Geldflüsse weiter ungeklärt

Sport/Ausschuss

Berlin: (hib/HAU) Weder der ehemalige Bundesinnenminister Otto Schily noch sein damaliger Staatssekretär Göttrick Wewer können zur Aufklärung über die Zweckbindung einer Zahlung in Höhe von 6,7 Millionen Euro durch das Organisationskomitee (OK) der Fußball-WM 2006 an den Weltfußballverband (Fifa) beitragen. Das ist das Ergebnis einer Sitzung des Sportausschusses am Mittwochnachmittag. Dem OK-Aufsichtsrat, dem beide Politiker zum Zeitpunkt der Zahlung im Jahr 2005 angehörten, sei verschwiegen worden, dass die Zahlung nicht als Zuschuss für die später abgesagte Eröffnungsgala der WM geplant gewesen sei, wie ursprünglich seitens des OK gegenüber dem Aufsichtsrat erklärt wurde, sagten Schily und Wewer übereinstimmend aus.

Der ehemalige Bundesinnenminister verwies auf ein mit der Fifa vereinbartes Memorandum, wonach alle Kosten für die vom Künstler Andre Heller konzipierte Gala durch die Fifa getragen werden sollten. Das OK habe jedoch im Mai 2005 den Aufsichtsrat darüber informiert, dass infolge von nicht geplanten Kostensteigerungen die Fifa einen Zuschuss des Deutschen Fußballbundes (DFB) in Höhe von 7 Millionen Euro erwarte. Dieser sei aus in anderen Bereichen eingesparten Geldern in Höhe von 12 Millionen Euro gezahlt worden und habe insofern lediglich "eine Umschichtung im Budget dargestellt", sagte der ehemalige Innen-Staatssekretär. Dies habe er seinerzeit "nicht gerade begeistert" zur Kenntnis genommen. Als sonderlich habe er die Zahlung nicht empfunden, so Wewer. Schließlich sei zwischen Fifa und DFB zum Abschluss der WM eine Teilung des Profits vereinbart worden.

Dass die Fifa die Eröffnungsgala mit Verweis auf die Gefahr für die Qualität des Rasens im Berliner Olympiastadion später abgesagt hat, ohne Rücksprache mit dem DFB oder der Bundesregierung zu nehmen, deren ursprüngliche Idee die Gala war, habe ihn empört, sagte Schily. Von den Abgeordneten gefragt, warum sich der Aufsichtsrat nicht dafür interessiert habe, was mit dem eigentlich für die nun abgesagte Gala geplanten Geld passiert ist, sagte er, man sei davon ausgegangen, dass eine Verrechnung zwischen DFB und Fifa stattgefunden hat.

Die zuletzt durch Medien verbreitete Aussage des damaligen OK-Chefs Franz Beckenbauer, wonach die 6,7 Millionen Euro eine Art Vorauszahlung auf eine spätere Finanzspritze der Fifa in Höhe von 170 Millionen Euro gewesen sei, vermochten die beiden Politiker nicht zu stützen. Dies sei im Aufsichtsrat nie zur Sprache gekommen, sagte Schily. Er wisse nichts über ein solches Vorgehen, bestätigte Wewer.

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2. Tourismuschancen durch Klimawandel

Tourismus/Ausschuss

Berlin: (hib/wid) Wird Stralsund das neue Antalya, Ostholstein die neue Costa del Sol? Oder bleiben bei steigendem Meeresspiegel an Deutschlands Nord- und Ostsee womöglich keine Strände mehr übrig, um Urlauber zu locken? Auf solche Fragen konnte kommen, wer am Mittwoch im Tourismusausschuss den Ausführungen Professor Gerhard Adrian zuhörte. Der habilitierte Meteorologe ist seit fünf Jahren Präsident des Deutschen Wetterdienstes und berichtete in der 43. Sitzung des Ausschusses, der letzten dieses Jahres, über "Auswirkungen des Klimawandels auf den Tourismus in Deutschland".

Dabei lautete einer seiner Hinweise, die Fremdenverkehrswirtschaft könne damit rechnen, dass im Sommer die Touristenströme statt in den Mittelmeerraum, wo es dann zu heiß sei, eher in Regionen nördlich der Alpen und an die Meere Nordeuropas fließen werden. Aus dem Ausschuss war dazu die Bemerkung zu hören, bereits vor zwei Jahren sei die Rede davon gewesen, dass Reisekonzerne, weil sie mit einer solchen Entwicklung rechnen, sich bereits attraktive Strandgrundstücke in den baltischen Ländern sichern. Der Klimawandel, sagte Adrian, berge für den Fremdenverkehr sowohl Risiken als auch Chancen. Es werde zu Entwicklungen kommen, die "teilweise positiv, teilweise von manchen auch negativ empfunden werden".

Durch den Anstieg des Meeresspiegels sei an den Küsten mit beschleunigten Landverlusten, der "Erosion von Stränden", heftigeren und häufigeren Regenfällen sowie Überschwemmungen zu rechnen. Zu erwarten sei, dass in den den nächsten Jahrzehnten der durchschnittliche Wasserstand sich um etwa 20 Zentimeter erhöhe. Das sei auf den ersten Blick nicht viel, meinte Adrian, das eigentliche Problem sei aber die zunehmende Frequenz extremer Wetterereignisse wie Sturmfluten. In Küstengebieten sei auch damit zu rechnen, dass der Salzanteil am Grundwasser zunehme, zumal im Sommer, wenn der Grundwasserspiegel niedriger und der Druck des Meerwassers entsprechend stärker sei. In den Niederlanden sei dieses Phänomen bereits jetzt zu beobachten.

In den Mittelgebirgen des Binnenlandes seien trockenere Sommer, oftmals regelrechte Dürren, zu erwarten, sagte Adrian. Im Jahresdurchschnitt werde sich die Niederschlagsmenge voraussichtlich nicht wesentlich verändern, wohl aber anders verteilen. Es werde mehr Regen im Winter,dafür weniger im Sommer fallen. Auf sinkende Touristenzahlen in den Sommermonaten müssten sich womöglich die Städte einstellen, wo es dann wie heute bereits im Mittelmeerraum für Urlauber zu heiß werde. Generell sei mit einer Veränderung der biologischen Vielfalt, des Spektrums der hier lebenden Tier- und Pflanzenarten, zu rechnen. Auch dies könne für Urlauber unangenehme Folgen haben, wenn etwa an den Küsten der Algenwuchs oder die Quallenpopulation explodiere, oder in den Mittelgebirgen verstärkt Zecken und aggressive Stechmücken auftreten. In manchen Gegenden, etwa am Oberrhein, sei deswegen sogar die Rückkehr der Malaria nach Deutschland zu befürchten.

Schlecht sind in Zeiten des Klimawandels die Aussichten vor allem für den Wintersport im Hochgebirge. Nach Adrians Worten sind von 650 Skigebieten in den Alpen 500 in ihrem Bestand bedroht. Vor allem in Höhenlagen bis zu 1500 Metern so künftig nicht mehr mit zuverlässigem Schneefall zu rechnen, auch im Bereich bis zu 2000 Metern könnte es kritisch werden. Vielerorts werde nicht einmal mehr der Einsatz von Schneekanonen Abhilfe schaffen. Aus dem Ausschuss wurde die Frage laut, ob es angesichts dessen noch sinnvoll sei, Steuermittel in die Förderung von Wintersportgebieten zu investieren.

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3. Mehr Krankengeldausgaben kein Drama

Gesundheit/Unterrichtung

Berlin: (hib/PK) Die seit 2006 stark gestiegenen Krankengeldausgaben sind laut einem Expertengutachten "keine dramatische budgetäre Entwicklung". So hätten positive Beschäftigungseffekte und steigende Erwerbseinkommen zu den höheren Ausgaben beigetragen, heißt es in einem Sondergutachten 2015 des Sachverständigenrates zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen.

Ohne solche "exogenen Einflussgrößen" würde sich "die Wachstumsrate der Ausgaben für das Krankengeld zwischen 2006 und 2014 ungefähr halbieren", schreiben die Experten in ihrer fast 280 Seiten umfassenden Analyse, wie aus der Unterrichtung der Bundesregierung (18/7019) an den Bundestag hervorgeht.

Nach Angaben der Experten sind die Ausgaben für Krankengeld und Kinderkrankengeld seit 2006 mit einer durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate von 8,1 Prozent gestiegen, von 5,7 Milliarden Euro auf den bisherigen Höchststand von 10,6 Milliarden Euro. Damit sei der bisherige Höchstwert in Höhe von 9,4 Milliarden Euro aus dem Jahr 1995 überschritten worden. Der Anteil an den Leistungsausgaben der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) stieg im Zeitraum zwischen 2006 und 2014 von 4,1 auf 5,5 Prozent.

Der Sachverständigenrat kommt in seiner Expertise zu dem Schluss, dass den politischen Entscheidungsträgern ein "beachtlicher Handlungsspielraum" verbleibe, "um einem vermeidbaren Anstieg der Ausgaben für Krankengeld künftig mit geeigneten Maßnahmen entgegenzuwirken". Dabei komme der "wirkungsvollen Prävention arbeitsplatzbedingter Krankheiten" sowie einem verbesserten Zugang zu adäquaten Therapieangeboten eine zentrale Rolle zu. Zudem könnten "Fehlanreize bei der Inanspruchnahme von Krankengeld" beseitigt werden. Hier gelte es, Regelungen aus anderen Sozialversicherungszweigen kritisch zu überprüfen.

Zu den 13 konkreten Empfehlungen der Experten gehört an erster Stelle die Teilkrankschreibung nach schwedischem Vorbild. So sollte es auch in Deutschland möglich sein, "die im Rahmen einer Krankschreibung festgestellte Arbeitsunfähigkeit prozentual zu differenzieren". Vorgeschlagen wird eine Einstufung von 100, 75, 50 oder 25 Prozent. Die Höhe des Krankengeldes würde dann analog dazu berechnet. Die "graduelle Arbeitsunfähigkeit" sollte nach den Vorstellungen der Gesundheitsfachleute "im Konsens mit dem Betroffenen ärztlich festgestellt und bei einer Veränderung des Gesundheitszustands angepasst werden".

In den Empfehlungen heißt es weiter, psychische Erkrankungen seien der zweithäufigste Grund für Arbeitsunfähigkeit in Deutschland. Wegen der längeren Wartezeiten auf einen Therapieplatz sei eine Weiterentwicklung der Bedarfsplanung sinnvoll.

Krankengeld wird in Deutschland von den Krankenkassen gezahlt, wenn Arbeitnehmer länger als sechs Wochen arbeitsunfähig sind. Bis dahin greift die von den Arbeitgebern zu tragende Lohnfortzahlung. Das Krankengeld deckt 70 Prozent des Bruttolohns, ist aber auf einen Höchstbetrag pro Tag gedeckelt und wird für maximal 78 Wochen innerhalb von drei Jahren gezahlt.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 669 - 16. Dezember 2015 - 18.08 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 19. Dezember 2015

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