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BUNDESTAG/4958: Heute im Bundestag Nr. 159 - 24.03.2015


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 159
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Dienstag, 24. März 2015, Redaktionsschluss: 09.40 Uhr

1. Zweifel an Mautzahlen
2. Agrarausschuss will Milchbauern beistehen
3. Cannabis als Medizin
4. Kontaktstelle Sinti und Roma


1. Zweifel an Mautzahlen

Haushaltsausschuss

Berlin: (hib/pst) Die Einnahmen des Bundes aus der Infrastrukturabgabe, besser bekannt als Pkw-Maut, könnten deutlich geringer ausfallen als vom Bundesministerium für Verkehr und Infrastruktur (BMVI) veranschlagt. Ein Verlustgeschäft für die öffentliche Hand droht sie gleichwohl nicht zu werden. So lässt sich das Ergebnis eines Expertengesprächs zusammenfassen, das der Haushaltsausschuss am Montagnachmittag durchführte. Wie hoch das Aufkommen tatsächlich sein dürfte, darüber gingen die Prognosen der vier Verkehrsfachleute allerdings ebenfalls auseinander. Sie erklärten dies damit, dass sich nur sehr begrenzt Aussagen darüber machen ließen, wie viele ausländische Autofahrer deutsche Autobahnen benutzen und wie viele davon Zehn-Tages-, Zwei-Monats- oder Jahresvignetten kaufen werden. Im Gegensatz zur Einnahmenseite halten die Experten die Berechnungen des Ministeriums zu den Kosten der Erhebung der Maut für einigermaßen plausibel.

Als Hauptgrund für die seines Erachtens deutlich zu hohen Einnahmeerwartungen des Verkehrsministeriums nannte Frank M. Schmid von der Firma Schmid Mobility Solutions GmbH, dass im zugrunde liegenden Datenmaterial teilweise Ein- und Ausreise von Fahrzeugen gezählt worden sei. Für die Mauterhebung bei ausländischen Autofahrern sei aber allein die Einreise maßgeblich. Wolfgang H. Schulz, Professor für Mobilität, Handel und Logistik an der Zeppelin-Universität Friedrichshafen, verwies darauf, dass es verlässliche Zahlen zur zu Geschäftsreisen mit Übernachtung, nicht zu solchen ohne Übernachtung gebe. Gleiches gelte für Privatreisen ohne Übernachtung, ergänzte sein Kollege Alexander Eisenkopf, Inhaber des Lehrstuhls für Wirtschafts- und Verkehrspolitik an der Zeppelin-Universität. Er sehe nicht, dass das Ministerium mit empirisch fundierten Zahlen gearbeitet hat, kritisierte Eisenkopf. Schulz verwies aber darauf, dass das Ministerium solche Schwächen in seinem Gutachten nicht verheimliche, sondern dort, wo die Zahlenbasis auf Schätzungen beruht, auch darauf hinweise.

Zu den von den Fachleuten genannten Unbekannten gehört auch, wie viele Autofahrer bei Einführung einer Autobahn-Maut auf andere Straßen ausweichen würden. Gutachter Schmid erwartet alles in allem, dass die Einnahmen aus der Infrastrukturabgabe durch ausländische Pkw nur halb so hoch sein werden wie vom Ministerium veranschlagt. Matthias Knobloch von ACE Auto Club Europa e.V. sieht dessen Annahmen sogar um fast den Faktor 3 zu hoch. Das Haus von Minister Alexander Dobrindt stütze sich zu 80 Prozent auf unbelegte Daten. Auf solcher Grundlage einen Systemwechsel bei der Finanzierung der Infrastruktur durchzuführen sei ein Risiko, sagte Knobloch.

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2. Agrarausschuss will Milchbauern beistehen

Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft

Berlin: (hib/EIS) Das Ende der Milchquote ist für die Milchwirtschaft in Deutschland von besonderer Brisanz. "Denn richtig zufrieden war man mit der Quote nie", sagte Alois Gerig (CDU), Vorsitzender des Ausschusses für Ernährung und Landwirtschaft, am Montagnachmittag in einer öffentlichen Anhörung über die "Instrumente für Krisenintervention und -management auf dem Milchmarkt". Deutschland zähle zu den größten Milchproduzenten in der EU, sodass die Ende März auslaufende Quotenregelung besondere Auswirkungen auf die Milchbranche haben werde. Gerig hob hervor, dass die Anhörung des Ausschusses als ein Zeichen verstanden werden soll, die Milcherzeuger bei dem Systemwechsel nicht alleine lassen zu wollen. Die Festlegung von Produktionsquoten in der Milchwirtschaft war im Jahr 1984 eingeführt worden, weil die Landwirtschaft Anfang der 1980er Jahre vor dem Problem der Überproduktion stand. Erklärtes Ziel war es, dass die Einkommen der Milcherzeuger gesichert werden. Doch "katastrophale Preistäler" seien auch durch die Quote nicht abgewendet worden, erinnerte Gerig. Mit der im vergangenen Jahr beschlossenen Reform der gemeinsamen europäischen Agrarreform (GAP) soll von diesem System abgerückt werden. Damit werde der Milchmarkt ab April ohne weitere staatliche Intervention auskommen müssen.

"Gute Preise können zum Strukturwandel führen, schlechte Preise führen in jedem Fall dazu", beschrieb Roland Schaber aus der Sicht des Bundesverbandes Deutscher Milchviehhalter (BDM) die Situation der Milchwirtschaft in Deutschland. Schaber warb dafür, dass der Einsatz von Fördermitteln zum Beispiel im Rahmen der Ausgleichszahlungen an die Landwirte differenzierter erfolgen sollte. Würde die Förderung an den erforderlichen Einsatz von Arbeitskräften gebunden werden, könnte dies personalintensiven landwirtschaftlichen Produktionsformen wie der Milchviehhaltung helfen. Auch für Ottmar Ilchmann von Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) schien klar, dass der Wegfall der Quote den Strukturwandel in der Landwirtschaft befördere, der große Betriebe dazu zwinge, weiter wachsen zu müssen. Kleinere Betriebe, die ihre Produktion an die ihnen zur Verfügung stehende Fläche binden, würden hingegen verdrängt oder es schwerer haben. Deshalb sprach sich auch Ilchmann dafür aus, dass die Verteilung von Förderzahlungen auf die ersten Hektare viel höher ausfallen müsse. Zwar würde dadurch das Prinzip "Wachsen oder weichen" nicht aufgehalten, weil es für große Betriebe notwendig bleibe, mehr Fläche zu erwerben, aber es böte durch höhere Fördermittel eine Perspektive für kleine Betriebe, die ihr Auskommen in den regionalen Märkten suchen. Ein Aspekt, den Udo Folgart vom Deutschen Bauernverband (DBV) insofern unterstützte, als eine "Aussteuerung von Benachteiligungen für Betriebe über Fördermittel aus der zweiten Säule" erfolgen könnte. Aus der sogenannten zweiten Säule werden mit Fördermitteln aus Brüssel von landwirtschaftlichen Betrieben erbrachte Umweltmaßnahmen bezahlt und ländliche Infrastruktur finanziert. Doch Folgart warnte, dass darüber hinaus nicht die bürokratischen Kosten für die Landwirte vergessen werden dürfen. Gerade die Auflagenflut zum Beispiel durch die derzeit in der Novellierung befindliche Düngemittelverordnung drohe zur großen finanziellen Last zu werden, die kleine Betriebe nicht so einfach Schult ern könnten.

In der Diskussion, ob das Ende der Milchquote zu einem konstanten Milchpreis führen werde, machte Heinrich Schmidt vom Deutschen Raiffeisenverband (DRV) wenig Hoffnung. "Die Preisschwankungen werden erhalten bleiben und auch stärker ausfallen", sagte er. Der Markt der Warentermingeschäfte, der zu mehr Verlässlichkeit führen könnte, sei derzeit noch klein, aber ein wachsendes Pflänzchen. Deshalb wolle der Raiffeisenverband Projekte anbieten, um die Erzeuger zu schulen und bei der Entwicklung des Warenterminmarktes zu helfen. Prof Dr. Holger Thiele vom Institut für Ernährungswirtschaft sah in dieser Frage die Politik in der Verantwortung: "Sie kann helfen und die Entwicklung beschleunigen, bis eine Warenterminbörse ihrer Funktion gerecht wird." Dazu müsse Know-how entwickelt und verbreitet werden. Auch der Wissenschaftler Dr. Sascha Weber vom Thünen-Institut für Marktanalyse machte sich für mehr Initiative seitens der Politik stark. Der Staat müsse nicht direkt eingreifen und die Börse in Schwung bringen, aber er könne für Aufklärung sorgen, denn das Verständnis der Erzeuger sei dafür noch nicht weit genug entwickelt. Landwirt und Molkereibetreiber Gunnar Hemme von der Molkerei Hemme bremste indes den Enthusiasmus hinsichtlich einer Warenterminbörse, denn ein langfristiger Vertrag zwischen seiner Molkerei und den Zulieferern, der für Preisstabilität sorgen könnte, wäre bei den gegebenen Marktumständen nicht durchzuhalten. Deshalb sah Hemme für seine vergleichsweise kleine Molkerei die Hauptchance in der Direktvermarktung. Großen Produzenten räumte er hingegen auch vor dem Hintergrund der Verhandlungen um diverse Freihandelsabkommen gute Absatzchancen im Export ein. Eine Möglichkeit, die auch Schmidt hervorhob, denn es könnten vor allem viele veterinärrechtliche Fragen durch solche Abkommen gelöst werden, die im Wesentlichen den Warenverkehr hemmen würden.

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3. Cannabis als Medizin

Gesundheit/Kleine Anfrage

Berlin: (hib/PK) Nach möglichen gesetzlichen Erleichterungen für den Einsatz von Cannabis als Medikament erkundigt sich in einer Kleinen Anfrage (18/4315) die Fraktion Die Linke. Die Bundesregierung habe unlängst angekündigt, die Hürden für die Nutzung von Cannabis als Medikament abzusenken. Demnach würden etwa die durch die Behandlung anfallenden Kosten von den Krankenkassen übernommen, schreiben die Abgeordneten, die nun wissen wollen, welche Intention dem Vorhaben zugrunde liegt.

So habe im Juli 2014 das Verwaltungsgericht in Köln drei schwer kranken Patienten erlaubt, Cannabis zum therapeutischen Eigenbedarf unter bestimmten Bedingungen selbst anzubauen. Das Gericht habe erklärt, der Eigenanbau sei zulässig, wenn der Patient keine Behandlungsalternative habe und Cannabis in der Apotheke unerschwinglich sei. Die hohen Kosten für solche Medikamente würden in der Regel nicht von den Krankenkassen übernommen. Die jetzt angekündigte Gesetzesänderung werde auch als "Eigenanbauverhinderungsgesetz" gewertet, weil dann die Kriterien des Gerichts für den Eigenanbau nicht mehr erfüllt wären. Die Bundesregierung habe 2010 auf die meist nur theoretische Bezugsmöglichkeit der Medikamente Dronabinol und Medizinalhanf verwiesen. Aufgrund der hohen Kosten seien die Mittel für viele Patienten real nicht zu beziehen.

Der Bundestag berät derzeit über ein Cannabiskontrollgesetz (18/4204) der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Nach Ansicht der Grünen sollte die in Deutschland verbreitete Droge legalisiert werden. Das Ziel müsse ein "strikt kontrollierter, legaler Markt für Cannabis" sein.

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4. Kontaktstelle Sinti und Roma

Inneres/Kleine Anfrage

Berlin: (hib/STO) Um die "Arbeit der nationalen Kontaktstelle Sinti und Roma im Bundesministerium des Innern" geht es in einer Kleinen Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (18/4289). Darin erkundigen sich die Abgeordneten danach, wie viele Personalstellen und Sachmittel der Nationalen Kontaktstelle für das Jahr 2015 zur Verfügung stehen. Auch wollen sie wissen, wie viele Personalstellen und Sachmittel insgesamt in Bundesbehörden für die Integration der Sinti und Roma für dieses Jahr zur Verfügung stehen. Zudem fragen sie unter anderem, welche Maßnahmen die Nationale Kontaktstelle ergreift, um Antiziganismus aktiv zu bekämpfen.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 159 - 24. März 2015 - 09.40 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 25. März 2015

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