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BUNDESTAG/5141: Heute im Bundestag Nr. 342 - 01.07.2015


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 342
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Mittwoch, 01. Juli 2015, Redaktionsschluss: 12.24 Uhr

1. Zwangsrente bei Hartz IV bleibt vorerst
2. Ja zu neuen Regeln für Elektroschrott
3. Initiative für Radargeschädigte
4. Bekenntnis zum dualen System


1. Zwangsrente bei Hartz IV bleibt vorerst

Arbeit und Soziales/Bericht

Berlin: (hib/CHE) Die Fraktion Die Linke ist mit ihrem Vorstoß gescheitert, Zwangsverrentungen bei älteren Empfängern von Hartz-IV-Leistungen abzuschaffen. Einen entsprechenden Antrag (18/589) lehnte der Ausschuss für Arbeit und Soziales am Mittwochvormittag mit Koalitionsmehrheit ab. Neben den Linken stimmten auch Bündnis 90/Die Grünen für die Vorlage.

In ihrem Antrag hatte die Linke einen Gesetzentwurf gefordert, der die im Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) enthaltene Verpflichtung, einen vorzeitigen Rentenantrag zu stellen, aufhebt. Auch sollten die Jobcenter keine Berechtigung mehr haben, unabhängig vom Willen der Betroffenen für diese einen Rentenantrag zu stellen.

Die Linke verwies auf eine Anhörung zu dem Thema im Dezember vergangenen Jahres, in der es ihrer Ansicht nach eine breite Koalition gegen diese zwangsweise Frühverrentung gegeben habe. Es sei eine "vertane Chance", dass die Koalition seitdem nichts unternommen habe und damit weiter eine der größten Problemgruppen, die älteren Langzeitarbeitslosen, benachteiligt werde, so die Linke.

Die SPD-Fraktion bekräftigte, dass es in diesem Zusammenhang eine Gerechtigkeitslücke im SGB II gebe. Es mache jedoch keinen Sinn, dieses Thema aus dem Gesamtkonzept zu flexibleren Rentenübergängen herauszulösen. Man dürfe aber vom Prinzip der Nachrangigkeit nicht abrücken. Eine Weiterentwicklung der sogenannten Unbilligkeitsverordnung könne eine Möglichkeit für Verbesserungen sein, so die SPD. Diese Verordnung legt fest, wann es einem Bezieher von Arbeitslosengeld II nicht zuzumuten ist, einen Rentenantrag zu stellen.

Die Grünen betonten, die bisherige Praxis sei ein eklatanter Verstoß gegen das Selbstbestimmungsrecht der Menschen. Auch sollte man das Thema nicht mit dem Komplex der Flexi-Rente vermengen, sondern einfach ein schlankes Gesetz dazu machen.

Die CDU/CSU-Fraktion verwies auf den ordnungspolitischen Faktor, den man nicht ignorieren dürfe. Eine einfache Abschaffung der Zwangsrente würde das System der Nachrangigkeit auf den Kopf stellen. Die Fraktion plädierte dafür, zunächst die Ergebnisse der Arbeitsgruppe Flexi-Rente abzuwarten und betonte, dass es sich bei dem Problem um kein Massenphänomen handele.

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2. Ja zu neuen Regeln für Elektroschrott

Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit/Bericht

Berlin: (hib/JOH) Der Umweltausschuss hat am Mittwochmorgen einem Gesetzentwurf der Bundesregierung (18/4901) zugestimmt, mit dem die Rücknahme und umweltverträgliche Entsorgung von Elektro- und Elektronikgeräten neu geregelt werden soll. Für die Novelle des Elektronikgerätegesetzes (ElektroG) votierten die Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD, dagegen die Oppositionsfraktionen Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke. Über den Entwurf entscheidet der Bundestag abschließend am Donnerstagnachmittag.

Durch die Neuregelung sollen große Händler mit einer Elektroverkaufsfläche ab 400 Quadratmetern verpflichtet werden, Altgeräte beim Neukauf eines gleichwertigen Gerätes zurückzunehmen. Kleinere Geräte sollen die großen Händler auch ohne den Kauf eines entsprechenden Neugerätes zurücknehmen müssen. Die Bundesregierung hofft dadurch, ab 2016 45 Prozent und ab 2019 65 Prozent der Altgeräte erfassen zu können, wertvolle Metalle zurückzugewinnen und eine umweltgerechte Entsorgung der Reststoffe zu ermöglichen. Auch soll die illegale Verbringung von Elektro- und Elektronik-Altgeräten ins Ausland eingedämmt werden.

Ein Vertreter der Unionsfraktion bezeichnete das Gesetz als eines der wichtigsten Vorhaben im Bereich der Abfallwirtschaft in der laufenden Legilaturperiode. Damit setze Deutschland nicht nur entsprechende EU-Vorgaben um, sondern auch einen zentralen Punkt im Koalitionsvertrag. Ziel sei es, Wertstoffkreisläufe besser zu schließen und aus Abfällen wieder vermehrt Wertstoffe zu machen. Der Internethandel würde in die Rücknahmeverpflichtung ausdrücklich einbezogen. Beim Export von Elektrogeräten in Länder außerhalb der Europäischen Union müssse zudem in Zukunft nachgewiesen werden, dass diese noch funktionieren. Damit soll verhindert werden, dass Elektroschrott auf Halden in Afrika und anderswo lande, sagte der Unionsabgeordnete.

Ein Vertreter der SPD-Fraktion zeigte sich zuversichtlich, dass sich die Rücknahmepflicht aus Wettbewerbsgründen beim Handel insgesamt durchsetzen werde, auch wenn das Gesetz nur eine Rücknahmepflicht für große Händler vorsehe. Neben der Entsorgung müsse aber in Zukunft auch stärker die Wiederverwendbarkeit von Geräten gefördert werden. Geräte sollten so gestaltet werden, dass Nutzer defekte Batterien und Akkus selbst austauschen können, forderte der Abgeordnete. Wichtig sei dabei aber, dass bei elektronischen Speichergeräten wie Mobiltelefonen und Computern der Datenschutz eingehalten und das sichere Löschen der Daten garantiert werde.

Auch die Linksfraktion betonte die Bedeutung der Wiederverwendbarkeit und Abfallvermeidung. Aus ihrer Sicht fördert der Gesetzentwurf dies aber viel zu wenig. So fehlten Vorgaben zu Nutzungszeiten und Regelungen für den Neuverbrauch von Ressourcen. Dieser müsse "extrem belastet" werden, forderte ein Linken-Vertreter. Er warf der Bundesregierung zudem vor, die Kosten für die Entsorgung der Altgeräte den Kommunen und Gebührenzahlern aufzubürden.

Auch die Grünen vertraten im Ausschuss die Ansicht, dass die Gesetzesnovelle eine längere Nutzungsdauer und die spätere Wiederverwendung von Geräten eher verhindert als fördert. So sei nicht vorgesehen, funktionierende Geräte von defekten zu separieren. Auch das Problem verbauter Batterien oder Akkus werde nicht gelöst. Die Grünen forderten darüber hinaus, als Basis für die Rücknahmepflicht des Handels die Gesamtverkaufsfläche zu nehmen und nicht nur die Elektroverkaufsfläche. Die Bürger sollten mehr Anlaufpunkte haben für die Rücknahme der Geräte, betonten sie.

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3. Initiative für Radargeschädigte

Petitionsausschuss/Anhörung

Berlin: (hib/HAU) Der Petitionsausschuss spricht sich für eine Gleichbehandlung bei der Bearbeitung sogenannter Radarfälle nach dem Soldatenversorgungsgesetz aus. In der Sitzung am Mittwoch beschlossen die Abgeordneten daher einstimmig, eine dahingehende Petition dem Bundesministerium der Verteidigung "zur Erwägung" zu überweisen.

In der Petition wird die Ungleichbehandlung von Angehörigen der Bundeswehr sowie der Nationalen Volksarmee (NVA) im Zusammenhang mit der Versorgung ehemaliger Beschäftigter an Radargeräten kritisiert. So würde die Anwendung der Beweiserleichterungskriterien des Berichts der Radarkommission vom 2. Juli 2003 nur für Soldaten gelten, die an malignen Tumoren oder einer Katarakt erkrankt seien. Die Anwendung gelte jedoch nicht für jene, die unter anderen strahlenbedingten Gesundheitsstörungen leiden würden. "Hierin liegt ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz im Sinne des Artikels 3 Grundgesetz vor", heißt es in der Petition. Durch diese Vorgehensweise sei schließlich dem Teil der Bezugspersonengruppe, der nicht an Krebs, sondern zweifelsfrei an anderen strahlenbedingten Gesundheitsstörungen schwer leiden würde, durch unzulässige Ungleichbehandlung eine solche begünstigende Beweiserleichterung "ohne eine nachvollziehbare Rechtfertigung seit dem Jahr 2003 strikt verweigert". Dieser Personenkreis werde unangemessen benachteiligt, obwohl auch er, genauso wie der bislang begünstigte Teil, an toxischen Radargeräten der Bundeswehr oder der NVA seinen Dienst an den gleichen technischen Radaranlagen erbracht habe.

Wie aus der Begründung zur Beschlussempfehlung des Ausschusses hervorgeht, hat die Radarkommission seinerzeit festgelegt, dass Antragsteller an einer sogenannten qualifizierenden Gesundheitsstörung erkrankt sein müssen, um eine begünstigende Beweiserleichterung gewährt zu bekommen. Als qualifizierende Krankheiten auf Grund ionisierender Strahlung habe die Kommission ausschließlich Katarakte und maligne Tumore empfohlen. Bei denjenigen Antragstellern, die nicht an einem malignen Tumor oder einer Katarakt, sondern an anderen Leiden erkrankt sind, werde unterstellt, dass ihre Erkrankung nicht ursächlich auf ionisierende Strahlung zurückzuführen ist. Im Wege der üblichen Sachverhaltsermittlungen müsse in solchen Fällen mittels Vollbeweis geprüft werden, welchen schädigenden Einwirkungen der Antragsteller im Hinblick auf die Entstehung der Krankheit ausgesetzt war, heißt es in der Vorlage.

Aus Sicht des Petitionsausschusses erscheint eine Ausweitung der Beweislastumkehr oder zumindest einer Beweiserleichterung auf weitere Krankheiten sinnvoll. Gerade vor dem Hintergrund der Schwierigkeiten, dass die teilweise Jahrzehnte zurückliegenden Umstände nicht mehr vollständig rekonstruiert werden könnten, gingen die derzeitigen Regelungen allein zulasten der mutmaßlich Radargeschädigten. Es sei jedoch naheliegend, dass nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft nicht allein maligne Tumore oder Katarakte durch ionisierende und nicht ionisierende Strahlung hervorgerufen werden können. "Eine Beweislastumkehr oder zumindest eine Beweiserleichterung sollte daher auch für diejenigen zur Anwendung kommen, die unter anderen strahlenbedingten Gesundheitsstörungen leiden", fordern die Abgeordneten.

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4. Bekenntnis zum dualen System

Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung/Anhörung

Berlin: (hib/ROL) Das duale System wird international und im Inland höchst unterschiedlich bewertet. Das machte Professor Friedrich Hubert Esser, Präsident des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB), vor dem Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung am Mittwochvormittag in Berlin deutlich.

International werde das duale System so hoch bewertet wie niemals zuvor. Das hänge auch mit der wirtschaftlichen Prosperität Deutschlands zusammen und der niedrigen Jugendarbeitslosigkeit im Vergleich zu anderen europäischen Ländern. Ferner werde im Ausland sehr positiv bewertet, dass der Arbeitsplatz zugleich Lernplatz sei.

In Deutschland selbst werde das System von Forschern wie Praktikern nicht mehr uneingeschränkt positiv gesehen. Im Vergleich zu vor zehn Jahren würden heute rund 100.000 Ausbildungsverträge weniger vermittelt, zugleich gebe es immer mehr offene Stellen und auf der anderen Seite rund 80.000 junge Menschen, die keinen Ausbildungsvertrag bekämen. Gerade bei kleinen Betrieben sei die Ausbildungsquote rückläufig und liege momentan bei gut 20 Prozent. Vor fünf Jahren hätten immerhin noch rund 24 Prozent der Betriebe ausgebildet.

"Das hat natürlich auch mit der zunehmenden Akademisierung der Gesellschaft zu tun", sagte Esser. Aber man solle nicht den Fehler machen, das duale System gegenüber dem Hochschulsystem auszuspielen. Vielmehr sei es wichtig, dass duale System wieder wettbewerbsfähig zu machen. Es gebe im dualen System gravierende Strukturprobleme, viele Berufsbilder würden nicht ausreichend positiv vermittelt. "Man muss junge Menschen faszinieren", so Esser. Aber es gebe natürlich auch eine andere Bewertung und Sichtweise von jungen Menschen auf ihre zukünftige Berufstätigkeit, die sich von der Sichtweise der Generation davor unterscheide. Beispielsweise würden viele junge Menschen Wert auf die Vereinbarung von Familie und Beruf legen. Das sei in einigen klassischen Handwerksberufen wie dem Bäckerhandwerk und der Lebensmittelbranche ein Problem, räumte Esser ein.

Bislang hatten Experten auch stets die problematische demographische Entwicklung in Deutschland ins Feld geführt. Angesichts der zunehmenden Flüchtlingsströme aus aller Welt würde sich dieses Problem deutlich nivellieren, analysierte Esser. "Nun ist es für die Bundesrepublik wichtig, aus Arbeitspotenzial Beschäftigungspotential zu machen."

Grundsätzlich sieht Esser auch in der Digitalisierung der Wirtschaft eine große Chance für das duale System. Dadurch würde es wieder attraktiver werden.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 342 - 1. Juli 2015 - 12.24 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 3. Juli 2015

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